Glarean Magazin

«Offener Brief» des «Projekte Verlages Cornelius» an die Gegner von Druck-Kosten-Zuschuss-Verlagen

Posted in Autoren, Druckkostenzuschuss-Verlage, Glarean Magazin, Literatur, News & Events, Ratgeber, Verlage by Walter Eigenmann on 9. August 2011

.

«Schluss mit der Hysterie und Intoleranz!»

.

Seit Jahrzehnten schon, eigentlich bereits seit dem 18. Jahrhundert, da sogar z.B. ein Goethe für das Veröffentlichen seiner Werke bezahlte, wird heftigst gestritten über das Für und Wider der sog. Druckkostenzuschuss-Verlage (auch Selbstzahler-Verlage, Autoren-Verlage, Dienstleistungs-Verlage, Bezahl-Verlage oder Pseudo-Verlage genannt). Gemeint sind Buch-Herstellungsfirmen, die ihre (zumeist belletristischen) Autoren zur Beteiligung an den Kosten der Erstauflage heranziehen und so das unternehmerische Risiko (in teils umfangreichem Maße) auf sie abwälzen.
Dieses Geschäft scheint mittlerweile kräftig zu florieren: allein im deutschsprachigen Europa sind flächendeckend Dutzende solcher Verlage tätig, und ihre Autoren- bzw. Kundschaft mag in die vielen Tausende gehen. Dagegen laufen, ebenfalls schon seit langem, zahlreiche Schriftsteller-Verbände und andere literarische Gruppierungen Sturm. Sie werfen derartigen Verlagen schamlose Abzocke vor, und mittlerweile kursieren sog. «Schwarze Listen», die konkret einzelne Firmen anprangern.
Jüngster Höhepunkt der längst auch mit juristischen Mitteln geführten Auseinandersetzung ist ein «Offener Brief» des Cornelius-Verlages Halle, der dieser Tage an zahlreiche journalistische und literarische Online- und-Print-Redaktionen verschickt wurde. Wir geben nachfolgend dies Schreiben ungekürzt wieder in der Hoffnung, sein Inhalt führe auch hier zu einer regen Pro-/Kontra-Diskussion (via untenstehende «Kommentar»-Funktion). Dabei danken wir allen Votanten schon jetzt für sachlichen Diskussionsstil! (Alle Verlinkungen stammen von der Redaktion – W.E. )

.

Verehrte Autoren und Autorinnen!
Verehrte Kollegen in den Verbänden, Medien und Literaturhäusern!

Das Maß für die Kampagne gegen die sogenannten Druckkostenzuschussverlage ist übervoll. Unser Brief richtet sich auch ganz konkret an die Vorstände einiger Verbände. Seit mehreren Jahren hetzen diese mit „Schwarzen Listen“ gegen Dienstleistungsverlage. Wir leben und arbeiten in einem solchen betroffenen Verlag, dem Projekte-Verlag Cornelius GmbH. Einerseits wird direkt oder auch indirekt eine Liste im Autorenforum Montsegur unterstützt, eine andere, nicht öffentliche Liste FAIRLAG sammelt Unterschriften von Autoren, Literaturhäusern und Autorenportalen gegen diese Verlage.
Zum Verständnis der „Schwarzen Liste“: Listen dieser Natur richten sich gegen Toleranz, Freiheit, Demokratie und auch den marktwirtschaftlichen Wettbewerb. Solche „Schwarze Listen“ werden fast ausschließlich von Diktaturen erstellt. Der Sinn der „Schwarzen Liste“ wendet sich ausnahmslos und vernichtend gegen die körperliche, soziale oder auch wirtschaftliche Existenz von Personen oder Einrichtungen.
Vor einigen Jahren schon versuchten verschiedene Autoren Buchveröffentlichungen eines Verlages in Frankfurt zu verhindern. Seit Jahren inszenieren diese Herren eine Hasskampagne gegen inzwischen über 60 Unternehmen im verbreitenden und herstellenden Literaturbetrieb. Hunderte „Spürnasen“, Fahnder, Gelegenheitskritiker, Möchtegern-Autoren beteiligen sich im Internet an einer weiteren Auflistung der von ihnen so genannten „Pseudo-Verlage“, die in Wahrheit oft Dienstleister sind, Druckereien betreiben, Buchbindereien und auch Verlage führen und betreiben. Diese Spürnasen beschimpfen die Verleger und Drucker als Kriminelle und Betrüger. Eine Chance, sich gegen diese Listen zu wehren gibt es nicht, da viele Hosts und Provider außerhalb der EU zu finden sind.
Es werden die Verlage beschimpft, unrechtmäßig zu handeln, doch die Unterschriften auf den Verträgen gehören zur Hälfte den Autoren. Tatsächlich unterschreiben Autoren Verträge (ein Vertrag über eine Versicherung ist komplizierter als ein Autorenvertrag), die ihnen schaden, doch beklagen sich danach nicht über ihre Unmündigkeit, sondern frönen als Frustrationsausgleich der Erstellung von „Schwarzen Listen“ – ohne Anflug von Selbstkritik.
Diese „Schwarzen Listen“ haben die Eigenschaft, die auch die Pest an sich hat. Sie greifen über ohne jedes Gebot, sie unterscheiden nicht, jeder kann die Seiten wechseln, egal ob er krank oder gesund ist. Man spricht einen Verdacht aus. Rühmt sich eines makabren Beweises einer Dienstleistungsfirma und stellt sich in die Reihe mit den Guten. Wir allein schon kennen mindestens zwanzig weitere, darunter auch bedeutende Verlage, die private Druckkostenzuschüsse (ohne Beteiligung der Öffentlichkeit) nehmen.
Alles wäre lächerlich, wenn es nicht hunderte gute Autoren aus Unkenntnis (wer will schon nicht fair sein?), Literaturhäuser sowie einige kleinere literarische Verbände und Autorenvereinigungen gäbe, die sich Auftritts-, Lese- und Medienverbote für andere, nichtorganisierte Autoren wünschen würden. Das haben „Schwarze Listen“ so an sich. Sie polarisieren und bevorzugen eine Gruppe.
Wir denken, die Kunst, und besonders die Literatur, hat dort keinen Raum mehr, wo es „Schwarze Listen“ gibt. In diesen Listen werden Verlage in ihrer Existenz bedroht. Es wird versucht Messeauftritte zu verhindern, Werbeschaltungen zu unterbinden und Berufsverbands- sowie Autorenauftrittsverbote werden gefordert.
Schaut man sich nur ein wenig um, so stellt man fest, dass sogar der überwiegende Teil der Autoren des PEN keinen Veröffentlicher mehr hat, der sie finanzieren könnte. Das Berufsbild des Autors ändert sich also rasch, aber eben auch das des Verlegers. Besonders in Deutschland aber hat es Historie, hysterisch und intolerant auf das Neue oder das Andere, nicht gleich Verständliche oder Verstehbare zu reagieren.
Die Auflagen werden immer kleiner, die Arbeit am Buch bleibt jedoch gleich. Wir haben Herrn Imre Törek mündlich und schriftlich eingeladen, sich die Arbeitsweise eines modernen Verlages anzusehen. Ihm schien, wie vielen anderen auch, die Umwandlung der analogen Druck-Systeme auf digitale Systeme verborgen geblieben zu sein. Diese Umwandlung stellt eine Weiterentwicklung dar, ähnlich der von der Kerze zur Glühbirne oder der von der Schreibmaschine zum Computer. Es hat eine gewaltige ökonomische und ökologische Umwandlung in der Buchproduktion und im Vertrieb von Büchern gegeben, ebenso im Umgang zwischen Verlegern und Autoren.
Doch das interessiert diesen Verbandsfunktionär nicht. Er strickt weiter an „Schwarzen Listen“, sei es aus Tradition oder aus einer uns unerfindlichen Borniertheit für das Wirkliche und Veränderliche in diesem Land. Darum: Schaffen Sie die „Schwarzen Listen“ ab! Sie sind unhygienisch für die Kultur und die Veränderungen im Autorenhandwerk in unserem Land, das wir lieben und wo jeder Mensch seine Chance haben darf.

8.August 2011, Halle/D: Reinhardt O. Cornelius-Hahn (Autor/Verleger), Joachim Schwarze (Autor/Verlagsmitarbeiter), Wilko Müller (Autor/Verlagsmitarbeiter)

.

.

.

 

.

Folgen

Erhalte jeden neuen Beitrag in deinen Posteingang.

Schließe dich 102 Followern an