B.C. Schweizer: «Julia und Der Schattenmann»
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«…aber das ist eine andere Geschichte»
Günter Nawe
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Es ist ein spätes Debüt, dass die Autorin B.C. Schweizer mit den Erzählungen «Julia und Der Schattenmann» vorlegt; Geschichten teilweise vor dem Hintergrund der Geschichte des Zwanzigsten Jahrhunderts – von der Nachkriegszeit bis ins Heute.
Es sind Erzählungen, die sicher auch etwas mit der Autorin, mit ihrem eigenen Erleben zu tun haben. Der oft sehr persönliche Ton ihrer Texte belegt dies. Hinter dem Pseudonym B.C. Schweizer verbirgt sich Prof. Dr. Barbara Schaeffer-Hegel, von 1980 bis 2002 Professorin für Erziehungs-Wissenschaften an der TU Berlin. Studiert hat sie Politik-Wissenschaften, Geschichte, Philosophie und Romanistik. Außerdem hat sie feministische Grundlagenforschung betrieben.
Von all dem scheint etwas durch in diesen sehr sensiblen Erzählungen, in deren Mittelpunkt vorwiegend Frauen stehen. In der Ich-Erzählung «Margitta und der Schattenmann» geht es um die Begegnung einer jungen Frau mit einem jungen Mann, der erfahren musste, dass sein geliebter Onkel ein Naziverbrecher war. An diesem Wissen ging nicht nur die Beziehung zu Margitta kaputt; Henry selbst ging daran zugrunde.
Verletzliche Wesen allesamt, die Figuren der B.C. Schweizer. Und deshalb jederzeit gefährdet. Und trotzdem oft standhaft die Brüche ihrer Biografien aushaltend. Ihre Traumata führen zu zu traurigen und oft dramatischen Erlebnissen. Und es ist die Fähigkeit der Autorin, ihre Sensibilität und ihrer einfach und schnörkellose Sprache, die den Leser nicht nur faszinieren, sondern auch innerlich teilhaben lassen.
In der längsten Erzählung dieses Bandes «Julia und die Liebe oder Die Reise nach Ronchamp» wird die Protagonistin von einer Liebe befallen, die Julia zur Frau machte – «wenngleich nicht ganz in dem Sinne, den man gemeinhin mit diesem Ausdruck verbindet». Sie bekam ihre Periode nicht – bis..! «Der Hormonstoß kam mit Pele… Seit die Gefühle für Pele sich Julias bemächtigt hatten, blutete sie – wie es sich gehört – in regelmäßigen monatlichen Abständen. Jungfrau blieb sie dennoch. Denn – so Pele: «Es wäre unverantwortlich, Julia an seine fragwürdige Existenz zu binden.» Für Julia brach eine Welt zusammen. Pele war homosexuell.
Alle späteren Beziehungen Julias litten unter diesem Trauma der so vermeintlich grundlosen Trennung von Pele – sei es zu Bechmann mit den vielen Freundinnen, sei es zu Christof, der jüdischer Herkunft war und darunter zu leiden hatte. Und immer noch war Julia Jungfrau. Auch mit Kurt gab es Probleme – auch wenn sie durch ihn endlich zur Frau werden sollte.

«Julia und Der Schattenmann» ist eine handvoll wunderbarer Erzählungen, die ganz leise daherkommen. Die Autorin B. C. Schweizer schreibt schnörkellos und einfach von den seelischen Belastungen, von Traumata und ihrer Überwindung, von der Verletzbarkeit der menschlichen Psyche, auch ihrer Standhaftigkeit.Alle Protagonisten in diesem Buch sind Frauen - doch ist es kein Buch nur für Frauen...
Wunderbar hat Schweizer die seelischen Verletzungen, aber auch die immer wieder aufkommenden Sehnsüchte und Hoffnungen der jungen Frau und die scheinbare Unmöglichkeit der Liebe beschrieben. Am Ende aber…
«Die Liebe aber sollte Julia erst Jahre später kennen lernen. Als sie die Hoffnung schon längst aufgegeben hatte und schon verheiratet war. Die Liebe war über alle Maßen herrlicher, betörender – sie war unermesslich viel köstlicher als Julia je geahnt hätte. Sie war aber auch grausamer und vernichtender als Julia eigentlich ertragen konnte. Und hätte sie beinahe das Leben gekostet. Aber das ist eine andere Geschichte.»
«Andere Geschichten» also erzählt die Autorin noch. Von einer außergewöhnlichen Mutter-Tochter-Beziehung, von einem großen und einem kleinen Tod. Und mehr. «Geschichten, die das Leben schrieb», und die uns von B.C. Schweizer auf sehr schöne Weise «nacherzählt» worden sind. ■
B. C. Schweizer, Julia und Der Schattenmann, Erzählungen, 188 Seiten, Edition Cornelius/Projekte-Verlag, ISBN 978-3-86237-225-6.
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