Glarean Magazin

Charlotte Thomas: «Der König der Komödianten»

Posted in Buch-Rezension, Charlotte Thomas, Günter Nawe, Literatur, Rezensionen by Walter Eigenmann on 19. Juli 2010

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Die Welt ist eine Bühne, und unser Stück ist das Leben

Günter Nawe

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Nach den spannenden und interessanten historischen Romanen – u.a. «Die Madonna von Murano» und «Die Lagune des Löwen» – erleben wir diesmal eine ganz andere Charlotte Thomas. «König der Komödianten» heißt ihr neuer Roman und ist auf seine Art in der Tat eine Komödie. Klassisch kommt er daher, wie die alte und herrliche Commedia dell’ Arte – und hat eine Menge mit ihr gemein.
Anders auch die Erzählform. Ein Ich-Erzähler diesmal. Die Autorin nimmt sich zurück, um auf diese Weise doch wieder ihrem Helden ganz nahe zu kommen, Marco, der sich schon mal täuschen lässt von «falschen Helden, falschen Schwertern und falschen Weibern» und ihre volle Sympathie hat. Und bald auch die Sympathie des Lesers.

Historien-Roman-Autorin Charlotte Thomas in Venedig

Worum geht es? Der junge Marco verlässt sein Kloster und schließt sich einer Gruppe von Komödianten an, fahrendem Volk, das durch das Veneto zieht, um die Leute mit ihrem Spiel zu erfreuen und zu unterhalten. In dieser Truppe, ein zusammengewürfelter Haufen herrlicher Typen, die alle mehr oder weniger den bekannten Figuren der Commedia gleichen oder sie spielen, findet Marco seine Erfüllung. Schnell steigt er, der irgendwann einmal seinen «leidenschaftlichen Hang zum Schreiben» entdeckt, vom Kulissenschieber zum Theaterdichter auf.
«Die Welt ist unsere Bühne, und unser Stück ist das Leben, und wenn es sich gerade fügt, geben wir unser Spiel vor anderen zum Besten», heißt es an einer Stelle. Nun ist das Leben auf dieser Bühne nicht immer lustig. Das Repertoire an Stücken der «Incomparabili» (der «Unvergleichlichen») ist begrenzt, und meist reichen die Einnahmen auf den Straßen und Plätzen von Padua und Venedig kaum zum Leben. So kommt Marco als «Theaterdichter» gerade recht. Mit ihm kommt aber auch das Abenteuer. Denn Marcos Herkunft birgt ein für ihn selbst und dann auch für die Theatergruppe gefährliches Geheimnis.

Pantomime, Satire, Musik und Tanz in der italienischen Commedia dell’Arte (Antoine Watteau, 1720)

Diese abenteuerliche Geschichte erzählt Charlotte Thomas routiniert und sehr intelligent, mit vielen spannenden Erlebnissen und vor allem mit viel komödiantischem Geschick. So jagt, um es etwas platt zu sagen, ein «Gag» den anderen – manchmal sogar etwas zu oft.

Der Leser aber glaubt sich wirklich «im Theater», in einer herrlichen Komödie vor einer wunderbaren Kulisse, der Charlotte Thomas auch noch einen anderen Aspekt gibt. Sie erzählt ein Stück Geschichte der Commedia dell’ Arte, also ein Stück Theatergeschichte, garniert mit Zitaten und Verweisen aus zeitgenössischen Stücken. Indirekt treten auch einige Autoren auf die «Bühne»: zum Beispiel Plautus und Terenz und der unvergleichliche Shakespeare mit seinen Komödien.

Ein spannender historischer Roman, der schon wegen des Sujets eine besondere Qualität hat. Charlotte Thomas, mittlerweile in der vorderen Reihe von Autoren dieses Genres, ist es wieder einmal gelungen, eine phantasievolle Story mit interessanten historischen Fakten zu verbinden und so einen unterhaltsamen Roman zu schreiben.

Und Marco? Der Junge lernt das Leben kennen, Gefahren zu bestehen; er lernt, natürlich, die Liebe kennen. Nicht nur die komödiantischen Verwicklungen, auch die biographischen Entwicklungen bestimmen ein Leben, das er nach und nach zu meistern weiß – mit dem klassischen «Ende gut, alles gut». Und das gilt auch für den Leser dieses Romans. ■

Charlotte Thomas, Der König der Komödianten, Roman 696 Seiten, Lübbe Verlag, ISBN 978-343-103-807-1

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