Glarean Magazin

Die Kinder von Wijk aan Zee

Posted in Eric van Reem, Events, Schach by Walter Eigenmann on 8. Februar 2009

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Corus-Schachturnier von der Jugend dominiert

Eric van Reem

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Der 19-jährige Turnier-Sieger Sergey Karjakin

Das «Corus Chess Tournament» im niederländischen Wijk aan Zee, das dieses Jahr bereits zum 71. Mal stattfand und längst zu den renommierten «Grand-Slam-Turnieren» der internationalen Schachszene zählt, wurde in jeder Gruppe von der Jugend dominiert. Nach dreizehn hart umkämpften Runden siegte der junge Ukrainer Sergey Karjakin in der A-Gruppe. Karjakin wurde erst kurz vor dem Turnier 19 Jahre alt. Mit fünf Jahren erlernte er das Schachspiel und als 11-jähriger wurde er Internationaler Meister. Er errang seinen Großmeistertitel im August 2002 im Alter von 12 Jahren, 7 Monaten und 0 Tagen und hält damit den Rekord als jüngster Schach-Großmeister aller Zeiten. Sein Sieg in Wijk aan Zee ist der größte Erfolg seines Lebens, erzählte er auf der Pressekonferenz nach der letzten Runde.

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Fabiano Caruana

In der sehr stark besetzen B-Gruppe konnte sich der 16-jährige Italo-Amerikaner Fabiano Caruana in der letzten Runde mit einem glücklichen Sieg über Nigel Short den ersten Platz sichern. Caruana besitzt die amerikanische und die italienische Staatsbürgerschaft. Er wurde 1992 in Miami geboren, seine Großeltern sind italienischer Abstammung. Im Jahr 1996 zog er mit seinen Eltern nach Brooklyn, New York, wo er bereits im Alter von fünf Jahren von dem bekannten Schachtrainer Bruce Pandolfini entdeckt wurde. Caruana erfüllte im Juli 2007 beim First Saturday-Turnier in Budapest seine letzte Großmeister-Norm und war  im Alter von 14 Jahren, 11 Monaten und 20 Tagen der jüngste amerikanische und italienische Schachspieler, dem dies bisher gelang.

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Wesley So

Wesley So von den Philippinen ist erst 15 Jahre alt und gewann die C-Gruppe in Wijk aan Zee sehr überzeugend. So wurde GM als er 14 Jahre, 1 Monat und 28 Tagen alt war, und spielte bereits als 12-jähriger bei der Olympiade in Turin in der Mannschaft  seiner Heimat.
In der gleichen Gruppe wurde ein vielleicht noch größeres Talent Zweiter: der 14-jährige Anish Giri. Der Knirps hat in St. Petersburg, der Heimatstadt seiner Mutter, Schach gelernt. Zuletzt war seine Familie einige Jahre in Japan, wo Anish fast nur im Internet Spielpartner fand. Seit etwa einem Jahr lebt die Familie in den schachverrückten Niederlanden, wo sein aus Nepal stammender Vater eine Stelle als Wissenschaftler angenommen hat. Im April 2008 gewann er das HSG Open anlässlich der Niederländischen Meisterschaft in Hilversum und erzielte dabei seine erste GM-Norm. Beim Corus Turnier erzielte er letzte Woche seine dritte und letzte Norm und ist somit der jüngste GM der Welt.

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Anish Giri

Er löste damit gleichzeitig ein anderes Wunderkind als aktuell jüngster (Männer-)Großmeister überhaupt ab, das auch in Wijk aan Zee spielte: die 14-jährige You Hifan. Die Chinesin, die am 27. Februar 15 Jahre alt wird, erreichte im Alter von 14 Jahren, 6 Monaten und 2 Tagen bei der Frauen-Weltmeisterschaft die dritte Norm für den allgemeinen Großmeistertitel, der ihr beim 79. FIDE-Kongress während der Schacholympiade in Dresden offiziell verliehen wurde. Damit ist sie die bisher jüngste Trägerin dieses Titels.

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Illya Nyzhnyk

Offensichtlich haben die Organisatoren in Wijk ein glückliches Händchen bei der Auswahl der Wunderkinder. Ein Kandidat für das B- oder C-Turnier im nächsten Jahr ist das ukrainische Supertalent Illya Nyzhnyk, geboren am 27. September 1996. Er war erst 10, als er die B-Gruppe im Moskauer Open gewann. Letztes Jahr erzielte er seine erste GM-Norm bei einem Turnier in Kiev. Und jawohl, der junge Ukrainer hat bereits eine eigene Website. Vielleicht wird er schon bald in den Fußstapfen seiner Landsmänner Ivanchuk und Karjakin treten. Und wo kann man sich besser präsentieren als beim Corus Chess Tournament?

Die Runden-Ergebnisse des A-Turniers

    1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 Score
1 D. Stellwagen   ½ ½ ½ 0 ½ ½ ½ 0 ½ ½ ½ ½ ½ 5.5
2 M. Carlsen ½   ½ ½ ½ ½ ½ ½ 1 ½ 1 0 ½ ½ 7
3 L. Aronian ½ ½   ½ ½ ½ 1 1 0 ½ ½ ½ ½ 1 7.5
4 V. Ivanchuk ½ ½ ½   1 ½ ½ ½ ½ 0 0 1 0 0 5.5
5 S. Karjakin 1 ½ ½ 0   ½ 0 1 1 1 ½ ½ ½ 1 8
6 L. van Wely ½ ½ ½ ½ ½   ½ ½ ½ 0 ½ ½ 1 0 6
7 G. Kamsky ½ ½ 0 ½ 1 ½   ½ ½ 1 ½ ½ 0 ½ 6.5
8 M. Adams ½ ½ 0 ½ 0 ½ ½   ½ ½ ½ 1 ½ 0 5.5
9 L. Dominguez 1 0 1 ½ 0 ½ ½ ½   1 ½ ½ ½ ½ 7
10 A. Morozevich ½ ½ ½ 1 0 1 0 ½ 0   1 0 ½ 0 5.5
11 J. Smeets ½ 0 ½ 1 ½ ½ ½ ½ ½ 0   ½ ½ ½ 6
12 Y. Wang ½ 1 ½ 0 ½ ½ ½ 0 ½ 1 ½   0 ½ 6
13 T. Radjabov ½ ½ ½ 1 ½ 0 1 ½ ½ ½ ½ 1   ½ 7.5
14 S. Movsesian ½ ½ 0 1 0 1 ½ 1 ½ 1 ½ ½ ½   7.5

 

Computer-Forscher wollen das Königliche Spiel lösen

Posted in Computer-Schach, Eric van Reem, Forschung, News & Events, Schach, Schacholympiade 2008 by Walter Eigenmann on 28. Januar 2009

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Ist im Jahr 2035 Schluss mit Schach?

Eric van Reem

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Kanadische Forscher haben ein unbesiegbares Computerprogramm für das Brettspiel Dame geschaffen. Kein Gegner könne mehr als ein Unentschieden gegen das Programm namens Chinook erreichen, berichteten Jonathan Schaeffer und Kollegen von der Universität von Alberta in Edmonton im April 2007. In mehr als 18 Jahren haben die Informatiker über 39 Billionen Spielstellungen durchgerechnet und bewiesen, dass Dame immer auf ein Remis hinausläuft, wenn beide Seiten fehlerfrei spielen. Tag und Nacht waren dafür im Schnitt rund 50 Computer im Einsatz. Mit diesem Ergebnis sei das Brettspiel gelöst, erläuterten Schaeffer und Kollegen im US-Fachjournal «Science».
Während der Schach-Olympiade 2008 in Dresden organisierte die Technische Universität Dresden am 21. und 22. 11. 2008 einen Schach- und Mathematik-Workshop. In einem visionären Vortrag behauptete der niederländische Informatiker und Professor für Computerwissenschaften Jaap van den Herik (61) von der Universität Tilburg, dass das Schachspiel im Jahr 2035 komplett ausgerechnet und gelöst sein wird.

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Prof. Dr. J. v d. Herik (Universität Tillburg / Holland)

Es ist im Moment noch unvorstellbar, dass man jede Stellung komplett lösen kann. Schach ist ja bekanntlich eines der komplexesten Brettspiele der Welt. Die Zahl der möglichen Schachstellungen übersteigt die Zahl der Atome im Universum um ein Vielfaches. Bereits nach zwei Zügen können 72’084 verschiedene Stellungen entstehen. Die Zahl der möglichen Spielverläufe ist noch einmal um ein Vielfaches größer. Schon für die ersten 40 Züge belaufen sich die Schätzungen auf etwa 10’115 bis 10’120 verschiedene Spielverläufe. Es scheint also unmöglich zu sein das Spiel zu lösen.
Anhand der sich immer noch rasant entwickelnden Computer-Hardware und den Forschungsergebnissen aus Checkers, Go und Schach prognostizierte Van den Herik allerdings, dass es nur noch ein Frage der Zeit ist, bis auch Schach gelöst sein wird. Der niederländische Professor, der sich bereits seit Jahrzehnten mit intelligenten Brettspielen und künstlicher Intelligenz (KI) beschäftigt, zeigte in Dresden, dass der Termin für die fehlerfreie Schachpartie näher ist, als wir alle vermuten.
Und wie geht das perfekte Spiel dann aus, wollen Sie noch gerne wissen, gewinnt Weiß oder Schwarz? «Ich vermute, dass das Spiel, genauso wie bei Dame, dann Unentschieden ausgehen wird», beendete Van den Herik sein Referat. ■

Link-Sammlung zum Thema Geschichte des Computerschachs und KI-Forschung

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eric-van-reemEric van Reem
Geb. 1967 in Deventer/NL; Englisch-, Philosophie- und Literatur-Studium  an der Hogeschool Holland (Amsterdam); seit 2000 umfangreiche schachjournalistische Tätigkeit; lebt als Star Alliance Controller der Lufthansa in Dietzenbach/Frankfurt

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