Die Violin-Sonaten von Strauss und Pfitzner
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Emotionsschminke – Vom Angemessensein
einer Interpretationstaktik
Dr. Markus Gärtner
Wenn das Label Farao eine Produktion der Violin-Sonaten von Richard Strauss und Hans Pfitzner herausbringt, dann beinhaltet diese Gegenüberstellung gleich mehrere verbindende Aspekte. Beide Komponisten haben längere Zeit in München gewohnt. Beide arbeiteten sowohl als Komponisten wie als Dirigenten. Beide waren verstrickt in die Herrschaftsrepräsentation der Nationalsozialisten. Hinzu tritt noch die sehr bezeichnende persönliche Verbindung: Seit einem Vorfall im Jahr 1900 verfiel Pfitzner Strauss gegenüber in einen gesteigerten Konkurrenzneid, da dieser nicht nur erfolgreicher agierte, sondern Pfitzner überdies auch noch das grundsätzliche Pech hatte, genau fünf Jahre jünger als Strauss gewesen zu sein, und zwar mit nur einem Monat Abstand zwischen den Geburtstagen. Jedes Pfitzner-Jubiläum wurde demnach von einem Strauss-Jubiläum überschattet. Der so Düpierte, übersensibel und in Erinnerung des zunächst negativen Verlaufs seines Berufsweges immer wieder darauf bedacht, sein Werk möglichst reputationsfördernd zu positionieren, geriet Strauss gegenüber in eine Art Verfolgungswahn – wenn auch nicht in persona.
Fragt man nun nach den Werken selbst, so stehen sich die künstlerische Realisation eines noch ganz jungen Mannes (Strauss war 1887 erst 23 Jahre alt) und einer der großen kammermusikalischen Würfe eines gereiften Komponisten (Pfitzner beging im Jahr der Uraufführung seinen 49. Geburtstag) gegenüber. Strauss war noch nicht ganz aus dem Brahmsens Bann herausgetreten; sehr deutlich zeichnen sich die Formen seiner Konstruktion ab. Pfitzner stand nur wenige Jahre vor dem Höhepunkt seiner persönlichen Annäherung an die Atonalität, die er im Streichquartett op. 36 phasenweise realisieren würde. Was die Harmonik anbelangt, liegen beide Violinsonaten eng zusammen. Dabei strebt Strauss nach Klarheit – Pfitzner hingegen nach Verschleierung. Auf diese in den Kompositionen angelegten unterschiedlichen Sachlagen gilt es für die Interpreten zu reagieren.
Das gelingt dem Geiger Markus Wolf in vorliegender Einspielung der Strausschen Es-Dur-Sonate sehr geschmackvoll. Er verfolgt den Ansatz, dass die noch klassizistischen Strukturen einen schwärmerischen Zugang durchaus verkraften können, was, unterstützt durch die brillante Aufnahmetechnik, zu einem dicken Ton und einem intensiven Darstellungsstil führt. So gewinnt der in seiner frühen Kammermusik trotz aller Alterationsharmonik immer etwas kühl daherkommende Strauss an Wärme und Innigkeit, die der Komposition gut tun.
Das Konzept der Intensivierung wenden Wolf und mit ihm sein Klavierbegleiter Julian Riem allerdings auch auf die Violinsonate von Pfitzner an. Doch hier muss dieser Zugang als Verdopplung des bereits in der Komposition Angelegten versagen. Verführt von der Satzbezeichnung «Allegro espressivo» legen die Musiker dem an sich schon hochnervösen Werk eine weitere Schicht Emotionsschminke an und verlieren sich in Überzeichnungsgestik. Das omni-präsente Vibrato lässt dabei bisweilen Einzeltöne nicht mehr klar erkennen. Ein weiteres Manko: besonders bei Pfitzner verstärkt sich Wolfs Spielweise, Einzeltöne durch Glissandi zu verbinden. Insgesamt wäre ein zurückhaltenderer Darstellungsmodus weitaus angemessener gewesen. Dass dadurch nicht notwendig auf Spannung und Atmosphäre verzichtet werden muss, haben schon vor Jahren Ulf Wallin und Ronald Pöntinen bei ihrer Einspielung der Pfitzner-Sonate für cpo bewiesen, welche in diesem Sinne weiterhin als Standard gelten darf. ■
Markus Wolf (Violine), Julian Riem (Klavier): Richard Strauss, Hans Pfitzner, Violinsonaten, Farao B108034 (2007)
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