Glarean Magazin

Das Zitat der Woche

Posted in Hartmut Lange, Kultur&Gesellschaft, Literatur, Zitat der Woche by Walter Eigenmann on 25. Januar 2010

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Über die moderne Literaturkritik

Hartmut Lange

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Glücklicher Goethe! Er warnt vor der aufkommenden Literaturkritik noch aus der Sicherheit eines intakten, die eigenen Zusammenhänge begreifenden Kulturbewußtseins. Heute ist das Kulturbewußtsein längst eine Sache des Amüsierbetriebs. Der Großkritiker hat die Medien erobert, und der Schriftsteller kann froh sein, wenn seine Bücher im Fernsehen als Gelegenheit zur Unterhaltung präsentiert werden. Die einflußreiche Literaturkritik ist längst zum Entertainment verkommen, und dem Entertainer sind alle kritischen Maßstäbe lediglich ein Mittel zur Selbstdarstellung.
Kulturkontinuität hieße hier: Der Großkritiker amüsiert sich und seine Zuschauer auf Kosten des aktuellen Literaturangebots, ansonsten bringt er nichts Neues ein. Und da sein öffentliches und mit Stargagen abgegoltenes Amüsement Selektion bedeutet, steuert er den Käufer, der das Amüsierbegehren des Kritikers zur Konsumtion erhebt.

Hartmut Lange

Als Schriftsteller sollte man den Rat Goethes beherzigen und sich unumwunden eingestehen: Eine Literatur von Rang kann heute nur schreiben, wer sich vom Einfluß eines solchen Literaturbetriebs radikal freimacht. Die Kriterien für Literatur findet der Schriftsteller nicht im literaturkritischen Amüsierbetrieb. Und selbstverständlich gibt es Kritiker, die sich dem Zwang zum Entertainment entziehen. Sie werden gebraucht.

Aus Hartmut Lange, Irrtum und Erkenntnis – Meine Realitätserfahrung als Schriftsteller, Diogenes Verlag, Zürich 2002

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