Jens Bisky (Hg.): «Heinrich von Kleist – Bisse, Küsse»
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«…und wer recht von Herzen liebt»
Insel-Almanach 2011 auf Heinrich von Kleist
Günter Nawe
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Große Ereignisse werfen ihre Schatten voraus. Und ein literarisches «Großereignis» ist mit dem 21. November 2011 gegeben. An diesem Tage, vor 200 Jahren, hat sich Heinrich von Kleist (1777 – 1811), einer der größten deutschen Dichter und Autor des berühmten «Michael Kohlhaas», am Berliner Wannsee zusammen mit seiner Geliebten Henriette Vogel das Leben genommen.
Mit «Küsse, Bisse», dem Insel Almanach auf das 2011, wird das Kleist-Jahr gewissermaßen eingeläutet. Es werden zwar sicher noch eine Reihe von Publikationen folgen – hier aber hat die interessierte Leserschaft schon einmal ein sehr schönes, sehr informatives Kompendium aus Gedichten, Auszügen aus dem dramatischen Werk, Erzählungen und Briefen zur Hand.
Im Vorwort wird eine schöne Charakteristik dieses «Fachmanns für Emotionen», wie Kleist genannt worden ist, von Clemens Brentano zitiert, der den Dichterkollegen 1810 in Berlin erlebt hat. Er «fand ihn sanft und ernst, ‚frisch und gesund’, untersetzt, ‚mit einem erlebten rund Kopf, gemischt launigt, kindergut, arm und fest». «Ein guter, grober, bornierter, dummer, eigensinniger , mit langsamen Konsequenztalent herrlich ausgerüsteter Mensch.’»
So viel zu den Äußerlichkeiten dieses ungewöhnlichen Menschen. Ebenso wichtig und nach wie vor spannend zu lesen die hier gesammelten Auszüge aus dem Werk Kleists. So aus dem Trauerspeil «Penthelisea», dem auch der Titel des Almanachs entnommen ist: «… Küsse, Bisse, / das reimt sich, und wer recht von Herzen liebt, / Kann schon das Eine für das Andre greifen.»
Zum Thema «Liebe» im Werk von Heinrich von Kleist, der sich mit ihr persönlich sehr schwer getan hat, werden Texte aus den Erzählungen (u. a. aus «Das Erdbeben von Chili») zitiert und vor allem Briefe an seine Verlobte Wilhelmine von Zenge, aus der nie seine Frau werden sollte. Wie sollte auch eine Ehe aussehen, die unter folgender Voraussetzung geschlossen worden wäre: «Der Mann ist nicht bloß der Mann seine Frau, er ist auch ein Bürger des Staates, die Frau hingegen ist nichts, als die Frau ihres Manns… das Glück des Weibes ist zwar ein unerläßlicher aber nicht der einzige Gegenstand des Mannes… das Glück des Mannes hingegen ist der einzige Gegenstand der Frau….».
Freundschaften pflegte Kleist hingegen besonders mit seiner Halbschwester Ulrike von Kleist und mit Ernst von Pfuel, eine mehr als symbiotische Beziehung, wie aus den im Almanach abgedruckten Briefen herauszulesen ist.

Mit diesem sehr schönen und sehr informativen Almanach, einem Kompendium aus Gedichten, Auszügen aus dem dramatischen Werk, aus Erzählungen und Briefen ist ein kompetenter Einstieg in jede weitere Beschäftigung mit einem der größten deutschen Dichter gelungen. Lesenswert!
Kleist also der unglückliche Dichter, der sich als Virtuose der großen Gefühle gefällt? Zeugnisse allenthalben jedenfalls – auch zum Thema «Hass», der u. a. in «Die Hermannschlacht» sein literarisches Zeugnis findet.
Heinrich von Kleist – er war als Dichter groß, als Mensch unglücklich. Und so ist am Ende des Almanachs auch der Tod am Wannsee dokumentiert – das außergewöhnliche Ende einer außergewöhnlichen Persönlichkeit. ■
Jens Bisky (Hg.): Heinrich von Kleist – Bisse, Küsse, Insel Almanach auf das Jahr 2011, 230 Seiten, Insel / Suhrkamp Verlag Berlin, ISBN 978-3-458-17486-8
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