Walter Eigenmann: In medias res – 222 Aphorismen
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In medias res
222 Aphorismen
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«In medias res» – das sind 222 Aphorismen des Schweizer Literaten, Musikers und Publizisten Walter Eigenmann (geb. 1956), die in den Jahren 1981 bis 1991 entstanden sind und witzige Frechheiten, satirische Bosheiten, humorvolle Weisheiten und komische Wahrheiten über und wider alle Bereiche des Menschlichen, Kulturellen und Politischen enthalten. Ein geistreiches Panoptikum boshafter Pointen und geschliffener Sticheleien, die «mitten hinein» gegen alle menschlichen Eitelkeiten anschreiben – ganz dem Drang jeglicher Aufklärer verpflichtet (Zitat): «Satiriker sind Pyromanen: Dauernd müssen sie andern das Brett vor dem Kopf anzünden».
48 Seiten – Paperback/BoD – SFr 9.90 – ISBN 978-3-7347-9374-5
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Humor in der Musik (23)
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Victor Borge & Marilyn Mulvey
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Piano and Koloratur-Sopran
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Humor in der Musik (22)
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«Die Sprache der Liebe»
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The Axis of Awesome: The Language of Love
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Franz Trachsel: Marsch-Impressionen im Parkhaus
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Semper fidelis !
Franz Trachsel
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Shopping-Center-Parkhäuser dürfen für sich beanspruchen, nach aussen umgebungskonform-freundlich aufzutreten, nach innen angesichts ihres grossen Parkplatzangebots aber die nüchtern-zweckmässige Wucht selber zu sein. Und dann erst die ausserhalb der Shopping-Zeiten darin herrschende Stille – empfunden heute, eines vorsommerlich frühen Montagvormittags, und angesichts des nur sehr spärlichen Eintreffens der Kundschaft.
Doch urplötzlich sieht sich, wer schon hier, vom Hauptzugang her von einem vollorchestrierten marschmusikkalischen Auftakt vereinnahmt! Und wer ausserdem auf dem schmalen Weg im Zweiradbereich abgestiegen, der kommt sich in eine kasernenhaft grosse, höchst belebte Blasmusikhalle hineingeraten vor.
Das alles aber keineswegs als aufdringliches Unterhaltungsgezeter dahertönend. Nein, was sich da vollentfaltet sehr wohl hören lässt, ist nichts Geringeres als eine amerikanische Marsch-Legende, nämlich John Philipp Sousas enorm beschwingter «Semper Fidelis». In voller Korpsstärke notabene – ein wirklich frappanter Tages- und Wochen-Start!
Und dann ist da die Erinnerung, diesen Marsch nicht nur in Konzerten, sondern in quasi welthistorischer Entfaltung miterlebt zu haben. Und zwar live anlässlich der Jubiläumsparade «200 Jahre USA» am 4. Juli 1976 auf der Pennsylvania-Avenue in Washington. Dieses Erlebnis dabei umso eindrücklicher, als Sousas «Semper Fidelis» nichts Geringeres ist als das stolz vertonte Siegel der US-Marine. Ja, und wem sonst, wenn nicht der Marine-Band wäre damals die Ehre zugekommen – vom Millionenpublikum besonders stürmisch applaudiert -, dem historischen Tag diesen unverkennbaren Stempel aufzudrücken! Das blendend weiss uniformierte Korps, ein makelloses Neunerkolonnen-Erscheinungsbild, der mitreissende Marschmusik-Takt: ein nationalhistorisches Aufkreuzen wie aus einem Guss!
Hier im Parking des örtlichen Shopping-Centers hingegen, 35 Jahre später: Sein Klang eine wahre Entschuldigung dafür im Gegensatz zu Washington, auch ohne das geringste Aufblitzen hochglänzend polierter Blasinstrumente festzustellen. Aber warum sollte denn den etagentragenden Parkhaus-Betonsäulen, den Auf- und Abfahrtsrampen, den Parkplatzschranken und dem massig alle sieben Etagen untereinander verbindenden Liftschacht nicht ausnahmsweise mal eine echte Klangreflektoren-Rolle zukommen! Aussergewöhnlich dabei halt dieser «Immer-Treu»-Marschauftritt vor allem deswegen, weil er ohne augenfällige Formation auskam. Nahm sich die Freiheit, statt sich mühsam um all die Begrenzungen, Kurven, Auf- und Abstiege herumzuwinden und sich in seine einzelnen Register aufzulösen und ganz eigene Weg ezu gehen. Ja selbst der Dirigent dürfte sich unter dem wuchtigen Etagenmauerwerk marschtrunken mit schwingendem Taktstock auf die sonnige Center-Dachterrasse verirrt haben. Und wenn dabei schrittsicher von jemandem begleitet, dann am ehesten noch vom Tambouren- und Flötenregister, derweil sich das Klarinetten-, das Saxaphon-, Trompeten-, Posaunen-, Pauken- und Bassregister (weil für den vom Dirigenten irgendwo mit seinem Stock in die Luft geschmetterten Takt hellhörig geworden), auf das übrige halbe Dutzend Etagen aufgeteilt haben mochten.
Und weil nun einmal John Philipp Sousas Klassiker des Tages die Aufwartung machte, dann gewiss nicht ohne sein – das Korps bekanntlich hinten dekorativ abschliessendes – Sousaphon-Register! Nicht auszudenken, dieses könnte – weil den Auftritt auch hier hinten abschliessend – im Zuge einer akuten Klangtrunkenheit etwa im Parterre-Zugang, also im Wagenwaschanlagen-Bereich in die gewaltig rotierenden Waschbürsten geraten sein. Deren schonungslos nässetrunkener Umlauf wäre vermutlich der kältesten Dusche ihres Musikerlebens gleichgekommen. Hätte man sich also den völlig aussergewöhnlichen Marsch-Auftritt durchaus im Beisein seines berühmten Komponisten vorstellen können, so doch keineswegs den Untergang einer ganzen Sousaphon-Equipe. So gesehen vielleicht nicht ganz unglücklich für ihn, diese Welt schon vor 80 Jahren verlassen zu haben.
Nun denn, plötzlich erwiesen sich auch meine Marschmusik-Minuten hier als gezählt. Augenblicke später benimmt sich in die eingetretene Stille hinein irgendwo im Parking eine forsch zuschlagende Autotür taktgenau wie ein Schlusssignal. Eine Soundanlage der Zehntausenderklasse in einem Coupé der Mittelklasse hatte wohl Raum- und Klangqualität bewiesen. Hier also ein hochkarätiges Bravourstück, was sich anderswo unter anderen Vorzeichen als polizeilich verbotene Belästigung erwiesen hätte. ■
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Franz Trachsel
Geb. 1933, langjähriger Lokal- und Kulturjournalist bei verschiedenen Printmedien, Kurzprosa in Zeitungen und Zeitschriften, lebt in Emmenbrücke/CH
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Humor in der Musik (21)
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«El Gladiador del humor»: Musik-Pantomime Eric Jenicot
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Preis-Umfrage: «Der kurioseste Buchtitel 2011»
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«Ihr Pferd ist tot? Steigen Sie ab!»
Seit Mitte August hat man/frau die Möglichkeit einer Online-Abstimmung über den Kuriosesten Buchtitel des Jahres 2011. Ausgeschrieben wird der Preis bereits zum vierten Male von Schotts Sammelsurium und dem Branchenblatt BuchMarkt: «Neben dem Erscheinungsjahr 2011 sind vor allem die Skurrilität und Kuriosität des Buchtitels – unabhängig vom Inhalt des Werks – maßgebliche Kriterien für die Auszeichnung. Ob vom Autor intendiert oder nicht, der Titel soll den Leser zum Schmunzeln, Grübeln oder Staunen bringen.» Leser, Buchhändler und Skurrilitäten-Liebhaber dürfen noch bis Ende September 2011 aus einer aktuellen, von den Redaktionsteams BuchMarkt und Bloomsbury/Berlin zusammengestellten «Longlist» auswählen, es warten u.a. Titel wie «Opium bringt Opi um» (Bastei Lübbe Verlag), «Ihr Pferd ist tot? Steigen Sie ab!» (Campus Verlag) oder «Wie wir damals auf dem Bauernhof geheiratet haben, und der Alois am Tag drauf fast den Hund erschossen hat, weil er was gegen die Stadtmenschen hat und das Glück überhaupt» (Fischer Taschenbuch Verlag) auf eine Nomination der Leser. Eine prominente Jury – darunter auch Eckart von Hirschhausen – wird dann aus einer Shortlist von sechs Titeln den Gewinner ermitteln, der schließlich auf der Frankfurter Buchmesse 2011 offiziell gekürt werden wird. ■
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Cartoon der Woche
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Operetten-Komponist Sullivan
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Cartoon aus der satirischen Zeitschrift Punch (1880)
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Humor im Schach (2)
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Legendär: Geri’s Game
(Pixar Studios / Video auf Youtube)
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Humor in der Musik (15)
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Rowan Atkinson (alias Mr Bean) leitet Beethovens Fünfte
Der Dirigent (The Conductor)
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Aufgeschnappt
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«Ich bin Schachgroßmeister…!»

Einst «Der Löwe von Leningrad» genannt, später auch «Viktor der Schreckliche»: Schach-Legende (und Wahlschweizer) Viktor Kortschnoi (* 1931)
Vor einigen Wochen kam es in der Schweizer Schach-Mannschafts-Meisterschaft zur Begegnung Karsten Volke vs Viktor Kortschnoi. Der ehemalige WM-Kandidat hatte seinen Gegner (natürlich) völlig überspielt und erwartete nun ungeduldig dessen Partieaufgabe.
Schließlich verlor der einstige «Löwe von Leningrad» die Contenance, und die umstehende Kiebitz-Schar hörten einen leicht genervten Kortschnoi, der Volke unmissverständlich zum Handschlag drängte mit den Worten: «Ich bin Schachgrossmeister…!»
Dem alten Haudegen Kortschnoi nahm/nimmt diese (eigentlich regelwidrige) Schmunzelette natürlich niemand übel, genauso wenig wie die umstehende Zuschauerschar; der fast 80-jährige Wahlschweizer und Ex-Vize-Weltmeister – der durchaus weiß, wie viel die gesamte Schachwelt ihm in den letzten 40 Jahren zu verdanken hat – war schon immer ein geistreicher, manchmal auch knorriger Bonmot-Lieferant.
Trotzdem die Frage an alle Schachspieler unter den «Glarean»-Lesern: Wie ist das Verhalten von «Schachgroßmeister» Kortschnoi einzuordnen? Geben Sie nachstehend Ihr Votum ab!
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Humoreske von Franz Trachsel
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Hab Sonne im Rücken!
Franz Trachsel
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Auf Rad- und Fußwegen als Stuntman aufzutreten ist nicht der spektakulärste Ort dafür und daher von anderer «Persönlichkeitsstruktur» als im angestammten Film. Anderer Natur daher auch der hier abgehandelte Auftritt, nämlich teils außerirdischer, teils aber vor Ort in Szene gesetzter. Eine Stuntrealität jedoch insofern, als der gewöhnliche Erdenbürger, vorausgesetzt er ist ein Radfahrer, als solcher gemeinsam mit keiner Geringeren als mit Frau Sonne am Himmel Regie führt und zwar in Gestalt eines aktivierten Schattens seiner selbst.
Schatten haben sowohl als Begriff wie auch real ein physikalisch misshelliges Dasein. Sie sind sozusagen Licht und Schatten zugleich. Das vor allem mit einem immens belebten Adria-, einem Balearen- oder Atlantic-City-Strand oder wo auch immer rund um den Erdball, mit schattenspendenden Palmen auf einer Wüstenoase, vor Augen. Selbst dem Radfahrer müssen Licht und Schatten, soweit in Stuntgestalt, nicht bloß als nichtsnutzige Begleiterscheinungen vorkommen. Zur richtigen Tageszeit – Schönwetter vorausgesetzt – am richtigen Ort in der einschlägigen Richtung unterwegs, erlebt er sie einer pfiffigen Himmelslaune, ja -gunst gleich. Und zwar mit Frau Sonne im Rücken. Sollte sich angesichts dessen in ihrem nach Milliarden von Jahren zählenden, höchst warmen Antlitz auch nur ein Hauch von Herzlichkeit regen, dann gewiss aus Freude darüber, aus knapp 150 Millionen Kilometern Entfernung an solch einem präzisen Erdbewohner-Phänomen maßgeblich beteiligt zu sein. Das umso mehr, als fast alles dafür spricht, dass wir die einzigen Lebewesen der Primatenspezies sind, die sich so in ihrem Licht-, Wärme- und Blickfeld tummeln.
Erstmals muss sich solcherlei Einvernehmen auf Mutter Erde – Strassen, ob von den Radfahrern gleich als solche wahrgenommen oder nicht – zur Zeit der meisten Fahrräder vor 200 Jahren eingestellt haben. Dies noch 150 Jahre bevor selbst im Fahrrad-Akkumulator mitgeführte Solar-, also von Frau Sonne gespiesene Energie den Fahrer bei Bedarf beim Pedalen zu unterstützen begann.
Schöne Tage zeichnen sich bekanntlich vielfach auch durch geradezu romantische Abende aus. Herbstabende zum Beispiel können eigentlichen Günstlingen gleich daherkommen. So die Stunden erfüllter irdischer Ansprüche Mr. Stunts: Ein vor allem fülliger Lichteinfall aus spiegelklarem Himmel. Fallen dessen abendlich milde Strahlen flachst denkbar und makellos linear zum West-Ost-Weg ein, sieht er die entscheidend wichtigen Voraussetzungen für seine stolzen Auftritte erfüllt.Etwas Musisches bis schattenhaft Strenges ist nun einmal dran und eine Prise Satire dazu. Musisch der Schattenwurf in Stunts-Gestalt selber, satirisch aber das Wie! Wem sonst nämlich wäre es beschieden, seinen Auftritt grundsätzlich nur bodenflach kopfvoran zu erbringen! Und welcher zum Zeitpunkt seiner Auftritte auf dem demselben Weg unterwegs befindliche Fußgänger nähme nicht Rücksicht auf solcherlei reichlich anders gelagerte Verkehrsteilnehmer! Als solche zeichnet sie nun einmal eine ureigene Signalwirkung aus, die ihresgleichen sucht. Je .länger die Schattengestalt, bei idealem Sonnenlicht-Einfall zwölf und mehr Meter, desto ansehnlicher der Abstand des in Wirklichkeit hinterher Pedalenden und zum Beispiel von Spaziergängern als umso schicklicher empfunden, ihm auf eine freie Fahrt auszuweichen. Wenn sich da nicht selbst Frau Sonne, ihrem abendlichen Untergang nahe, angesichts dessen nicht bisweilen aus ihrer schier universalen Ferne im Sinne eines «Hab Sonne im Herzen» ein diskretes Schmunzeln leisten würde! Aber wie sie sich rund um den Erdball und rund um die Uhr pausenlos irgenwo von neuem auf eine gute Nacht verabschiedet, so meldet sie sich unaufhaltsam stets auch irgendwo auf einen neuen Tag.
Ob dann durch unfreundliche Wolkenhüllen am Bestellen jeweiliger neuer Stunts gehindert, das ist hier Frage. Desgleichen auch ob solche irgendwo auf dem Erdball sich auch durch ihre gute mitteleuropäische Schlankheit auszeichnen. Und das unabhängig von ihrer bisweilen ansehnlich bodeneben dahinhuschenden Länge. So oder so, es lohnt sich als Radfahrer solche gleich am Morgen gemeinsam mit Frau Sonne wieder kreiieren zu gehen. Ihr Auftritt lässt sich zu früher Stunde nach ihrem Aufgang, ob gleich nun aus Osten dem Westen entgegen, diesmal erst recht sehen und erleben. Was, wenn die Frühe, der Einfallswinkel und dessen Linearität stimmen, den jungen Morgen an auffälliger Frische auszeichnet, zeichnet nämlich desgleichen auch seine Stunts aus. Und der mitverantwortliche Regisseur, der Radfahrer hätte (ob mit oder ohne vor ihm unterwegs befindliche Fußgänger) Grund, das bekannte Lied «Hab Sonne im Herzen» auf «Hab Sonne im Rücken» abgewandelt zu singen! Denkbar, dass er damit sogar ans Herz des Stuntmans zu rühren vermöchte! ■
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Franz Trachsel
Geb. 1933, langjähriger Lokal- und Kulturjournalist bei verschiedenen Printmedien, Kurzprosa in Zeitungen und Zeitschriften, lebt in Emmenbrücke/CH
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Cartoon der Woche
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Adolf Oberländer: «Auch eine Hausmusik»
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Cartoon der Woche
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Mozart und die moderne Musik
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Diogenes: «Weihnachten mit Ringelnatz»
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Augenzwinkerndes Sentiment und melancholischer Schabernack
Walter Eigenmann
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Spätestens zwei Monate vor Heilig Abend überschwemmen sie bekanntlich alljährlich en masse die Buchläden und Online-Shops, jene unzähligen «heiteren und besinnlichen Gedichte und Geschichten» unterm werbewirksamen Slogan «Weihnachten mit…». Aber nun auch «Weihnachten mit..» Joachim Ringelnatz? Diesem kreativ-spöttischen Rumtreiber und raffiniert-schöpferischen Nichtstuer? Diesem unnachahmlichen Veralberer von höchsten Kuttel Daddeldus Gnaden? Diesem grummelnden Seebär, philosophischen Pfannenflicker, höhnischen Gaukler, klarsichtigen Penner? Da wird man hellhörig, blättert neugierig rein – und «Weihnachten» bekommt nochmals eine Facette mehr: eben die Ringelnatzsche.
Erstaunlich überhaupt, dass sich ein ganzes Buch ausgerechnet zum Thema «Weihnachten» destillieren lässt aus dem (allerdings umfangreichen, mittlerweile 7-bändigen) Oeuvre eines Mannes, der solche Dinge schreibt wie: «Wenn man das zierlichste Näschen / Von seiner liebsten Braut / Durch ein Vergrößerungsgläschen / Näher beschaut / Dann zeigen sich haarige Berge / Dass einem graut.» Und überraschend auch, dass dieser virtuose Gassensuppen-Verehrer, dieses Genie der Infantilität in Wort und Bild, dieser durchaus auch mal mit Trivialem Langweilende, dieser gar nicht simple «Simplicissimus»-Schreiber hier keineswegs nur geistreich rumblödelt – gerade nicht zu Weihnachten. Bilderreiche und nachdenkliche Sentiment-Lyrik wie die folgenden Verse ist durchaus ebenfalls anzutreffen:
Weihnachten
Liebeläutend zieht durch Kerzenhelle,
Mild, wie Wälderduft, die Weihnachtszeit,
Und ein schlichtes Glück streut auf die Schwelle
Schöne Blumen der Vergangenheit.Hand schmiegt sich an Hand im engen Kreise,
Und das alte Lied von Gott und Christ
Bebt durch Seelen und verkündet leise,
Dass die kleinste Welt die größte ist.
Doch Hans Gustav Bötticher wäre nicht Ringelnatz, wenn er der kerzenseligen Rührung dieses «schlichten Glücks» nicht auch das Misstrauen seines ungeschminkten Realitätssinnes gegenüberstellte. Denn der zeitlebens unstete, weder geographisch noch biographisch noch literarisch noch malerisch wirklich Beheimatete, der Wanderer durch Räume und Zeiten reimt gleichzeitig so melancholisch wie wahr:
Einsiedlers Heiliger Abend
Ich hab’ in den Weihnachtstagen –
Ich weiß auch, warum –
Mir selbst einen Christbaum geschlagen,
Der ist ganz verkrüppelt und krumm.Ich bohrte ein Loch in die Diele
Und steckte ihn da hinein
Und stellte rings um ihn viele
Flaschen Burgunderwein.Und zierte, um Baumschmuck und Lichter
Zu sparen, ihn abends noch spät
Mit Löffeln, Gabeln und Trichter
Und anderem blanken Gerät.Ich kochte zur heiligen Stunde
Mir Erbsensuppe mit Speck
Und gab meinem fröhlichen Hunde
Gulasch und litt seinen Dreck.Und sang aus burgundernder Kehle
Das Pfannenflickerlied.
Und pries mit bewundernder Seele
Alles das, was ich mied.Es glimmte petroleumbetrunken
Später der Lampendocht.
Ich saß in Gedanken versunken.
Da hat’s an die Türe gepocht,Und pochte wieder und wieder.
Es konnte das Christkind sein.
Und klang’s nicht wie Weihnachtslieder?
Ich aber rief nicht: «Herein!»Ich zog mich aus und ging leise
Zu Bett, ohne Angst, ohne Spott,
Und dankte auf krumme Weise
Lallend dem lieben Gott.
Der sentimentale, der (auto)satirische also – und noch ein dritter Ringelnatz tritt einem über die Winter-, Weihnachts- und Silvester-Wege in diesem Buch: der poetische. Zum Beispiel in seiner unnachahmlichen «Stillen Winterstraße»:
Es heben sich vernebelt braun
Die Berge aus dem klaren Weiß,
Und aus dem Weiß ragt braun ein Zaun,
Steht eine Stange wie ein Steiß.Ein Rabe fliegt, so schwarz und scharf,
Wie ihn kein Maler malen darf,
Wenn er’s nicht etwa kann.
Ich stapfe einsam durch den Schnee.
Vielleicht steht links im Busch ein Reh
Und denkt: Dort geht ein Mann.
Herausgeber Daniel Kampa stellte zwischen Ringelnatz’ Weihnachts- und Silvester-Gedichten noch drei autobiographische Prosa-Texte – mit den bezeichnenden Titeln «Weihnachten in der Tropenhitze», «Hungerweihnacht in Hamburg», «Weihnachten in der Armee». Auch hier schimmert sie stets durch, die augenzwinkernde Traurigkeit, und auch der melancholische Schabernack, wie man ihn im ganzen Werk dieses völlig singulären Literaten als Grundzug ausmachen kann.
Hat Ringelnatz auch eine «Weihnachtsbotschaft»?
Vielleicht diese:
Liedchen
Die Zeit vergeht.
Das Gras verwelkt.
Die Milch entsteht.
Die Kuhmagd melkt.Die Milch verdirbt.
Die Wahrheit schweigt.
Die Kuhmagd stirbt.
Ein Geiger geigt.
Daniel Kampa (Hrsg.), Weihnachten mit Ringelnatz, Lyrik und Prosa, 96 Seiten, Diogenes Verlag, ISBN 978-3-257-02114-1 ■
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