Glarean Magazin

José Saramago: «Die Reise des Elefanten»

Posted in Buch-Rezension, Günter Nawe, José Saramago, Literatur, Rezensionen by Walter Eigenmann on 7. Juli 2010

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Salomons abenteuerliche Reise nach Wien

Günter Nawe

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Am 18. Juni 2010 ist der portugiesische Autor und Literatur-Nobelpreisträger José Saramago im Alter von 87 Jahren gestorben. Der überzeugte Kommunist und bekennende Atheist, Autor so berühmter Bücher wie «Die Stadt der Blinden» und «Die Stadt der Sehenden», hat uns jetzt, als eine Art Vermächtnis, einen kleinen Roman, eher eine wunderbare Novelle hinterlassen.

Saramago war ein äußerst eleganter Spötter, ein brillanter Ironiker und ein herausragender Erzähler. Alles, was er an literarischen und intellektuellen Fähigkeiten besaß, hat er noch einmal in «Die Reise des Elefanten» eingebracht. Eine Geschichte, die auf einer historischen Begebenheit basiert. Denn tatsächlich hatte Mitte des 16. Jahrhunderts König Johann von Portugal einen an seinem Hofe lebenden Elefanten dem österreichischen Erzherzog Maximilian zur Hochzeit geschenkt und auf die Reise durch Spanien, über das Mittelmeer, durch Italien und über die Alpen nach Wien geschickt.

José Saramago (1922-2010)

José Saramago macht daraus eine großartige comédie humaine. Denn neben der abenteuerlichen Schilderung dieser Reise werden die Eitelkeiten und Schwächen der Menschen, repräsentiert durch das riesige Gefolge, das den Elefanten «standesgemäß» begleitet oder ihm begegnet, aufgezeigt – seien sie Könige, Mächtige oder einfache Soldaten. Oder Kirchenmänner.
An ihnen und dem christlichen Glauben sowie seiner Überlieferung wetzt Saramago genüsslich sein literarisches «Messer» in Form von brillanten Sottissen und blasphemisch anmutenden Sentenzen. So heißt es an einer Stelle: «Darin liegt jedoch der große Irrtum des Himmels, da für ihn selbst nichts unmöglich ist, glaubt er, die angeblich nach dem Vorbild seines allmächtigen Bewohners geschaffene Menschen verfügen über dasselbe Prinzip.» Oder: «Fast sind wir versucht wie dieser andere zu sagen, heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein.» Das kann und wird nicht unbedingt jedem gefallen, aber hier geht es nicht um Glaubensbekenntnisse, sondern um Literatur. Kommt hinzu: Die Geschichte spielt in der Zeit der beginnenden Gegenreformation. Luther hatte gerade den Stein in den etwas trüben Teich römisch-katholischen Absolutheitsanspruchs geworfen, formierte sich mit Inquisition und dem Konzil von Trient heftiger Widerstand.

Die wahre Geschichte eines indischen Elefanten auf der Reise von Lissabon nach Wien – literarisch hervorragend «in Szene» gesetzt» vom portugiesischen Literaturnobelpreisträger José Saramago. Noch einmal hat der Alt-Kommunist und bekennende Atheist sein ganzes Können gezeigt: als brillanter Erzähler, als eleganter Spötter und Ironiker.

Hauptperson der höchst vergnüglichen Geschichte, vom Autor ganz leicht und locker erzählt, ist der Elefantenführer Subhro, der als Mahut dafür sorgen soll, dass das Tier mit dem Namen Salomon letztlich sein Ziel unbeschadet erreicht. So sorgt er für die Bedürfnisse des Tieres auf der schweren Reise, als da sind Unmengen von Futter und Wasser; für die «Entsorgung» ebenso großer Mengen von Exkrementen – kurz: für das Wohl und Wehe des ihm anvertrauten Tieres. Außerdem bringt Subhro, ein gebürtiger Inder, ein Underdog und ein kluger Mann, den es nach Portugal verschlagen hat, seinem Elefanten auf Befehl bei, vor einer Kirche eine Kniebeuge zu machen. Ironischer geht es nicht. Ironie ist es auch und letztlich Spott, wenn die Rechtgläubigen den Elefanten in «Soliman» und Subhro in «Fritz» umtaufen. Der Dickhäuter jedenfalls nimmt’s gelassen und sein Herr, Mahut Subhro, beobachtet reflektierend aus luftiger Höhe, vom Elefantenrücken das aberwitzige Treiben.
Das alles hat doppelte Bedeutung und steckt voller Witz. Der Leser findet in diesem Roman Geschichte und Geschichten – und wird dank der Kunst des Autors herrlich unterhalten. ■

José Saramago, Die Reise des Elefanten, Roman, 236 Seiten, Hoffmann und Campe Verlag, ISBN 978-3-455-40279-7

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