Das Zitat der Woche
.
Über die Kultur in Zeiten der Krise
Ansgar Wimmer
.
Ein Grund für die Dramatik der Finanzkrise war, dass Menschen Geld in Finanzinstrumente investiert haben, die sie nicht wirklich verstanden haben. Sie sind ihnen nicht vermittelt worden, sie waren zu komplex, die Sprache der Banker war zu fremd oder die Gier war schlicht zu groß. Gier frisst Hirn, so lautet eine saloppe Formulierung in der Bankenwelt.
Nun hat Kunst und Kultur – Gott sei Dank – in ihrer Rezeption schlicht eine andere Ausgangsbasis als Finanzinstrumente und Investmentprojekte. Man muss sie nicht immer verstehen, auch ein schlicht ästhetischer oder emotionaler Zugang reicht häufig völlig aus. Dass ein bloß emotionaler Zugang zu finanziellen Investitionsentscheidungen demgegenüber nicht ausreicht, ist den Anlegern von Bernie Madoff leider etwas zu spät klar geworden.
Allerdings ist auch der umgekehrte Schluss mancher Kulturschaffender nicht immer hilfreich. Immer wieder erreichen mich in meiner Arbeit als Stiftungsvorstand Entwürfe grandioser Kulturprojekte, innovativer, komplexer, manchmal unverständlich-intellektueller Gedankengebäude, neuer Festivals oder Angebote, die nach Ansicht ihrer Urheber dringend realisiert werden müssen, mit der Bitte um Förderung durch die Alfred Toepfer Stiftung. Auf meine dann regelmäßig erfolgende Frage, an wen sich denn dieses Vorhaben richte, also wer denn die Zielgruppe der Bemühungen sein solle, ernte ich sodann ebenso oft entweder unverständliches Kopfschütteln oder die Auskunft «Na, die allgemeine Öffentlichkeit, halt.»Damit ich nicht missverstanden werde:
– Kultur und insbesondere Kulturförderung, die sich nur an möglichen Abnehmern orientiert, ist genauso trostlos und entbehrlich wie die vermeintlich unvermeidlichen Volksmusikhitparaden der öffentlich-rechtlichen Fernsehsender in Deutschland.
– Gerne verteidige ich jeden Künstler, der zum Ausdruck seiner eigenen künstlerischen Identität mir völlig unverständliche Dinge tut, und manchmal fördern wir als Stiftung auch so etwas.
Ein junger Kammermusiker aber, der im Rahmen seines Programms nicht über seine Musik sprechen kann – oder jemanden kennt und mitbringen kann, der über seine Musik sprechen kann – hat heute und in der Krise seinen Beruf verfehlt – oder muss sehr exzellent sein. Wenn unsere Stiftung heute unter dem Titel «concerto 21» eine Sommerakademie für Aufführungskultur und Musikmanagement durchführt, dann ist das Ziel der Aktion, die Kultur nicht einfach, sondern kommunizierbar zu machen. Auch das braucht es in der Krise, allemal in einer Welt, in der Kulturvermittlung nur beschränkt in den Erziehungskanon vieler Elternhäuser gehört. ■
Aus Ansgar Wimmer (Vorsitzender der Alfred Toepfer Stiftung F.V.S.): Neue Chancen für die Kultur in Zeiten der Krise, Vortrag aus Anlass des Jahreskongresses der «Vereinigung deutschfranzösischer Gesellschaften für Europa», Duisburg 2009
.
.
.
Aufgeschnappt
.
Kultur-Motion von Luc Recordon:
«In der Wirtschaftskrise die Kultur fördern!»
.
Der bekannte Lausanner Ständerat Luc Recordon – Ende 2008 war er offizieller Bundesrats-Kandidat der Grünen Partei Schweiz – hat im Parlament eine Motion eingereicht, welche unter dem Titel «In der einsetzenden wirtschaftlichen Krise die Kultur unterstützen» die Forderung an die Landesregierung stellt, «ein umfangreiches und rasch umsetzbares Programm zur Unterstützung der verschiedenen Kultursparten in der Schweiz auf die Beine zu stellen.»
In seiner kürzlichen Reaktion auf Recordons Vorstoß winkte der Bundesrat bereits ab – mit dem etwas wirren, hilflos wirkenden Hinweis darauf, dass ja das Budget 2009 im «Bereich Heimatschutz und Denkmalpflege» um 9 Millionen Franken erhöht worden sei und diese Zusatzmittel für die Erhaltung denkmalgeschützter Objekte eingesetzt würde, wodurch «die Auftragslage der auf Denkmalpflege spezialisierten Bauunternehmen positiv beeinflusst» würde… Weitere spezifische Konjunkturmassnahmen im Kulturbereich seien jedenfalls nicht angezeigt.
Für das Schweizer Kulturleben – ob in Musik, Literatur, Film, Tanz oder Theater u.v.a. – bleibt also nur zu offen, dass diese intelligente Initiative aus dem Waadtland in den Rats- und Wandelhallen Berns auf offenere Ohren stößt als bei der zaghaften, um nicht zu sagen verzagten Exekutive des Landes…
Wir geben nachfolgend den Wortlaut der Motion wieder, um die kulturpolitisch weitsichtige Perspektive des Textes zu dokumentieren. (gm)
Eingereichter Text
Der Bundesrat wird beauftragt, ein umfangreiches und rasch umsetzbares Programm zur Unterstützung der verschiedenen Kultursparten in der Schweiz auf die Beine zu stellen.Begründung
Die Finanzkrise zieht eine Rezession nach sich. Diese kommt unweigerlich und könnte schlimmer ausfallen als befürchtet (auch deshalb, weil aus dem Finanzsektor weitere schlechte Nachrichten zu vermelden sind: Fälligkeiten von Subprime-Darlehen im Februar und im August 2009, verschärfte Unterdeckung von Kreditkarten in den USA, Platzen weiterer betrügerischer Blasen wie derjenigen von Madoff usw.). Nun zeigt die Erfahrung aber, dass Unentschlossenheit und abwartendes Verhalten in konjunkturpolitischen Fragen desaströs sind.Der Staat muss sehr rasch handeln – das sagt etwa der Wirtschafts-Nobelpreisträger 2008, Paul Krugman. Denn jede konjunkturpolitische Massnahme braucht eine gewisse Zeit, bis sie ihre Wirkung entfaltet, und jede starke Veränderung eines ökonomischen Zyklus wirkt selbstverstärkend, also prozyklisch («Schneeballeffekt»). Diesen Effekt muss man so früh wie möglich brechen. Nach Krugman müssen die Mittel, die in die Wirtschaft gepumpt werden, umfangreich sein, wenn sie wirken sollen: Es braucht 2 bis 4 Prozent des BIP, d. h. für die Schweiz zwischen 8 und 15 Milliarden Franken. Es ist ganz klar, dass die Exportwirtschaft unterstützt werden muss, aber das reicht nicht aus. Wenn es darum geht, öffentliche Gelder sinnvoll einzusetzen, wird der Kulturbereich regelmässig unterschätzt. Die gegenwärtige Situation ist deshalb günstig, um diesem Mangel abzuhelfen. Es sollen alle Mittel und Wege geprüft werden, wie die verschiedenen Sparten der Kultur gefördert werden können. Diese leisten einen beträchtlichen Beitrag zum Wohlstand unseres Landes im weitesten Sinn. Zu bedenken ist etwa, dass die Kultur nicht unerheblich den Konsum und den Tourismus ankurbeln hilft. Dabei spielen die verschiedensten Bereiche eine Rolle: Film, Theater, Literatur, Tanz, Musik, bildende Künste, Fotografie, Verlags- und Druckwesen usw. Zu erwähnen sind auch die günstigen Auswirkungen staatlicher Kulturförderung auf die oft schwierigen finanziellen Verhältnisse der Kulturschaffenden und anderer im Kulturbereich tätiger Personen. Schliesslich sollte auch der Wert der internationalen Ausstrahlung unserer Kultur in Betracht gezogen werden.
.
.
.
.
leave a comment