Glarean Magazin

Das Zitat der Woche

Posted in Gesellschaft, Kapitalismus, Kurt Wyss, Politik, Politik&Gesellschaft, Workfare, Zitat der Woche by Walter Eigenmann on 22. Februar 2010

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Über die sozialstaatliche Repression der Workfare-Politik

Kurt Wyss

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Bei Workfare geht es entgegen dem mit der entsprechenden Sozialpolitik propagierten Vorsatz nicht um Integration, sondern darum, Integration vorzutäuschen und auf diesem Weg den sozialen Ausschluss der erwerbslosen Personen erst recht – wobei dieses dann freilich nicht offen gelegt wird – zu besiegeln. Die Täuschung wird dadurch erzeugt, dass in Rechtfertigung und Durchführung von Workfare so getan wird, als ob die Frage von Integration und Ausschluss einzig vom Willen der einzelnen Person abhänge, es also in Verhinderung eines drohenden sozialen Ausschlusses primär darum zu gehen habe, den Willen der Betroffenen – und das ist genuin Workfare – in einer bestimmten Weise zu zwingen. Indem der soziale Ausschluss der Menschen nun aber primär von den Mechanismen des kapitalistischen Systems und eben gerade nicht vom Willen der Betroffenen abhängig ist, man im Rahmen der Workfare-Politik jene ursächlichen Mechanismen aber genau unberührt lässt, ergibt es sich zwangsläufig, dass die Workfare-Massnahmen – und das wird durch die empirische Forschung auch beständig bestätigt – hinsichtlich Wiedereingliederung in den >normalen< Erwerbsprozess scheitern. Die allermeisten Unternehmen sind in einer durchkapitalisierten Gesellschaft an langzeitarbeitslos gemachten Menschen in aller Regel nicht mehr oder nur sehr bedingt überhaupt noch interessiert. Es stehen immer >Bessere< zur Wahl. Das diesbezüglich zwangsläufige Scheitern von Workface kann nun aber – und das wird mit Workfare auch bezweckt – als die Schuld derjenigen ausgelegt werden, denen es trotz der ganzen so genannten Integrationsmassnahmen nicht gelungen ist, wieder eine reguläre Erwerbsarbeit zu finden. Sie erscheinen dann als die aus eigener Schuld Gescheiterten.

Das movens des Kapitals, die Erzielung von Mehrwert, verdankt sich im Kern – vereinfacht gesagt – der Differenz zwischen der Entlöhnung der Arbeitskraft sowie allgemein der Arbeitskosten und dem Wert der vermittels der Arbeitskraft produzierten Ware. Die Differenz respektive der Mehrwert werden umso grösser, je geringer die Entlöhnung der Arbeitskraft und allgemein die Arbeitskosten. je grösser der zu erzielende Mehrwert respektive je geringer die Entlöhnung der Arbeitskraft und je schlechter die Arbeitsbedingungen, desto knapper sind die Ressourcen, über welche die ihre Arbeitskraft verkaufenden Menschen verfügen und desto schwerer fällt es ihnen, sich – neben der Arbeit – körperlich und psychisch genügend und auf genügend lange Dauer zu rekonstituieren. Desto schneller ist dann aber auch die Arbeitskraft verausgabt, werden die Betreffenden entlassen und durch andere ersetzt. Allerdings kommt es zu Entlassungen auch ganz unabhängig vom Stand der Arbeitskraft entweder deshalb, weil von Unternehmen mittels der bisher genutzten Arbeitskräfte und im Verhältnis zur Konkurrenz kein Profit oder nicht genügend Profit mehr gemacht werden kann – das ist alles sehr relativ -, oder weil allein mittels Entlassungen die scheinbare oder wirkliche Konkurrenzfähigkeit eines Unternehmens und also deren Wert sowie deren Möglichkeiten am Kapitalmarkt gesteigert werden können. Da die Menschen sich – naheliegenderweise – nun aber nicht einfach so diesen Ausbeutungs- respektive Entlassungsprozessen aussetzen, bedarf es eines bestimmten sozialen Drucks, damit sie es doch tun. Einerseits muss dafür gesorgt sein, dass die ihre Arbeitskraft zur Verfügung stellenden Menschen sich wirklich bis ins Letzte ausbeuten lassen und immer wieder neu ausbeuten lassen, andererseits dafür, dass für die Massen von Erwerbslosen Alternativen zum >normalen< Erwerbsleben nicht im Geringsten aufscheinen, sie einem beständigen Druck zur völligen Verausgabung ihrer Arbeitskraft ausgesetzt bleiben. Dieser Druck – so wäre in einer ersten Begriffsbestimmung zu sagen – wird vermittels der Workfare-Politik aufrecht erhalten, einer Politik, in welchem der Sozialstaat ganz in den Dienst des Kapitals gestellt ist und – in diesem Dienst – die von Erwerbslosigkeit und Armut betroffenen Menschen in Permanenz unter Druck setzt. Workfare ist entsprechend in jenen historischen Phasen am ehesten zu erwarten, in denen das Kapital sich neu durchsetzt, ihm hinsichtlich der Ausbeutung der Arbeitskraft von Menschen – wie im globalisierten Kapitalismus der Gegenwart – praktisch keine politischen Grenzen gesetzt sind. ■

Aus Kurt Wyss, Workfare – Sozialstaatliche Repression im Dienst des globalisierten Kapitalismus, Verlag edition 8, Zürich 2007

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Die Auswüchse der Globalisierung

Posted in Kapitalismus, Kurt Wyss, Neuheiten, Politik&Gesellschaft by Walter Eigenmann on 7. November 2007

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Kurt Wyss: «Workfare»

Sozialstaatliche Repression im Dienst
des globalisierten Kapitalismus

wyss-workfare-edition8.jpgIn den vergangenen 20 Jahren wurde in vielen Ländern eine neue Sozialpolitik unter Stichworten wie Work Not Welfare, Arbeit statt Sozialhilfe, Arbeitsintegration, 1-Euro-Jobs, Integration statt Rente oder ähnlichem durchgesetzt. Diese Sozialpolitik lässt sich mit einem aus dem Amerikanischen stammenden Neologismus kurz als «Workfare» bezeichnen (als Zusammenzug der Worte Work und Welfare). Im weitesten Sinne wird unter diesem Begriff also verstanden:
«Workfare soll zum einen die Arbeitsfähigkeit der Betroffenen erhalten bzw. wieder trainieren und zum anderen einen Anreiz zur Aufnahme niedrig bezahlter Arbeiten schaffen. Dahinter steht die Annahme, dass der nur geringe zusätzliche Verdienst keine Motivation zur Arbeitsaufnahme bietet solange Sozialleistungen ohne Arbeit zu erhalten sind. Oder ökonomisch gesprochen: Der zusätzlich erworbene Lohn wird geringer gewertet als der durch die Arbeitsaufnahme entstandene Freizeitverlust. Ist auch der Erwerb einer Sozialleistung mit Arbeit verbunden, fällt dieser Faktor weg.» (Wikipedia)

Die vorgelegte Untersuchung von Kurt Wyss (Zürcher «Büro für Sozialhilfe») unternimmt den im deutschsprachigen Raum bislang einzigartigen Versuch, Workfare in einer umfassenden Weise zu erklären. Die Untersuchung bleibt nicht bei den Oberflächen-Phänomenen stehen, sondern bestimmt die Sache gleichsam von den Wurzeln her.
Denn Workfare zielt zwar unmittelbar auf die Erwerbslosen – mittelbar aber vor allem auf die Erwerbstätigen. Die «Workfare»-Programme werden von den Medien intensiv verbreitet, und so gelangt die implizite Botschaft zu allen Unterschichts- und Mittelschicht-Angehörigen: Wer seine Arbeitsstelle verliert und nicht innert nützlicher Frist eine neue findet, landet selber in diesen Programmen. Wer sich dem globalisierten Kapitalismus und der sich verschärfenden Prekarisierung der Arbeit nicht fügt, dem droht der Abstieg in die «Workfare»-Kaste…
Das Buch geht dementsprechend Fragen nach wie: Welche Folgen haben die Workfare-Massnahmen für die Direktbetroffenen? Inwiefern wird via Workfare und die um Workfare lancierten öffentlichen Debatten (z.B. Missbrauchsdebatte) Druck auf die allgemeine Bevölkerung ausgeübt? Welchen Einfluss nimmt Workfare auf die generelle gesellschaftliche Entwicklung, im Besonderen auf Familie, Arbeit und Bildung? (Verlagsinfo)

Kurt Wyss: Workfare, Sozialstaatliche Repression im Dienst des globalisierten Kapitalismus, Edition 8, 160 Seiten, ISBN 978-3-85990-125-4

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