Glarean Magazin

Leopold Koželuch: «Klavier-Sonaten Bd.1»

Posted in Leopold Kozeluch, Musik, Musik für Klavier, Musik-Rezensionen, Rezensionen, Walter Eigenmann by Walter Eigenmann on 29. Juli 2010

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Niveauvolle Unterrichtsklassik

Walter Eigenmann

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Weder bezüglich Konzertrepertoire noch hinsichtlich Unterrichtsliteratur ist in der Klavier-, ja überhaupt der Musikwelt der Name Leopold Koželuh (auch Koželuch, Kotzeluh, Kozeluch oder Kotzeluch) geläufig, und sein Schaffen war bis jetzt kaum in kompetent betreuten Gesamtausgaben zugänglich. Dementsprechend ist der 1747 in Böhmen geborene und 1818 in Wien gestorbene Komponist, wiewohl mit 50 Klavierkonzerten, 30 Sinfonien, 60 Klaviersonaten, mit diversen Solokonzerten sowie mit Opern, Kantaten, Balletts und Oratorien sehr produktiv, heute kaum mehr präsent im Musikbetrieb. (Und dementsprechend mager nimmt sich auch die aktuelle internationale Diskographie dieses Komponisten aus).
Mit der ersten kompletten Herausgabe von Koželuhs gesamten Klaviersonaten, deren Eröffnungsband jetzt vorliegt, füllen der Bärenreiter Verlag (Prag) und sein hier verantwortlicher Editor Christopher Hogwood färben also verdienstvoll einen weißen Flecken auf der musikalischen Landkarte Tschechiens.

Leopold Koželuch (1747-1818)

Herausgeber Hogwood ordnet in seinem Vorwort die musikgeschichtliche Position dieses interessanten Böhmen treffend ein: «Viele der lobenden Worte, die im 18. Jahrhundert über die Musik Koželuchs geäußert wurden – sie sei rein, natürlich, gefällig, leicht usw. – wurden bald nach seinem Tod gegen ihn gewendet, als er wie Eberl, Dussek, Wölfl und sogar Clementi zu einer Nebenfigur der Stars herabgesetzt wurde, genannt nur als Bindeglied zwischen Mozart und Beethoven (oder, für den mit der Musik dieser Zeit Vertrauten, zwischen Wagenseil und Schubert). Sogar seine Neuerungen wurden als zufällige Vorwegnahmen von Beethoven und Schubert abgetan, obwohl er im Wesentlichen sowohl ihren tragisch-pathetischen Ausdruck antizipierte (wie in den Einleitungen zu seinen Sonaten in Moll-Tonarten), als auch das international gepriesene cantabile-Idiom erschuf.»

Und Hogwood zitiert dazu weiter das britische Monthly Magazine aus dem Jahre 1800 quasi als Zeitzeugen: «Die Instrumentalmusik scheint jetzt perfekter zu sein als in allen früheren Perioden. Wenn die modernen Pianoforte-Sonaten auch nicht die Wildheit und Originalität von Domenico Scarlattis Cembalo-Musik haben, sind sie doch planvoller, melodiöser, und in einigen Adagios (besonders von Koželuch) ist die Melodie so kantabel und expressiv, dass es die Vollendung von dieser Art Musik zu sein scheint.»

Beethovens «tragisch-pathetischen Ausdruck antizipiert»: Kozeluchs Largo-Anfang der 6. Klavier-Sonate c-moll op. 2/3

Zweihundert Jahre später mag im Überblick solche stilistische Euphorie leicht relativiert werden, doch umso höher ist der klavierpädagogische Wert von Koželuchs Sonaten – gerade auch in der «Konkurrenz» zu Clementi oder Kuhlau – zu veranschlagen. Denn des Böhmen Klavierwerk ist im eigentlichen Sinne «klassisch» zu nennen, in ihrer durchdachten Konstruktion und ihrem «eingänglichen» Melos sind sie in der Tat «Modelle für Nachahmung und Studium», wie Hogwood es formuliert: «Sie zeigen präzise bis zur Perfektion die Eigenschaften, die Theoretiker für eine Sonate am Ende des 18. Jahrhunderts beschrieben haben.»

«International gepriesenes Cantabile-Idiom»: Kozeluchs Anfang des 2. Satzes der Klavier-Sonate F-Dur op. 1/1

Die gelegentliche Verwendung dieser Sonaten eines zu Unrecht vergessenen, meisterhaft komponierenden Tschechen, und sei’s vorwiegend zur «praktischen Anschauung» ausgefeilt gearbeiteter «klassischer» Formen (von der Sonaten-Hauptsatz-Form übers Rondo bis hin zur Variation), ist also zu empfehlen – nicht zuletzt auch als erfrischende Alternative zu Clementi, Kuhlau, Dussek&Co.

Wer als erfahrener Klavierspieler einmal Bekanntschaft machen will mit einem fast vergessenen Meister, der greife zu dieser mit Sonaten von Leopold Koželuch. Der Bärenreiter-Band ist sauber gefertigt und mit umfangreichem Anmerkungs-Apparat versehen. Eine rundum verdienstvolle, allerdings nicht ganz billige, aber sehr willkommene Edition.

Die spieltechnischen Anforderungen sind dabei natürlich sehr unterschiedlich, übersteigen aber nie die obere Mittelstufe, decken insofern also ein breites klavierpädagogisches Feld ab. Der neue Bärenreiter-Band ist außerdem gewohnt sauber gefertigt (inkl. handlicher Buchbindung), mit einem instruktiven Anmerkungs-Apparat versehen (Dreisprachiges Vorwort, Kritischer Editions-Kommentar, Thematischer Index), sowie garniert mit einigem Bildmaterial und zahlreichen autographischen Drucken. Insgesamt eine vorbehaltlos zu begrüßende Edition. ■

Leopold Koželuch: Klaviersonaten (Complete Sonatas for Keyboard) Bd. 1, 196 Seiten, Bärenreiter Verlag, ISMN 979-0-2601-0501-0

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Leseproben

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