Glarean Magazin

Andrew Soltis: «Studying Chess Made Easy»

Posted in Andrew Soltis, Buch-Rezension, Malte Thodam, Rezensionen, Schach, Schach-Rezension by Walter Eigenmann on 21. August 2010

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Nützliche Anregungen für das persönliche Schachtraining

Malte Thodam

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Wenn Schachspieler ihr Können verbessern möchten, bedeutet das in der Regel harte Arbeit. Gerade älteren Spielern mit Verpflichtungen wie Arbeit und Familie fällt es nicht leicht, ein lohnendes Training in regelmäßigen Abständen zu absolvieren. Kindern und Jugendlichen fallen dagegen viele Dinge auf spielerische Art zu, die Erwachsene sich hart erarbeiten müssen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Fülle an Informationen im Schach ganz besonders erdrückend ist. Man kauft irgendein beliebiges Buch über seine Lieblingseröffnung, und versucht mit Mühe ein paar Varianten zu behalten. Irgendwann legt man das Buch müde und frustriert aus der Hand, verbessert hat man sich dabei kaum. Sicher haben viele Schachspieler ähnliche Erfahrungen gesammelt.

Vom Umgang mit solchen Problemen und dem Weg zum richtigen Schachstudium handelt ein beim englischen Verlag Batsford erschienenes Buch. Der internationale Meister und Journalist Andrew Soltis berichtet in «Studying Chess made easy» stellvertretend für viele andere Spieler über Jacques Rosseaus bittere Erfahrungen mit dem Studium des Schachspiels. Der Staatstheoretiker habe, so Soltis, nach seinen ersten Partien gegen einen Amateur voller Elan ein Schachbrett, Figuren und das damals beste auf dem Markt erhältliche Schachbuch gekauft. Stunde um Stunde soll Rosseau die Varianten studiert haben. Doch als er zurück ans Schachbrett kam, war das Ergebnis seines ambitionierten Trainings völlig ernüchternd: Ein ums andere Mal verlor Rosseau gegen den selben Amateur, der ihm einige Monate zuvor das Schachspielen beigebracht hatte. Offenbar war Rosseaus Vorhaben, die Theorie genauestens zu studieren und zu behalten, zum Scheitern verurteilt, es hatte ihn eher verwirrt als sein Spiel verbessert.

Falsches Training: Aufklärer Rousseau (r.) beim Schachspielen gegen den Prinzen Conti (Cousin von Louis XV)

Mit dem Überfluss an Informationen im Schach umzugehen ist also eines der Themen, die Soltis behandelt. Er beschreibt nach welchen Kriterien man Bücher für das eigene Training auswählen kann, welche Trainingsmethoden nutzbringend sind, und welche zuletzt eher wenig praktikabel. So beschreibt er seine eigenen früheren Trainingserfahrungen als Beispiel für den falschen Weg des Schachstudiums. Soltis versuchte Eröffnungsbücher akribisch durchzuarbeiten, was für ihn jedoch wenig erhellend war, da es in ihnen oft keine Antworten auf seine Fragen gab. Wir alle kennen diese Fragen, die dann auftauchen, wenn eine Variante ohne jegliche Erkärung im Text mit einem «Informator»-Symbol – sagen wir: «+=» – endet, und wir schlichtweg nicht wissen, warum eigentlich. Diese Art zu lernen, die Soltis mit dem Lernen für die Schule vergleicht (er spricht von Pauken), habe ihn womöglich um Jahre zurückgeworfen.

Stattdessen setzt der Großmeister auf eine Auswahl von Trainingsmethoden, die er nach den genannten Erfahrungen als die sinnvollsten Methoden zur Verbesserung der Spielstärke erachtet. Dabei nennt er das wohl Wichtigste gleich zu Beginn: «Learning chess should be fun». Eben dies wird kaum der Fall sein, wenn man unrealistische Ziele wie das Durcharbeiten einer Eröffnungsenzyklopädie verfolgt. Soltis warnt davor, dass man auf diese Art eher noch weniger trainiert als zuvor. Zuletzt droht der Spaß am Schach auf diesem Wege völlig verloren zu gehen.

Hartes Training: Youngster Andrew Soltis (r.) in New York gegen die Schach-Legende Bobby Fischer

Welche Vorschläge hat Soltis nun anzubieten, um ein effektives Selbststudium zu ermöglichen? Zum einen empfiehlt er das Ausspielen von technisch gewonnenen Stellungen gegen den Computer. Das klingt plausibel, denn der Rechner zwingt zu genauen Zügen unter Wettkampfbedingungen – die Uhr läuft schließlich.
Andrew Soltis macht den Leser außerdem auf die große Bedeutung der Mustererkennung aufmerksam, weist aber auch darauf hin, dass es unnötig ist, sehr seltene Muster zeitraubend und mühselig im Gedächtnis zu speichern. Als Beispiel gibt er etwa das Endspiel Turm gegen Turm und Läufer an, das in der Praxis nicht nur sehr selten ist, sondern auch nach genauem Studium keine Gewinngarantie für die stärkere Partei bietet.

Andrew Soltis neue Schach-Trainings-Anleitung lockt den Leser nicht mit simplen Versprechen, sondern zeigt verschiedene interessante Methoden zur Verbesserung der eigenen Spielstärke auf. Sein Buch liest sich flüssig und dürfte jedem Schachspieler neue Anregungen für das eigene Training geben.

Der Autor lockt den Leser nicht mit simplen Versprechen, zeigt aber in voneinander unabhängigen Kapiteln verschiedene interessante Methoden zur Verbesserung der eigenen Spielstärke auf. Sein Buch liest sich flüssig und dürfte jedem Schachspieler einige neue Anregungen für das eigene Training geben. Erfreulich ist dabei, dass Soltis nicht nur verschiedene Methoden empfiehlt, sondern auch detailiert die einzelnen Vorgehensweisen beschreibt. So wird sein Rat greif- und für den Leser in der Praxis anwendbar. Wer also das eigene Schachtraining umgestalten möchte (und des Englischen leidlich mächtig ist), der kann bei der Wahl dieses Buches kaum einen Fehler machen. ■

Andrew Soltis, Studying Chess Made Easy (engl.), 256 Seiten, Batsford / Anova Books, ISBN 978-1906388676

Leseproben

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Leseproben

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Mihail Marin: «Die Englische Eröffnung» (Bd.1)

Posted in Buch-Rezension, Malte Thodam, Mihail Marin, Rezensionen, Schach, Schach-Rezension by Walter Eigenmann on 14. Juli 2010

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Tiefsinnige Arbeit über den «englischen» Eröffnungskomplex

Malte Thodam

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Dem britischen Schachverlag «Quality Chess» ist mit der neuen Reihe «Grandmaster Repertoire» anscheinend ein großer Wurf gelungen. Die beiden Bände des israelischen Großmeisters Boris Avrukh über 1.d4 waren, wie man allenthalben hört, ein voller Erfolg. Kein Wunder, dass nun immer weitere Werke in dieser Reihe erscheinen, so auch zur Englischen Eröffnung. Der erste Band dazu, dessen Autor der rumänische Großmeister Mihail Marin ist, liegt bereits vor.

Marin hat sich mittlerweile durch andere Bücher wie «Learn from the Legends» oder seine exzellenten Bände zu den offenen Spielen einen mehr als guten Ruf als Schachautor erarbeitet. Seine Analysen sind sehr genau, und trotzdem auch für einen Normalsterblichen nachvollziehbar, der Schreibstil Marins ist stets unterhaltsam, denn schließlich lässt er den Leser auch an seinen eigenen Erfahrungen teilhaben. Da Marin außerdem einer der führenden Experten der Englischen Eröffnung ist, versprach sein Buch «Die Englische Eröffnung Band 1» (dem Rezensenten liegt die deutsche Ausgabe vor) von Anfang an viel.

Einer der führenden Experten der Englischen Eröffnung: Schach-Grossmeister Mihail Marin

Das Ziel Marins in «Die Englische Eröffnung» besteht darin, in insgesamt drei Bänden ein komplettes Repertoire für Weiß nach 1.c4 anzubieten. Dabei beschäftigt sich Band 1 ausschließlich mit den Varianten nach 1.c4 e5, zwei weitere Bände sind noch geplant. Band 2 wird dabei andere schwarze Züge wie 1…e6 oder 1…c6 behandeln, den Schluss soll schließlich der dritte Band über symmetrisches Englisch bilden. Diese sollen laut Quality Chess im August/September 2010 erscheinen.

Bis dahin bleiben den Freunden der englischen Eröffnung erst einmal üppige 480 Seiten über 1. c4 c5. Marin unterteilt das Material in die Hauptsysteme (u.a. Karpow-Variante, Botvinnik System, Rossolimo Variante usw.) und die Nebenvarianten (etwa die Keres-Variante). Das vorgeschlagene Repertoire hat Marin selbst in einem langen Reifeprozess entwickelt, wie er im Vorwort ausführt. Anschließend hat er es in seinen eigenen Partien mit Erfolg benutzt, wie seine Analysen, in denen er auch Ausschnitte aus eigenen Partien vorstellt, belegen. Nach 1.c4 c5 fährt Marin ausschließlich mit 2.g3 fort, wie es schon Tony Kosten in seinem älteren Repertoirebuch «The dynamic English» empfohlen hat. Damit vermeidet Marin Abspiele wie z.B. 1.c4 e5 2.Sc3 Lb4 nebst …f5, die mit Weiß lästig sein könnten. Das Buch ist gespickt mit zahlreichen Neuerungen aus Marins Eröffnungslabor, die auch für Großmeister interessant sein dürften.

Das klassische frühere «Sizilianisch im Anzuge» als Hauptsystem der Englischen Eröffnung: 1.c4 e5

Für jeden ernsthaften Englischspieler kann man daher «Die Englische Eröffnung Band 1» nur empfehlen. Der normale Schachspieler wird die Fülle an Material mit Sicherheit nicht vollständig brauchen, daneben dürften die hilfreichen Erklärungen Marins aber für die meisten Schachspieler verständlich sein. Marin schreibt zu diesem Aspekt selbst in der Einleitung, dass man das Buch nicht komplett durcharbeiten muss, sondern die Erklärungen wiederkehrender Motive den meisten Lesern schon erheblich weiterhelfen dürften.

Bei der Klarheit, mit der Marin alle Feinheiten der Englischen Eröffnung in ihrer reinsten Form (1.c4 e5) beschreibt, bemerkt man sein riesiges Verständnis der entstehenden Abspiele. Anders als in vielen Eröffnungsbüchern bietet er dem Leser erhellende AUsführungen über die Bewertungen einzelner Varianten, statt ihn mit einem einfachen «+=» oder ähnlichem abzuspeisen. Jedem Kapitel folgt eine kurze Zusammenfassung, in der Marin seine Einschätzung über die behandelten Varianten mit seinem Publikum teilt. Dadurch vertieft der Leser nicht nur sein Wissen über die Englische Eröffnung, sondern auch sein Verständnis des gesamten Schachspiels.

Marin ist mit «Die Englische Eröffnung» das Kunststück gelungen, einen Theorie-Band zu schreiben, der sowohl Eröffnungs- als auch Mittelspiel-Buch ist. Eine tiefsinnige Arbeit für jeden fortgeschrittenen Spieler bis zum starken Großmeister.

Einmal mehr ist Marin das Kunststück gelungen einen Theorie-Band zu schreiben, der sowohl Eröffnungs- als auch Mittelspielbuch ist. Eine tiefsinnige Arbeit für jeden fortgeschrittenen Spieler bis zum starken Großmeister. Man darf gespannt auf seine beiden Folgebände über die restlichen Antworten auf 1.c4 warten. Den verdienten Nachfolger von KostenŽs «The Dynamic English» hat Marin jedenfalls jetzt schon vorgelegt. ■

Mihail Marin, Großmeister-Repertoire – Englische Eröffnung Bd.1, 480 Seiten, Quality Chess, ISBN 978-1906552244

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Leseproben (engl. Ausgabe)

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G. Nesis & J. Alexejew: «Königsindische Verteidigung – richtig gespielt»

Posted in Buch-Rezension, Chess, Gennady Nesis, Malte Thodam, Rezensionen, Schach, Schach-Rezension by Walter Eigenmann on 25. Juni 2010

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Interessanter Ausflug zum «Königsinder»

Malte Thodam

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Seit langer Zeit schon hat die Königsindische Verteidigung alle Schachspieler fasziniert, die mit Schwarz sofort eine unbalancierte Stellung erreichen wollen, um so den ganzen Punkt zu erkämpfen. Unvergessen bleiben die Partien Fischers und Kasparovs, denen diese Eröffnung einen Großteil ihrer Popularität verdankt. In heutiger Zeit ist es hauptsächlich Radjabov, der immer wieder neue Ideen im «Königsinder» findet, und ihn somit immer noch auf höchstem Niveau spielbar hält.
Weiß hat seit der Erfindung dieser Verteidigung im 19. Jahrhundert alles versucht, um seinen Raumvorteil in etwas Zählbares umzuwandeln. Dies hat die aktuelle Theorie in ein wahres Dickicht von Varianten geführt, in dem man schnell den Überblick verlieren kann. Um das Studium dieser klassischen Kontereröffnung zu erleichtern, hat der Fernschach-Vizeweltmeister Gennadi Nesis im Joachim-Beyer-Schachverlag das Werk «Königsindische Verteidigung – richtig gespielt» verfasst, wofür er sich den starken russischen Großmeister Jewgeni Alexejew als Co-Autor ins Boot geholt hat.

Aufgebaut ist das Buch aus insgesamt fünf Kapiteln, von denen jedes ein Hauptsystem (Fianchetto-System, Sämisch, Klassisches System, Vierbauernvariante) behandelt. Jedem Kapitel wurde eine kurze Einführung vorangestellt, die neben allgemeinen Informationen auch einige historische Fakten zu den behandelten Systemen bereit hält. Das Schlusskapitel beschäftigt sich mit den selteneren Versuchen des Weißen, etwa dem Awerbach-System (1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 Lg7 4.e4 d6 5.Le2 0-0 6.Lg5).

Die Königsindische Verteidigung: 1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 Lg7 4.e4 d6

Interessant dabei ist, dass nicht einfach die verschiedenen Varianten nacheinander «abgespult» werden, wie es in klassischen Theoriebüchern oft der Fall ist; das Buch ist eher als eine Partiesammlung aufzufassen, nicht als gängiges Eröffnungsbuch. Dabei enthält «Königsindische Verteidigung – richtig gespielt» sowohl ältere Partien als auch aktuelles Material bis 2008. Den Autoren geht es eher darum, die Ideen der Eröffnung vorzustellen, statt eine Masse an Theorie aufzubereiten. Sie führen den Leser mit Kommentaren durch die zum großen Teil wirklich sehr schönen Partien, die nicht selten durch hübsche taktischen Pointen entschieden werden.
Ein Beispiel aus der Partie Wang Yue – Ivan Cheparinow, FIDE-Weltcup Chanty-Mansisk 2007, sei hier kurz vorgestellt: In dieser Stellung nach dem 40. Zug von Weiß wäre die Umwandlung des Bauern d2 in eine Dame ein grober Fehler, da hierdurch das Dauerschach durch die weiße Dame möglich würde (40… d1 D?? 41.De7+ Kh6 42. Dg5+ Kg7 43.De7+ usw.). Doch Cheparinow spielte an dieser Stelle das starke 40… d1 S+! – der Zug gewinnt ein entscheidendes Tempo und hält den schwarzen Materialvorteil fest, gegen den Weiß kein ausreichendes Gegenspiel als Kompensation verfügt.

Fernschach-Vizeweltmeister Gennady Nesis

Abweichungen von den Textzügen bzw. Hauptvarianten der Partien werden ebenfalls durch Varianten erklärt, wobei hier (wie bereits erwähnt) keine theoretische Vollständigkeit gegeben ist. Um das Buch ohne größere Anstrengungen lesen zu können, sollte man über gewisse taktische Kenntnisse verfügen, da nicht immer alles erklärt wird, wie es z.B. in der «Starting-Out»-Reihe im Verlag «Everyman» der Fall ist. Für den fortgeschrittenen Schachfreund, der sein Wissen über die Königsindische Verteidigung aufbessern will, findet sich allerdings eine reiche Palette an interessanten Kämpfen.

«Königsindische Verteidigung – richtig gespielt» stellt kein komplettes Repertoirebuch dar, sondern ist für Schachspieler gedacht, die einen interessanten Überblick über die wesentlichen Motive dieser wichtigen Schach-Eröffnung suchen.

Wer demgegenüber ein komplettes Repertoirebuch sucht, sollte sich vielleicht doch anderweitig umschauen, da dieser Band dem versierten Turnierspieler hierfür gewiss nicht mehr ausreichen wird. Diesen Anspruch erheben die beiden Autoren jedoch auch nicht, so dass ihr Werk einen interessanten Überblick über diese theoretisch und praktisch gleichermaßen bedeutsame Eröffnung darstellt und wichtige, in ihr stets wiederkehrende Motive begreiflich macht. ■

Gennadi Nesis / Jewgeni Alexejew, Königsindische Verteidigung – richtig gespielt, 204 Seiten, Joachim-Beyer-Schachverlag, ISBN 978-3888055003

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Inhalte

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Leseproben

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Chessbase: «Fritz Beginner Edition 2010»

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Systematische Beantwortung der Schachanfänger-Fragen

Malte Thodam

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Wenn man das Schachspiel ohne Vorkenntnisse erlernen möchte, gibt es sofort eine Vielzahl von Fragen. Diese fangen schon bei den Regeln an, die nicht immer sicher beherrscht bzw. manchmal auf kuriose Art und Weise von Laien ausgelegt werden; auch die Gangart der Figuren erfordert etwas Erklärungsbedarf, hat so ein Springer doch etwas merkwürdige Bewegungseigenschaften, wenn er schlenkernd über alle Hindernisse auf dem Brett hinweg hüpft. Dann: Wann ist eine Partie remis, was ist Zugzwang, was bedeutet es, en passant zu schlagen, und wann ist der König patt? Und auch: Die verschiedenen Mattführungen mit unterschiedlichen Materialkonstellationen müssen erst erlernt werden, um eine fast gewonnene Partie zum Sieg führen zu können.
Wenn das alles verstanden worden ist, bleibt immer noch die Frage, wie man  sein Spiel überhaupt vom ersten Zug an anlegen soll. Wohin ziehen die Bauern und Figuren, damit ihre Aufstellung Sinn ergibt?

Die «schwierigste Stellung im Schach»: Die Anfangsposition (rechts das «Fritz»-typische «Notationsformular»

Für die Beantwortung all dieser Fragen von Menschen, die das Königliche Spiel erlernen möchten, hat Chessbase nun eine «Fritz Beginner Edition» als DVD herausgebracht. In insgesamt ca. 10-stündigen Video-Lektionen werden die elementarsten Dinge auf den 64 Feldern für jeden Interessierten verständlich erläutert. Björn Lengwenus, Jugendtrainer und selbst spielstarker Amateur, beginnt sozusagen am absoluten Nullpunkt mit dem Schachbrett und führt den Novizen zu den Figuren und die ihnen anhaftenden Eigenschaften bis hin zu einem Minimum an für Anfänger gut spielbaren Eröffnungen (erklärt werden die grundlegenden Ideen einiger klassischer Eröffnungen wie beispielsweise Königsgambit, Italienisch oder Damengambit). Dabei weist er auch auf die wichtigsten Grundregeln für einen gelungenen Spielbeginn hin.

Gisbert Jacoby, ehemaliger Bundesligatrainer, zeigt danach allerhand taktische Motive bzw. deren Tücken. So wird klar, worauf im komplizierten Getümmel des Mittelspiels zu achten ist. Den Abschluss der Videoinstruktionen macht eine kurze Vorstellung elementarer Endspiele durch GM Karsten Müller. Hier werden die wichtigsten Mattführungen mit den verschiedenen Figuren gegen den einsamen König gezeigt. Gedeckte sowie entfernte Freibauern werden vorgestellt, wobei ihre Stärke vom Großmeister anschaulich verdeutlicht wird. Auch andere wesentliche Grundlagen des Endspiels wie Opposition und Dreiecksmanöver kommen nicht zu kurz – wobei Müller wie gewohnt recht schnell seinen Stoff vorträgt, so dass eventuell einmaliges Anschauen einer Videoeinheit dem Unerfahrenen noch nicht ausreicht, um alles zu verstehen, bzw. zu behalten.

Der Haupt-Screen der DVD mit seinen Verzweigungen zum «Trainer», zum Online-Server und zu den Video-Sessions

Insgesamt werden viele typische Anfängerfehler gezeigt, so z.B. das Schlagen vergifteter Bauern in der Eröffnung oder mehrfaches Ziehen mit einer Figur. Die Konsequenzen solcher Fehler werden dem Lernenden dabei klar vor Augen geführt, so dass er sie von Anfang an in seinen eigenen Partien vermeiden kann. Dazu kann der Anfänger gegen «Fritz» im Trainingsmodus antreten, wobei sich der Rechenknecht der eigenen Spielstärke anpassen lässt – wie bei Fritz eben üblich. Das Programm gibt in diesem Modus Hinweise, und Züge lassen sich zurücknehmen. Drei Monate Zugang auf dem Schach.de-Server – allerdings ohne Zugriff auf das Premium-Programm – runden die DVD ab; so kann der Schachneuling auch online erste Erfahrungen auf den 64 Feldern sammeln. Eine Datenbank mit über einer Million Partien bietet genügend Material, um von den Meistern zu lernen.

Die Spitzenspieler G. Jacoby, K. Müller B. Lengwenus führen den unerfahrenen Schach-Novizen systematisch in die Regeln und grundlegenden Techniken des Schachspiels ein – von der Eröffnung bis zum Endspiel; die neue DVD aus dem Hause Chessbase begleitet den Anfänger auf seinen ersten Schritten ins Reich des faszinierenden Königlichen Spiels.

Wer mit dem Schachspiel beginnen, aber zunächst noch keine Bücher kaufen möchte, der ist mit dieser DVD gut beraten. Sie enthält alles Nötige, um die ersten Partien mit Erkenntnisgewinn bestreiten zu können. Und auch diejenigen, die nie ernsthafter Schach gespielt haben, aber hier und da aus Spaß bereits die Holzfiguren über das Brett geschoben haben, können nun auf neue und vor allem systematische Art mit dem Schachspiel beginnen. So steht dann auch später der Hinwendung zu komplexeren Bereichen des Schachspiels nichts mehr im Wege. ■

Chessbase/Lengwenus/Lengwenus/Müller/Fritz Beginner Edition 2010, DVD-Schach-Software

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J.Konikowski / O.Heinzel: «Holländisch – richtig gespielt»

Posted in Buch-Rezension, Jerzy Konikowski, Malte Thodam, Rezensionen, Schach, Schach-Rezension by Walter Eigenmann on 2. Juni 2010

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Varianten-Fülle auf Kosten der Kommentierung

Malte Thodam

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Der Doppelschritt des schwarzen f-Bauern als Antwort auf 1.d4 gilt seit langer Zeit als umstritten. Während einige starke Großmeister den Zug in ihrem  Repertoire haben, oder ihn zumindest früher einmal gespielt haben (unter anderem sogar Kramnik!), lehnen andere ihn vehement als fehlerhaft ab. GM Jussupow, der übrigens ebenso wie bereits Weltmeister Kramnik in der Vergangenheit darauf zurückgegriffen hat, bemerkte über die Holländische Eröffnung einmal, dass f5-f7 wohl vielfach der beste Zug wäre, wenn er denn den Regeln nach möglich wäre…
Das ist sicher etwas überspitzt formuliert, zeigt aber die Schwierigkeit der Diskussion über diese ungewöhnliche Spielweise eindeutig. Der GM Vladimir Malaniuk gilt heute als führender Experte des Leningrader Systems, genau wie der deutsche Großmeister Stefan Kindermann, dessen Buch über die besagte Eröffnung einen sehr guten Ruf genießt.

Aktuell ist nun im Joachim-Beyer-Verlag ein neues Werk zur Holländischen Eröffnung erschienen. In «Holländisch richtig gespielt» wollen FM Jerzy Konikowski und IM Olaf Heinzel dem Leser ein komplettes Repertoire für Schwarz nach 1.d4 f5 anbieten. Doch damit nicht genug: Es steht dem Leser die Wahl zwischen dem Stonewall und dem Leningrader System offen, beide für sich genommen schon ziemlich anspruchsvoll.

Fide-Meister und vielseitiger Schach-Autor: Jerzy Konikowski

Das alles auf 149 Seiten unterbringen zu wollen, erscheint ziemlich ambitioniert – vor allem, wenn man die zahlreichen Nebenvarianten bedenkt, die gerade auf Ebene der Vereinsspieler nicht gerade ungefährlich sind. In der Einführung versprechen die Autoren auch darauf kurz einzugehen, ohne gewisse Vorkenntnisse oder aber die nötige Spielstärke sucht derjenige, der sich mit der Holländischen Verteidigung vertraut machen möchte, jedoch oft nach genaueren Erklärungen. Zum Beispiel erhält das für versierte Holländisch-Spieler zugegebenermaßen nicht gerade furchteinflößende 2.g4 nur einige Varianten, die mit «unklar» oder «Schwarz steht leicht besser» enden. Die Autoren bemerken dazu (auf S.11): «Sie werden feststellen, dass Ihnen weniger bekannte Abspiele in der Turnierpraxis keine Schwierigkeiten mehr bereiten werden, wenn Ihnen die Prinzipien dieser Eröffnung bekannt sind.» Das trifft natürlich auf jede Eröffnung zu, aber dennoch drängt sich die Frage auf, wieso man hier nicht ausführlicher kommentiert hat.

Dieser Stil zieht sich durch das ganze Buch. Es gibt viele Varianten, die mit «Schwarz steht besser», «mit zweischneidigem Spiel» oder ähnlichen Bewertungen enden. Die genaueren Details muss sich der Leser jedoch selbst erarbeiten, bzw. er muss stark genug sein, um mit diesen knappen Einschätzungen genug anfangen zu können. Gerade weniger erfahrene Spieler wünschen sich aber erfahrungsgemäß oft lieber einige verbale Zusatzerklärungen.

Interessant, umstritten, chancenreich: Die Holländische Partie 1.d2-d4 f7-f5

Es ist prinzipiell in Ordnung, wenn ein Buch wie das vorliegende aufgebaut ist, nur muss man sich im Klaren darüber sein, dass dies harte Arbeit bedeutet, wenn die zahlreichen Varianten die Kommentare eindeutig überwiegen. Dies ist nicht unbedingt nach jedermanns Geschmack. Die Partien sind etwas ausführlicher kommentiert als der Rest des Buches, doch warum stammt die aktuellste Partie aus dem Jahre 2006? Hätte man hier nicht neueres Material benutzen können, zumal etliche wirklich alte Spiele das Gros des dargebotenen Partiematerials ausmachen? Auch die Zusammenfassungen der Kapitel könnten teilweise etwas umfangreicher sein. Schlussfolgerungen wie: «Vor dieser weißen Aufstellung braucht sich Schwarz nicht zu fürchten. Er kann das Spiel einfach ausgleichen» (S.105) wirken manchmal ein wenig zu knapp.

Teilweise geht die Fülle der Varianten und Neben-Abspiele klar auf Kosten der (allgemeinen) Kommentare – schlecht für den «normalen» Vereins-Spieler. Für den Elo-starken Turnier-Spieler kann sich der Band hingegen als durchaus hilfreiche Unterstützung der häuslichen Vorarbeit erweisen.

Immerhin wird aber hier und da auf wichtige Punkte aufmerksam gemacht, die man allerdings in der Regel anhand der Varianten wieder selbst erarbeiten muss, da sie nicht immer weiter ausgeführt werden. Schließlich ist es etwas schade, dass die Fülle an Varianten auf Kosten der Kommentare geht, um auf den ca. 150 Seiten das eingangs erwähnte Vorhaben umsetzen zu können. Denn durch das Gefühl, auf manchen Seiten in den Varianten regelrecht zu ertrinken, wird mancher gute und richtige Kommentar in den Hintergrund gedrängt. Ein paar Seiten mehr für verbale Erklärungen hätten dem Buch sicher nicht geschadet, zudem hätten sie die Lesbarkeit sicherlich verbessert.
Den größten Nutzen aus dieser – drucktechnisch und layouterisch sehr gediegen präsentierten – Monographie wird also der erfahrene, kräftig mit Elo-Punkten ausgestattete Turnierspieler ziehen, den weniger die allgemeinen (holländischen) Stellungskriterien denn die konkreten Abspiele interessieren. Für ihn kann sich der Band als durchaus hilfreiche Unterstützung der häuslichen Turnier-Vorarbeit erweisen. ■

J.Konikowski / O. Heinzel, Holländisch – richtig gespielt, Joachim Beyer Verlag, 144 Seiten, ISBN 978-3888054990

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Inhalt (Auszug)

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Leseproben

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Hans-Joachim Hecht: «Endspiel-Ratgeber»

Posted in Buch-Rezension, Hans-Joachim Hecht, Malte Thodam, Rezensionen, Schach, Schach-Rezension, Schachendspiele by Walter Eigenmann on 5. Februar 2010

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Der König und seine Manöver im Mittelpunkt

Malte Thodam

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In der Eröffnung und im Mittelspiel aufgrund seiner Schutzbedürftigkeit in aller Regel nicht in der Lage, aktiv ins Spielgeschehen einzugreifen, avanciert der König im fortgeschrittenen Partieverlauf bekanntermaßen zu einer starken Figur, deren Aktivität vor allem im Endspiel oft entscheidend für das Resultat ist. Dies weiß natürlich jeder erfahrene Schachspieler. Da die Praxis aber mehr von uns verlangt als die bloße Kenntnis solcher allgemeinen Lehrsätze, hat der bekannte deutsche Großmeister Hans-Joachim Hecht sich der Figur, die unserem Spiel seinen Namen gab, in einem neuen Werk mit dem Titel «Königswege im Schach – Der Endspiel-Ratgeber» ausgiebig gewidmet.
Erfahrung im Endspiel hat Hecht als Teilnehmer an zehn Schacholympiaden ganz zweifellos, und lange Jahre zählte er zu den stärksten deutschen Schachspielern. Hecht galt stets als sehr erfolgreich im Endspiel, was auch die von ihm gespielten Endspiele zeigen, welche einen Großteil des Buches einnehmen. Wenig erstaunlich also auch, dass Hecht ob seiner Fertigkeiten im letzten Partieabschnitt z.B. maßgeblich am Aufbau der bekannten Chessbase-Endspieldatenbank beteiligt war.
«Königswege im Schach» umfasst etwa hundert ausgewählte Beispiele, die nicht nur aus den erwähnten Musterpartien Hechts, sondern zudem noch aus aktuellen Meisterbegegnungen und vereinzelten Studien stammen. Einige der präsentierten Partiefragmente bringen die Kraft des Königs so klar zur Geltung, dass man sich während der Lektüre beim Schmunzeln ertappt. Hecht führt hierzu einige Mittelspiele vor, die in der Tat beeindruckend sind. So etwa den eindrucksvollen Königsmarsch aus der Partie Short-Timman in Tilburg 1991. Der weiße Monarch unterstützt hier dank der Dominanz seiner übrigen Figuren das Matt, nachdem er die eigene Rochadestellung verlassen hat. Die Ästhetik solcher Aktivierung aller verfügbaren Resourcen einschließlich des Königs ist nicht von der Hand zu weisen – ein echter Königsweg eben.
Obwohl der König und seine Manöver im Mittelpunkt des Buches stehen, geht der übrige Inhalt weit darüber hinaus. In insgesamt 14 Kapiteln werden die Besonderheiten verschiedener Endspieltypen und jene der anderen Figuren hervorragend illustriert, wobei Hecht die den gegebenen Partiestellungen zugrunde liegenden Pläne in verständlichen Worten ausführlich erläutert, und alle seine Ausführungen mit überschaubaren, aber ausreichenden Varianten untermauert.
Das zentrale Thema ist dabei das Zusammenspiel aller Figuren mit ihrem König. Wie wichtig dies für die erfolgreiche Gestaltung des Endspiels ist, betont Hecht unermüdlich. In Kapitel 9, welches er ganz ausdrücklich eben dem Figuren-Zusammenspiel gewidmet hat, schreibt Hecht im einleitenden Teil über den Fall eines fehlenden Einsatzes des Königs: «Der König spielt nicht mit – Wie bitte?»

Mit seinen 160 Seiten ist «Königswege im Schach» natürlich nicht mit gängigen Enzyklopädien über das Endspiel gleichzusetzen. Der Leser findet hier kein systematisches Lehrbuch über das Endspiel, diesen Anspruch erhebt der Autor aber auch gar nicht. Ziel war es laut Hecht, ein Buch zu schreiben, das sich nicht an erfahrene Turnierspieler und Meister wendet, sondern «an jene aufstrebenden Schachliebhaber, die zwar über das elementare Endspielwissen verfügen, jedoch mehr über die farbige Welt des Endspiels erfahren möchten.»
Dieses Vorhaben scheint ihm durchaus gelungen zu sein. Ein besseres Gefühl für das Endspiel wird von Hecht durch seinen kurzweiligen Ratgeber in jedem Fall vermittelt – dem lernenden Spieler wird klar gemacht, worum es in den behandelten Endspielen überhaupt geht, so dass es für ihn leichter wird, Endspiele zu bewerten und einen richtigen Plan zu fassen. Diesbezüglich interessante Stichwörter sind beispielsweise: «Raum und Festung», «Pattverteidigung», «Springerwege», «Bauern auf einem Flügel» oder auch «Geringe Bauernzahl».
Abgerundet wird Hechts «Königswege im Schach» – wie bei didaktisch guten Schachbüchern inzwischen üblich – mit diversen Aufgaben, ergänzt durch den obligatorischen Lösungsteil am Ende des Buches. Der Leser wird bei einigen Lehrbeispielen selbst dazu angehalten, einen besseren Weg zum Gewinn zu suchen, oder eine Möglichkeit zu finden, die den Gegner in Zugzwang bringt. So wird man während der Lektüre einbezogen und kann seine eigenen Überlegungen mit den Analysen des Großmeisters vergleichen.
Wer das Endspiel mag, bekommt hier ein sehr gutes Buch in die Hand, in dem ein Endspielexperte einen Teil seines Erfahrungsschatzes offenbart. ■

Hans-Joachim Hecht, Königswege im Schach – Der Endspiel-Ratgeber, 160 Seiten, Olms Verlag, ISBN 978-3-283-01013-3

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Inhalt

Vorwort

Einleitung

1. Abwicklung

2. Bauernendspiele

3. Geringe Bauernzahl

4. Bauern auf einem Flügel

5. Springerwege

6. Läufer mit Doppelfunktion

7. Aktiver König und Mattangriff

8. Aktiver König und Freibauern

9. Figurenzusammenspiel

10. Raum und Festung

11. Hinhaltende Verteidigung

12. Pattverteidigung

13. Ungewöhnliche Endspiele

14. Ergänzende Studien

Lösungen der Aufgaben

Anhang

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Probeseiten

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Herman Grooten: «Chess Strategy for Club Players»

Posted in Buch-Rezension, Herman Grooten, Malte Thodam, Rezensionen, Schach, Schach-Rezension by Walter Eigenmann on 17. Januar 2010

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Nützliche Schachstrategie von Steinitz bis Karpow

Malte Thodam

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Was unterscheidet sehr gute Spieler am stärksten von Anfängern und durchschnittlichen Amateuren? Der gravierendste Unterschied ist wohl die enorme Geschwindigkeit, mit der ein Titelträger die wesentlichen Elemente einer Stellung erfassen kann. Er weiß in den meisten Situationen sofort richtig einzuschätzen, was die Hauptmerkmale einer Position sind, und worauf er hinarbeiten muss. Hingegen zermartert sich der normale Vereinsspieler – vom Anfänger gar nicht erst zu reden – lange Zeit den Kopf, um zu einem der gegebenen Stellung angemessenen Plan zu gelangen. Und dennoch ärgert man sich oft nach der Partie trotz aller Bemühungen über schwere Einschätzungsfehler, die zum Partieverlust geführt haben.

Nun wird zwar gesagt, dass ein schlechter Plan besser sei als überhaupt kein Plan, dem ehrgeizigen Spieler werden solche frustrierenden Erlebnisse aber kaum genügen. An diesem Punkt setzt der Internationale Meister Herman Grooten in seinem neuen Buch «Chess Strategy for Club Players» –  «Schach-Strategie für Klubspieler (Der Weg zum positionellen Vorteil» – an. Sein Ziel ist es, dem Amateur die richtige Denkweise während einer Schachpartie zu vermitteln. Durch seine langjährige Trainererfahrung, während der er mit jungen Talenten wie Loek van Wely oder Jan Werle zusammen arbeitete, kennt der Niederländer genügend Methoden zur Vermittlung eines tieferen Einblicks in die Zusammenhänge auf dem Schachbrett. Und so ist auch sein Buch didaktisch sehr sinnvoll angelegt: Anhand der Steinitzschen Prinzipien fügt er Stück für Stück das Mosaik eines modernen positionellen Schachverständnisses zusammen.

Schach-Genie, -Weltmeister und -Lehrer für Generationen: Wilhelm Steinitz

Neben den Prinzipien von Wilhelm Steinitz, die das Grundgerüst seiner Arbeit bilden, finden auch die Lehren Nimzowitschs oder die Methoden der Stellungsbeurteilung von Karpov und Mazukevich Erwähnung, die sie in ihrem bekannten Werk «Stellungsbeurteilung und Plan» vorstellen. Grooten geht ausführlich auf die einzelnen positionellen Merkmale wie Materialvorteil, Zentrum, Läuferpaar, Kontrolle von Feldern oder Königsstellung ein. Das alles garniert er mit Partiematerial aus der Großmeisterpraxis, wobei ein Querschnitt durch die Schachgeschichte erfolgt. Aber auch Partien aus der eigenen Praxis bzw. derer seiner Schüler bringt der Internationale Meister fortlaufend ein, um anschaulich die Pläne im Mittelspiel auf eine für den Amateur begreifliche Art darzustellen. Außerdem gelingt es ihm, die einzelnen Themen auf den Punkt zu bringen, und wenn nötig  nochmals zusammen zu fassen.

Damit sich der Leser während der Lektüre auch üben kann, ergänzen Aufgaben zu verschiedenen positionellen Themen das Buch. Sie sind nicht immer einfach zu bewältigen, dafür aber für denjenigen, der noch nicht zu Meisterehren gelangt ist, höchst instruktiv. Sollte man eine Aufgabe einmal nicht verstehen, so greift man einfach auf den umfangreichen und mit zahlreichen Anmerkungen versehenen Lösungsteil am Ende des Buches zu.

Exkurs: Zwei Beispiele

Um zu illustrieren, wie Grooten seine Frage-Antwort-Lektionen konzipiert, seien hier aus dem Buch zwei Beispiele zitiert.

Exercise 15.2.Verwertung des Läuferpaars (Anmerkung: MT) – (Prusikin – Markos 2006)

White´s position is superior, but he must make progress. How can he go about this? – –

The black knight is an important defender, so it must be put to the test. White does this by bringing up new reserves.

33.h4!

If the knight has to move, the bishops will gain in strength, and also the e7-square will become accesible for the rook. Also attractive-looking is 33.Bxg6 hxg6 34.Re7, but then Black defends with 34…Re8, and due to the opposite-coloured bishops White probably cannot win.

33… Re8 34.h5 Ne7

Even worse is 34…Nh8 35.Rxe8 Qxe8 36.Qb1 (also after 36.Qxe8+ Bxe8 37.Be5 the endgame is a hopeless affair for Black) 36…h6 37.Bh7+ Kf8 38.Qxb6, and White wins a crucial pawn, since 38… Qe3+ 39.Kh2 Qxc3 fails to 40.Qd8+ Be8 41.Qd6+ Kf7 42.Qe6+ Kf8 43.d6, with mate threats on e7 and on g8 that cannot both be parried.

35.Re5

35. Qb1 wasn´t bad either.

35… g6 36.Qh4

The queen makes optimal use of the weakened dark squares.

36…Bf5 37.Bxf5?!

White parts with his bishop pair, just when he had a killer move available. Winning was 37.d6!, when Black could have  thrown in the towel straightaway: 37…Nc6 38.hxg6 Bxg6 39.Bxg6, and the mate threats cannot be warded off any more.

37…Nf5 38.Qxf4 Nd4 39.Qxf8+ Rxf8

Black gave up the fight, since in the rook ending that ensues after 39… Rxf8 40.hxg6 hxg6 41.Bxd4 cxd4 42.Re4, he didn´t see any prospects.

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Exercise 22.4.Verwertung von Raumvorteil (Anmerkung: MT) – (Capablanca – Treybal 1929)

White has an enormous space advantage. How can he make progress? Indicate a plan for White and, if possible, also a variation. – –

In this closed position, with only one open file, White can still force a win. For this purpose, he must pinpoint the most vulnerable point in the enemy position.

52.Nd2

White plays his knight to a 5 via Nf3-d2-b3, in order to take aim at the weak point b7.

52…Bd7

Black must hurry if he wants to be able to play the protecting move …Nf7-d8. He cannot give the b7 pawn extra protection with …Rd7, as he will then lose material with Ra8.

53.Nb3 Re8 54.Na5 Nd8

Black has managed to protect everything, but with the following hammer-blow, he is counted out nonetheless.

55.Ba6!

Thus White makes a hole in the black pawn formation and clears a path along the seventh rank.

55… bxa6 56.Rxd7 Re7

Parrying Rxh7 for the moment, but allowing a decisive blow.

57.Rxd8+! Rxd8 58.Nxc6 1-0

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Gewisse taktische Grundfertigkeiten sollten beim Leser allerdings vorhanden sein, da man schließlich kein gutes positionelles Schach spielen kann, ohne die taktischen Probleme der Stellung zu erfassen. Dies betont auch Grooten selbst zu Beginn, so dass der Schachneuling zunächst wahrscheinlich besser mit dem Lernen taktischer Motive beraten ist, bevor er sich durch dieses umfangreiche Lehrbuch der Schachstrategie arbeitet. Für alle anderen, die ihre ersten taktischen Lektionen bereits erfolgreich gemeistert haben, ist «Chess Strategy for Club Players» in der Tat eine Überlegung wert.

Herman Grooten

Allerdings sind die über 400 Seiten – liest man das Buch mit Ambitionen – ob ihres Gehalts und der Systematik, mit der Grooten zu Werke geht, keine leichte Kost, wenngleich Grooten den Lehrstoff auf unterhaltsame Weise zu vermitteln mag. Für diejenigen Turnier- und Vereinsspieler,  die jedoch ernsthaft an ihrem Spiel arbeiten wollen, bietet “«Chess Strategy for Club Players» – solide Englischkenntnisse aufgrund des hohen Textanteils vorausgesetzt – interessantes Material von hohem Lehrwert. Da das Ganze aber wirklich sehr verständlich und locker – mit hier und dort eingeworfenen Anekdoten und interessanten Gedanken – präsentiert wird, lässt sich gut damit leben.
Aber wir erinnern uns: Es ist die schnelle Urteilskraft, bedingt durch die Kenntnis positioneller Elemente, die die Meister vom Rest unterscheidet. Man kann als Amateur «Chess Strategy for Club Players» nicht lesen, ohne etwas darüber zu lernen. ■

Herman Grooten, Chess Strategy for Club Players (engl.), New in Chess Verlag, 400 Seiten, ISBN 978-9056912680

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Inhalt

Foreword by Jan Timman

Preface

Chapter 1: Steinitzs Elements

Chapter 2: The eye of the grandmaster

Chapter 3: Thought process and line of thinking

Chapter 4: Material advantage

Chapter 5: Weakened king position

Chapter 6: Passed pawn

Chapter 7: Weak pawns

Chapter 8: Training experiment

Chapter 9: Strong and weak squares

Chapter 10: The pawn islands theory

Chapter 11: The pawn centre

Chapter 12: The diagonal

Chapter 13: Quiz: strong square

Chapter 14: The open file

Chapter 15: The bishop pair

Chapter 16: Control of a rank

Chapter 17: A piece out of play

Chapter 18: Quiz: open file

Chapter 19: Harmony and coordination

Chapter 20: Lead in development

Chapter 21: Centralization

Chapter 22: Space advantage

Chapter 24: Solutions

Chapter 25: Epilogue

Bibliography

About the author

Index of Players

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(MT)

Brunthaler: «Ihre Schachkombinationen für 2010»

Posted in Buch-Rezension, Heinz Brunthaler, Malte Thodam, Rezensionen, Schach, Schach-Rezension by Walter Eigenmann on 25. November 2009

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Tägliches Minimaltraining mit Taktikaufgaben

Malte Thodam

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Heinz Brunthaler ist sicherlich vielen Schachfreunden als Autor von Aufgabenbüchern mit Kombinationen bereits ein Begriff. Mit der jüngsten Publikation «Ihre Schachkombinationen für 2010 – Verbessern Sie Ihre Kombinationsgabe!» legt er nun einen weiteren Band vor, der sich mit dem wohl wichtigsten Handwerkszeug des Schachspielers beschäftigt: Der guten alten Taktik. Was so selbstverständlich im Spiel der Meister erscheint, nämlich das sichere Manövrieren in gefährlichen Gewässern – sprich scharfen Stellungen – ist der Traum des durchschnittlich begabten Amateurs, der doch zu gerne noch in eine einfache Springergabel oder einen Abzugsangriff hinein läuft, obwohl er diese Motive in der Regel eigentlich recht gut kennt. Fehlende Routine im Lösen von Taktikaufgaben ist oft die Ursache für solche vermeidbaren Schnitzer. Die grundlegenden Motive sind bei vielen Amateuren zwar im Kopf gespeichert, aber für sie nicht unbedingt immer schnell genug abrufbar, bzw. auf die jeweilige Stellung anwendbar. Passend dazu schreibt Brunthaler zu Beginn des Buches auch gleich: «Wer möchte nicht seine Spielstärke und sein Schachwissen verbessern, stärker werden, mehr vom Schach verstehen? Sicher so gut wie jeder echte Schachfan! Doch das ist nicht einfach, denn auf dem Weg zur Verbesserung muss man sehr, sehr vieles lernen, viel Aufwand betreiben. Und das ist das Problem, denn den meisten von uns fehlt durch die Belastung in Schule, Studium und Beruf die Zeit und vor allem die Kraft, sich intensiv mit dem Schachspiel zu befassen oder sogar ein systematisches Training zu absolvieren.» Wie wahr, wie wahr! Kommt uns das Dilemma nicht bekannt vor? Haben wir vielleicht selbst unsere letzte Partie verloren, weil wir ein taktisches Motiv übersehen haben? Hätten wir zwecks Partievorbereitung nicht doch lieber ein paar Kombinationen lösen sollen, statt noch einmal die Eröffnungsvarianten unseres Vertrauens zu studieren?

Leseprobe 1

Brunthaler setzt beim Schachtraining auf Kontinuität statt auf Quantität. Anstatt nur sporadisch eine umfangreiche Trainings-Session zu absolvieren, empfiehlt er ein tägliches Minimaltraining in Form einer Taktikaufgabe. Brunthaler hat für jeden Tag des Jahres ein Schachdiagramm mit einer kritischen Stellung in sein Buch aufgenommen. Die Aufgabenstellungen entstammen durchwegs den Partien sehr starker Spieler: Topalov, Aronian, Kamsky, Anand, Gelfand, Ivanchuk und  Karpow, aber auch die altehrwürdigen Meister wie Tarrasch, Reti und Schlechter lassen sich in dieser Sammlung wiederentdecken. Es gibt, wie auch schon bei den bisher erschienenen Übungsbüchern des Autors, keine Lösungshinweise zu den Aufgaben. Lediglich ein kleines schwarzes Quadrat weist darauf hin, wenn Schwarz das Zugrecht besitzt; fehlt dieses, befindet sich der Weiße am Zug. Somit ist ein praxisnahes Training gewährleistet, denn hier sagt einem schließlich auch niemand vor, ob man nun einen forcierten Weg zum Matt hat, oder ob es möglich ist die Dame des Gegners zu fangen. Die eigene Stellungsbeurteilung und konkrete Berechnung ist gefragt!

Großer Pluspunkt: Die Lösungen am Ende des Buches sind versetzt, so dass man nicht mehr oder minder zufällig die Lösung der nächsten Aufgabe schon aus den Augenwinkeln erhascht. Dies finde ich sehr löblich, hatte ich mich doch öfters schon beim Lesen in anderen Taktikbüchern darüber geärgert, den Gewinnzug der nachfolgenden Aufgabe zu kennen, ohne diese überhaupt erst zu Gesicht bekommen zu haben. Zudem finden sich im Lösungsteil kurze Erläuterungen zur Stellung und den zum Gewinn führenden Zugfolgen und Motiven. Zuweilen gibt es hier mehrere Möglichkeiten, die zum Erfolg führen.

Leseprobe 2

Vom Schwierigkeitsgrad her richtet sich das Buch vornehmlich an den durchschnittlichen Vereinsspieler, es gibt leichtere und auch schwerere Aufgaben, sowohl lehrreiche Mattangriffe als auch nett anzusehende Materialgewinne. Für stärkere Amateure um 2’000 DWZ erweisen sich die Kombinationen gewiss immer noch als nützlich, um taktische Motive zu wiederholen und zu vertiefen. Das Layout des Buches ist schlicht, aber ansprechend, das Preis-Leistungsverhältnis scheint mir insgesamt absolut in Ordnung, schließlich wird einem hier genügend sinnvolles Material zur regelmäßigen Schulung der taktischen Fertigkeiten geboten. Und so eignet sich das Buch nicht zuletzt aufgrund seines handlichen Formats auch hervorragend für den Gebrauch im Alltag, sei es auf der Zugfahrt oder bei den kleinen Wartezeiten zwischendurch, die wohl jeder von uns kennt, sei es im Wartezimmer, bei lästigen Werbepausen während des abendlichen Fernsehprogramms oder auch beim Warten auf den notorisch zu spät erscheinenden Dozenten im Hörsaal. Fazit: Ein durchaus lohnendes Buch, will man seine taktischen Fertigkeiten durch wiederholtes Training schärfen – und seine Mundwinkel gen Ohren wandern spüren, wenn «Fritz» oder «Rybka» bei der Analyse einer gewonnenen Partie die Korrektheit des eigenen Gewinnweges bestätigen.

Heinz Brunthaler, Ihre Schachkombinationen für 2010 – Verbessern Sie Ihre Kombinationsgabe, Schachverlag Ullrich, 124 Seiten, ISBN 978-3940417046

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Malte Thodam

Geb. 1984 in Viersen/D,
Student der Geschichte,
Schach-Teamleiter,
lebt in Düsseldorf

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