Heute vor … Jahren
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Die Geburtsstunde des Musicals: «Show Boat»
Vor exakt 80 Jahren, am 27. Dezember 1927 führt das Ziegfeld Theatre in New York das erste Musical der Musiktheater-Geschichte auf: «Show Boat» des Komponisten Jerome Kerne und des Drehbuch-Texters Oscar Hammerstein.
Das Stück um den Mississippi-Kapitän Haws und seine äußerst vielfältig-kontroverse Passagier-Schar auf ihrem Theater-Schiff entpuppt sich schnell als einer der allergrößten Erfolge der US-amerikanischen Musical-History. Mit dem Werk emanzipiert sich die unterhaltende amerikanische Musik-Bühne endgültig von ihrem biederen Vorbild der europäischen Operette. Mehrfache Verfilmungen und seit 1927 ununterbrochene Aufführungen auf allen großen Stages der Welt beweisen den offensichtlich nach wie vor ungebrochenen Reiz und die musikalische Frische der teils quirligen, teils sentimentalen, teils sozialkritischen «Cotton-Blossom»-Story von Kern & Hammerstein.
Autorin Edna Ferber, auf deren gleichnamigem Roman der Bühnenstoff basiert, soll zunächst entrüstet über die Zumutung gewesen sein, dass ihr «Show Boat» als Grundlage für eine der damals üblichen seichten Nummern-Revues herhalte, deren Handlungen bloß als triviale Gerüste für effektvolle Musik-Potpourris zu dienen pflegten. Komponist Kern suchte indes nach neuen Formen des musikalischen Entertainment-Theaters und konnte Ferber schließlich überzeugen.
Maßgeblich zum durchschlagenden Erfolg der Südstaaten-Tragikomödie trugen nicht nur ihre damals neuen und schockierenden Themata wie Alkoholismus, Rassenhass oder Frauen-Emanzipation, sondern trägt v.a. die melodische und harmonische Qualität der «Show-Boat»-Songs bei: Titel wie «Can’t Help Lovin’ Dat Man», «Make Believe», «You Are Love», oder der Evergreen «Ol’ Man River» (Bild&Film-Ausschnitt/1936) gehören zu den größten Hits, die das amerikanische Musical hervorgebracht hat. (Walter Eigenmann) ■
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BBBlog-Links zum Thema
– Hausarbeiten.de: Das amerikanische Musical
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Komponisten-Porträt: Andrew Lloyd Webber
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Von Jesus bis Evita
Walter Eigenmann
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Bereits als Neunjähriger soll der am 22. März 1948 im englischen Westminster als Sohn des Professors für Musiktheorie & Komposition am Royal College of Music William S. Lloyd-Webber geborene Andrew Lloyd Webber ein Theaterstück für Kinder geschrieben haben. 1971 gelang ihm mit der (umstrittenen, das Neue Testament eigenwillig interpretierenden) Rockoper «Jesus Christ Superstar» der erste Welterfolg. Nach und nach kamen mit «Evita» (1978), «Cats» (1981), «Starlight Express» (1984) weitere Musical-Hits auf die internationalen Show-Bühnen – alle mit durchschlagendem Erfolg.
Heute dürfte Lloyd Webber (nicht zuletzt dank eines effizient im Hintergrund wirkenden Text- und Songwriter-Teams sowie einer perfekt funktionierenden PR-Maschinerie) der berühmteste (und reichste) U-Komponist aller Zeiten sein.
Alle Webber-Musicals leben von einer aufwendigen Inszenierung mit effektvoller Lichtregie und kostspieligen Kostümen. Darüber hinaus stellen sie teilweise hohe Ansprüche an die tänzerischen, gesanglichen und schauspielerischen Fähigkeiten der Darsteller.
Formal sind sie meist nach dem konventionellen Muster der klassischen «Nummern-Revue» gestrickt, wobei die Stoffe entweder literarische Vorlagen adaptieren (T.S. Eliot bei «Cats», G. Leroux beim «Phantom») oder auf eigenen Drehbüchern – Webbers «Lieblingstexter» sind Tim Rice und Richard Stilgoe – basieren.
Musikalisch ist der erfolgsverwöhnte Musical-König mit allen Wassern gewaschen, und die Palette seiner Stilmittel ist für einen Unterhaltungskomponisten erstaunlich breit. Vom akkordisch einfachen Liebesduettchen bis zum dissonant-martialischen Orchestertutti, von der lyrischen Solo-Arie bis zum rockigen «Chorus Line» ziehen seine (gelegentlich durchaus kitschigen Herz-Schmerz-) Stücke sämtliche Ausdrucksregister des modernen Bühnen-Entertainments.
1985 kam mit dem «Requiem» sogar ein (melodisch teils betont populär-«süβlicher», deshalb geschmacklich auch heftig umstrittener) Abstecher in die «Klassik» hinzu. Das großangelegte Werk (nach der lateinischen Totenmesse) wurde in der New Yorker Thomas-Kathedrale uraufgeführt – immerhin mit dem renommierten English Chamber Orchestra unter Lorin Maazel sowie Placido Domingo und (Webbers Ex-Ehefrau) Sarah Brightman in den Solo-Parts.
Der weltweite, nun schon seit 35 Jahren anhaltende Erfolg des mehrfach preisgekrönten Musical-Schöpfers Sir Andrew Lloyd-Webber kann nicht allein auf romantischen Kuss-Szenen, kreativen Syntheziser-Klängen, gigantischen Licht-Orgien oder millionenschweren Saal-Bauten beruhen. Lloyd-Webber, das ist auch eine Traumfabrik. Kein anderer Show-Komponist vor ihm hat die moderne Widersprüchlichkeit zwischen «Schein und Sein», aber auch «Kitsch und Kunst» so psychologisch raffiniert, musikalisch vielfältig und gleichzeitig szenisch virtuos auf die großen Showbühnen der internationalen Musik-Szene gebannt. Das ist der Grund, warum man einige der besten Stücke des A. Lloyd-Webber auch noch in den nächsten 50 Jahren auf den wichtigen Spielplänen der Welt antreffen dürfte. ■
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