Glarean Magazin

Das Zitat der Woche

Posted in Essays & Aufsätze, Musik, Musikpädagogik, Zitat der Woche by Walter Eigenmann on 11. August 2015

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Von der Übereinstimmung der Musik mit dem Leben

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Was ist nötig, damit ein Lied zum Hit wird? Die oft aufgestellte These, es sei allein eine Sache der Vermarktung, ist ebenso falsch wie der Glaube, eine reine, von jeder kommerziellen Absicht losgelöste Kunst sei die Voraussetzung dafür. Beides kann, muss aber nicht sein.
Lässt man kurzlebige Popacts und One Hit Wonders aussen vor und betrachtet nur Künstler, die über Jahre und Jahrzehnte kontinuierlichen Erfolg hatten, zeichnen sich Erfolgsfaktoren ab, die sich bis zu einem gewissen Grad verallgemeinern lassen. So haben z. B. Udo Jürgens, Madonna, Tina Turner oder Joe Cocker eins gemeinsam: Image und Musik bilden eine glaubhafte Einheit und die Biografie enthält bewegende Schicksalsmomente, die für Schlagzeilen sorgen.

Musik-Zitat-der-Woche-Jimi-Hendrix

Maximale Authenzität von Musik und Leben: Gitarren-Legende Jimi Hendrix (1942-1970)

Wenn Frank Sinatra oder Harald Juhnke trotzig singen «I Did It My Way», nimmt man ihnen das ab, weil sie gesellschaftliche Konventionen immer ausser Acht liessen und trotzdem Erfolg hatten. Herbert Grönemeyer gestatten wir, über den «Mensch(en)» als solchen zu singen, denn jemand, der bekanntermassen so viel durchgemacht hat, kann das wohl beurteilen. Die Rolling Stones füllen selbst nach rund 40 Jahren im Musikgeschäft immer noch die grossen Stadien der Welt, weil sie wie keine andere Band über so lange Zeit hinweg das Lebensmotto «Sex, Drugs & Rock ’n’ Roll» verkörpert haben. Jede Falte im Gesicht von Keith Richards und jedes uneheliche Kind von Mick Jagger zertifizieren das Image. Janis Joplin, Jimi Hendrix und Jim Morrison personifizierten das Lebensgefühl der 60er Jahre «Live fast – die young» in geradezu tödlicher Perfektion. Bei ihnen stimmten Musik, Biografie und Image bis in den Tod überein. Im HipHop gehören Tupac Shakur und Notorious BIG zu den am meisten verehrten Personen, denn ihr Tod im Kugelhagel zementiert ihre Street Credibility als Homies. ▀

Aus: «Wert der Kreativität», in der Zeitschrift «Musik & Bildung» (Musikpädagogik), Schott Verlag 2004

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Das Zitat der Woche

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Über die Musik als Glücksverstärker

Nicolai Petrat

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Diese Behauptung wirkt auf den ersten Blick etwas banal, lohnt aber die genauere Reflexion, insbesondere dann, wenn es darum geht, weitere Hintergründe zur Entstehung von Glücksgefühlen zu recherchieren. Beginnen wir zunächst weit vorn, bei unserer stammesgeschichtlichen Entwicklung. Denkbar ist nämlich, dass Glücksmomente schon seit langer Zeit durch die Beschäftigung mit Musikalischem im weiteren Sinne erzeugt werden. Der britische Rockmusiker Sting geht davon aus, dass die allerersten von Menschen gesungenen Lieder dem Ausdruck von Freude dienten.
Heute kennt es jeder: Wenn wir «unser» positiv gestimmtes Lieblingsstück hören, sind wir nicht nur besser gelaunt, wir sind gleich fröhlicher und fühlen uns dynamischer. Dahinter stecken bestimmte neurologisch ablaufende Prozesse. Tatsächlich hängen das Erleben von Musik und die Bildung von Glücksgefühlen neurophysiologisch eng zusammen.
Neurowissenschaftler können es z.B. daran erkennen, wenn auf Gehirnscans beim Musikhören gerade Bereiche des Belohnungssystems, vor allem im limbischen System, gewissermaßen «aufleuchten», dort also verstärkte Aktivität zu erkennen ist.

Was aber passiert, bevor akustische Nervenimpulse das limbische System erreichen? Grundlegende neuronale Aktivitäten, die im weiteren Sinne etwas mit musikalischer Wahrnehmungsverarbeitung zu tun haben, beginnen bereits im Hirnstamm, dem ältesten Teil unseres Gehirns. Vor allem rhythmische Anteile werden schon dort registriert, zwar nicht bewusst, aber so intensiv, dass sie früh auf von der Evolution festgelegte Schaltkreise unserer Hörbahn geschickt werden. Die an der akustischen Wahrnehmungsverarbeitung beteiligten Neuronenverbände sind von Natur aus darauf angelegt, bereits auf ersten Stationen der Hörbahn Regelmäßigkeiten und Ordnungen zu erkennen. Hier werden frühzeitig laute Reize, dumpfe, tiefe sowie dissonante Klänge registriert. Diese signalisieren den übrigen Arealen im Gehirn mögliche Gefahren und treiben den Herzschlag, Blutdruck und die Atemfrequenz in die Höhe, verändern die Muskelspannung. Dies führt zu Impulsen für Abwehr- und Fluchtreaktionen. Umgekehrt wirken langsame und regelmäßige Rhythmen beruhigend. Unser Gehirn interpretiert sie als Anzeichen für ungefährliche Situationen. Wir spüren dies als ein besonderes Wohlgefühl. Je nach Art der Musik werden unterschiedliche Hormone abgegeben: Adrenalin bei schneller und aggressiver Musik, Noradrenalin bei sanften und ruhigen Klängen. Letztere können sogar die Ausschüttung von Stresshormonen verringern. Der Nucleus accumbens wird aktiviert. Umgekehrt wird der sogenannte «Mandelkern» im Limbischen System, der insbesondere bei Stress aktiv ist, regelrecht abgeschaltet, wenn wir etwas Angenehmes empfinden, beispielsweise unsere Lieblingsmusik hören. Es entsteht Freude, unser Glücksempfinden wird stimuliert, eventuelle Ängste verschwinden zumindest vorübergehend. […]

Nicolai Petrat

Nicolai Petrat

Musik erfordert eine Wahrnehmungskunst, die auf die Verarbeitung des Moments angewiesen ist. Trotz der immensen Vielfalt an zu verarbeitenden Informationen geht unser Gehirn hier sehr effektiv an die Arbeit, einerseits durch besondere Mechanismen der Wahrnehmungsverarbeitung,andererseits dadurch, dass es dabei recht zuversichtlich, ja optimistisch vorgeht. Denn «die Natur“ hat unser Gehirn auch im Hinblick auf die Musikverarbeitung mit einer Art «Belohnungsspirale» ausgestattet. Auch für unser Musikgehirn gilt: Umso besser die Neuronenverbände und neuronalen Netzwerke zusammenarbeiten, desto lern- und leistungsfähiger wird unser Gehirn. Im besten Fall geraten die Verarbeitungsprozesse in eine intern organisierte Belohnungsspirale.
Das Besondere: Sobald Neurotransmitter wie Dopamin, Noradrenalin, Serotonin oder Endorphine mit ins Spiel kommen, werden umfangreichere musikspezifische Netzwerke aktiviert, manche werden erweitert, manche sogar neu gebildet. Ohne Transmitter kann unser Gehirn keine Informationen verarbeiten, auch keine musikalischen. Ohne sie ist eine Kommunikation im Gehirn nicht möglich. Sie sind wesentlich daran beteiligt, unsere funktionelle neuronale Architektur aufzubauen, in Gang zu setzen, optimal zu aktivieren. Durch sie wird der Aktionsradius erweitert, es werden auch weiter entfernte Areale aktiviert. Diese sorgen dafür, dass wir uns besser konzentrieren können und motivierter, zuversichtlich sind, ein gesetztes Ziel zu erreichen. Durch Neurotransmitter werden wir leistungsfähiger, flexibler, kreativer. Im besten Fall aktiviert das Gehirn das Belohnungszentrum, macht weitere Energie frei. Wir empfinden ein Glücksgefühl. Es wird ein Kreislauf in Gang gesetzt, der unser Gehirn auf Hochtouren bringt.
Gerade im Hinblick auf musikspezifische Verarbeitungsprozesse ist unser Gehirn stets auf der Suche nach positiven Zusammenhängen, gerät geradezu in Euphorie, wenn es hier etwas Positives registriert. Erst wenn die Belohnungsspirale angesprungen ist, können wir dorthin kommen, wo das Künstlerische beginnt. Besondere Fähigkeiten werden freigesetzt, auch künstlerische. Das gilt nicht nur für das Musikhören, sondern auch für das Instrumentalspiel. Es wird musikalisch bewegter. Musikalische Energie ist regelrecht herauszuhören. Erst dann erreichen wir die Sphäre, wo wir musikalisch geradezu über uns hinauswachsen. ♦

Aus: Nicolai Petrat: Glückliche Schüler musizieren besser! – Neurodidaktische Perspektiven und Wege zum effektiven Musikmachen,  Wißner VerlagForum Musikpädagogik (Band 121) 2014, 164 Seiten, ISBN 978-3-89639-934-2

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Michael Dartsch: «Musik lernen, Musik unterrichten»

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Der aktuelle Stand der musikpädagogischen Dinge

Walter Eigenmann

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Dartsch - Musikpädagogik - Cover - Breitkopf-HärtelIn der modernen Diskussion über Musikpädagogik hat der 1964 geborene Autor dieser neuen Einführung «Musik lernen, Musik unterrichten» eine einflußreiche Stimme. Denn als Mitglied der bundesrepublikanischen «Arbeitsgemeinschaft der Leitenden musikpädagogischen Studiengänge» sowie als Musikrat-Mitglied im «Bundesfachausschuss Musikalische Bildung» gestaltet Michael Dartsch massgeblich Inhalte und Strukturierungen der aktuellen akademischen Musiklehrer-Ausbildung mit und findet damit  Beachtung im ganzen deutschsprachigen Raum.
Die vorliegende Monographie unternimmt denn auch nicht nur den Versuch einer breiten theoretischen Einführung in praktisch alle wichtigen Disziplinen der Thematik inklusive ihre musikhistorischen Bezüge, sondern referiert teils sehr ausführlich ebenso die didaktisch-praktische Umsetzung der jüngsten wissenschaftlichen Erkenntnisse.

Michael Dartsch

Prof. Dr. Michael Dartsch an einer Podiumsdiskussion 2010

Der Band grundiert seinen Überblick zuerst mit einer Beleuchtung der zentralen psychologischen bzw. gesellschaftlichen Einflussfaktoren auf das Musiklernen: Begabung, Sozialisation, Übeeinsatz und Motivation heißen da die wesentlichen Stichworte. In der Folge werden eine Reihe von spezifischen Inhaltsfeldern behandelt: Elementare Musikpraxis, Erfinden von Musik, Musikverstehen, Interpretieren, Üben seien hier nur als die wichtigsten Themata angeführt. Der praxisorientierte Bezug ist außerdem vertreten in Abschnitten wie «Methoden» oder «Zielgruppen und Unterrichtsformen». Ein Blick auf die Institutionen der nicht-akademischen Musikerziehung in der BRD – Stichworte: Öffentliche Musikschulen, Selbstständige Musiklehrerschaft, Laienmusizieren u.a. – rundet den 248-seitigen Band ab.

Fazit-Rezensionen_Glarean Magazin

Michael Dartschs «Musikpädagogik» ist eine sowohl hinsichtlich Strukturierung wie inhaltlicher Gewichtung überzeugende Gesamtschau auf den aktuellen Forschungsstand – eine Bereicherung der aktuell relevanten musikpädagogischen Literatur.

Dartschs «Musikpädagogik» ist eine sowohl hinsichtlich Strukturierung wie inhaltlicher Gewichtung überzeugende Gesamtschau auf den aktuellen Forschungsstand. Von der Systematik des musikpädagogigschen Begriffsapparates und seiner kulturhistorischen Fundamente über die lernpsychologischen bzw neurophysiologischen Grundlagen moderner wissenschaftlicher Untersuchungen bis hin zur konkreten didaktischen Umsetzung in der täglichen Instrumentalpraxis vermittelt der Autor seinen umfangreichen Stoff mit klarer thematischer Gliederung und in wohltuend «einfacher» Sprache, was dieses Einführungs- und Lehrwerk nicht nur für Musik-Studierende und -Lehrende, sondern durchaus auch für Pädagog/inn/en anderer, wenngleich involvierter Schulbereiche interessant macht. Eine Bereicherung der aktuell relevanten musikpädagogischen Literatur! ■

Michael Dartsch: Musik lernen, Musik unterrichten – Eine Einführung in die Musikpädagogik, 248 Seiten, Breitkopf & Härtel Verlag, ISBN 9783765103995 

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Interessante Musik-Novitäten – kurz vorgestellt

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Ulrich Kaiser: «Gehörbildung – Satzlehre, Improvisation, Höranalyse»

Walter Eigenmann

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Kaiser-Gehörbildung1-Bärenreiter-CoverGehörbildung als wichtige Einzeldisziplin der klassischen professionellen Musikausbildung weist längst eine Fülle an pädagogischer bzw. didaktischer Literatur auf. Der Karlsfelder Musiktheoretiker Prof. Dr. Ulrich Kaiser erweitert in seinem neuem Gehörbildungs-«Lehrgang mit historischen Beispielen» den Begriff noch um die Bereiche «Satzlehre», «Improvisation» und «Höranalyse», wobei das zweibändige, 480-seitige Unterrichtswerk zwar durchaus als «Grundkurs» beginnt, aber schon im 1. Band schnell zu komplexen Analysen hinsichtlich typischer melodischer, rhythmischer, harmonischer und satztechnischer Ausprägungen der Chor- und Instrumentalmusik übergeht.
Grundsätzlich strukturiert ist Kaisers Lehrwerk als Aufgaben-Lösungen-Seminar, aber anders als in herkömmlichen Kursen rekurriert Kaiser ausschließlich auf originale Werk-Zitate – insgesamt sind es über 1’400 Notationsbeispiele aus der gesamten abendländischen Musikgeschichte. Damit angestrebt ist die Ausbildung eines differenzierten Bewusstseins für musikalische Stile bzw. Epochen, einhergehend mit einer «grundsätzlichen Steigerung der musikalischen Wahrnehmungsfähigkeit sowie eines intensiveren Erlebens von Musik, verbunden mit einem tieferen emotional-intellektuellen Verständnis für kompositorisches Denken unterschiedlicher Zeiten».
Kaisers zwei Gehörbildung»-Bände bestachen schon 1998, zum Zeitpunkt ihrer 1. Auflage, durch thematische Differenziertheit, stringenten Aufbau und durch eine enorme, gleichzeitig klar typisierende Fülle an Beispielmaterial. Der Lehrgang konnte damals zwar im Selbststudium durchlaufen werden, gehörte aber hinsichtlich Anspruch und Aufbau ins akademische Umfeld. Der vorliegenden neuen (6. Auflage) wurden über 100 klingende Arbeitsbögen zu den Themen Rhythmus, Melodie und Satzmodell hinzugefügt. Ausserdem ist jetzt die Anbindung ans Computerzeitalter vollzogen: Alle mitgelieferten PDF-Dateien auf der beiliegenden CD lassen sich interaktiv bearbeiten. Damit dürfte die 2-bändige «Gehörbildung» aus dem Hause Bärenreiter auch inskünftig ihrer referentiellen Rolle in dieser musikerzieherischen Disziplin gerecht werden. ■

Ulrich Kaiser: Gehörbildung – Band 1 (Grundkurs) & Band 2 (Aufbaukurs), 480 Seiten, mit CD, Bärenreiter Verlag, ISBN 9783761811597 & 9783761811603 

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Interessante Musik-Novitäten – kurz vorgestellt

Posted in Adele, Alexandra Fink, Biographie, Glarean Magazin, Musik, Musik-Rezensionen, Musikpädagogik, Popmusik, Rezensionen by Walter Eigenmann on 3. Dezember 2013

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Alexandra Fink: «20 Noten-Kreuzworträtsel für Fortgeschrittene»

20 Noten-Kreuzworträtsel für Fortgeschrittene - Alexandra Fink - CoverBereits mit ihren «50 Notenwitzen» sowie ihren «20 Noten-Kreuzworträtsel / Heft 1» sorgte die Musikpädagogin und Autorin Alexandra Fink für schmunzelnde Lernmotivation in den Musikschulzimmern. Nun legt sie nach für eher fortgeschrittene Noten-Zöglinge: 20 Kreuzworträtsel enthält das neue Heft aus der Nepomuk-Edition des Breitkopf&Härtel-Verlages. Nach festem Muster (Linke Seite = Zahlengitter, rechte Seite = Linien & Noten) werden mit amüsanten Zeichnungen nach Notennamen und Lösungswörtern gesucht.
Eröffnet wird der Band mit einer kurzen Zusammenstellung aller abgefragten Noten sowohl im Violin- als auch im Bass-Schlüssel, danach wird systematisch ein recht weiter Tonraum vom Großen Des bis zum Zweigestrichenen C abgefragt. – Eine schöne Aufbereitung des bei vielen Kids verpönten Musiknoten-Paukens. ■

Alexandra Fink: 20 Noten-Kreuzworträtsel für Fortgeschrittene, 48 Seiten, Edition Nepomuk / Breitkopf&HärtelMN 13003

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Caroline Sanderson: «Someone like… Adele»

Someone like Adele - Bosworth Verlag - CoverDie ebenso rasante wie faszinierende Karriere der 1988 in London geborenen Pop-Sängerin und -Writerin Adele Atkins von der unbekannten Vorort-Altistin bis zum globalen Gesangs-Kultstar ist sogar für unsere schnelllebigen Pop-Zeiten beispiellos. Mittlerweile gibt der makellose, dabei sehr emotionale Livegesang dieser Künstlerin, begleitet nur von einem Flügel, auch der Musikkritiker-Presse einhellig Anlass zu Lob in den höchsten Tönen.
Die englische Journalistin und Biographin Caroline Sanderson zeichnet mit großer Sympathie Adeles bisherigen Weg, legt neue Facetten ihrer noch jungen, aber starken Persönlichkeit und ihres internationalen Bezugsnetzes frei – und geht von verschiedenen Seiten her der Frage nach, warum das einzigartige Timbre und die Ausstrahlung dieser Stimme ein weltweites-Millionen-Publikum in den Bann zu schlagen und inzwischen sämtliche Chart-Listen zu erobern vermag. – Informativ geschrieben, mit einigen neueren Fotos. ■

Caroline Sanderson: Someone like… Adele, Biographie (Übersetzung aus dem Englischen), 208 Seiten, Bosworth Edition, ISBN 9783865437341

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Interessante Musik-Novitäten – kurz vorgestellt

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Katharina Apostolidis: «Buntes Geigenwunderland» Band 1

Musik-Rezensionen-Bosworth-Geigenwunderland1-Cover-Glarean-MagazinSelbstverständlich ist die neue Violinschule «Buntes Geigenwunderland» aus dem Hause Bosworth nicht die erste ihrer Art – Dutzende vergleichbarer, durchaus nutzbringender Anfänger-Werke sind im Handel erhältlich. Das neue «Geigenwunderland» für 5-9-jährige Schüler, dessen erster Band nun von Katharina Apostolidis präsentiert wird, besticht aber durch besonders sorgfältige und qualitätsvolle Auswahl sowohl seines musikalischen wie visuellen Materials und durch besonders kindgerechte Aufbereitung der Inhalte. Stichworte sind hier: Karten-, Gehör-, Bewegungs- und Würfelspiele, aber auch Notenrätsel, Malaufgaben, Improvisationsanregungen, Farbsaiten oder die Ton-für-Ton-Einführung der C-Skala. Dabei wird bewusst auf Bewegungsbeschreibungen und methodische Anmerkungen verzichtet; sie bleiben der Lehrperson überlassen. Weiteres Plus des sehr ästhetisch konzipierten Heftes: die beiliegende CD enthält die Stücke in einem betont langsamen Mitspiel-Tempo. Empfehlenswert. (we)

Katharina Apostolidis: Buntes Geigenwunderland / Band 1, Geigenschule für Kinder von 5-9 Jahren, 68 Seiten / mit CD, Bosworth Musikverlag, ISBN 978-3865437563 

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Contzen & Bredohl: Violin-Sonaten von Hindemith und Heucke

Musik-Rezensionen-CD-Contzen-Bredohl-Hindemith-Heucke-Cover-Glarean-MagazinImmer wieder finden sich – trotz enormem Spar- bzw. Kostendruck und schwindender Umsätze im Klassik-CD-Markt – innovative musikalische Spitzenkräfte ihres Faches, die sich unbekannter bzw. sperriger Literatur abseits des Geschmack-Mainstreams annehmen. So auch die Violinistin Mirijam Contzen und der Dortmunder Pianist Tobias Bredohl, die sich in ihrer jüngsten Einspielung den beiden Hindemith-Sonaten in Es- und E-Dur, v.a. aber zwei Violin-Sonaten des bedeutenden baden-württembergischen Komponisten Stefan Heucke (geb. 1959) widmen. Vor allem letzteres ist eine besonders verdienstvolle Anstrengung der zwei renommierten Solisten: Heuckes Oeuvre gehört unbedingt vermehrt in die CD-Regale, denn trotz editorischer Anstrengungen seines Verlegers Schott ist das bereits ebenso umfangreiche wie vielfältige Schaffen dieses innovativen zeitgenössischen Komponisten noch nicht in gebührender Präsenz eingespielt. Hörenswert.(we)

Mirijam Contzen, Tobias Bredohl: Violin-Sonaten von Paul Hindemith und Stefan Heucke, 61 Minuten, Classic Clips (Gesellschaft zur Förderung der Westfälischen Kulturarbeit)

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Aufgeschnappt

Posted in Aufgeschnappt, Musik, Musikpädagogik, Musikschule by Walter Eigenmann on 5. August 2010

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Hoher Stellenwert der Klassischen Musik

Laut einer repräsentativen Umfrage der Bertelsmann Stiftung genießen Klassische Musik und Oper bei der deutschen Bevölkerung einen hohen Stellenwert «als kulturelles Erbe der Nation». Dabei komme nach Ansicht der Bevölkerung dem Musikunterricht in Kindergärten und Schulen «eine besondere Bedeutung zu»; fast jeder, nämlich 96% der  Befragten halten den Musikunterricht für «wichtig oder sehr wichtig».

Laut Stiftung ist dieser Ansicht auch eine Mehrheit junger Menschen im Alter von 14 bis 29 Jahren. Von ihnen hält allerdings immerhin beinahe jeder vierte dieses klassische Erbe «für unwichtig».
Als Gründe für die Wichtigkeit des Musikunterrichts nennt die Bevölkerung vor allem «die Vermittlung einer umfassenden, auch kulturellen Bildung» (91 Prozent) sowie «die Förderung der emotionalen und geistigen Fähigkeiten» der Kinder (ebenfalls 91 Prozent). ■

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Christoph Wünsch: «Satztechniken im 20. Jahrhundert»

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Systematischer Einblick in moderne Kompositionsverfahren

Walter Eigenmann

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Auf nur etwas mehr als 200 Buchseiten einen ebenso systematischen wie möglichst vollständigen kompositionstheoretischen Einblick in eine 100-jährige Entwicklung der stilistischen bzw. satztechnischen Mittel in Form eines eigentlichen Lernprogrammes zu präsentieren ist ein schwieriges Unterfangen. Denn bereits anfangs des vorigen Jahrhunderts werden bislang «epochal» bestimmende Stile abgelöst durch das Nebeneinander einer Vielzahl neuer kompositorischer Verfahren, «Schul-Bildungen», Personalstile, kurz: subjektiv entwickelter und gemeinter, aber dann prägender Individuationen, gerade vom kompositorisch zentralen Bereich des Satztechnischen ausgehend. Trotzdem hat nun der an der Würzburger Musikhochschule lehrende Wissenschaftler, Komponist und Musiker Christoph Wünsch in seiner neuen Monographie «Satztechniken im 20. Jahrhundert» – erschienen als Band 16 der Reihe «Bärenreiter Studienbücher Musik» – eine Art «Kanon der Normen» (wie locker ein solcher auch gesehen werden muss) aufgrund der wichtigsten kompositionstechnischen Ausprägungen im 20. Jahrhundert erarbeitet.

Christoph Wünsch

Das Verdienst dieser Arbeit ist ein dreifaches. Einesteils ist Wünsch erfolgreich bemüht um historische Repräsentanz, einleuchtende «Katalogisierung» und analytisch wie illustrativ nachvollziehbare Aufbereitung seines naturgemäß sehr umfangreichen, gleichzeitig extrem heterogenen Materials. Von den «Klassikern der Moderne» (Debussy, Hindemith, Bartok, Schönberg, Strawinsky u.a.) und ihren vielfach reflektierten  etwaigen «Schulen» über die «Freien Atonalen», aber auch die dezidierten «Eklektiker» (Messiaen, Britten, Weill u.a.) bis hin zur modernen Jazzharmonik oder den aktuellsten analytischen Verfahren zur Klassifizierung von nicht-tonaler Musik – beispielsweise Allen Fortes Pitch Class Set Theorie – streift der Autor alle wesentlichen Inhalte bzw. Repräsentanten seines Gegenstandes.

Notenbildnerische Unterstützung des Theoretischen durch zahlreiche Beispiele bzw. Werk-Zitate

Weiters ist die musikdidaktische Strukturierung von Wünschs Lehrbuch eine effiziente. Seine einzelnen Kapitel, wiewohl ständig wesentliche Querverweise anmerkend, sind nicht «progressiv» konzipiert, sondern können auch unabhängig voneinander gelernt und gelehrt werden, wobei die thematisch je zentralen Anliegen in Form von «Aufgaben» für den Lernenden aufbereitet sind. Hilfreich in diesem Zusammenhang immer wieder auch die in den einzelnen Kapiteln erwähnten Hinweise auf weiterführende Literatur. Hervorragend präpariert (übrigens auch layouterisch) ausserdem der sehr üppige Beispiele-Apparat des Buches, der notenbildnerisch das Theoretische anschaulich-detailliert unterstützt.

Drittens war es gerade für diese Thematik ein guter Einfall, das moderne Unterrichtsmedium CD einzubeziehen, indem spezifisch geeignete Teile des Materials auf die mitgelieferte (inbegriffene) CD ausgelagert wurden. Hier greift dann noch der interaktive Ansatz; mit über 240 Aufgabenblättern&Lösungen und Texten im plattformübergreifenden pdf-Format sowie musiktechnischen Hilfsmitteln (wie Allintervallreihen-Rechner oder Pitch Class Set Calculator) kann oft direkt vor dem Monitor gearbeitet werden.

Das neue Studienbuch von Christoph Wünsch ist rundum zu empfehlen: Wiewohl es nicht das erste Lehrwerk seiner Thematik ist, so werden ihm doch sein wissenschaftlich fundierter Begriffsapparat, seine musikhistorische Breite, seine didaktische Konzeption und seine vielfältigen Einsatzmöglichkeiten den Weg zu den Musikfreunden aller Couleur ebnen.

Schade ist, dass der Autor im Buch den Platzsparwünschen des Verlages sowohl ein Sach- als auch ein Namensregister opfern musste. Insbesondere letzteres hätte – bei dem ansonsten sehr gut strukturierten Inhalts- und dem sorgfältig ausgewählten Literaturverzeichnis – den Kompendium-Anspruch des Bandes komplettiert. Immerhin enthält die CD ein umfangreiches Glossar.
Von diesem Schönheitsfehler abgesehen ist Wünschs neues Studienbuch rundum zu empfehlen. Wiewohl «Satztechniken im 20. Jahrhundert» nicht das erste Lehrwerk seiner Thematik ist, so wird ihm doch sein wissenschaftlich fundierter Begriffsapparat, seine musikhistorische Breite, seine pädagogische Konzeption und seine vielfältigen Einsatzmöglichkeiten sowohl im studentischen wie im Selbststudium den Weg zu den Musikfreunden aller Couleur ebnen. ■

Christoph Wünsch, Satztechniken im 20. Jahrhundert, Buch-Lernprogramm mit CD-ROM, Bärenreiter Studienbücher Musik – Band 16, ISBN 978-3-7618-1747-6

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Inhalt

Einleitung
Strukturen im Umfeld der Tonalität
Harmonische Phänomene
Pitch Class Set Theorie
Debussy und der impressionistische Stil
Béla Bartók
Strawinsky – die russische Phase
Klassizistische Moderne
Freie Atonalität
Arnold Schönberg und die Zwölftontechnik
Jazzharmonik

CD-Rom

Hindemiths ‘Unterweisung’
Kurt Weill
Olivier Messiaen
Serielle Technik
Minimal Music
Tabelle zur Akkordbezeichnung
Glossar
Sämtliche Aufgaben und Lösungen
Ergänzende Materialien zu den einzelnen Kapiteln

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Leseproben

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Martina Freytag: «Einsingen – allein und im Chor»

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Effizientes Warm-up beim Gesangstraining

Walter Eigenmann

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In früheren Zeiten des (Laien-)Chormusizierens rangierte das professionell gestaltete Warm-up, das effiziente chorische Einsingen, die Disponierung von Körper und Stimmapparat für den niveauvollen Chorgesang sowohl bei der Dirigenten- wie bei der Sängerschaft ziemlich weit hinten – als lästige Pflichtübung vor dem «eigentlichen Musizieren», die es in maximal drei Minuten hinter sich zu bringen galt. In der Nachkriegszeit, auch im Zuge der rasant wachsenden stimmphysiologischen, chordidaktischen und atemmedizinischen Erkenntnisse schlug das Pendel landauf, landab in die andere Richtung aus: Einsingen wurde sogar bei (ggf. ambitionierteren) Laienchören zur halbstündigen Stimmbildung ausgeufert, quasi als Selbstzweck zelebriert und unverhältnismäßig aufgebläht, mit viel gesangspädagogischem (Theorie-)Ballast im Schlepptau.
Heute ist die gängige Praxis, wie man sich bei verantwortlichen Landes-, Regional- und Kreis-Chordirigenten umhören bzw. den einschlägigen Lehrkanon der Musikhochschulen konsultieren kann, eine pragmatische: Eingesungen wird nach der Devise «So wenig wie möglich, aber so viel wie nötig». Angesichts immer knapper Probenzeit bzw. überfrachteter oder/und anspruchsvoller moderner Lied-Programme auch bei Amateurchören gewiss die praktikabelste Losung.

Den grundsätzlich gleichen, betont praxisorientierten Ansatz verfolgt auch eine neue Einsing-«Fibel» namens «Einsingen – allein und im Chor» der Thüringer Gesangspädagogin, Dozentin und Komponistin Martina Freytag. In 40 detailliert abgehandelten, mit viel Noten- und Zeichen-Grafik unterstützten, singtechnisch gut nachvollziehbaren Lektionen gibt die bekannte Gesangsexpertin lernpsychologische Hinweise, setzt gezielte Einzeltechniken auseinander, illustriert mit betont bildreicher Sprache die physiologischen Voraussetzungen und Prozesse, animiert zum entspannten Umgang mit dem gesamten menschlichen Singapparat.

Martina Freytag

Gewiss, Freytags Vokabular, überhaupt ihr ganzer theoretischer wie psychologischer Zugang zur Materie mag für «Uneingeweihte», möglicherweise gar erstmals in dieser Konzentration mit dem Problemfeld «Einsingen» Konfrontierte (zumal aus dem Amateur-Lager) etwas gewöhnungsbedürftig sein. Betont «psychologisierende» Animierungen wie beispielsweise die folgende lesen sich prima vista eher als Beschwörungsformeln denn als präzise Praxisanweisung:
«In der kurzen Einatmung bläst sich der Atemgürtel wie ein Schwimmring blitzartig um den Bauch auf. Er trägt Sie während der Gesangsmelodie, lockert sich ein wenig in der Atempause am Ende der Melodie, um sich in der nächsten Einatmung genauso zackig zu füllen und Sie stabil durch die Tonfolge zu tragen. Singen Sie die Melodie wie eine Honig sammelnde Biene, die ihr regsames und unermüdliches Tun mit einem Summen begleitet. Der ganze Bereich um Mund und Nase wird zum klingenden Bienenrüssel, der schwingt und vibriert. Neugierig, ob in dieser oder jener Blüte noch Honig zu finden ist, fordern Sie sich selbst zu nicht ablassender Intensität.» (S.43)

Zwei «klassische» Mundstellungen der Gesangs-Pädagogik: Die «Sängerschnute» (oben) und der «Sängerbiss»

Gleichwohl entbehren solche empathischen Sentenzen keineswegs einer gewissen intuitiven Suggestion, die in einer konkreten Übesituation zielführender sein kann als trocken-distanziertes Theoretisieren, sobald sich der (singende) Leser im thematischen Spektrum der Freytagschen Terminologie ein bisschen eingelebt hat. Auf alle Fälle gilt uneingeschränkt, wie alle chorsängerische Erfahrung zeigt, die Einschätzung der Autorin: «Seien Sie positiv eingestellt in jedem Moment, in dem Sie singen. […] Jede seelenlos gesungene Singübung kann letztendlich ungesungen bleiben, weil sie Ihnen keinen Fortschritt in Ihrer stimmlichen Entwicklung bringt.»

Selbstverständlich belässt es die vielseitig tätige Gesangspädagogin nicht beim enthusiastischen Schildern «nützlicher Emotionalitäten». Vielmehr ist jede ihrer 40 Lektionen fachlich fundiert auf ein bestimmtes stimmliches Anliegen fokussiert, methodisch einleuchtend aufgebaut, trägt dabei den beteiligten physiologischen Prozessen Rechnung und flankiert illustrativ mit Gesichts- und Körperabbildungen ebenso wie mit zahlreichen Notenbeispielen. Aufgebaut sind dabei fast alle Übungen nach einem gleichbleibenden Muster.

Am Anfang steht jeweils eine Notenzeile, welche das stimmliche Anliegen vorstellt:

Daran schließen sich Ausführungen zu den eigentlichen stimmtechnischen Aspekten der jeweiligen Übung an:

Im dritten Teil offeriert die Autorin Gedanken, «die den Ausdruck und das Gefühl während des Singens darstellen lassen bzw. vertiefen können».

Viertens gibt’s jedesmal passende «Klavierpattern», die als ausgeschriebene Begleitparts auch auf der beiliegenden Compact Disc zu finden sind und in verschiedenen Tonarten «durchexerziert» werden können:

(Die komplett ausnotierten Klavierstimmen sind als PDF-Datei ebenfalls auf der CD zu finden). Apropos mitgelieferte Audio-CD: Sie ist ein nützlicher, ja eigentlich integrativer Bestandteil für all jene, die sich die Übungen nicht bei Dirigent/Chor, sondern alleine erarbeiten wollen.

Vor diesem eigentlichen Praxis-Teil, der mit seinen 40 gezielten Einheiten den Löwenanteil des Bandes ausmacht, finden sich auf knapp vierzig Seiten, quasi als Einführung in die facettenreiche Welt der menschlichen Stimme, die theoretischen und technischen Voraussetzungen des qualitätsvollen Singens: «Stimmsitz», «Registerausgleich», «Resonanz», «Vokalausgleich» oder «Intonation» sind hier u.a. die in Gesangskreisen weitgehend bekannten Stichwörter.

Zusammengefasst: Martina Freytags «Einsingen» ist eine sehr nützliche, ganz auf die Praxis zugeschnittene Anthologie von unmittelbar anwendbaren und meist auch unmittelbar wirkungsvollen singtechnischen Unterweisungen, die «Geist und Körper» ganzheitlich erfassen wollen, um dem/r Sänger/in entspannend und gleichzeitig anregend zu einer optimalen stimmlichen Disposition zu verhelfen. Der Band ergänzt interessant das bereits auf dem Markt befindliche Bücher-Angebot zur Thematik, und wer die bewusst «phantasievolle Sprache» der engagierten Autorin nicht scheut, sondern sich – durchaus auch als Dirigent/in – auf diese Form der individuellen Motivation und «Emotionalisierung» des Singübens einlässt, wird einigen Nutzen für den individuellen oder chorischen Gesang daraus ziehen können. ■

Martina Freytag, Einsingen allein und im Chor, Mit 40 Gesangsübungen, Audio-CD mitgeliefert, 112 Seiten, Bosse Verlag, ISBN 978-3764926489

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Verband deutscher Musikschulen

Posted in Buch-Rezension, Musik, Musik-Rezensionen, Musikpädagogik, Musikschule, Rezensionen by Walter Eigenmann on 21. Januar 2010

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Thematisch erweiterter Lehrplan für Klavier

Walter Eigenmann

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Der Verband deutscher Musikschulen hat seinen neuen «Lehrplan Klavier» herausgegeben. Die 80-seitige Broschüre will gemäß Herausgeber «alle wesentlichen Aspekte eines zeitgemäßen Klavierunterrichts» vermitteln. Der Plan soll eine Arbeits- und Orientierungshilfe für Beruf und Studium bilden. Wesentliche Themen sind dabei u.a: Klavierschulen und Unterrichtswerke – Klavierunterricht mit Erwachsenen – Liedspiel und Improvisation – Jazz, Rock, Pop – Üben – Unterrichtsplanung – Vorspiel- und Konzertgestaltung.
Der Lehrplan für Klavier eröffnet gemäß Verband eine «neue Generation» von Lehrplänen für alle Instrumente und wird exklusiv vom Bosse Verlag vertrieben. Neu sind die VdM-Lehrpläne in verschiedener Hinsicht: Hinzu kamen nun in einem ersten allgemeinen Teil umfangreiche pädagogische Grundlagen und Einführungen zur Unterrichtsmethodik des jeweiligen Instruments mit speziellen Hinweisen zum Üben, zu Vorspiel und Konzert und zur Leistungsförderung; neu ist der Unterrichtsplan auch in Form einer mehrseitigen Tabelle, die Spieltechnik, Musiklehre und Musizieren nach Inhalt und Methodik über die Unterrichtsstufen hinweg aufschlüsselt. Übersichtlicher ist schließlich auch das Literaturverzeichnis gestaltet, und erstmals werden neben den «üblichen» Musikepochen auch die Stilbereiche Jazz, Pop und Rock als selbstständige Kategorien behandelt. Verzeichnisse von Verlagen, elektronischen Medien, Zeitschriften und Verbänden runden das ganze Informationsangebot ab (siehe auch untenstehendes Inhaltsverzeichnis).
Der neue «Lehrplan Klavier» gibt dem interessierten Musikpädagogen eine breitgefächerte, stilistisch wie didaktisch ebenso progressiv wie systematisch konzipierte Orientierungshilfe an die Hand, die weniger ihrem Buchstaben denn ihrem Geiste nach ein Leitfaden für die tägliche Arbeit anbietet. Eine willkommene, angesichts der Vielfalt der heutigen Ansprüche an Schüler- und Lehrerschaft gar notwendige klavierpädagogische Stütze – ob nun im Einzel, Partner- und Gruppenunterricht angewandt. ■

Verband deutscher Musikschulen, Lehrplan Klavier, 80 Seiten, Bosse Verlag, ISBN 9783764937409

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Probeseite

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Alexandra Türk-Espitalier: «Musiker in Bewegung»

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100 Bewegungs-Übungen für Profis und Amateure

Walter Eigenmann

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Tuerk_Musiker in Bewegung_CoverZahlreiche musikmedizinische Studien bzw. statistische Erhebungen legen nahe: Bei (zumal professionellen) Musikern werden die gesundheitlichen Berufsrisiken je länger desto mehr zu einem ernsthaften Problem. Die Gründe hierzu sind von Instrumentalist zu Instrumentalist (bzw. Fach) verschieden und reichen vom Musizieren unter erhöhtem Zeitdruck und Termin-Überlastung über exorbitante schulfachliche Prüfungs-Anforderungen bis hin zu den bekannten Aufführungs-Stressoren wie «Lampenfieber» oder «Versagensangst» oder den langjährigen individuellen Haltungsfehlern auf dem täglichen Übungsstuhl.
Dementsprechend ist die Zahl fachwissenschaftlicher Untersuchungen zum Problemkreis «Musiker-Erkrankung» mittlerweile (und erfreulicherweise) in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Darunter sind allerdings die «theorielastigen», im musikalischen Alltag wenig praktikablen Publikationen in der Überzahl, und noch seltener finden sich fundierte Anleitungen, die instrumentalspezifisch präventiv wirken können.

Alexandra Tuerk_Physiotherapie

Physiotherapeutin Alexandra Türk: «Körperliche Gesundheit hat großen Einfluss auf die Karriere eines Musikers»

Umso willkommener sind denn solche Bücher, wie nun die Frankfurter Physioprophylaktikerin und Diplom-Flötistin Alexandra Türk-Espitalier mit «Musiker in Bewegung – 100 Übungen» eines vorlegt. «Aus der Praxis für die Praxis» war offensichtlich das Motto der Autorin, denn zwar grundiert sie ihre zahlreichen Bewegungs-Exerzitien mit einer guten theoretischen Einführung in die «Ursachen» von Musiker-Erkrankungen und die (falschen) «Gewohnheiten» am Arbeitsplatz, doch im Zentrum des Bandes stehen ihre 100 gezielten «Bewegungsübungen», die sehr präzise und effizient die Problemzonen des/der Musiker/in angehen.

Das thematische Spektrum ist dabei groß: Vom Grob- bis zum Feinmotorischen, von der Atmung bis zum Fingergelenk, vom Auf- bis zum Abwärmen, von der Motivation bis zur Mobilisation und vom Hals- bis zum Lendenwirbel reichen die Stichwörter des Trainingsvokabulars. (Wussten Sie übrigens, dass man «bei Augenbewegungen eine dezente Muskelbewegung in der Tiefe des oberen Nackens wahrnehmen» kann? Ich nicht. Man schaut einfach, nicht wahr… )

Tuerk_Chromatische Wahrnehmung

«Musiker in Bewegung» richtet sich an aktiv Musizierende aller Instrumentalfraktionen, und nicht nur Berufs-, sondern auch (wohl sogar gerade) Amateurmusiker dürften von diesem (layouterisch sehr geschmackvoll präsentierten) Band profitieren. Denn eines der Hauptziele muss das allgemeine Wohlbefinden am Instrument sein, und dies kann nur durch körperliche Unversehrtheit erreicht werden. Hierzu ist der weite Begriff von «Prävention», wie er als tägliche Praxis von der Autorin propagiert wird, ein Schlüsselbegriff. Eine sehr nützliche Broschüre!

Alexandra Türk-Espitalier, Musiker in Bewegung, 100 Übungen mit und ohne Instrument, 144 Seiten, Zimmermann Musikverlag Frankfurt/Main, ISBN 978-3-940105-13-4

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Inhalt

Kapitel 1 Einführung
Einführung
Zielgruppe
Aufbau des Buches
Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie bitte…

Kapitel 2 Ursachen und Gewohnheiten
Ursachen und Gewohnheiten
Häufigste Haltungsgewohnheiten
Anforderungen beim Musizieren
Belastungen minimieren
Allgemeine Überichtlinien
Ausgleichsprogramm

Kapitel 3 Training
Erstellen eines Trainingsplan
Durchführung
Motivation

Kapitel 4 Übungen
Aufwärmen
Abwärme
Lendenwirbelsäule
Brustwirbelsäule
Halswirbelsäule und Schulter-Nacken-Bereich
Schulter und Arm
Unterarm, Handgelenk, Hand und Finger
Atmung
Stand und Sitz
Trainingspläne

Kapitel 5 Koordination mit dem Instrument
Koordination mit dem Instrument
Körpersprache und Körperwahrnehmung
Integration in das tägliche Üben
Welche Übung ist für welches Instrument geeignet?
Irritation durch Veränderung
Wahrnehmung der Klangveränderung
Umkehr: Das Instrument als therapeutisches Mittel
Praktische Übungen mit dem Instrument

Kapitel 6 Prävention
Prävention
Verhaltens- und Verhältnisprävention
Gestaltung des Umfelds
Koordinierte Bewegung am Instrument und im Alltag
Differenziertes Hören
Die Rolle des Instrumentallehrers in der Prävention
Beanspruchte Körperregionen
Prävention für einzelne Instrumente

Anhang
Informationen zu spezialisierten Ärzten und Therapeuten
Informationen zu den im Buch verwendetenTrainingsgeräten
Danksagung

Probeseiten

Tuerk_Musiker in Bewegung_Probeseite1

Tuerk_Musiker in Bewegung_Probeseite2

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Lutz Jäncke: «Macht Musik schlau?»

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Das Gehirn und die Musik

Walter Eigenmann

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Lutz Jaencke_CoverIm Anfang war Mozart. Genauer: Der sog. «Mozart-Effekt». Denn im Jahre 1993 sorgte ein Artikel in der renommierten wissenschaftlichen Zeitschrift «Nature» für weltweite Furore, wonach durch das passive Hören klassischer Musik, insbesondere der Werke des berühmten Salzburger Genies, sich das räumliche Vorstellungsvermögen signifikant verbessern soll. Ausgangspunkt der entsprechenden Studien war ein Experiment des US-amerikanischen Physikers Gordon Shaw und der Psychologin Frances Rauscher, welches mit 36 Probanden durchgeführt wurde, die nach dem Anhören verschiedener Musikstücke Aufgaben aus IQ-Tests lösen mussten. Dabei erzielte die Gruppe, die Mozarts Klaviersonate in D-Dur / KV 448 (Video) gehört hatte, ein signifikant besseres Ergebnis. In der Folge erhitzte sich die Pro-Kontra-Diskussion ob diesem berühmt-berüchtigten «Mozart-Effekt» (Video) weit über die Natur- und Geisteswissenschaften hinaus bis tief in die Schulpädagogik, ja gar Bildungspolitik hinein  – ein Mythos war geboren.
Doch was ist wirklich dran an der (wohlfeilen, eigentlich revolutionären) Hoffnung, Musik verhelfe dem Menschen zu mehr intellektueller Kompetenz? Welche Auswirkungen  haben überhaupt Musikmachen und Musikhören auf den Menschen, seine Kognition, seine Psyche? Und: Lernt man schneller/besser mit Musik-Unterstützung? Oder: Wie wirken Töne therapeutisch auf Demenzerkrankte? Grundsätzlich: Wie geht das menschliche Gehirn mit dem komplexen Phänomen «Musik» eigentlich um?

Lutz Jaencke

Prof. Dr. Lutz Jäncke

Diesen und einer Reihe weiterer Fragen geht nun umfangreich die jüngste Publikation eines der renommiertesten deutschsprachigen Neurophysiologen nach, des Zürcher Gehirnforschers Prof. Dr. Lutz Jäncke. In seinem Buch «Macht Musik schlau? – Neue Erkenntnisse aus den Neurowissenschaften und der kognitiven Psychologie» breitet er in 13 Kapiteln den aktuellen Stand der neuropsychologischen und -physiologischen Diskussion aus. Dabei fördert der gebürtige Bochumer Ordinarius an der Universität Zürich eine ganze Reihe von interessanten, ja spektakulären Befunden und Erkenntnissen aus seinem Fach zutage – aufsehenerregend keineswegs nur für den Laien: Jänckes Forschungsergebnisse gerade auf dem Gebiete der Musik-Neurowissenschaften stoßen mittlerweile in den angesehendsten Peer-Reviewed-Zeitschriften auf großes Interesse und beeinflussen damit prägend die aktuelle Diskussion.
Hierzu trägt sicher nicht nur die wissenschaftliche bzw. methodische Kompetenz des Autors bei, sondern auch seine Fähigkeit, komplexe Forschungsinhalte mit geradezu «leichter» Sprachstilistik, zuweilen gar mit unverhohlen-humorvoller Fabulierlust zu servieren. Sein «Macht Musik schlau?» liest sich, wiewohl mit naturwissenschaftlichen, statistischen, methodischen und analytischen Details geradezu vollgestopft, überraschend unkompliziert, ja erfrischend spannend – Populärwissenschaft im allerbesten Sinne. Sein Vorwort-Verfasser, der Hannoveraner Berufskollege Eckart Altenmüller attestiert ihm denn auch zurecht, er erziehe «den Leser zur kritischen Analyse der Fakten, ohne als Oberlehrer aufzutreten».

Nachfolgend seien die wesentlichsten wissenschaftlichen Erkenntnisse von «Macht Musik schlau?» repliziert – teils zitierend, teils zusammenfassend, Jänckes eigenem Aufbau der Buch-Abschnitte folgend. Selbstverständlich kann es sich dabei allenfalls um eine sträfliche Verknappung der umfangreichen und vielfältigen Inhalte handeln, um einen groben Überblick auf eine Veröffentlichung, welche mit Sicherheit den wissenschaftlichen Diskurs auf diesem Gebiet für eine längere nächste Zeit wesentlich mitbestimmen dürfte. (Copyright aller wissenschaftlichen Abbildungen&Tabellen: L.Jäncke & Huber-Verlag Bern).

1. Der Mozart-Effekt

Zwar schließt Jäncke nicht aus, dass sich bei Versuchspersonen nach dem Hören von Mozart-Musik «ein Hirnaktivierungsmuster einstellt», welches eine «optimale Grundlage für die später zu bearbeitenden räumlichen Aufgaben bietet». Ein spezifischer Effekt des kurzzeitigen Hörens von Mozart-Musik auf räumliche Fertigkeiten könne hingegen «nicht zweifelsfrei nachgewiesen» werden: «Sofern Effekte vorliegen, treten sie immer in Bezug zu Ruhe- und Entspannungsbedingungen auf».

2. Einfluss des Musikunterrichts auf schulische Leistungen

Wolfgang Amadeus Mozart

Wunderkind Mozart: «War Mozart ein Genie? Wie sind seine musikalischen Leistungen wirklich entstanden? Gibt es überhaupt Genies?» (Lutz Jäncke)

Jäncke hat zahlreiche sog. «Längsschnitt-Untersuchungen» internationaler Forschergruppen herangezogen und analysiert bzw. kritisch gewürdigt – besonders populär hierzulande: die deutschsprachige «Bastian-Studie», die laut Jäncke allerdings aus methodischen Gründen «unbrauchbar» sei -, wobei grundsätzlich alle diese Forschungen thematisierten, «dass zusätzlicher Musikunterricht einen günstigen Einfluss auf schulische Leistungen, verschiedene kognitive Funktionen (insbesondere das sprachliche Gedächtnis) oder auf verschiedene Intelligenzmaße» haben könne.
Trotzdem bleibt der Buch-Autor skeptisch: Die meisten dieser Studien wiesen «methodische Mängel auf, die es nicht erlauben, die spezifische Wirkung des Musikunterrichts zu belegen». Gleichzeitig blendet aber Jäncke nicht aus, dass chinesische Untersuchungen überzeugend zeigten: Kinder mit Musikunterricht erbringen bereits nach einem Jahr «bessere verbale Gedächtnisleistungen». Jänckes Theorie hierzu: «Der Grund ist, dass die chinesische Sprache als tonale Sprache im Hinblick auf die auditorischen Verarbeitungsgrundlagen viele Ähnlichkeiten mit der auditorischen Verarbeitung der Musik aufweist.»
Insgesamt bedauert der Autor, dass «kaum eine Studie derzeit die Dauerhaftigkeit möglicher günstiger Effekte des Musikunterrichts» thematisiere. Und kritisch fragt er schließlich, welchen Zweck Musiktraining oder Musikerziehung eigentlich haben sollen: «Ist es eher zur Steigerung der kognitiven Leistungsfähigkeit geeignet, oder ist es vielmehr eine wunderschöne Kulturtätigkeit, die Freude und Befriedigung unabhängig von schulischen Leistungsaspekten schenken kann?»

3. Musiker kontra Nicht-Musiker

Aufgrund «gut kontrollierter Querschnitt-Untersuchungen» zeigen sich gemäß Autor «konsistent bessere verbale Gedächtnisleistungen bei Musikern» gegenüber Nicht-Musikern. Außerdem gebe es Hinweise, dass bei Musikern auch das visuelle Gedächtnis besser sei.

Gedaechtnisleistung_Musiker-NichtmusikerBelegt sei weiters, dass Musiker bzw. Personen mit Musikerfahrung bessere Leistungen in visuell-räumlichen Tests aufweisen. Dies hänge wahrscheinlich damit zusammen, dass «verschiedene Aspekte der Musik in unserem Gehirn räumlich repräsentiert sind. Durch das Musizieren werden diese visuell-räumlichen Funktionen offenbar häufig traniert.» Insofern sei es durchaus plausibel, dass diese Funktionen auch für andere, nichtmusikalische Leistungen genutzt werden können.
Da das Rechnen, der Umgang mit Zahlen stark von diesen angesprochenen «visuell-räumlichen Fertigkeiten abhängt, bestehe außerdem ein deutlicher Zusammenhang zwischen dem Musizieren und verschiedenen Rechenleistungen. Jäncke: »Einige Untersuchungen unterstützen die Hypothese, dass Musizieren und Musikbegabung die Rechenleistung fördern«.

4. Musikhören und Lernen

Die Frage, ob (und wenn ja: welche) Musik beim Lernen hilfreich sei, wurde und wird stets umstritten diskutiert. Diesbezüglich analysiert Jäncke einige mehr oder weniger anerkannte Thesen bzw. Verfahren wie z.B. die Suggestopädie und verwandte Richtungen, welche eine positive Wirkung des passiven Hintergrundmusik-Hörens propagieren. Wiederum schließt Forscher Jäncke eine «Evozierung bestimmter Hirnaktivierungsmuster», die für das Lernen besonders günstig sind, auch hier nicht aus. Die arbeitspsychologischen Untersuchungen bzw. Experimente haben indes sowohl «positive wie negative Einflüsse von HIntergrundmusik auf verschiedene Leistungsmaße» belegt, so dass auf diesem Gebiet weitere Forschungen notwendig seien.

5. Musik und Emotionen

Die Erfahrung ist alltäglich: Wenn man angenehme Musik hört, wird die psychische Leistungsfähigkeit gesteigert. Mehr noch: «Wir lernen, bestimmte Musikstücke zu mögen oder nicht zu mögen. Insofern sind auch an der Entwicklung von Musikpräferenzen Lernprozesse beteiligt» (Jäncke). Der Autor geht hier Problemfeldern nach wie: Was sind die Ursachen dafür, dass wir bestimmte Musik zu mögen scheinen und andere Musik ablehnen? Gibt es so etwas wie eine universell bevorzugte Musik? Wann hören wir welche Musik? Wie hören wir diese Musik, und vor allem: Wer hört welche Musik?

Musik & EmotionBei solchen Fragestellungen werden die Befunde Jänckes besonders interessant, reichen sie doch womöglich an das musikkulturelle Selbstverständnis ganzer Gesellschaften heran, bzw. müssen musiksoziologische und musikästhetische Revisionen vorgenommen werden im Zusammenhang mit der hörpsychologischen Konsonanz-Dissonanz-Problematik. So hinterfragt Neurophysiologe Jäncke einerseits, ob die «Konsonanz-Dissonanz-Unterscheidung wirklich mit angeborenen emotionalen Präferenzen verbunden» ist, oder ob nicht jene Musikwissenschaftler recht haben, welche argumentieren, dass «die Präferenz für konsonante Musik, Klänge und Intervalle eher durch häufiges Hören dieser Art von Musik und Klängen bestimmt wird.»
Fest steht gemäß verschiedenen Studien, dass schon bei vier Monate alten Babys Präferenzen für konsonante Klänge und Intervalle vorliegen – gemäß Lutz Jäncke aber nicht das schlagende Argument dafür, dass dabei «ausschließlich genetisch bestimmte Mechanismen» zum Tragen kommen: «Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass die Babys schon häufig konsonante Musik gehört und bereits unbewusst eine Vorliebe für diese Art der Musik entwickelt haben». Denn grundsätzlich, so die Erkenntnis des Neurophysiologen: «Wir mögen, was wir häufig hören». Und weiter: «Obwohl insbesondere in der westlichen Kultur konsonante Musikelemente eher angenehme Reaktionen hervorrufen, darf nicht außer Acht gelassen werden, dass gerade die menschliche Lernfähigkeit es ermöglicht, auch Dissonanz als angenehm zu erleben.» Schließlich: «Emotionale Musik stimuliert das limbische System. Angenehme Musik kann ein ‘Gäsenhautgefühl’ hervorrufen, dem ein Aktivierungsmuster des Gehirns zugrunde liegt, das auch bei Verstärkungen, bei der Befriedigung von Süchten und beim Lernen zu messen ist. […] Insbesondere die Entwicklung von musikalischen Vorlieben wird wahrscheinlich über das Belohnungssystem vermittelt.»

6. Wie verarbeitet das Gehirn Musik?

Wichtige Erkenntnisse gewann Jäncke durch die rasante apparatetechnische bzw. computergesteuerte Entwicklung z.B. auf den Gebieten der Elektro- und der Magnetenzephalographie, welche neuropsychologisch eine «präzise zeitliche Charakterisierung» auch der menschlichen Ton- bzw. Musikwahrnehmung erlaubt. Hier verweist der Wissenschaftler zusammenfassend auf den wichtigen Befund, dass während des Musikhörens «weite Teile des Gehirns im Sinne eines Netzwerkes aktiviert werden. Es besteht also die Möglichkeit, dass man mit musikalischen Reizen eine räumlich ausgedehnte Hirnaktivierung erreichen kann.» Insofern ist im Gehirn – ganz im Gegensatz zu Spekulationen in früheren Jahrhunderten – kein typisches «Musikwahrnehmungsareal» zu identifizieren – einfach deswegen, weil bei Musik schlicht besonders zahlreiche Hirnregionen involviert sind, woraus diverse positive «Transfer-Effekte» resultieren.

7. Die Musik und die zwei Hirnhemisphären

Gehirn-HemissphärenJäncke: «Bei Musikern kann häufig festgestellt werden, dass sie Musik auch in jenen Hirngebieten verarbeiten, die eigentlich mit der Sprachverarbeitung betraut sind». Dementsprechend können bei Musikern sog. Amusien – hier ‘Motorische Amusie’: Störungen in der Produktion von Musikstücken; oder ‘Sensorische Aumusie’: Störungen in der Wahrnehmung von Musikstücken – auch auftreten, wenn Hirngebiete geschädigt sind, die bei Nichtmusikern nicht an der Kontrolle von Musikverarbeitungen beteiligt sind.

8. Wie produziert das Gehirn Musik?

Wenn man Musikstücke spielt, sind gemäß Jänckes Untersuchungen vielfältige Gedächtnisinformationen nötig: «Diese Informationen reichen von Tönen, Rhythmen und Melodien bis hin zu Erinnerungen an Episoden, Personen und Emotionen, die mit dem zu spielenden Musikstück assoziiert sind.» In diesem Zusammenhang geht der Autor auch auf die Tatsache ein, dass zahlreiche Musiker unter «erheblichen Ängsten und Sorgen hinsichtlich ihrer Spielleistung» leiden: «Sie sind teilweise derart gehemmt, dass sie nicht oder nur selten frei und locker ihren Spielfluss finden.» Kernspintomographische oder EEG-Messungen solcher Personen im Labor hätten ergeben, dass bei derartigen Blockaden insbesondere eine starke Aktivierung «frontaler Hirnstrukturen» feststellbar sei, was darauf hinweise, dass diese Hirngebiete «viel zu starke hemmende Einflüsse auf die anderen für die Musikproduktion ebenfalls wichtigen Hirngebiete ausüben». Aufgrund dieser Erkenntnis arbeite nun die Wissenschaft weiter an spezifischen Hirntrainingsmethoden für verbesserte Musikleistungen (Stichworte: «Neurofeedback», «Brain-Computer-Interface-Technik» u.a.)

9. Verändert Musizieren das Gehirn?

Gehirn_VeränderungenDieser Frage widmet Lutz Jäncke einen besonders interessanten Abschnitt seines Buches. Er dokumentiert die überraschende Fähigkeit des menschlichen Gehirns zur anatomischen Anpassung bzw. zu einer Zunahme der «Dichte der grauen Substanz» (= u.a. Sitz der wichtigen «Synapsen»). Jäncke: «Intensives musikalisches Training ist mit erheblichen makroskopischen Veränderungen in Hirnbereichen gekoppelt, die besonders stark an der Kontrolle des Musizierens beteiligt sind. Diese anatomischen Veränderungen hängen offenbar von der Intensität und Häufigkeit des Musizierens ab. Je häufiger trainiert wird, desto ausgeprägter sind die Veränderungen».

10. Musik und Sprache

Die neuere Erforschung des komplexen Beziehungsfeldes «Musik-Sprache» hat nach Jäncke bisherige Auffassungen stark revidiert. So könne z.B. die strikte funktionale und anatomische Trennung zwischen Sprache und Musik nicht mehr aufrecht erhalten werden: «Die Wahrnehmung der Sprache und Musik wird von stark überlappenden Nervenzellnetzwerken bewerkstelligt. Wichtig dabei ist auch, dass an der Analyse von Sprache und Musik beide Hirnhälften beteiligt sind.» Weiter: «Musik ist nach einem bestimmten Regelsystem aufgebaut. Dieses Regelsystem hat bemerkenswerte Ähnlichkeiten mit dem Regelsystem der Sprache. Teilweise werden für die Analyse des Musikregelsystems gleiche Hirnstrukturen eingesetzt.» Eine der Konsequenzen solcher Forschungsergebnisse sind medizinische Ansätze: «Musikalische Interventionen werden erfolgreich für die Therapie von Sprachstörungen eingesetzt».

11. Musik und Alter

Hirn-UnterschiedeZum Abschluss seines «Parforcerittes durch die Welt der Musik, des Lernens und des Gehirns» (Jäncke) kommt der Zürcher Wissenschaftler auf das je länger, desto intensiver thematisierte Problemfeld «Musik&Alter» zu sprechen (siehe auch unseren «Glarean»-Beitrag «Musik im Alter») Und auch Jänckes Forschungen brechen hier eine Lanze fürs Musizieren, gemäß dem bekannten Apodiktum «Use it or lose it», indem er die große Bedeutung von besonders drei Hirn-intensiven Betätigungen konstatiert: «Längsschnitt-Studien haben ergeben, dass ältere Menschen, die bis ins hohe Alter Musizieren, Tanzen und Brettspiele spielen, selten im fortgeschrittenen Alter an Demenzen leiden. Hierbei zeigte sich, dass ein Betätigungsumfang in diesen drei Freizeitaktivitäten von ca. einmal pro Woche das Risiko, später eine Demenz zu entwickeln, um ca. 7 % senkte. Die intensive Ausübung dieser Freizeitaktivitäten scheint die ‘kognitive Reserve’ im Alter zu steigern.» Zusammengefasst: «Menschen, die bis ins hohe Alter musizieren, verfügen über einen geringeren oder keinen Abbau des Hirngewebes im Stirnhirn im Vergleich zu Personen, die nicht Musizieren.» – –

Lutz Jäncke, Macht Musik schlau? – Neue Erkenntnisse aus den Neurowissenschaften und der kognitiven Psychologie, 452 Seiten, Verlag Hans Huber, ISBN 978-3456845753

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Leseproben

Lutz Jaencke_Leseprobe

Lutz Jaencke_Leseprobe2

Inhalt

Vorwort (Eckart Altenmüller)                                     9
1. Einleitung                                                   11
Von Kognitionen, psychischen Funktionen und Genen               13
Transfer                                                        14
Wunderwelt der Neuroanatomie und Bildgebung                     16
Von Zeitschriften und Büchern                                   18
Die Geschichte dieses Buches                                    20
Abschließende Bemerkungen                                       21
2. Der Mozart-Effekt - Beginn eines Mythos                      23
2.1  Der Beginn                                                 24
2.2  Die Folgen                                                 33
2.3  Replikationsversuche                                       35
2.4  Weiterführende Experimente                                 45
2.5  Der Einfluss der Stimmung und der Musikpräferenz           50
2.6  Zusammenfassung und kritische Würdigung                    57
3. Längsschnittstudien                                          59
3.1  Allgemeines                                                59
3.2  Internationale Längsschnittuntersuchungen                  61
3.3  Deutschsprachige Längsschnittstudien                       74
3.4  Zusammenfassung und kritische Würdigung                    90
4. Querschnittuntersuchungen                                    95
4.1  Musik und Gedächtnis                                       96
4.2  Musikgedächtnis                                           105
4.3  Visuell-räumliche Leistungen                              113
4.4  Rechenleistungen                                          138
4.5  Spielen vom Notenblatt                                    147
4.6  Motorische Leistungen                                     150 
4.7  Musikwahrnehmung                                          157
4.8  Musiker und Nichtmusiker                                  192
4.9  Zusammenfassung und kritische Würdigung                   194
5. Lernen und passives Musikhören                              197
5.1  Suggestopädie                                             201
5.2  Ergebnisse aus dem Journal of the Society
     for Accelerative Learning and Teaching                    207
5.3  Ergebnisse aus Zeitschriften, die von Fachleuten
     begutachtet werden                                        210
5.4  Zusammenfassung und kritische Würdigung                   233
6. Musik und Emotionen                                         237
6.1  Preparedness                                              240
6.2  Wir mögen, was wir häufig hören                           246
6.3  Heute «hü» morgen «hott» -
     wechselnde emotionale Musikwirkungen                      249
6.4  Hirnaktivität und emotionale Musik                        258
6.5  Emotionen bei Profimusikern                               271
6.6  Zusammenfassung und kritische Würdigung                   274
7. Wie verarbeitet das Gehirn Musik?                           277
7.1  Zusammenfassung                                           292
8. Musik und Hemisphärenspezialisierung                        295
8.1  Amusie                                                    300
8.2  Amusien bei Musikern                                      302
8.3  Zusammenfassung                                           304
9. Wie produziert das Gehirn Musik?                            307
9.1  Motorische Kontrolle                                      308
9.2  Sequenzierung                                             311
9.3  Gedächtnis                                                314
9.4  Aufmerksamkeit                                            315
9.5  Musizieren - Kreativität                                  317
9.6  Zusammenfassung und kritische Würdigung                   325
10. Verändert Musizieren das Gehirn?                           327
10.1 Wiederholen ist die Mutter des Lernens                    329
10.2 Expertise - Üben, Üben, Üben                              334
10.3 Gehirne wie Knetmasse                                     335
10.4 Reifung und Hirnplastizität                               347
10.5 Plastizität nicht nur bei Musikern                        349
10.6 Zusammenfassung                                           355
11. Musik und Sprache                                          357
11.1 Funktionen und Module                                     359
11.2 Von Tönen und Sprache                                     361
11.3 Fremdsprachen und Musik                                   365
11.4 Syntax und Semantik                                       367
11.5 Klingt Musik französisch, deutsch oder englisch?          375
11.6 Musik und Lesen                                           376
11.7 Musik und Sprachstörungen                                 381
11.8 Zusammenfassung                                           387
12. Musik und Alter                                            391
12.1 Zusammenfassung                                           399
13. Schlussfolgerungen                                         401
Macht das Hören von Mozart-Musik schlau?                       402
Hat Musikunterricht einen günstigen Einfluss
auf Schulleistungen und kognitive Funktionen?                  403
Worin unterscheiden sich Musiker von Nichtmusikern?            404
Lernt man besser, wenn man gleichzeitig Musik hört?            405
Beeinflusst Musik die Emotionen?                               407
Wird Musik in bestimmten Hirngebieten verarbeitet?             408
Wie produziert das Gehirn Musik?                               409
Verändert Musizieren das Gehirn?                               410
Besteht ein Zusammenhang zwischen Musik und Sprache?           411
Ist es gut, wenn man im fortgeschrittenen Alter musiziert?     412
Soll man in der Schule musizieren?                             413
14. Dank                                                       415
15. Literatur                                                  417
Sachwortregister                                               433
Personenregister                                               451

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Das Sieger-Musical für die Grundstufe 2008

Posted in Musik, Musik für den Unterricht, Musikpädagogik, Neuheiten by Walter Eigenmann on 14. November 2008

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«Auch du gehörst dazu!»

sikorskilugert_musical-grundstufeDie beiden deutschen Musikverlage Sikorski und Lugert haben erstmals Schülerinnen und Schüler der Grundstufe dazu aufgerufen, selbst ein Musical zu schreiben. Das von der entspr. Jury ausgewählte Werk basiert auf Ideen einer Mönchengladbacher 1. Klasse, heißt «Auch du gehörst dazu!», erhielt den 1. Preis des Deutschen Schülermusical-Wettbewerbs in der Kategorie Grundstufe, dauert ca. 30 Minuten und ist eine bunte, quirlige Geschichte über die Integration zweier fremder Wesen in eine Gruppe tierischer Freunde.
Aus dem Inhaltsverzeichnis: «Ein neuer Tag; In unsrem Garten; Irgendetwas; Alles ist fremd; Tier-Rap; Ich glaube euch; Auch du gehörst dazu.»
Das humor- und fantasievolle, aber auch zum Nachdenken einladende Stück ist für Kinder ab sechs Jahren konzipiert und «drückt aus, was Kinder bewegt: der Wunsch nach Frieden und Integration» (Verlagsinfo). Lieferbar sind Schüler- und Lehrerhefte mit Audio-CD.

Sonja Thomas / Rainer Buß, Auch du gehörst dazu, Musical für die Grundstufe, Sikorski Verlage und Lugert Verlag, ISMN 9790003036151

Die Gesunderhaltung der Stimme

Posted in Gesang, Julia Schiwowa, Musik, Musikpädagogik, Neuheiten, Ratgeber by Walter Eigenmann on 13. November 2008

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Möglichkeiten der sängerischen Stimmarbeit

nepomuk-musikverlag_die-gesunde-stimmeDer Band beleuchtet die Möglichkeiten der sängerischen Stimmarbeit in Bezug auf die Gesunderhaltung der Stimme. Im Zentrum stehen dabei die Zusammenhänge zwischen Stimmarbeit und Körperarbeit. Die einzelnen Kapitel sind mit themenbezogenen Übungsvorschlägen ergänzt. Auch gesundheitsrelevante Aspekte aus dem Berufsalltag von Sängern und Gesangspädagogen werden berücksichtigt. Mit vielen Ratschlägen, wie auf Warnsignale besser reagiert und was zur Vorbeugung von Stimmstörungen unternommen werden kann. (Verlagsinfo)

Julia Schiwowa, Die gesunde Stimme, Ein umfassender Ratgeber zur Gesunderhaltung der Stimme und zum Umgang mit Stimmstörungen, Nepomuk Musikverlag, 148 Seiten, ISBN 978-3907117224

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Neue Methoden des Musikunterrichtens

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Vom Wagnis Musik in der Schule

Walter Eigenmann

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Musikdidaktische Bücher (für die Oberstufe) der letzten Jahre pflegen oft entweder einen Grad an abstraktem Akademismus an den Tag zu legen, der Studenten- wie Lehrerschaft im pädagogischen Alltag rat- und tatlos stehen lässt vor der real anzugehenden Detail-Fülle neuzeitlicher Musikvermittlung, oder dann kommen sie geradezu bieder-hemdsärmelig daher, als genügte es, mehrhundertjährige Methoden-Forschung auszublenden und stattdessen die punktierte Achtel mit allerlei lustig-poppigem Psychotricksen ans Jungvolk zu verhökern. (Und noch eine dritte «Schule» an den Schulen wäre betreffend «Musik-Schule» nicht zu vergessen, nämlich: gar keine Musik mehr in der Schule – in unseren Zeiten der absoluten kognitiven Dominanz einerseits und andererseits angesichts der überall hemmungslos grassierenden Spar-Wut der Politiker in Sachen Kultur eine immer schamloser Schule machende Praxis mancher öffentlichen Schulen…)
Nun aber, da (allein nur schon die abendländische Kunst-) Musik «in Theorie und Praxis» einen längst so unerhörten und (darum un-erhörten) Reichtum an Formen, Farben und Figuren angenommen hat, dass ihre richtige und unaufhörliche Vermittlung gerade in der lebenslänglich prägenden Volks- und gymnasialen Schule inzwischen zu einer Frage wohl gar ihres Überlebens geworden ist, bedarf es kompetentester Anleitung zu differenzierter Methodik und praxisorientierter Systematik in die Hand der Musikunterrichtenden, aber auch des Weckens phantasiegesteuerter, kreativer Experimentierlust in eben diesen Lehrenden.
Eine solche «systematische Methodenlehre» hat im Bosse-Verlag jetzt der Oldenburger Musik-Seminarleiter und Gymnasiallehrer für Musik und Geschichte Ralf Beiderwieden vorgelegt.
Müsste man seinen Band «Musik unterrichten» mit einem Wort charakterisieren, zitierte man am besten eines seiner vielen Zitate:
«’Der Unterricht, von dem wir reden, soll mit dem Menschen selbst, mit seiner Person sich so vereinigen, dass es nicht mehr dieser Mensch sein würde, wenn man ihm diese Kenntnis wegnähme’. J. F. Herbart, Abiturient des ‘Alten Gymansiums Oldenburg, Abiturjahrgang 1794».
Oder vielleicht auch dies:
«’Ich wäre stolz, wenn ich nach meinem Kompositionsunterricht sagen dürfte: Ich habe den Kompositionsschülern eine schlechte Ästhetik genommen, ihnen dafür aber eine gute Handwerkslehre gegeben’. Arnold Schönberg, Harmonielehre, 1911)».

Und so handwerkt denn Beiderwieden drauflos, dass es noch für ältest-abgebrühte Semester der Musiklehrer-Zunft (oder gerade für sie?!) eine wahre Freude des Lesens und Studierens ist. Schon im Vorwort ist exponiert, was dann 210 Seiten lang des Breiten, aber mitnichten Langen durchgeführt wird: «Sie werden in diesem Buch kaum Sätze finden wie: ‘Der Lehrer soll…’ oder ‘Der Lehrer vermeide…’. Der Lehrer muss gar nichts, und wenig braucht er zu vermeiden. Unterrichten ist wie Komponieren: Handeln in einem weiten Feld von Wenn-dann-Beziehungen. Es gibt nicht die eine Methode, mit der etwas geht. Sie können die motivische Entwicklung in einem Quartettsatz an einer Zeitleiste entwickeln. Sie können sich für Schnipseltechnik entscheiden oder für ein Suchbild-Verfahren. Wenn Sie einen gut gefüllten Werkzeugkasten haben, werden Sie ein passendes Werkzeug finden.»
Und der Beiderwiedensche Werkzeugkasten ist in der Tat nicht nur übervoll, sondern auch sehr intelligent sortiert; der formale Aufbau des Bandes präsentiert sich folgendermassen:

Wie man sofort sieht, quasi eine durchkomponierte Suite, die (mindestens) ein Leitmotiv hat, nämlich dieses, dass es schier keine Thematik in der herkömmlichen, millionenfach tradierten Musikpädagogik gibt, welche nicht doch noch eine Spur geschickter, also schneller und freudvoller vermittelbar ist bzw. wäre… Und der Ideen-Container dieses Buches ist riesig: Kein wirklich wichtiger Aspekt der Schulmusik, dem der Autor nicht eine neue Facette des Zugangs abgewinnt. Dies verdeutlicht (als nur eines von vielen möglichen Beispielen) die folgende Probe-Seite:

Und nach Johann Sebastian Bach noch etwas Jimi Hendrix:

Wenn ein schulmusikalisches Oberstufen-Didaktikum der letzten Jahre das berühmte Motto «Aus der Praxis für die Praxis» ohne Einschränkung einlöst, dann ist es dieses «Musik unterrichten». Aus jeder Zeile des immer konzentriert und originell formulierten, teils erfrischend salopp-persönlich daherkommenden Bandes wird der Leserschaft deutlich, dass hier einer die System-Bilanz einer vieljährigen und vielseitigen, dabei offensichtlich sehr kreativ gehandhabten Beschäftigung mit dem (Spannungs-?)Feld «Musik-Jugend-Schule» offenlegt, wie man sie in dieser Originalität noch selten gesehen hat. Kurzum: «Musik unterrichten» von Ralf Beiderwieden gehört obligat auf den Notenständer eines jeden Musiklehrers. Kaufen, anwenden!

Ralf Beiderwieden, Musik unterrichten, Eine systematische Methodenlehre, 210 Seiten, Bosse Verlag, ISBN 978-3764926564

Klassik-Hits für Klein und Groß

Posted in Musik, Musik für den Unterricht, Musik-Rezensionen, Musikpädagogik, Rezensionen by Walter Eigenmann on 18. November 2007

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Marko Simsa präsentiert Mozart&Co. für Kids

klassik-hits-fuer-kinder.jpgIm Zeitalter des omnipräsenten lockig-flockig-leichtverdaulichen Pop-Gedudels ist es so einfach nicht, Kindern den Spaß auch an differenzierter Musik zu vermitteln. Eine der Möglichkeiten, das Igittigitt-Image der «Klassik» bei den Kids in Begeisterung zu verwandeln, sind solche Produktionen wie dieses «Große Album der Klassik-Hits» für Kinder von Marko Simsa.
Mit Hilfe von Zeichnungen bzw. Zeichentipps, mit Tanzspielen, Quiz, Lied- und Erzähl-Texten sollen berühmte Ohrwürmer von mehr als 20 Komponisten die Kleinen zum Hinhören, Mitsingen und Mittanzen verführen. Produzent Simsa ermöglicht in seinem umfangreichen Booklet einen spielerischen Zugang zur klassischen Musik, und Illustratorin Silke Brix steuerte vergnügliche Bild-Hingucker bei.
In der Hand geduldiger und aufgeschlossener Eltern, die sich gemeinsam mit ihren Zöglingen buchstäblich spielend durch die beiden CDs hangeln können, ist dies Album mit seinen 46 Klassik-Hits und bekannten Highlights ein spaßvoller Weg zu Mozart&Co. (gm)

Marko Simsa, Das große Album der Klassik-Hits für Kinder, Doppel-Audio-CD, Jumbo Neue Medien, ISBN 9783833719554

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