Das Zitat der Woche
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Über Hitlers frühe Vernichtungspläne
Nürnberger Prozess 1945/1946
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Hitlers Versuch, die Juden Europas auszurotten, hat im Nürnberger Prozeß einen breiten Raum eingenommen. Es gab auf der Anklagebank kaum einen Repräsentanten des Dritten Reiches, dem nicht zumindest eine Mitschuld an diesem entsetzlichen Vernichtungsprogramm vorgeworfen und nachgewiesen wurde. Der Antisemitismus der Partei war nicht akademisch; er verlangte nach Taten und fand Henker und Schergen genug, sie auszuführen.
Die Geschichte der Judenverfolgung im Dritten Reich ist angefüllt mit unglaublichen Schrecken und Verbrechen, deren ganzes Ausmaß dem deutschen Volke selbst heute noch verborgen ist. Es fing so scheinbar harmlos an und endete mit der Vernichtung von vier bis fünf Millionen Menschen. Es fing so harmlos an, und doch ließ der Beginn die künftigen Schrecken ahnen.
Die Marschroute, die Hitler und seine Genossen einschlagen würden, ist bereits im Programm der Nationalsozialistischen Partei vom Februar 1920 festgelegt. Dort heißt es: Staatsbürger kann nur sein, wer Volksgenosse ist, Volksgenosse kann nur sein, wer deutschen Blutes ist, ohne Rücksicht auf die Konfession. Kein Jude kann daher Volksgenosse sein.
Nach der Machtergreifung hatte man die »gesetzlichen« Mittel, das Parteiprogramm in die Tat umzusetzen. Zahlreiche Verordnungen beschnitten die Rechte der deutschen Juden. Eingewanderte Juden wurden ausgebürgert, Juden durften mit »Ariern« nicht verheiratet sein, sie durften nicht wählen, sie durften bestimmte Berufe nicht ausüben und gewisse Verkehrsmittel und Unterhaltungsstätten nicht benutzen. Sie durften nur noch eines: hohe Steuern und Sühnestrafen zahlen und später sterben.
Doch damit nicht genug. Man organisierte den uniformierten Mob 1933 und 1938, zündete Synagogen an, boykottierte jüdische Geschäfte, schlug die Juden und schoß sie nieder. Immer schärfer werden die Maßnahmen. Von den 500’000 in Deutschland wohnenden Juden haben bis Kriegsbeginn 200’000 Zuflucht im Ausland gesucht. Den Zurückgebliebenen wird bald klargemacht, daß es jetzt um mehr geht als um Heimat, Wohnung, Freunde, daß nun das Leben auf dem Spiel steht.
In seiner Reichstagsrede vom 30. Januar 1939 drückte sich Hitler deutlich genug aus: »Wenn es dem internationalen Finanzjudentum in und außerhalb Europas gelingen sollte, die Völker noch einmal in einen Weltkrieg zu stürzen, dann wird das Ergebnis nicht die Bolschewisierung der Erde und damit der Sieg des Judentums sein, sondern die Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa.«
Hitler hatte damals wohl noch keine genauen Vorstellungen, wie er sein Ziel erreichen könnte, obwohl er schon 1923 in seinem Buch Mein Kampf klagte: »Hätte man nur zu Kriegsbeginn (1914) einmal zwölf- oder fünfzehntausend dieser hebräischen Volksverderber unter Giftgas gehalten!« Vielleicht liebäugelte er zeitweise mit dem kuriosen Plan des Angeklagten Hjalmar Schacht, die deutschen Juden nach Madagaskar zu deportieren. Aus Tarnungsgründen wurde dieser Plan erst 1942 endgültig begraben. Damals gab Abteilungsleiter Franz Rademacher den Stellen des Auswärtigen Amtes neue Anweisungen: »Der Krieg gegen die Sowjetunion hat inzwischen die Möglichkeit gegeben, andere Territorien für die Endlösung zur Verfügung zu stellen. Demgemäß hat der Führer entschieden, daß die Juden nicht nach Madagaskar, sondern nach dem Osten abgeschoben werden soIlen.«
Hitler wiederholte die oben zitierte Stelle seiner Rede später noch fünfmal. Sie ist der Schlüsselsatz zu den Verbrechen, welche die Ausrottung von Millionen Menschen unter dem Tarnwort *Endlösung* bedeuteten. ■Aus J. Heydecker & J. Leeb, Die Ausrottung der Juden, in: Der Nürnberger Prozess, Verlag Kiepenheuer&Witsch 1958/2003
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Das Zitat der Woche
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Vom menschlich Bösen
Eugen Kogon
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Im KL Buchenwald hatte die SS eine eigene Liquidationsanstalt neben der Reithalle, außerhalb des Stacheldrahtbereiches. Dort wurde nur erschossen. Für das Kommando bestand bei der Kommandantur das Stichwort »99«. Die Scharführer wurden ihm, soweit sie sich nicht freiwillig gemeldet hatten, abwechselnd zugeteilt.
Wenn die ahnungslosen Opfer, fast durchweg russische Kriegsgefangene, in den Stall kamen, hielt der leitende SS-Offizier des Mordkommandos eine kurze Ansprache, die übersetzt wurde: »Sie sind in einem Sammellager. Um die Ansteckungsgefahr zu vermeiden, müssen Sie vorher untersucht, desinfiziert und gebadet werden. Beim Ausziehen zuerst den Rock, dann die Hose hinlegen, die Schuhe daneben stellen, die Erkennungsmarke in die Schuhe legen, damit es keine Verwechslungen gibt.« Die Scharführer gingen in weißen Mänteln umher, um Ärzte vorzutäuschen. Dann hieß es: »Die ersten sechs Mann zum Baden!« Ein Lautsprecher wurde auf volle Stärke eingeschaltet, der Grammophonmusik brachte, während durch einen anderen Namen und Nummern laut gerufen wurden.Zur selben Zeit spielte sich in den nächsten Räumen die blutige Tragödie ab. Die zum >Baden< bestimmten Opfer gingen in einen kleinen Raum, der schalldichte Wände und Türen hatte; er war als Baderaum ausgestattet, mit Fliesen am Boden und an den Wänden und acht Duschen. In der Tür befand sich ein 30 Zentimeter breiter und drei Zentimeter hoher Schlitz. Ein SS-Mann schloß die Tür fest zu und schoß die auf das Bad Wartenden mit einer automatischen Pistole zusammen.
Lagen alle am Boden, oftmals nicht tödlich getroffen, so wurden sie auf ein Lastauto geworfen, das mit Zinkblech ausgeschlagen war. Die Duschen wurden aufgedreht, das Blut weggespült – die nächsten konnten antreten! Auf diese Weise wurden an manchen Tagen von neun Uhr abends bis fünf Uhr morgens 500 Mann >gebadet<.
Anfangs bediente sich die SS einer Maschine (die aber wieder abgeschafft wurde, weil sie nicht rasch genug arbeitete): Auf einem Holzpodium war eine Latte zum Messen der Körperlänge angebracht mit einm Schlagbolzen in der Höhe des Genicks. Wenn sich der ahnungslose Delinquent auf das Podium stellte, schnellte der Bolzen heraus und zertrümmerte Genick oder Hirnschale. Die Maschine tötete nicht immer, die Halbtoten wurden trotzdem auf den Leichenwagen zum Krematorium gefahren. Dort erhielten sie den Gnadenschlag mit einer großen Eichenkeule.
Der Krematoriumsgehilfe Zbigniew Fuks hat erlebt, dass ein russischer Kriegsgefangener, der mit einer Fuhre Leichen eingebracht worden war, ihn noch ansprach: «Kamerad, gib mir die Hand!» Er war wie alle Erschossenen nackt und blutig und hatte auf einem Haufen nackter Leichen gelegen. Er wurde von dem hinzuspringenden SS-Oberscharführer Warnstedt, dem Leiter des Krematoriums Buchenwald, mit einem Revolverschuss getötet. […]
Sämtliche SS-Angehörige des «Kommandos 99» haben das Kriegsverdienstkreuz erhalten. ■Aus Eugen Kogon, Kommando 99 – Pferdestall, in: Der SS-Staat – Das System der deutschen Konzentrationslager, Kindler Verlag 1974
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H.-J. Neumann / H. Eberle: «War Hitler krank?»
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Das Urteil: Vollumfänglich schuldfähiger Verbrecher
Walter Eigenmann
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Lange Jahre stand, angesichts von Millionen Kriegs- und Mord-Toten während des deutschen «Dritten Reiches», für viele fest: Nur ein Wahnsinniger, nur ein hoffnungslos kranker Psychopath konnte solche Zerstörung, solch kollektives Leid, solch abgrundtiefe Unmenschlichkeit über die ganze Welt ausbreiten, und schon lange vor Kriegsende, also vor dem totalen Zusammenbruch der Deutschen und ihrer Hitlerei, fragten sich die ob solch unfassbarer Barbarei Entsetzten öffentlich oder insgeheim: Ist/War Hitler krank? Wurde die weltweit wütende Wehrmacht von einem Drogenabhängigen geführt? Hat ein krankes Hirn die Abschlachtung von Millionen Menschen befohlen? War Auschwitz womöglich «nur» die Ausgeburt eines perversen Morbiden, der für seinen wahnhaften Zustand «eigentlich gar nichts konnte?»
Dieser Frage gehen nun, nach einigen bisherigen anderen, thematisch ähnlich gelagerten Publikationen, die beiden deutschen Autoren Prof. Dr. Hans-Joachim Neumann (Medizinhistoriker & Pathograph) und Prof. Dr. Henrik Eberle (Historiker) in einem «abschließenden Befund» unter dem Titel «War Hitler krank?» nach.
Auf über 300 Seiten breiten dabei die zwei Wissenschaftler Zeit- und aktuell recherchierte Dokumente aus: Medizinische Gutachten, pharmakologische Analysen, Zeitzeugen-Gespräche, Tagebücher, Befehls-Unterlagen, Arzt-Berichte, u.v.a. Und Seite um Seite demontieren die Autoren den ebenso langlebigen wie allen betroffenen Schuldigen zupassekommenden Mythos von Hitler als einem hinfälligen Psychopathen im Bunker der Reichskanzlei, der von seinem Leibarzt Morell «kaputtgespritzt» worden sei.

Unmittelbar nach Kriegsende exhumierten sowjetische Offiziere Hitlers verbrannte Überreste und stellten die Echtheit anhand seiner Zähne fest.
Denn zwar bestreiten Neumann und Eberle natürlich nicht, dass Hitler unter verschiedenen Erkrankungen litt (u.a. Augen- und Hals-/Nasen-Probleme, psychosomatische Verdauungs-Beschwerden, Bluthochdruck, Koronarsklerose, später Parkinson, evtl. Medikamenten-Missbrauch), aber die wegweisenden Entscheidungen traf Hitler schon früh, als gesunder Mensch, und krankheitsbedingt war, wie die Buchautoren nachweisen, kein einziger seiner zahllosen destruktiven Befehle. Auch für eine schuldmindernde Beeinträchtigung infolge psychopathologischer Erkrankungen fehlt jeder wissenschaftlich haltbare Beweis, wie Neumann und Eberle dokumentieren.
Die beiden Pathographen wörtlich: «Die Konstellation seiner Familiengeschichte teilten Millionen Deutsche. Ein dominierender, möglicherweise gewaltätiger Vater und eine überfürsorgliche, vielleicht zu sehr liebende Mutter waren der Normalfall in einem Haushalt der vorletzten Jahrhunderte. Alle anderen exogenen, also von außen verursachten seelischen Beeinträchtigungen gehören in das Reich der Mythologie und der vorsätzlichen Lüge. […]

Fast das gesamte deutsche Volk jubelte seinem Führer begeistert zu (Video-Dokument: «Adolf Hitler spricht im Berliner Sportpalast»)
Hitler hasste zwar, war aber immer in der Lage, seinen Wunsch nach Vernichtung der Juden mit den Vorstellungen der Gesellschaft zu synchronisieren. Gerade die zahlreichen taktischen Wendungen – etwa der Hitler-Stalin-Pakt mit der jüdisch-bolschewistischen Sowjetunion – zeigen die enorme Flexibilität seines Handelns.

Hitler im März 1945 an der Ostfront in einer Lagebesprechung. Er war gezeichnet von seiner Parkinson-Krankheit und konnte nicht mehr länger als eine halbe Stunde stehen; die zitternde linke Hand ist unter dem Kartentisch verborgen. Neumann&Eberle: «Seine geistigen Fähigkeiten wurden durch die Krankheit nicht beeinträchtigt.»
So zynisch es klingt: Alle Verbrechen, die er anordnete und ermöglichte, der Völkermord an den Juden, die Ermordung von Sinit und Roma, Massentötungen von Geisteskranken, sind durch sein Agieren in den gesellschaftlichen Handlungs-Spielräumen erklärbar. […] Die wirklichen Ursachen für diese Verbrechen sind in der deutschen Gesellschaft zu suchen, in ihrer Geistesgeschichte und den sozialen Zusammenhängen.»
Neumann und Eberle kommen nach ihrem 320-seitigen Report denn auch zu einem ebenso eindeutigen wie abschließenden Befund: «Der Krieg wurde nicht geführt, und die Juden wurden nicht vernichtet, weil Hitler krank war, sondern weil die meisten Deutschen seine Überzeugungen teilten, ihn zu ihrem Führer machten und ihm folgten.» ■
Hans-Joachim Neumann & Henrik Eberle, War Hitler krank? – Ein abschließender Befund, Lübbe Verlag, 320 Seiten, ISBN 978-3-7857-2386-9
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Leseproben
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Das Zitat der Woche
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Über das «Genie» Adolf Hitler
Thomas Mann
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Ich frage mich, ob die abergläubischen Vorstellungen, die sonst den Begriff des <Genie> umgaben, noch stark genug sind, dass sie uns hindern sollten, unsern Freund ein Genie zu nennen. Warum denn nicht, wenn’s ihm Freude macht? Der geistige Mensch ist beinahe ebensosehr auf Wahrheiten aus, die ihm wehe tun, wie die Esel nach Wahrheiten lechzen, die ihnen schmeicheln. Wenn Verrücktheit zusammen mit Besonnenheit Genie ist (und das ist eine Definition!), so ist der Mann ein Genie: Um so freimütiger versteht man sich zu dem Anerkenntnis, weil Genie eine Kategorie, aber keine Klasse, keinen Rang bezeichnet, weil es sich auf den allerverschiedensten geistigen und menschlichen Rangstufen manifestiert, aber auch auf den tiefsten noch Merkmale aufweist und Wirkungen zeitigt, welche die allgemeine Bezeichnung rechtfertigen.
Ich will es dahingestellt sein lassen, ob die Geschichte der Menschheit einen ähnlichen Fall von moralischem und geistigem Tiefstand, verbunden mit dem Magnetismus, den man <Genie> nennt, schon gesehen hat wie den, dessen betroffene Zeugen wir sind. Auf jeden Fall bin ich dagegen, dass man sich durch ein solches Vorkommnis das Genie überhaupt, das Phänomen des großen Mannes verleiden lässt, das zwar vorwiegend immer ein ästhetisches Phänomen, nur selten auch ein moralisches war, aber, indem es die Grenzen der Menschheit zu überschreiten schien, die Menschheit einen Schauder lehrte, der trotz allem, was sie von ihm auszustehen hatte, ein Schauder des Glückes war. Man soll die Unterschiede wahren – sie sind unermesslich. Ich finde es ärgerlich, heute rufen zu hören: «Wir wissen es nun, Napoleon war auch nur ein Kaffer!» Das heißt wahrhaftig, das Kind mit dem Bade ausschütten. Es ist als absurd abzulehnen, dass man sie in einem Atem nennt: den großen Krieger zusammen mit dem großen Feigling und Erpressungspazifisten, dessen Rolle am ersten Tage eines wirklichen Krieges ausgespielt wäre; das Wesen, das Hegel den «Weltgeist zu Pferde» nannte, das alles beherrschende Riesengehirn, die ungeheuerste Arbeitskapazität, die Verkörperung der Revolution, den tyrannischen Freiheitsbringer, dessen Gestalt der Menschheit als Erzbild mittelmeerländischer Klassik für immer ins Gedächtnis geprägt ist – zusammen mit dem tristen Faulpelz, tatsächlichen Nichtskönner und <Träumer> fünften Ranges, dem blöden Hasser der sozialen Revolution, dem duckmäuserischen Sadisten und ehrlosen Rachsüchtigen mit <Gemüt>…
Ich sprach von europäischer Verhunzung: Und wirklich, unserer Zeit gelang es, so vieles zu verhunzen: Das Nationale, den Sozialismus – den Mythos, die Lebensphilosophie, das Irrationale, den Glauben, die Jugend, die Revolution und was nicht noch alles. Nun denn, sie brachte uns auch die Verhunzung des großen Mannes. Wir müssen uns mit dem historischen Lose abfinden, das Genie auf dieser Stufe seiner Offenbarungsmöglichkeit zu erleben.
Aber die Solidarität, das Wiedererkennen sind Ausdruck einer Selbstverachtung der Kunst, welche denn doch zuletzt nicht ganz beim Worte genommen sein möchte. Ich glaube gern, ja ich bin dessen sicher, dass eine Zukunft im Kommen ist, die geistig unkontrollierte Kunst, Kunst als schwarze Magie und hirnlos unverantwortliche Instinktgeburt ebensosehr verachten wird, wie menschlich schwache Zeiten, gleich der unsrigen, in Bewunderung davor ersterben. Kunst ist freilich nicht nur Licht und Geist, aber sie ist auch nicht nur Dunkelgebräu und blinde Ausgeburt der tellurischen Unterwelt, nicht nur <Leben>. Deutlicher und glücklicher als bisher wird Künstlertum sich in Zukunft als einen helleren Zauber erkennen und manifestieren: als ein beflügelt-hermetisch-mondverwandtes Mittlertum zwischen Geist und Leben. Aber Mittlertum selbst ist Geist.Aus Thomas Mann, Bruder Hitler, Paris 1939
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Heute vor … Jahren
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Carl Zuckmayer: «Des Teufels General»
Am 12. Dezember 1946 wird Carl Zuckmayers Drama «Des Teufels General» am Zürcher Schauspielhaus uraufgeführt. Das Stück, 1945 in Zuckmayers amerikanischem Exil entstanden, thematisiert den Gewissenskonflikt des Luftwaffen-Generals Harras – dessen reales Vorbild der NS-Generaloberst Ernst Udet ist -, welcher sich Hitlers Wehrmacht aus fliegerischer Besessenheit verschrieben hat, aber im Dezember 1941 erkennt, daß er mitschuldig wurde an Krieg und Unmenschlichkeit. Harras sühnt sein moralisches Versagen, indem er durch seinen Tod den charaktervolleren Freund, der durch Sabotage Widerstand geleistet hat, dem Zugriff der SS-Mörder entzieht.
Kritische Köpfe (auch des damaligen Widerstandes) werfen Zuckmayer bis heute vor, er habe die Gestalt Harras’ idealisiert. Befürworter hingegen anerkennen die «literaturpolitische» Leistung des Dramas, welches unmittelbar nach der Nazi-Barbarei eine öffentliche Diskussion um die Möglichkeiten des aktiven Widerstands bzw. der passiven Duldung entfachte. Vor allem bei den jüngeren Deutschen weckte Zuckmayer, der sich selbst den Gesprächen in vielen Städten stellte, ein Bewusstsein von offenen und freien Reden.
Zuckmayer selbst war sich im Klaren darüber, dass sein Dreiakter zu bewussten Fehlinterpretationen benutzt werden konnte. Zehn Jahre nach der enthusiastisch gefeierten Londoner Aufführung zog der Autor das Stück von sämtlichen deutschen Bühnen zurück. Zuckmayer: «Es wäre allzuleicht, im positiven oder negativen Sinne, das Stück heute als ‘Entschuldigung’ eines gewissen Mitmachertyps misszuverstehen. Sein Inhalt ist jedoch die tragische Situation und schließlich die tragische Entscheidung von unbescholtenen Menschen, die gezwungen sind, oder sich, wie Harras, aus Leichtsinn dazu hergegeben haben, einer ihnen verhassten Gewaltherrschaft zu dienen.» (we/07)
Splitter
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«Welche Bücher habt ihr nie vergessen?»
(Frage in einem deutschen Literatur-Forum)
Eigentlich (fast) jedes…
Denn mit den Büchern ist es wie mit dem Wein im bekannten Sprichwort: Das Leben ist zu kurz, um schlechte/n zu lesen/trinken. Da man also nur «gute Bücher» lesen sollte, indem man sich vor dem Kauf so vielseitig wie möglich kundig macht, weist meine Bibliothek kaum «faule Eier» bzw. nur (für mich) «Unvergessliches» auf.
Es gibt aber Bücher, die einen «verfolgen»!
Bei mir ist das – unter noch ein paar anderen – die berühmte Nazi-Dokumentation von Eugen Kogon: «Der SS-Staat».
Dabei ist es nicht nur die himmelerbarmende und unfassbare Barbarei, mit der damals Deutschland die ganze Welt in die Hölle stürzte, was den Leser dieser erdrückenden Fakten schaudern lässt. Sondern die demprimierende Erkenntnis, dass jeder, also du wie ich genauso zum Verbrecher an der Menschlichkeit werden kann, wenn nur die (zugegeben vielfältigen) «Umstände stimmen»…
Ich habe den Band als Zwanzigjähriger gelesen – und noch heute hat er, quasi als Mahnmal, einen besonderen Platz in meinen Bücherregalen. Walter Eigenmann
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