«Offener Brief» des «Projekte Verlages Cornelius» an die Gegner von Druck-Kosten-Zuschuss-Verlagen
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«Schluss mit der Hysterie und Intoleranz!»
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Seit Jahrzehnten schon, eigentlich bereits seit dem 18. Jahrhundert, da sogar z.B. ein Goethe für das Veröffentlichen seiner Werke bezahlte, wird heftigst gestritten über das Für und Wider der sog. Druckkostenzuschuss-Verlage (auch Selbstzahler-Verlage, Autoren-Verlage, Dienstleistungs-Verlage, Bezahl-Verlage oder Pseudo-Verlage genannt). Gemeint sind Buch-Herstellungsfirmen, die ihre (zumeist belletristischen) Autoren zur Beteiligung an den Kosten der Erstauflage heranziehen und so das unternehmerische Risiko (in teils umfangreichem Maße) auf sie abwälzen.
Dieses Geschäft scheint mittlerweile kräftig zu florieren: allein im deutschsprachigen Europa sind flächendeckend Dutzende solcher Verlage tätig, und ihre Autoren- bzw. Kundschaft mag in die vielen Tausende gehen. Dagegen laufen, ebenfalls schon seit langem, zahlreiche Schriftsteller-Verbände und andere literarische Gruppierungen Sturm. Sie werfen derartigen Verlagen schamlose Abzocke vor, und mittlerweile kursieren sog. «Schwarze Listen», die konkret einzelne Firmen anprangern.
Jüngster Höhepunkt der längst auch mit juristischen Mitteln geführten Auseinandersetzung ist ein «Offener Brief» des Cornelius-Verlages Halle, der dieser Tage an zahlreiche journalistische und literarische Online- und-Print-Redaktionen verschickt wurde. Wir geben nachfolgend dies Schreiben ungekürzt wieder in der Hoffnung, sein Inhalt führe auch hier zu einer regen Pro-/Kontra-Diskussion (via untenstehende «Kommentar»-Funktion). Dabei danken wir allen Votanten schon jetzt für sachlichen Diskussionsstil! (Alle Verlinkungen stammen von der Redaktion – W.E. )
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Verehrte Autoren und Autorinnen!
Verehrte Kollegen in den Verbänden, Medien und Literaturhäusern!Das Maß für die Kampagne gegen die sogenannten Druckkostenzuschussverlage ist übervoll. Unser Brief richtet sich auch ganz konkret an die Vorstände einiger Verbände. Seit mehreren Jahren hetzen diese mit „Schwarzen Listen“ gegen Dienstleistungsverlage. Wir leben und arbeiten in einem solchen betroffenen Verlag, dem Projekte-Verlag Cornelius GmbH. Einerseits wird direkt oder auch indirekt eine Liste im Autorenforum Montsegur unterstützt, eine andere, nicht öffentliche Liste FAIRLAG sammelt Unterschriften von Autoren, Literaturhäusern und Autorenportalen gegen diese Verlage.
Zum Verständnis der „Schwarzen Liste“: Listen dieser Natur richten sich gegen Toleranz, Freiheit, Demokratie und auch den marktwirtschaftlichen Wettbewerb. Solche „Schwarze Listen“ werden fast ausschließlich von Diktaturen erstellt. Der Sinn der „Schwarzen Liste“ wendet sich ausnahmslos und vernichtend gegen die körperliche, soziale oder auch wirtschaftliche Existenz von Personen oder Einrichtungen.
Vor einigen Jahren schon versuchten verschiedene Autoren Buchveröffentlichungen eines Verlages in Frankfurt zu verhindern. Seit Jahren inszenieren diese Herren eine Hasskampagne gegen inzwischen über 60 Unternehmen im verbreitenden und herstellenden Literaturbetrieb. Hunderte „Spürnasen“, Fahnder, Gelegenheitskritiker, Möchtegern-Autoren beteiligen sich im Internet an einer weiteren Auflistung der von ihnen so genannten „Pseudo-Verlage“, die in Wahrheit oft Dienstleister sind, Druckereien betreiben, Buchbindereien und auch Verlage führen und betreiben. Diese Spürnasen beschimpfen die Verleger und Drucker als Kriminelle und Betrüger. Eine Chance, sich gegen diese Listen zu wehren gibt es nicht, da viele Hosts und Provider außerhalb der EU zu finden sind.
Es werden die Verlage beschimpft, unrechtmäßig zu handeln, doch die Unterschriften auf den Verträgen gehören zur Hälfte den Autoren. Tatsächlich unterschreiben Autoren Verträge (ein Vertrag über eine Versicherung ist komplizierter als ein Autorenvertrag), die ihnen schaden, doch beklagen sich danach nicht über ihre Unmündigkeit, sondern frönen als Frustrationsausgleich der Erstellung von „Schwarzen Listen“ – ohne Anflug von Selbstkritik.
Diese „Schwarzen Listen“ haben die Eigenschaft, die auch die Pest an sich hat. Sie greifen über ohne jedes Gebot, sie unterscheiden nicht, jeder kann die Seiten wechseln, egal ob er krank oder gesund ist. Man spricht einen Verdacht aus. Rühmt sich eines makabren Beweises einer Dienstleistungsfirma und stellt sich in die Reihe mit den Guten. Wir allein schon kennen mindestens zwanzig weitere, darunter auch bedeutende Verlage, die private Druckkostenzuschüsse (ohne Beteiligung der Öffentlichkeit) nehmen.
Alles wäre lächerlich, wenn es nicht hunderte gute Autoren aus Unkenntnis (wer will schon nicht fair sein?), Literaturhäuser sowie einige kleinere literarische Verbände und Autorenvereinigungen gäbe, die sich Auftritts-, Lese- und Medienverbote für andere, nichtorganisierte Autoren wünschen würden. Das haben „Schwarze Listen“ so an sich. Sie polarisieren und bevorzugen eine Gruppe.
Wir denken, die Kunst, und besonders die Literatur, hat dort keinen Raum mehr, wo es „Schwarze Listen“ gibt. In diesen Listen werden Verlage in ihrer Existenz bedroht. Es wird versucht Messeauftritte zu verhindern, Werbeschaltungen zu unterbinden und Berufsverbands- sowie Autorenauftrittsverbote werden gefordert.
Schaut man sich nur ein wenig um, so stellt man fest, dass sogar der überwiegende Teil der Autoren des PEN keinen Veröffentlicher mehr hat, der sie finanzieren könnte. Das Berufsbild des Autors ändert sich also rasch, aber eben auch das des Verlegers. Besonders in Deutschland aber hat es Historie, hysterisch und intolerant auf das Neue oder das Andere, nicht gleich Verständliche oder Verstehbare zu reagieren.
Die Auflagen werden immer kleiner, die Arbeit am Buch bleibt jedoch gleich. Wir haben Herrn Imre Törek mündlich und schriftlich eingeladen, sich die Arbeitsweise eines modernen Verlages anzusehen. Ihm schien, wie vielen anderen auch, die Umwandlung der analogen Druck-Systeme auf digitale Systeme verborgen geblieben zu sein. Diese Umwandlung stellt eine Weiterentwicklung dar, ähnlich der von der Kerze zur Glühbirne oder der von der Schreibmaschine zum Computer. Es hat eine gewaltige ökonomische und ökologische Umwandlung in der Buchproduktion und im Vertrieb von Büchern gegeben, ebenso im Umgang zwischen Verlegern und Autoren.
Doch das interessiert diesen Verbandsfunktionär nicht. Er strickt weiter an „Schwarzen Listen“, sei es aus Tradition oder aus einer uns unerfindlichen Borniertheit für das Wirkliche und Veränderliche in diesem Land. Darum: Schaffen Sie die „Schwarzen Listen“ ab! Sie sind unhygienisch für die Kultur und die Veränderungen im Autorenhandwerk in unserem Land, das wir lieben und wo jeder Mensch seine Chance haben darf.8.August 2011, Halle/D: Reinhardt O. Cornelius-Hahn (Autor/Verleger), Joachim Schwarze (Autor/Verlagsmitarbeiter), Wilko Müller (Autor/Verlagsmitarbeiter)
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Kein Applaus für das Royal Philharmonic Orchestra
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Mozart-Sinfonik für Pflanzen?
Walter Eigenmann
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Die chronische Finanzknappheit heutiger Sinfonieorchester, auch berühmtester Ensembles treibt buchstäblich immer seltsamere Blüten. Einen Marketing-Gag der schrägsten Art ließen sich unlängst die englische Shopping-Kette QVC und das renommierte Royal Philharmonic Orchestra einfallen. Geschlagene drei Stunden lang konzertierte das Londoner Spitzenorchester unter der Leitung von Benjamin Pope vor einem stattlichen Auditorium von – Pflanzen! Denn QVC-Garden-Chief Richard Jackson und seine Werbeleute wollten gemäß einer Meldung von «NewsLite» prüfen, ob klassische Musik bzw. die Nachhallzeit von Schallwellen eventuell «die Protein-Produktion in Pflanzen stimulieren und dadurch das Wachstum verstärken» könnte. Und so kam eine über 100 Arten zählende Riesensammlung unterschiedlichsten Grünzeugs im altehrwürdigen RPO-Stammhaus «Cadogan Hall» in den Genuss zahlreicher Klassik-Hits, darunter viel Mozart-Sinfonik.
QVC-«Garten-Experte» Jackson im PR-Video (siehe via Bild-Mausklick) allen Ernstes (wenngleich nicht ohne Schmunzeln): «Wir wollten herausfinden, ob Pflanzen mit Klassik glücklicher sind und besser wachsen». Dirigent Pope seinerseits zu dem botanischen Konzert-Gag: «Bestimmt das duftigste Publikum, vor dem wir jemals gespielt haben. Es war allerdings leicht zermürbend, statt applaudierender Menschen nur viele Reihen gesenkter Köpfe zu sehen…»
Wie hoch des Orchesters Honorar für das Rezital ausgefallen ist, entzieht sich der Kenntnis des Berichterstatters; außerdem steht zu befürchten, dass keinerlei exakte naturwissenschaftliche Messwerte dieses «Experimentes» publik werden… ●
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Neue Ergebnisse der Gehörsforschung
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Laute Kopfhörer-Musik ist schädlich
Die Feinabstimmung seines Gehörs beeinträchtigt erheblich, wer regelmäßig laute Musik via Kopfhörer hört. Denn das führt dazu, dass er wichtige Laute schlechter von Hintergrund-Geräuschen zu unterscheiden vermag; zu laute Musik aus dem Kopfhörer hinterlässt quasi ein «ungenaues» Gehör. Zu diesem Forschungsergebnis kommt ein japanisch-deutsches Team um Dr. Hidehiko Okamoto von der Universität Münster.
Die Forscher haben Hörtests und Messungen der Hirnaktivität junger Erwachsener durchgeführt, wobei die eine Hälfte der Probanden regelmäßig Kopfhörer nutzte, die andere nicht. Keinen Unterschied ergaben die Untersuchungen zwar bei klassischen Hörtests, hingegen zeigten sich negative Folgen bei der Wahrnehmungsfähigkeit in Situationen mit einer starken Geräuschkulisse oder lauten Hintergrundgeräuschen. Zu dieser Minderung der Hörgenauigkeit im Geräuschgewirr führten spezielle Nervenschäden im Hörsystem, wie Okamato und seine Forscher vermuten. Der negative Effekt bleibe allerdings häufig lange unbemerkt, da diese Auswirkung vergleichsweise subtil sei. Das Wissenschaftsteam warnt gleichwohl vor lautem Musikhören über Kopfhörer, wenngleich nicht der totale Verzicht auf diese Geräte nötig sei, um sich vor Schäden zu schützen: «Das Wichtigste ist, das man die Lautstärke nicht zu sehr aufdreht. Darüber hinaus sind heute moderne Kopf- und Ohrhörer mit Antischall-Technologie auf dem Markt. Störende Hintergrund-Geräusche werden durch gegenpolige Frequenzen, die dem Audio-Signal automatisch beigemischt werden, ausgelöscht», wie Dr. Henning Teismann vom Institut für Biomagnetismus und Biosignalanalyse der Medizinischen Fakultät Münster ausführt. ■
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Göttinger Vorträge zur «Zukunft des Buches und der Note»
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«Belletristik ist nicht gefährdet»
Adrienne Lochte
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Die technische Entwicklung hat vor dem Buch nicht haltgemacht, E-Books sind auf dem Vormarsch. In den USA erzielen Publikumsverlage bereits fünf bis zehn Prozent ihres Umsatzes mit digitalen Büchern – ein Trend, der sich allerdings so noch nicht in in den deutschsprachigen Ländern durchgesetzt hat.
Der Verleger Klaus Gerhard Saur fasste die hierzulande vorerst zurückhaltende Entwicklung auf einem gemeinsamen Vortragsabend der Niedersächsischen Staats- und Universitätsbibliothek (SUB) und der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen zum Thema «Die Zukunft des Buches – Die Zukunft der ,Note’» in Zahlen: Der Anteil von E-Books liege heute bei 1,2 Prozent, vor fünf Jahren sei es ein Prozent gewesen.
Dennoch wagt Saur, der bis zu seinem Ruhestand 2008 den international tätigen K.G. Saur Verlag geleitet hat, die Prognose, dass sich Nachschlagewerke wie Telefonbücher, Wörterbücher und Lexika in gedruckter Form auch weiterhin massiv reduzieren würden.
Die Belletristik, Kinderbücher, Lehrbücher und Kunstbände hält Saur hingegen für «nicht gefährdet». Texte auf dem Bildschirm flimmerten vorbei, «es bleibt nichts haften, das ist nichts für Lesetexte», meint Saur. Zudem baut er auf das «haptische Vergnügen», ein Buch in der Badewanne, am Bett oder auch am Strand genießen zu können. Zahlen stützen auch diese Annahme: Im vergangenen Jahr gab es in Deutschland 92’000 Neuerscheinungen gedruckter Bücher, und die Zuwachsrate bei gedruckten Büchern in Entwicklungs- und Schwellenländern liegt bei über zehn Prozent.
Anders sieht die Entwicklung bei Notentexten aus. Andreas Waczkat, Professor am Musikwissenschaftlichen Seminar der Georg-August-Universität Göttingen, sprach zunächst von den Grenzen einer Verschriftlichung von Musik. Improvisation etwa könne gar nicht verschriftlicht werden, und auch in vielen nicht-westlichen Kulturen wird Musik nicht durch Notentexte repräsentiert. Das haptische Vergnügen spiele bei der Note auch keine besondere Rolle.

Vorteile der Online-Musiknotation und -Recherche: Screenshot der Neuen Mozart-Ausgabe (mit Kritischem Begleittext)
Die elektronischen Möglichkeiten in der Musik hingegen hätten einige Vorteile. Waczkat nennt als Beispiel u.a. die Homepage der Neuen Mozart-Ausgabe, auf der man neben den Noten gleichzeitig auch den kritischen Bericht sehen kann. Auch Notentexte, die anstatt auf einem Notenständer digital auf einem Bildschirm vor den Musikern erschienen, böten so manchen Vorzug: Einige Noten-Dateien ließen sich vergrößern, manche gar mit einem Knopfdruck in andere Tonarten transponieren. Und in der Luxusausgabe könnten die Seiten mit Hilfe eines Pedals virtuell umgeblättert werden… ■
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Adrienne Lochte ist Journalistin/Redakteurin und Pressereferentin der «Akademie der Wissenschaften zu Göttingen»
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Musik-Roboter improvisiert mit Menschen
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Marimba-Live-Jazz von «Shimon»

Ein neuer Meilenstein der musiktechnischen Forschung? Roboter «Shimon» improvisiert mit einem menschlichen Keyboard-Jazzer
Am amerikanischen Georgia Institute of Technology wurde ein Musik-Roboter entwickelt, der nicht nur auf dem Perkussions-Instrument Marimba improvisieren, sondern dabei auch noch mit menschlichen Mitspielern interaktiv musizieren kann. «Shimon», wie das US-Entwicklerteam seine interagierende Maschine taufte, wurde unlängst auf einem Wissenschafts-Festival von Ingenieuren vorgestellt.
Der Roboter ist in der Lage, menschliche Zeichen mit Hilfe einer eingebauten Kamera zu interpretieren, um dann musikalisch improvisierend darauf zu «antworten». Er wird also vom Menschen nicht «bedient», sondern agiert «selbstständig».
In einer Video-Dokumentation der «New-Scientist-Television» demonstrieren die Forscher den schon recht eindrücklichen Fähigkeitsgrad von «Shimon»; geplant ist, den Roboter inskünftig noch differenzierter auf perkussionsspezifische menschliche Gesten reagieren zu lassen.
Das Technik-Institut in Georgia (Atlanta) ist seit Jahren auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz in der Musiktechnologie tätig. Ein anderes spektakuläres Experiment stellten die Wissenschaftler seinerzeit hier vor – einen Robot-Drummer mit erstaunlichem Unterhaltungswert… (we) ■
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Mario Vargas Llosa erhält Nobelpreis für Literatur
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Für «Kartographie der Machtstrukturen» ausgezeichnet
Der peruanische Schriftsteller Mario Vargas Llosa erhält den diesjährigen Nobelpreis für Literatur. Erstmals seit zwanzig Jahren geht die weltweit renommierteste literarische Auszeichnung damit wieder an einen Lateinamerikaner.
Der bedeutende 74-jährige Erzähler und Essayist Mario Vargas Llosa erhält den Preis für seine «Kartographie der Machtstrukturen und scharfkantigen Bilder individuellen Widerstands, des Aufruhrs und der Niederlage», wie die Schwedische Akademie seine bedeutende literarische Wirkung würdigt. Zu Vargas Llosas bekanntesten Werken gehören u.a. «Das Fest des Ziegenbocks» (2000), «Tante Julia und der Kunstschreiber» (1977) oder «Das Paradies ist anderswo» (2003).
Vargas Llosa hält sich derzeit in den USA auf, wo er an der Princeton-Universität (New Jersey) doziert. Er sei «sehr gerührt und begeistert», sagte er in einer ersten Reaktion. Der Dichter hat die Zuerkennung des Literatur-Nobelpreises erst für einen Scherz gehalten: «Ich kann es immer noch nicht glauben», äußerte der peruanische Dichter gegenüber der Madrider Zeitung «El Mundo»; Er sei von der Entscheidung überrascht worden: «Schon seit mehreren Jahren war mein Name nicht mehr im Zusammenhang mit dem Nobelpreis genannt worden.» ■
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Umsatzsteigerungen beim Musik-Download
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Digitaler Musikverkauf weiter im Trend
Der deutsche Bundesverband Musikindustrie vermeldet bei den Internet-Musikdownloads allein im ersten Halbjahr 2010 einen Umsatzanstieg von 40 Prozent. Digitale Musikalben machen dabei den größten Anteil aus; in dieser Sparte stiegen die Umsätze um mehr als 50 Prozent auf 41,55 Millionen Euro, während sich im Bereich «Einzelne Stücke» die Einnahmen um rund 26 Prozent auf 30,42 Millionen erhöhten.
Insgesamt hat die Branche in den zurückliegenden sechs Monaten 2010 rund 4,7 Millionen Alben sowie fast 30 Millionen Single-Tracks an den Mann / die Frau gebracht. BVMI-Geschäftsführer Stefan Michalk rechnet fürs ganze Jahr «erneut mit einem stabilen Umsatzwachstum von rund 30 Prozent beim digitalen Musikverkauf». ■
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Aufgeschnappt
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Musikfahndung per Software
Der deutsche Informatiker Meinard Müller arbeitet als Wissenschaftler des entspr. Saarbrücker Max-Planck-Institutes schon länger an gezielten Verfahren der Suche nach Musik in Ton, Notenschrift und Text. An der Hannoveraner Cebit 2010 will er nun demonstrieren (Halle 9, Stand B 43), wie sein neuer «Multimodal Music Player» funktioniert – eine völlig neu konzipierte Internet-Software, mit deren Hilfe sich auf verschiedenen Wegen nach Musik bzw. Musikstücken fahnden lässt. In einer Presseerklärung des Instituts wörtlich: «Müllers mathematische Verfahren sind in der Lage, musikalische Themen in einem Musikstück wiederzufinden. Beim Audiomatching, einem akustischen Abgleich, werden Musikstücke auf Basis von Charakteristika wie etwa Harmonien oder Rhythmen miteinander verglichen. Damit kann der Computer dann unterschiedliche Versionen eines Musikstücks oder sogar Coverversionen finden. Derzeit arbeiten die Forscher unter anderem daran, den akustischen Datenstrom in leicht verdauliche Abschnitte zu zerlegen, um darin zum Beispiel sogar einzelne Akkorde zu erkennen.»
Mit Müllers Programm soll es also inskünftig möglich werden, «dem Player einige Takte vorzuspielen, und schon erspürt er in Datenbanken die Partitur des ganzen dazugehörigen Musikstücks oder eine Reihe verschiedener Tonaufnahmen – eine Interpretation von Barenboim oder Bernstein etwa. Ein Klick in die Partitur und die entsprechende Stelle des Klavierkonzerts oder Oratoriums erklingt.»
Der grundsätzliche Ansatz hinter der neuen Software der Wissenschaftler um Meinard Müller ist allerdings ein tiefergehender, wie die Forscher ausführen: «Letztlich arbeiten wir allgemein an mathematischen Verfahren, um akustische Inhalte gezielt identifizieren zu können – das ähnelt der Suche nach Bildern, in denen man nach charakteristischen Ausschnitten wie etwa dem Umriss einer Kirche sucht.» (we) ■
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Neuer Service des Musikverlages Breitkopf&Härtel
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Freier Download von Chor-Probepartituren
Nun bietet auch der «älteste Musikverlag der Welt», der 1719 in Leipzig gegründete, heute im deutschen Wiesbaden domizilierte Breitkopf&Härtel-Verlag einen Service an, den bereits verschiedene andere Verlagshäuser offerieren: Ab sofort können auf der Breitkopf-Verlags-Homepage kostenlos Probepartituren zu über 200 der wichtigsten Chorwerke runtergeladen werden. Die Partituren sind als pdf-Dateien verfügbar, kürzere Stücke können komplett, größere Werke im Umfang bis zu acht Seiten bzw. in einer Auswahl gespeichert werden.
Zurzeit umfasst der Download-Bereich u.a. Noten von Bachs h-moll-Messe, Pergolesis Stabat mater, Mendelssohns 100. Psalm oder Schumanns Requiem für Mignon op. 98b. Zukünftig sollen gemäß Verlag überhaupt alle klassischen Chor-Novitäten bei Breitkopf&Härtel auch als Probepartitur zum Download bereitstehen: «Dies erleichtert neben online-Werkinfo, Vorwort und Kritischem Bericht Chorleitern die Notenauswahl noch mehr.» (we)
Probepartitur_Mozart_Weltall_Breitkopf&Härtel
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Aufgeschnappt
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Von «Aknestäbchen» bis «Schnecken-TÜV»:
Das Jugendwort 2009
Wissen Sie, was ein «Bankster» ist? Na logo: Ein Banker, der spekulative Geschäfte macht. Oder haben Sie eine Ahnung, was Jugendliche unter einem «Knieschoner» verstehen? Aber genau: Hängebusen. Noch etwas geschmackvoller: Was ist der «Schnecken-TÜV»? Ein Frauenarztbesuch.
Insgesamt 30 solcher respektlosen (und teils am «guten Geschmack» haarscharf vorbeischrammenden) Erfindungen aus der rotzfrechen Welt der Jugendsprache stehen gegenwärtig zur Internet-Abstimmung, welche der Münchner Langenscheidt-Verlag noch bis Ende Oktober 2009 lanciert. Das Begriffespektrum ist dabei recht weitgestreut (wenngleich naturgemäß etwas pubertätslastig), das Vokabular reicht von «Aknestäbchen» (PommesFrites) über «Don Promillo» (Betrunkener) bis hin zu «Pornflakes» (Viagra). Das Jugendwort 2008 war übrigens «Gammelfleischparty» (Feier von über 30-Jährigen). In der aktuellen Abstimmung führt zurzeit «Rudelgucken» (Public Viewing), gefolgt von «Hagelschaden» (Cellulitis). Im Rahmen einer Preisverlosung sind außerdem neue Jugendwörter zu kreieren.
Wer für das laufende Jahr noch mitvoten will, kann das hier tun.
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Unbekannte Mozart-Werke in Salzburg entdeckt
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Uraufführung neuentdeckter Mozart-Stücke geplant

Mozarteum-Wissenschaftler Dr. Leisinger stellt im französischen Nantes neu entdeckte Mozart-Werke vor (Herbst 2008 / Video)
Die in Salzburg beheimatete Internationale Stiftung Mozarteum will am 2. August 2009 zwei bislang völlig unbekannte Klavier-Werke des Klassik-Genies Wolfgang Amadeus Mozart präsentieren. Die Forschungsabteilung des Mozarteums hatte festgestellt, dass zwei schon lange in ihrem Besitz befindliche Kompositionen der Öffentlichkeit bisher «vorenthalten» worden waren. Erstmals zu Gehör gebracht werden sollen die beiden Stücke, die Mozart offenbar in jungen Jahren komponiert hat, von dem gebürtigen Salzburger Clavichordisten Florian Birsak, und zwar auf Mozarts erhaltenem eigenem Hammerklavier, das im früheren Wohnhaus der Familie Mozart in Salzburg ausgestellt ist.
Der 1756 in Salzburg geborene Mozart hatte bereits im Alter von fünf Jahren mit dem Komponieren begonnen. Als er 1791 erst 35-jährig in Wien starb, hinterließ er ein umfangreiches Werk mit Opern, Symphonien, Konzerten u.a.; das Köchel-Verzeichnis enthält über 600 Mozart-Kompositionen.
Unbekannte Stücke des genialen Meisters sind in in den letzten Jahren immer wieder aufgetaucht. Erst noch im September letzten Jahres wurde in einer Bibliothek im westfranzösischen Nantes Teile einer Mozart-Messe gefunden, deren Noten mehr als ein Jahrhundert lang unbemerkt im Archiv gelegen hatten, und im Mai 2008 wurden im polnischen Kloster Jasna Gora drei Musikstücke gefunden, die möglicherweise ebenfalls aus Mozarts Feder stammen. (gm)
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Internationales Literaturfestival Leukerbad 2009
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Literatur in den Schweizer Bergen
Vom 3. bis 5. Juli 2009 findet zum 14. Mal das Internationale Literaturfestival Leukerbad mit Lesungen und Gesprächen an den mittlerweile legendären Leseorten im Walliser Bäderort statt. Rund zwei Dutzend Autorinnen und Autoren versammeln sich für ein Wochenende in Leukerbad – im Gepäck bisher Unveröffentlichtes, Zeitloses und -geistiges.
Mit Iso Camartin, Geert Mak, Joachim Sartorius und Daniel Schwartz ist einer der Themenschwerpunkte am diesjährigen Festival gesetzt: Reisen. Während Geert Mak auf den Spuren des 20. Jahrhunderts die geschichtsträchtigen Orte Europas besucht, zieht es den Fotografen Daniel Schwartz an die Schnittstelle zwischen Asien, Arabien, China und Europa. Er stellt sein fulminantes Werk vor, das politische, literarische Reportage, Enzyklopädie und Kulturgeschichte in einem ist. Joachim Sartorius führt uns mit seinem neuen Buch zu den Prinzeninseln bei Istanbul. Und der Literatur- und Kulturwissenschaftler Iso Camartin spürt die Besonderheiten im eigenen Lande auf.
Andrej Bitow, einer der wichtigsten Autoren Russlands, wird zusammen mit seiner deutschen Übersetzerin Rosemarie Tietze am Festival teilnehmen. Sein Roman «Das Puschkinhaus», in dem zentrale Gestalten, Motive und Fragen der russischen Literatur auftauchen, erschien 2007 erstmals vollständig und neu in Tietzes Übersetzung.
Der im letzten Jahr verstärkt vertretenen französischsprachigen Literatur wird auch am diesjährigen Festival ein grosser Platz eingeräumt: Neben anderen reist Anne Cuneo mit ihrem nun auf deutsch erschienenen Roman «Zaïda» an. Freuen kann man sich auch auf Véronique Olmi und ihr gerade auf deutsch aufgelegtes Buch «Die Promenade».
Im Übersetzungs-Colloquium, das erneut in Kooperation mit dem Literarischen Colloquium Berlin aufgebaut wird, stellt sich heuer Katharina Faber mit «Fremde Signale» den Übersetzerinnen und Übersetzern. Und schliesslich wird der von der Stiftung Schloss Leuk ausgelobte «Spycher: Literaturpreis Leuk» wiederum im Rahmen des Festivals verliehen. (Aus dem Festival-Vorwort)
Aufgeschnappt
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Belcanto für Kühe
Gesang, überhaupt Musik scheint inzwischen hilfreich für alles zu sein. So meldeten die «News» der britischen BBC unlängst, dass nun zum tenoralen Besingen von Kühen übergegangen wird. Geschehen unlängst auf einer britischen Farm, wo Bauer Bobby Gill hoffte, dass das geschulte Gesangs-Organ des italienischen Star-Tenors Marcello Bedoni die Milchproduktion seiner Vierbeiner verbessere. Eigens von der Glacé-Firma «Federici’s» eingeflogen und von der Werbeagentur «Hayley Campbell-Gibbons» bei seiner Cow-One-Man-Show gefilmt, postierte sich der Opern-Sänger vor einer Herde Lancashire-Kühen und schmetterte ihnen italienische Arien um die Ohren. Die britische Standesorganisation «National Farmers’ Union» über das Belcanto-Spektakel: «Soothing sounds or music can reduce stress and induce relaxation and a healthy, contented cow is likely to produce more milk and anything that enhances that can only be a good thing.»
Die so bezirzte Milch soll nun nach dem tierischen Musik-Event genau auf ihre geschmackliche Qualität hin untersucht werden. Inwieweit die geduldigen Rindviecher nach Bedonis Arien-Attacke von Bauer Gill ein wenig Schmerzensgeld in Form von mehr Futter erhalten haben, entzieht sich der Kenntnis des Berichterstatters… (gm)
Unbekanntes Schumann-Klavierstück entdeckt
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«Sensation für die Schumann-Forschung»
Von Robert Schumann (1810-1856) ist im deutschen Überlingen am Bodensee eine bisher unbekannte Notenhandschrift entdeckt worden. Wie die Stadt mitteilte, handle es sich um ein Klavierstück mit dem Titel «Ahnung». Erstmals gemeldet hatte man den Fund bereits Ende Januar 2009. Letzten Donnerstag präsentierte Überlingen nun das Notenblatt erstmals der Öffentlichkeit.

Robert und Clara Schumann (um 1850)
Das Autograph ist undatiert und trägt eine Widmung Schumanns an seine Frau Clara. Wissenschaftler der Arbeitsstelle München des «Internationalen Quellenlexikons der Musik» und der Robert-Schumann-Forschungsstelle Düsseldorf haben herausgefunden, dass das Klavierstück aus dem Jahr 1838 stammt, also aus jener Zeit, als der Komponist seine berühmten «Kinderszenen» schuf.
Der Düsseldorfer Musikwissenschaftler Michael Beiche sprach anlässlich der Überlinger Präsentation dieses Albumblattes von einer «Sensation» für die Schumann-Forschung. Mehr als ein Dutzend ähnlicher kleiner Stücke seien verschollen. Das Notenblatt, das bei einer Erfassung und neuen Katalogisierung des Schumann-Nachlasses von der Leiterin der Leopold-Sophien-Bibliothek Roswitha Lambertz gefunden wurde, gebe einen wichtigen Einblick in Schumanns Schaffenszeit Ende der 1830er Jahre und seinen kompositorischen Schaffensprozess allgemein.
Das neue Schumann-Stück soll nun erstmals im September in Überlingen im Rahmen eines Konzertes uraufgeführt werden. (gm)

In der Zeit der «Kinderszenen» entstanden: Das neue Schumann-Klavierstück «Ahnung»
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Entspannung durch Musik bei Herz-Patienten
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Klassische Musik baut Angst ab
Auf der kürzlichen Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) berichtete ein Forscherteam über die Ergebnisse der sog. ALMUT-Studie, in deren Rahmen bei ca. 200 Herzkatheter-Patienten gemessen wurde, ob Musik unterschiedlicher Stile unterschiedliche Grade von Angstabbau auslösen kann. Zur Verfügung standen Angebote aus den Kategorien «Klassik», «Entspannungsmusik», «Kuscheljazz» oder «Stille». Der Angststatus wurde mit einem speziellen psychologischen Messverfahren sowie der Messung von Blutdruck und Herzfrequenz erhoben.
In der Patientengruppe, die ihre Musik selbst auswählen konnte, erzielte Entspannungsmusik die beste angstlösende Wirkung, in der Gruppe, in der Musik nach dem Zufallsprinzip zugespielt wurde, war Musik aus der Kategorie Klassik am effektivsten. Die guten Werte für die Musikkategorie Klassik ließen sich «durch die als angenehm empfundene ruhige Rhythmizität und die erhöhte Aufmerksamkeit für Musik aus unbekannten, nicht immer persönlich favorisierten Genres begründen.»
Aufgeschnappt
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Quartett spielte bei Obama-Inauguration nicht live

Obama-Inauguration: Live-Video-Mitschnitt auf Youtube
Beim Auftritt des neuen amerikanischen Präsidenten Barak Obama anlässlich dessen Amtseinführung – sie wurde weltweit hundert-millionenfach übertragen – kam auch ein prominentes Klassik-Quartett zum Einsatz, welches sich aus dem Geiger Itzhak Perlman, der Pianistin Gabriela Montero, dem Klarinettisten Anthony McGill sowie dem Cellisten Yo-Yo Ma zusammensetzte.
Doch wie nun die New York Times meldet, spielten die vier gar nicht live. Denn wegen der extremen Kälte, die zur Zeit der Feier herrschte, hätten die Musiker nicht wirklich spielen können. Wie eine Sprecherin des «Joint Congressional Committee on Inaugural Ceremonies» weiter mitteilte, hätte man außerdem mit reissenden Klaviersaiten und verstimmten Instrumenten rechnen müssen. Live gespielt hätten hingegen die Marine Band und der Chor, die ebenfalls bei dieser Inaugurations-Feier des populären US-Präsidenten zu hören waren.
Computer-Forscher wollen das Königliche Spiel lösen
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Ist im Jahr 2035 Schluss mit Schach?
Eric van Reem
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Kanadische Forscher haben ein unbesiegbares Computerprogramm für das Brettspiel Dame geschaffen. Kein Gegner könne mehr als ein Unentschieden gegen das Programm namens Chinook erreichen, berichteten Jonathan Schaeffer und Kollegen von der Universität von Alberta in Edmonton im April 2007. In mehr als 18 Jahren haben die Informatiker über 39 Billionen Spielstellungen durchgerechnet und bewiesen, dass Dame immer auf ein Remis hinausläuft, wenn beide Seiten fehlerfrei spielen. Tag und Nacht waren dafür im Schnitt rund 50 Computer im Einsatz. Mit diesem Ergebnis sei das Brettspiel gelöst, erläuterten Schaeffer und Kollegen im US-Fachjournal «Science».
Während der Schach-Olympiade 2008 in Dresden organisierte die Technische Universität Dresden am 21. und 22. 11. 2008 einen Schach- und Mathematik-Workshop. In einem visionären Vortrag behauptete der niederländische Informatiker und Professor für Computerwissenschaften Jaap van den Herik (61) von der Universität Tilburg, dass das Schachspiel im Jahr 2035 komplett ausgerechnet und gelöst sein wird.
Es ist im Moment noch unvorstellbar, dass man jede Stellung komplett lösen kann. Schach ist ja bekanntlich eines der komplexesten Brettspiele der Welt. Die Zahl der möglichen Schachstellungen übersteigt die Zahl der Atome im Universum um ein Vielfaches. Bereits nach zwei Zügen können 72’084 verschiedene Stellungen entstehen. Die Zahl der möglichen Spielverläufe ist noch einmal um ein Vielfaches größer. Schon für die ersten 40 Züge belaufen sich die Schätzungen auf etwa 10’115 bis 10’120 verschiedene Spielverläufe. Es scheint also unmöglich zu sein das Spiel zu lösen.
Anhand der sich immer noch rasant entwickelnden Computer-Hardware und den Forschungsergebnissen aus Checkers, Go und Schach prognostizierte Van den Herik allerdings, dass es nur noch ein Frage der Zeit ist, bis auch Schach gelöst sein wird. Der niederländische Professor, der sich bereits seit Jahrzehnten mit intelligenten Brettspielen und künstlicher Intelligenz (KI) beschäftigt, zeigte in Dresden, dass der Termin für die fehlerfreie Schachpartie näher ist, als wir alle vermuten.
Und wie geht das perfekte Spiel dann aus, wollen Sie noch gerne wissen, gewinnt Weiß oder Schwarz? «Ich vermute, dass das Spiel, genauso wie bei Dame, dann Unentschieden ausgehen wird», beendete Van den Herik sein Referat. ■
Link-Sammlung zum Thema Geschichte des Computerschachs und KI-Forschung
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Eric van Reem
Geb. 1967 in Deventer/NL; Englisch-, Philosophie- und Literatur-Studium an der Hogeschool Holland (Amsterdam); seit 2000 umfangreiche schachjournalistische Tätigkeit; lebt als Star Alliance Controller der Lufthansa in Dietzenbach/Frankfurt
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Schach-Weltmeisterschaft 2008
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Viswanathan Anand bleibt Weltmeister
Der amtierende Schach-Weltmeister Viswanathan Anand behält seine Krone. In einem Match über 11 Partien gegen den russischen Herausforderer Vladimir Kramnik siegte er heute mit 6½ : 4½ Punkten.
Die Begegnung fand vom 14. bis 29. Oktober 2008 im deutschen Bonn statt und erwies sich als überraschend einseitig: Dem nahezu fehlerlosen und gleichzeitig höchst ästhetischen, dabei mit kraftvollen Neuerungen durchsetzten Spiel des Inders hatte sein allzu verhalten, zeitweilig außer Form agierender Kontrahent nichts Adäquates entgegenzusetzen.
Erste Reaktionen nach dem Match:
– «Ich hatte mich ein halbes Jahr auf diese WM vorbereitet. Für mich war es etwas Besonderes und das größte Match seit dem Kampf gegen Garri Kasparow 1995 in New York.» (Anand / Spiegel Online)
– «Vor allem in den ersten sechs Spielen stand ich fast permanent unter Druck und habe nicht die Stellungen bekommen, die ich wollte.» (Kramnik / FAZ.net)
– «Unglaubliches ist geschehen, einen solchen Ausgang hätte ich mir nicht träumen lassen. Auf diesem Weltklasseniveau ist das Endergebnis fast schon ein Untergang.» (Großmeister Helmut Pfleger / Süddeutsche Zeitung)
«Anand hat die notwendige innere Balance gefunden und ist auf dem höchsten Punkt seiner Schachkarriere.» (Großmeister Artur Jussupow / Frankfurter Rundschau)
Als psychologisch wichtige und auch schachlich interessante Runde erwies sich u.a. die fünfte, deren Partie wir hier – in einem reizvollen Kontrast von Mensch und Computer – von einem modernen PC mit dem Schachprogramm «Fritz 11» vollautomatisch analysieren ließen:
Kramnik – Anand
WM-Match Bonn 2008 (R.5)
Damengambit (Meraner Variante)
1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sf3 Sf6 4.Sc3 e6 5.e3 Sbd7
6.Ld3 dxc4 7.Lxc4 b5 8.Ld3 a6 9.e4 c5 10.e5 cxd4
11.Sxb5 axb5 12.exf6 gxf6 13.0-0 Db6 14.De2 Lb7
[ 14…b4 15.Td1 Lc5 16.Lf4 ½-½
Maksimenko,A (2495)-Sulypa,A (2513)/Lvov 2001/CBM 87
( 16.a4 h5 17.Lf4 Kf8 18.Dd2 Lb7 19.Le2 Tg8 20.Lg3 Ld5 21.Sxd4 Tg5
22.Sf3 Txg3 23.hxg3 Lxf2+ 24.Kh2 Sc5 25.Dh6+ Ke7 26.Txd5 exd5
27.Sh4 De6 28.Dxh5 Tg8 29.Sf5+ Kd8 30.Lf3 Kc7
Krivoshey,S (2449)-Pavasovic,D (2539)/Graz 2001/EXT 2002/0-1 (36)) ]
15.Lxb5
Weiß hat neue Freibauern: a2+b2
15…Tg8N
[ 15…Td8 16.Td1 ( 16.a4 Tg8 17.Td1 Lc5 18.b3 Ke7 19.Lf4 Se5
20.Lxe5 fxe5 21.g3 e4 22.Se1 d3 23.Df1 Lxf2+ 24.Dxf2 e3
25.Df4 Tg4 26.a5 Dxb5 27.Dxe3 Dd5 28.Kf2 Te4
29.Txd3 Df5+ 0-1 Trinidad,V-Piazzini,L/ARG 1946/EXT 2003)
16…Lxf3 17.Lxd7+ Txd7 18.Dxf3 f5 19.Lg5 Le7 20.Lh6 Lf8
21.Lg5 Le7 22.Lh6 Lf8 23.Dh5 Dd8 24.Tac1 Lxh6
25.Dxh6 Ke7 26.Tc4 e5 27.Dg7 Db8 28.Te1 Td5 29.Tc6 Thd8
30.Tf6 Levin,J-Kramer,G/New York 1946/EXT 99/1-0 (34);
15…Ld6 16.Sxd4 Tg8 17.Sf3 Ke7 18.Lxd7 Txg2+ 19.Kxg2 Tg8+
20.Kh3 La6 21.Dd1 Lxf1+ 22.Dxf1 Db4 23.Sg5 fxg5 24.Db5 De4
25.Lc6 g4+ 26.Kh4 Dd4 27.Le3 Dh8 28.Lg5+ Kf8 29.Td1 h6 30.Ld8
Doeppner,T-Voigt,M (2305)/Germany 1993/EXT 97-B/1-0 (41)]
16.Lf4 Ld6
Schwarz droht Materialgewinn: Ld6xf4
17.Lg3 f5
[ 17…Tc8 18.a4 Kd8 19.Tfd1+/=]
18.Tfc1
Schwarz kann nicht lang rochieren [ 18.Tfd1!? f4 19.Sxd4 fxg3
20.hxg3 Lxg3 21.fxg3 Txg3 22.De5 Txg2+ 23.Kf1-/=]
18…f4= 19.Lh4 Le7 20.a4 Lxh4 21.Sxh4 Ke7
Schwarz verliert das Rochaderecht
22.Ta3 Tac8 23.Txc8 Txc8 24.Ta1 Dc5
25.Dg4 De5 26.Sf3 Df6 27.Te1 Tc5 28.b4
Weiß droht Materialgewinn: b4xc5 [ 28.Kf1 Ld5=]
28…Tc3-/=
Der Turm dominiert
29.Sxd4
Hinlenkung: d4.
29…Dxd4 30.Td1 Sf6 31.Txd4 Sxg4 32.Td7+?
[ Besser: 32.Txf4 Tc1+ 33.Lf1 Sxh2 34.Kxh2 Txf1 35.Tc4-+]
32…Kf6 33.Txb7
[ 33.Td1 ist ein letzter Strohhalm 33…Tc2 34.h3 Sxf2 35.Te1-+]
33…Tc1+ 34.Lf1 Se3!
Mattdrohung
35.fxe3
[ 35.fxe3 fxe3 Freibauer; 35.– Txf1# Mattdrohung]
35…fxe3 0-1
Beide Spieler erhalten je 600’000 der insgesamt 1,5 Millionen Euro Preisgeld, 300’000 Euro gehen an den ausrichtenden Weltverband FIDE.
Nächstes Jahr muss Anand den Titel entweder gegen den bulgarischen Ex-Weltmeister Wesselin Topalow oder den US-Amerikaner Gata Kamsky verteidigen. Wann und wo dieses Duell stattfinden wird, ist offen. (W.E.)
Bobby Fischer in Reykjavik gestorben
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Tod eines Schach-Genies
Wunderkind, Monomane, Antisemit, Querdenker, Psychokiller, Intelligenzbestie, Landesverräter, Genie – über die Person und das Leben des Ex-Schach-Weltmeisters Robert James «Bobby» Fischer existieren ebenso viele widersprüchliche Urteile, wie sich Legenden um ihn ranken. Der begnadete Schachspieler aus Chicago, der im Sommer 1972 im isländischen Reykjavik als Gegner von WM Boris Spassky die bis anhin unangefochtene, jahrzehntelange russische Hegemonie im Schach fast im Alleingang vernichtete (Bild rechts) und es dadurch mitten im Kalten Krieg als Schachspieler auf die Titel-Seiten sämtlicher großer Zeitungen der Welt schaffte, war Zeit seines Lebens für seine Mit- und Umwelt ein Rätsel. Nach seiner Besteigung des Schach-Thrones, die im Westen einen noch nie dagewesenen Boom des Schachspiels gerade auch unter Kindern und Jugendlichen auslöste, zog sich Fischer abrupt vom Profi-Schach zurück und lebte zwei Jahrzehnte lang wie ein Phantom (Bild unten).
Vorgestern starb der «König des Schachs» erst 64-jährig in Island an Nierenversagen. Die Schach-Welt hat eine ihrer skurrilsten Figuren verloren. Der bekannte New Yorker Schach-Biograph Harold Schonberg in seinem Buch «Die Großmeister des Schach» über Fischer: «Sein Leben strahlt eine Mischung von Erhabenheit und Lächerlichkeit aus, wie sie nicht nur im Schach, sondern in allen Bereichen menschlicher Betätigung einzigartig dasteht.»
Unter Fischers weltweiter Fan-Gemeinde gilt des genialen Exzentrikers sechste WM-Match-Partie gegen (seinen späteren Freund) Spassky als nur eine seiner zahllosen Glanz-Leistungen am Brett. Wir bringen sie nachfolgend in einer (vollständig automatisierten) Kommentierung durch das bekannte Schach-Programm «Fritz» – auch als reizvolle Gegenüberstellung von menschlicher Kultur-Leistung und reinem Computer-Produkt. (Walter Eigenmann)
Fischer – Spassky, Reykjavik 1972
6. WM-Match-Partie
(Kommentar: Fritz10-P4/3Ghz(120s)
D59: Damengambit (Tartakower-Variante)
1.c2-c4 e7-e6 2.Sg1-f3 d7-d5 3.d2-d4 Sg8-f6 4.Sb1-c3 Lf8-e7 5.Lc1-g5 0-0 6.e2-e3 h7-h6 7.Lg5-h4 b7-b6 8.c4xd5 Sf6xd5 9.Lh4xe7 Dd8xe7 10.Sc3xd5 e6xd5 11.Ta1-c1 Lc8-e6 12.Dd1-a4 c7-c5 13.Da4-a3 Tf8-c8 14.Lf1-b5 a7-a6 15.d4xc5 b6xc5 16.0-0 [ 16.Sf3-d4 De7-a7 17.Sd4xe6 a6xb5 18.Da3xa7 Ta8xa7 19.Se6xc5 Ta7-c7 20.b2-b4 Sb8-a6 21.a2-a3 Sa6xc5 22.Tc1xc5 Tc7xc5 23.b4xc5 Tc8xc5 24.Ke1-d2 Kg8-f8 25.Th1-c1 Tc5xc1 26.Kd2xc1 Kf8-e7 27.g2-g4 Ke7-d6 28.Kc1-d2 Kd6-e6 29.Kd2-d3 Ke6-e5 30.h2-h4 g7-g5 Castillo,G-Butterworth,J/IECG 2001/MegaCorr4/½-½ (47)] 16…Ta8-a7 [ 16…De7-a7 17.Lb5-a4 a6-a5 18.Da3-d3 Sb8-d7 19.Tf1-d1 Ta8-b8 20.La4xd7 Da7xd7 21.b2-b3 a5-a4 22.h2-h3 a4xb3 23.a2xb3 d5-d4 24.Sf3-e5 Dd7-e8 25.Se5-c4 Le6xc4 26.b3xc4 d4xe3 27.Dd3xe3 De8xe3 28.f2xe3 Tb8-b3 29.e3-e4 Tb3-e3 30.Td1-e1 Te3xe1+ 31.Tc1xe1 Makarichev,S (2500)-Sturua,Z (2395)/Moscow 1979/MCD/½-½ (42)] 17.Lb5-e2 Sb8-d7 Neuerung [ 17…a6-a5 18.Tc1-c3 c5-c4 ( 18…Sb8-d7 19.Tf1-c1 Tc8-e8 20.Le2-b5 Le6-g4 21.Sf3-d2 d5-d4 22.e3 d4 c5xd4 23.Da3xe7 Te8xe7 24.Tc3-c8+ Kg8-h7 25.Sd2-b3 Sd7-e5 26.Tc8-d8 Ta7-c7 27.Tc1xc7 Te7xc7 28.f2-f4 Lg4-d7 29.f4xe5 Ld7xb5 30.Sb3xd4 Tc7-c1+ 31.Kg1-f2 Tc1-d1 32.Td8-d6 1-0 Furman,S-Geller,E / Moskau 1970/MCD (32)) 19.Da3xe7 Ta7xe7 20.b2-b3 c4xb3 21.Tc3xc8+ Le6xc8 22.a2xb3 Te7-c7 23.Tf1-a1 Lc8-b7 24.Ta1xa5 Tc7-c1+ 25.Le2-f1 Lb7-a6 26.Sf3-d2 La6xf1 27.Sd2xf1 Tc1-b1 ½-½ Richard,A-Terry,B/IECC Email 2000/MegaCorr4] 18.Sf3-d4 [ 18.Le2xa6?? der Bauer ist nicht zu nehmen 18…Tc8-c6 19.Da3-d3 Tc6xa6-+] 18…De7-f8 [ 18…Sd7-f6 19.Sd4xe6 ( 19.Le2xa6? läuft nicht 19…Le6-d7-+) 19…f7xe6 20.Tf1-d1= ( 20.Le2xa6 ist und bleibt taktisch widerlegt 20…Tc8-c6-+) ] 19.Sd4xe6+/= [ 19.Le2xa6?? vergiftet… 19…Tc8-a8 20.Sd4xe6 f7xe6-+] 19…f7xe6
20.e3-e4 [ 20.Le2xa6?? Weiß schlägt einen vergifteten Bauern 20…Tc8-c6 21.Da3-d3 Ta7xa6-+] 20…d5-d4 Schwarz gewinnt Raum 21.f2-f4 [ 21.Le2xa6?? das Schlagen des Bauern ist schlecht 21…Tc8-c6 22.Da3-d3 Ta7xa6-+] 21…Df8-e7 22.e4-e5 Tc8-b8 [ 22…Sd7-b6 23.Da3-d3± ( 23.Le2xa6? ist falsch 23…Tc8-a8-+) ] 23.Le2-c4 Kg8-h8 24.Da3-h3 Sd7-f8 [ 24…Tb8xb2!? 25.Lc4xe6 Ta7-c7±] 25.b2-b3 a6-a5 26.f4-f5 e6xf5 [ 26…De7-g5 27.f5xe6 ( 27.Lc4xe6?! Sf8xe6 28.f5xe6 Ta7-c7+/=) 27…Sf8-g6 28.Tc1-c2±] 27.Tf1xf5+- Sf8-h7 28.Tc1-f1 De7-d8 [ 28…a5-a4 29.Dh3-g3 a4xb3 30.Lc4xb3+-] 29.Dh3-g3 Ta7-e7 [ 29…Tb8-c8 30.e5-e6 Tc8-a8 31.Tf5-f7 Ta7xf7 32.Tf1xf7+- ( 32.e6xf7?! Dd8-f8+-) ] 30.h2-h4 Tb8-b7 31.e5-e6 Tb7-c7 32.Dg3-e5 Dd8-e8 [ 32…d4-d3 33.Tf5-f3 d3-d2 34.Tf3-d3+-] 33.a2-a4 De8-d8 34.Tf1-f2 [ 34.Tf1-f3 und Weiß hätte es noch leichter 34…Dd8-e8+-] 34…Dd8-e8 [ 34…d4-d3 ändert den Lauf der Dinge nicht 35.Tf2-d2 Tc7-d7 36.De5xc5+-] 35.Tf2-f3 De8-d8 [ 35…d4-d3 ändert nichts am Ausgang der Partie 36.Tf3xd3 Tc7-c8 37.Td3-f3+-] 36.Lc4-d3 [ Besser: 36.Tf5-h5 erleichterte Weiß die Gewinnführung 36…d4-d3 37.Tf3xd3+-] 36…Dd8-e8 [ 36…Dd8-g8+- ist ein letzter Versuch] 37.De5-e4 Sh7-f6 [ 37…Te7xe6?? wird durch Matt widerlegt in 3 38.Tf5-f8+!! Mattangriff 38…Sh7xf8 39.Tf3xf8+ De8xf8 40.De4-h7#] 38.Tf5xf6 g7xf6 39.Tf3xf6 Kh8-g8 40.Ld3-c4 Kg8-h8 41.De4-f4 1-0
Links zum Thema
– «Searching for Bobby Fischer» (You Tube)
– Kommentare berühmter Großmeister
zum Tode Fischers (You Tube)
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Neuer Zug in der Partie Kasparow-Putin
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Ex-Schach-Weltmeister Kasparow festgenommen

Vom russischen Putin-Staat als demonstrierender Aktivist unter Dauerbeschuss genommen: Schachgenie und Oppositionsführer Garry Kasparow
Wie das deutsche Nachrichten-Magazin DER SPIEGEL in seiner heutigen Online-Ausgabe meldet, ist bei einer Moskauer Demonstration gegen Präsident Vladimir Putin der Oppositionsführer und Ex-Schach-Weltmeister Garri Kasparow festgenommen worden. Auf einem Platz in der russischen Hauptstadt hatten sich mehrere tausend Menschen versammelt, um gegen den russischen Präsidenten zu protestieren.
Gemeinsam mit Kasparow seien weitere Demonstranten und Oppositionspolitiker abgeführt worden. Der Demonstration hatten sich auch prominente Politiker angeschlossen, die in der Vergangenheit Kasparows Oppositionsblock kritisiert hatten.
Das russische Schach-Genie (geb. 1963 in Baku/Aserbeidschan) wurde damit in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal von der Staatsmacht seiner Heimat dingfest gemacht; im April 2007 wurde er ebenfalls in Moskau während einer Demonstration verhaftet (und wenig später wieder freigelassen). Damals sagte der Parlamentsabgeordnete Wladimir Ryschkow einem Radiosender, am Puschkin-Platz hätten Beamte mit Schlagstöcken auf friedliche Passanten, darunter auch Rentner, eingeprügelt.
In einer Woche wählt Russland sein neues Parlament, die Duma. Dann wird sich u.a. zeigen, wie sich dieser neueste Zug Putins in seiner Polit-Partie gegen Kasparow auswirken wird…(gm/07)
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Die Swiss Independent Publishers
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Schweizer Verlage gründen Zusammenschluss SWIPS
Walter Eigenmann
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Ginge es nach den Initianten der vor einigen Wochen ins Leben gerufenen «Swiss Independent Publishers» SWIPS, müsste man von diesem neuen Verleger-Verbund gar als von einem «historischen Ereignis» sprechen. Denn seit fast 30 Jahren habe es «in der Schweiz keinen Zusammenschluss von Verlagen» mehr gegeben, der sich «aktiv ins kulturpolitische und literarische Geschehen eingemischt hätte».
Dabei soll dieser Schulterschluss von bislang 22 involvierten, vorwiegend kleineren und mittleren, teils sehr traditionsreichen und renommierten Schweizer Verlagshäusern dafür sorgen, dass kräftig neuer Wind in und aus der hiesigen Verleger-Szene aufkommt: Man will eine Plattform bilden, die mit «kraft- und fantasievollen Mitteln einer breiten Öffentlichkeit das enorm vielfältige Verlagsschaffen nahe bringen» soll.
SWIPS sei, wie man betont, weder eine Konkurrenz-Organisation zum Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verband SBVV noch ein neuer Literatur-Veranstalter – vielmehr: «SWIPS vereinigt unter einem Dach die Erfahrung der ‘alten Kämpfer’ (Limmat Verlag, Waldgut Verlag, orte-Verlag und weitere), kombiniert sie mit dem Schwung und den Ideen der ‘neuen Wilden’ (Gesunder Menschenversand, edition pudelundpinscher, salis verlag u.a.), und trägt als Sahnehäubchen die ‘Corto Malteses’ der Verlagsszene (Epoca, bilger, Engeler etc.).»
«Faszinierende Verlagskultur in der Schweiz»
SWIPS-Präsident Ricco Bilger (Bild), Promotor der ersten Stunde, will mit seinen Swiss Independent Publishers aber nicht nur eine Marketing- und Medien-Offensive, sondern v.a. wichtige kultur-politische Zielsetzungen verbunden wissen: «In der Schweiz existiert eine faszinierende Verlagskultur mit einem unglaublich spannenden Programm, das so von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wird – weder von den Leserinnen und Lesern, noch vom Buchhandel und den Bibliotheken, auch nicht von den Medien. Einzelne Bücher, einzelne Autorinnen und Autoren finden sehr wohl Beachtung. Doch dass sich dahinter eine Art Bücher-Schlaraffenland verbirgt, davon weiß kaum jemand. Warum wird immer wieder die Nichtexistenz der sogenannten Schweizer Literatur behauptet? Und warum erhebt dagegen niemand ernsthaft Einwände? Warum verlangt man von Autorinnen und Autoren eine Einmischung zu (politischen) Fragen, die die Öffentlichkeit interessieren, wenn gerade diese Öffentlichkeit im Umkehrverfahren sich um die Bücher dieser Leute foutiert, beziehungsweise von ihrer Existenz keine Ahnung hat?» SWIPS brauche es, so Bilger, weil die Öffentlichkeit ein Recht darauf habe, zu erfahren, «was für Schätze ihr vorenthalten werden.»
Der SWIPS-Chef und seine 21 Co-Members geben sich dabei optimistisch: «In Zukunft sollen sich auch Verlage aus der Romandie und dem Tessin dazugesellen können.» Und selbstbewusst ergänzt man: «Mit SWIPS muss die Schweizer Kulturlandschaft ab jetzt rechnen!»
Vielfältige SWIPS-Agenda
Ob das nun eine Verheißung oder eine Drohung ist, wird die Literatur-Szene hierzulande in nächster Zukunft zeigen. An den geplanten SWIPS-Events der nächsten Monate dürfte es aber nicht liegen, die Agenda beinhaltet literarisch Attraktives. Ricco Bilger, gefragt nach den kommenden Aktivitäten: «Halbjährlich werden wir zusammen das Große Fest der Frühjahrs- bezw. der Herbstneuerscheinungen feiern, unsere Marketing-Kräfte auch hier bündeln. Dabei werden wir in immer wieder anderen Städten der Schweiz auftreten. Am Welttag des Buches (23. April 2008 / Bild) wird SWIPS ein Feuerwerk zünden, das lange nachhallen wird. SWIPS wird zudem an den Literaturtagen in Solothurn und Leukerbad, an der ‘Luzern bucht‘ und an der Buchmesse Basel mit eigenwilligen Interventionen auf sich aufmerksam machen.»
Die just bevorstehende SWIPS-Gründungs-Party zumindest, am kommenden Sonntagnachmittag im Zürcher «Theater am Neumarkt» steigend und als Gratis-«Fest der unabhängigen Schweizer Verlage» lanciert, verspricht mit einem betont glitzernden Show-Strauß, mit viel Infotainment und Literatur-Spaß zu einem fulminanten SWIPS-Startschuss zu werden. Was genau da wo wie abgeht, liest man hier. ■
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