P.Eisenberg (Hg.): «Literarische Texte, für die Schule verändert»
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«Der Jugend zuliebe» – einfach klassisch?
Sigrid Grün
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In den letzten Jahren wurden Klassiker-Bearbeitungen v.a. für den Einsatz in der Schule immer beliebter. Auf diese Weise sollen auch Schüler aus sogenannten «bildungsfernen Haushalten» an den klassischen Bildungskanon herangeführt werden. Aber warum eigentlich? Erhofft man sich dadurch, dass die Jugendlichen zu besseren Menschen werden – und fortan nicht mehr Gewalt, sondern Lessings «Nathan» das Verhalten auf dem Schulhof bestimmt? Oder steckt dahinter doch nur der schnöde Bildungsanspruch, mitreden zu können, nicht durch ein «Waaaas, das kennst du nicht?!» bloßgestellt zu werden.
Jugendliche müssen auf alle Fälle mit Klassikern konfrontiert werden, so viel steht fest. Doch wie soll man das bloß machen? Mit Reihen wie «einfach klassisch» vom Cornelsen Verlag versucht man zum Beispiel Fontane, Droste-Hülshoff und Co. kurz, knackig und modern – ja vielleicht sogar irgendwie cool! – zu vermitteln. Wie großartig, denkt der eine oder andere sich vielleicht, dann lernen die jungen Leute das heute noch kennen, ohne den ganzen Ballast mitzuschleppen, mit dem wir uns einst herumquälen mussten!
Aber geht diese Rechnung wirklich auf? Ist Goethe noch Goethe, wenn alle 3 Seiten mit Hilfe von Fragen zum Text überprüft wird, ob man die «Worte des Meisters» auch tatsächlich gelesen hat? Ist das die Aufgabe der Schule, speziell des Deutschunterrichts? Weckt man damit Interesse an Literatur? Das kann bezweifelt werden.
Was spricht für, was gegen Bearbeitungen? Und wie weit gehen Schulbuch-Ausgaben, wie weit dürfen sie gehen? Und was bedeutet das für das Werk und v.a. auch für den Schüler, der damit konfrontiert wird? Enthält man dem jungen Leser nicht vielleicht eine Menge vor, wenn man schwierig erscheinende Konstruktionen und Wendungen einfach in «moderne Sprache» übersetzt? Wirkt ein «schick» in einem Fontane-Text nicht vielleicht sogar lächerlich? Und ist man wirklich so vermessen zu glauben, dass ein Jugendlicher das nicht merkt?

Peter Eisenbergs Aufsatz-Sammlung macht klar, wie wichtig das Thema ist, nicht nur für die Schule, sondern auch gesamt-gesellschaftlich. Der Band wirft viel Diskussionsstoff auf - gut so!
Diesen und weiteren Fragen geht ein 14 Aufsätze enthaltender, von Peter Eisenberg herausgegebener Band namens «Der Jugend zuliebe – Literarische Texte, für die Schule verändert» nach. Und allesamt sind sie spannend und interessant zu lesen. Man findet Texte von Germanisten und Lehrern, Journalisten und Bearbeitern; Die Autoren sind Joachim Bark, Manfred Bierwisch, Jochen Dersch, Gabriele Eisenberg und Marga Stede, Peter Eisenberg, Hans-Heino Ewers, Hartmut von Hentig, Wolfgang Klein, Ulrich Knoop, Peter von Matt, Bodo Plachta und Christina Ruhrberg. Und genau diese Mischung, die Befürworter und Kritiker gleichermaßen zu Wort kommen lässt, macht die Stärke dieser Publikation aus.
Man merkt sofort, wie wichtig das Thema ist – nicht nur für die Schule, sondern gesamtgesellschaftlich, denn diese Diskussion geht alle an, und sie sagt eine Menge über kulturelle Wertigkeiten aus.
Eine Lektüre, die viel Diskussionsstoff liefert – gut so! Denn es geht um Kinder und Jugendliche und deren Recht darauf, in den Genuss guter Literatur zu kommen, unabhängig von ihrem familiären Hintergrund o.ä. Es liegt im Auge des Betrachters, ob das wie ein unmögliches Unterfangen klingt, oder aber wie eine große Herausforderung. ■
Peter Eisenberg (Hg.): Der Jugend zuliebe – Literarische Texte, für die Schule verändert, 120 Seiten, Wallstein Verlag, ISBN 978-3-8353-0610-3
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