Peter Gülke: «Robert Schumann – Glück und Elend der Romantik»
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«Was er bedeute und wolle»
Günter Nawe
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Das ist das Schöne an Gedenktagen, dass sie immer wieder Dichter, Denker, Maler oder Komponisten aus der Gefahr der Vergessenheit erretten oder neue und anders gewichtete Aspekte von Leben und Werk an das Licht einer interessierten Öffentlichkeit bringen. In diesem Jahr waren und sind es vor allem Komponisten wie Chopin, Mahler und Robert Schumann, die Aufmerksamkeit erregten und zu vielfältigen Würdigungen Anlass gaben und geben.
Eine sehr gewichtige neue Arbeit ist Robert Schumann gewidmet. Von ihr soll hier die Rede sein – und von seinem (aus der Fülle vieler «Wortmeldungen») herausragenden Biografen Peter Gülke.
Gülke, Kapellmeister, Musikwissenschaftler und Musikdirektor in Dresden und Weimar, ist eine Ausnahmeerscheinung sowohl als Musiker wie auch als Autor umfangreicher Musikliteratur. Und das eben bekommt seiner großen Biografie – oder soll man besser sagen: seinem biografischen Essay – besonders gut. «Robert Schumann – Glück und Elend der Romantik» ist deshalb auch keine chronologische Abfolge von Lebens- und Werkdaten, sondern eine thematisch gegliederte, musikologisch orientierte Arbeit.

«Innige Verbindung von Musik und Dichtung»: Die von Schumann gegründete «Neue Zeitschrift für Musik» (1834)
Wichtig erscheint Gülke, die große romantische Gestalt des Komponisten darzustellen, der zwischen kreativem Überschwang und dem Zwang zu schöpferischen Vollendung seiner Kompositionen zu sehen ist. «Unter den Großen war er der Ungeduldigste. Entweder gelingt etwas sofort, oder es gelingt nie – das war die Prämisse seiner Arbeit, ausgewiesen durch kaum glaubliche, nur Mozart und Schubert vergleichbare Geschwindigkeit und Sicherheit im Vollbringen» – so Peter Gülke.
Leidenschaftlich war dieser Robert Schumann, der am 8. Juni 1810 in Zwickau geboren wurde, der im Alter von 44 Jahren dem Wahnsinn verfiel und am 29. Juli 1856 in einer Nervenheilanstalt in Bonn-Endenich verstarb, in vieler Hinsicht. Eine Pianistenlaufbahn wegen eines ruinierter Fingers blieb ihm verwehrt. Stattdessen widmete er sich ausführlicher Lektüre von Jean Paul und E. T. A. Hoffmann, Hölderlin und Poe, sowie der Abfassung von beachtlichen und beachtete Musikkritiken. Und schließlich dem Komponieren.
Eine sehr genaue Zeittafel ist übrigens dem Buch von Gülke angefügt. Leben und Werk – auch hier wird es deutlich – ist bei Robert Schumann eng verflochten. Das zu analysieren und zu bewerten hat sich Peter Gülke zur Aufgabe gemacht – und diese hervorragend gelöst.
Klavierwerke, Lieder, Sinfonien, Opern und ein Requiem – vielseitiger und umfangreicher ging es kaum. Und das von einem wilden, kreativen, ja versoffenen Genie. Gülke: «Auf der einen Seite war er störrisch, hochfahrend und stolz. Aber auf der anderen Seite war er ebenso oft wahnsinnig, oft zerknirscht, tief enttäuscht und in unendliche Depressionen versunken. Das geht unglaublich stark hin und her bei ihm». So gegensätzlich wie der Mensch ist auch sein Werk. «Die Träumerei» und manche Lieder wurden und werden unter dem Rubrum «romantisch» gehört – trotz vieler artifizieller Eigenheit und Raffinessen.
Zum «romantischen» Schumann gehört natürlich die Ehe mit Clara Schumann, auch wenn diese Ehe alles andere als nur romantisch war. Wenn zwei geniale Künstler zusammenkommen, bringt das zwangsläufig Interessenkonflikte, die ausgelebt und ausgekämpft werden müssen. So auch bei Robert und Clara, der er in unzähligen Liedern permanent Liebeserklärungen macht. Robert Schumann war im wahrsten Sinne eine zerrissene Persönlichkeit. Und Gülke weiß das – und lässt es uns wissen. Glück und Elend der Romantik also am Beispiel des Robert Schumann.
Dies alles erzählt Peter Gülke – er ist schließlich Musikwissenschaftler – unter dem Gesichtspunkt des Werkverständnisses. Und so wird das immense Werk des Robert Schumann ausführlich interpretiert. Denn, so Schumann selbst: «Es affiziert mich alles, was in der Welt umgeht, Politik, Literatur, Menschen – über alles denke ich in meiner Weise nach, was sich dann durch die Musik Luft machen, einen Ausdruck suchen will.»
Gülke hat sich mit den musikalischen und vielen ästhetischen Aspekten auseinandergesetzt. Er war den vielen Einflüssen auf der Spur und hat sie gefunden.
Ein brillanter Essay, eine großartige Monografie. Peter Gülke hat die Persönlichkeit Robert Schumanns eloquent, sprachlich geschliffen, vor allem aber mit großer Sachkenntnis – sowohl was das Biografische als auch das Werk mit seinen vielen Facetten angeht – dargestellt.

Peter Gülke hat in seiner neuen Biographie die Persönlichkeit Robert Schumanns eloquent, sprachlich geschliffen, vor allem aber mit großer Sach- und Fachkenntnis dargestellt – sowohl was das Biografische als als auch das Werk und dessen viele Facetten angeht. Ein brillanter Essay!
Robert Schumann hat, wie Gülke schreibt, «ein geordnetes Haus hinterlassen». Und er zitiert den Komponisten: «Man hüte sich als Künstler, den Zusammenhang mit der Gesellschaft zu verlieren, sonst geht man unter wie ich.» Peter Gülke hat stellvertretend den «Zusammenhang mit der Gesellschaft», mit uns, den Lesern, wieder hergestellt. Und etwas erreicht, was Schumann verwehrt blieb. Dem Besucher Joseph Joachim hat Schumann am Ende «zugeraunt», «er müsse von Endenich weg, denn die Leute verstünden ihn gar nicht, was er bedeute und wolle.» Wie wahr! ■
Peter Gülke: Robert Schumann – Glück und Elend der Romantik, 268 Seiten, Paul Zsolnay Verlag, ISBN 978-3-552-05492-9
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