Glarean Magazin

Interessante Buch-Novitäten – kurz vorgestellt

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Marion Bönsch-Kauke: «Schach im Kindergarten»

Schach-im-Kindergarten-Marion-Boensch-Leibniz-Verlag-CoverDie ostdeutsche (Schach-)Psychologin Dr. Marion Bönsch-Kauke hatte sich schon vor Jahren mit meta-schachlichen Studien zum Spiel der Könige beschäftigt: In ihrem Band «Klüger durch Schach» untersuchte sie grundsätzliche Aspekte der Schachpädagogik. Letztere steht auch im Zentrum ihrer jüngsten Publikation: In «Schach im Kindergarten» will sie mit Co-Autor Ralf Schreiber «eine Forschungsreportage mitten aus dem pulsierenden Leben im Alltag des Kindergartens» liefern, wobei die Monographie basiert auf umfangreichem Erfahrungsmaterial von schachspielenden 3- bis 6-jährigen Kindern. Das euphorische Fazit der Autorin: «Schüchterne Kinder wagten, den Mund aufzumachen. Tobende, lärmende, unruhestiftende Kinder wurden ruhiger beim Spiel. Entwicklungsauffällige, “gestörte”, kaum führbare, relativ schwierige Problemkinder besserten sich. Unterschätzte Kids zeigten ein neues Gesicht. Stille Begabungen wurden transparent.» Kurzum: das schachwissenschaftliche Projekt habe gezeigt, dass sich das Schachspiel im Kindergarten als hervorragendes pädagogisches Hilfsmittel bewährt habe und die Entwicklung der Kinder spürbar stimuliere. – Bemerkenswertes Experiment. (we)

Marion Bönsch-Kauke / Ralf Schreiber: Schach im Kindergarten – Ein pädagogisches Hilfsmittel zur Förderung der kindlichen Entwicklung, 408 Seiten, Leibniz Verlag (St. Goar), ISBN 978-3931155056

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Johanna Heutling: «Wörterbuch Musik / Dictionary of Music»

Musik-Woerterbuch-Johanna Heutling-Breitkopf-CoverMit ihrem «Wörterbuch Musik» in den sechs weltumspannenden Sprachen Englisch, Chinesisch, Russisch, Deutsch, Japanisch und Koreanisch offeriert die Autorin eine weitgehende Abdeckung des internationalen Grundwortschatzes Musik. Angesprochen fühlen von den Kompendium sollen sich vor allem ausländische Musikstudierende an Musikhochschulen, -akademien, -konservatorien und -universitäten, aber auch grundsätzlich die Institutionen, die sich mit der Vermittlung von Musik beschäftigen: «Um eine erfolgreiche Eingliederung in den Studien- und Berufsalltag zu ermöglichen, ist es erforderlich, auch die fachspezifische Terminologie zu vermitteln».
Aufgeteilt wurden die Musikthemata in die Kapitel Allgemeines (Musikleben, Studium, Institutionen etc.), Musiktheorie, Musikgeschichte/ Formenlehre, Musikpädagogik, Instrumental-/ Gesangsunterricht, Instrumentenkunde und Vortragsbezeichnungen.
Der Band ist lexikalisch-übersichtlich gegliedert, jeder Terminus wird 6-sprachig und 1-zeilig auf Doppelseiten hinweg übersetzt, ebenfalls in den sechs Sprachen wird schließlich der gesamte Begriffsapparat in die einzelnen Sprach-Register aufgeschlüsselt. – Nützlich. (we)

Johanna Heutling: Wörterbuch Musik, 388 Seiten, Breitkopf & Härtel Musikverlag, ISBN 978-3-7651-0397-1

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Weitere Rezensionen im Glarean Magazin

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Chessbase: «Fritz Beginner Edition 2010»

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Systematische Beantwortung der Schachanfänger-Fragen

Malte Thodam

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Wenn man das Schachspiel ohne Vorkenntnisse erlernen möchte, gibt es sofort eine Vielzahl von Fragen. Diese fangen schon bei den Regeln an, die nicht immer sicher beherrscht bzw. manchmal auf kuriose Art und Weise von Laien ausgelegt werden; auch die Gangart der Figuren erfordert etwas Erklärungsbedarf, hat so ein Springer doch etwas merkwürdige Bewegungseigenschaften, wenn er schlenkernd über alle Hindernisse auf dem Brett hinweg hüpft. Dann: Wann ist eine Partie remis, was ist Zugzwang, was bedeutet es, en passant zu schlagen, und wann ist der König patt? Und auch: Die verschiedenen Mattführungen mit unterschiedlichen Materialkonstellationen müssen erst erlernt werden, um eine fast gewonnene Partie zum Sieg führen zu können.
Wenn das alles verstanden worden ist, bleibt immer noch die Frage, wie man  sein Spiel überhaupt vom ersten Zug an anlegen soll. Wohin ziehen die Bauern und Figuren, damit ihre Aufstellung Sinn ergibt?

Die «schwierigste Stellung im Schach»: Die Anfangsposition (rechts das «Fritz»-typische «Notationsformular»

Für die Beantwortung all dieser Fragen von Menschen, die das Königliche Spiel erlernen möchten, hat Chessbase nun eine «Fritz Beginner Edition» als DVD herausgebracht. In insgesamt ca. 10-stündigen Video-Lektionen werden die elementarsten Dinge auf den 64 Feldern für jeden Interessierten verständlich erläutert. Björn Lengwenus, Jugendtrainer und selbst spielstarker Amateur, beginnt sozusagen am absoluten Nullpunkt mit dem Schachbrett und führt den Novizen zu den Figuren und die ihnen anhaftenden Eigenschaften bis hin zu einem Minimum an für Anfänger gut spielbaren Eröffnungen (erklärt werden die grundlegenden Ideen einiger klassischer Eröffnungen wie beispielsweise Königsgambit, Italienisch oder Damengambit). Dabei weist er auch auf die wichtigsten Grundregeln für einen gelungenen Spielbeginn hin.

Gisbert Jacoby, ehemaliger Bundesligatrainer, zeigt danach allerhand taktische Motive bzw. deren Tücken. So wird klar, worauf im komplizierten Getümmel des Mittelspiels zu achten ist. Den Abschluss der Videoinstruktionen macht eine kurze Vorstellung elementarer Endspiele durch GM Karsten Müller. Hier werden die wichtigsten Mattführungen mit den verschiedenen Figuren gegen den einsamen König gezeigt. Gedeckte sowie entfernte Freibauern werden vorgestellt, wobei ihre Stärke vom Großmeister anschaulich verdeutlicht wird. Auch andere wesentliche Grundlagen des Endspiels wie Opposition und Dreiecksmanöver kommen nicht zu kurz – wobei Müller wie gewohnt recht schnell seinen Stoff vorträgt, so dass eventuell einmaliges Anschauen einer Videoeinheit dem Unerfahrenen noch nicht ausreicht, um alles zu verstehen, bzw. zu behalten.

Der Haupt-Screen der DVD mit seinen Verzweigungen zum «Trainer», zum Online-Server und zu den Video-Sessions

Insgesamt werden viele typische Anfängerfehler gezeigt, so z.B. das Schlagen vergifteter Bauern in der Eröffnung oder mehrfaches Ziehen mit einer Figur. Die Konsequenzen solcher Fehler werden dem Lernenden dabei klar vor Augen geführt, so dass er sie von Anfang an in seinen eigenen Partien vermeiden kann. Dazu kann der Anfänger gegen «Fritz» im Trainingsmodus antreten, wobei sich der Rechenknecht der eigenen Spielstärke anpassen lässt – wie bei Fritz eben üblich. Das Programm gibt in diesem Modus Hinweise, und Züge lassen sich zurücknehmen. Drei Monate Zugang auf dem Schach.de-Server – allerdings ohne Zugriff auf das Premium-Programm – runden die DVD ab; so kann der Schachneuling auch online erste Erfahrungen auf den 64 Feldern sammeln. Eine Datenbank mit über einer Million Partien bietet genügend Material, um von den Meistern zu lernen.

Die Spitzenspieler G. Jacoby, K. Müller B. Lengwenus führen den unerfahrenen Schach-Novizen systematisch in die Regeln und grundlegenden Techniken des Schachspiels ein – von der Eröffnung bis zum Endspiel; die neue DVD aus dem Hause Chessbase begleitet den Anfänger auf seinen ersten Schritten ins Reich des faszinierenden Königlichen Spiels.

Wer mit dem Schachspiel beginnen, aber zunächst noch keine Bücher kaufen möchte, der ist mit dieser DVD gut beraten. Sie enthält alles Nötige, um die ersten Partien mit Erkenntnisgewinn bestreiten zu können. Und auch diejenigen, die nie ernsthafter Schach gespielt haben, aber hier und da aus Spaß bereits die Holzfiguren über das Brett geschoben haben, können nun auf neue und vor allem systematische Art mit dem Schachspiel beginnen. So steht dann auch später der Hinwendung zu komplexeren Bereichen des Schachspiels nichts mehr im Wege. ■

Chessbase/Lengwenus/Lengwenus/Müller/Fritz Beginner Edition 2010, DVD-Schach-Software

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Marion Bönsch-Kauke: «Klüger durch Schach»

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Das Schachspiel als universelles Bildungs- und Entwicklungsgut

Walter Eigenmann

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Boensch_Klueger durch Schach_Leibniz Verlag_Cover«Während es einen nahezu unübersehbaren Schatz an kommentierten Partien, Turnierbulletins und technischen Schachbüchern gibt, die, interessiert an der Herausbildung von Theorie und Praxis des Schachspiels an sich, Erfahrungen über Eröffnungen, Mittel- und Endspiel enthalten sowie verhältnismäßig viele Werke, die Lehrweisen und Trainingsmethoden propagieren, fehlt es vollständig an einem profunden interdisziplinären Überblickwerk zu den wissenschaftlich gesicherten Fakten, was das Schach bewirkt; was es bedeutet, warum es über die Jahrhunderte hinweg Menschen aus aller Welt fasziniert und nicht zuletzt, welche Erziehungs- und Bildungswerte es birgt.»
Diese weiträumige spielkulturelle und soziopädagogische Fragestellung nimmt die deutsche Schach-Psychologin und Mentaltrainerin Dr. Marion Bönsch-Kauke zum Ausgangspunkt ihrer großangelegten Meta-Studie: «Klüger durch Schach» präsentiert thematisch breit und methodisch sehr differenziert eine Fülle von «Forschungen zu den Werten des Schachspiels»; der 400-seitige Band fasst den gesamten aktuellen wissenschaftlichen Diskurs zum weltweiten Kulturphänomen «Schach» zusammen.

Dass dem Schach in der riesigen Arena menschlicher Sport- bzw. Freizeit-Aktivitäten eine nur höchst marginale Bedeutung zukommt, darüber macht sich die Autorin Bönsch-Kauke keinerlei Illusionen, und dass schätzungweise 550 Millionen Menschen zumindest die Regeln des «Königlichen Spiels» kennen, abermillionen ihm organisiert frönen, könne nicht darüber hinwegtäuschen, «dass Schach zu den Randsportarten gehört und aus Mangel an visueller Show kein Publikumsmagnet» sei. Doch dieser Marginalität steht, wie Bönsch-Krauke detailliert anhand zahlreicher wissenschaftlicher, historischer wie experimentalpsychologischer Untersuchungen bzw. Studien nachweist, eine mittlerweile kaum mehr überblickbare Fülle an primär- wie sekundärwissenschaftlicher Literatur zu allen denkbaren kulturellen, pädagogischen, philosophischen, neurowissenschaftlichen, sportmedizinischen, kunstästhetischen und sozialpsychologischen Aspekten dieses Spiels gegenüber.

Mädchenschach

Interessantes Eröffnungssystem der 8-jährigen Melsa Demir… (von den «Schachfreunden Hannover»)

Die vom Deutschen Schachbund initiierte und herausgegebene Metaexpertise der Psychologin gründet sich auf mehr als 100 umfangreiche Pilotstudien, Großfeldversuche, Stammuntersuchungen, Quer- und Längsschnittprojekte und Originalexperimente, ihre Recherche bezog neben hunderten bekannter Publikationen auch aktuellste Dissertationen, wissenschaftliche Qualifikations-, Diplom-, Magister- und Seminararbeiten sowie zahlreiche eigene schachrelevante Untersuchungen ein. Bönsch-Kaukes fulminante Tour d’horizont durch die wissenschaftliche Schach-Literatur belässt es dabei nicht bei westeuropäischen und amerikanischen Publikationen, sondern repliziert besonders aufschlussreiche, bislang hierzulande kaum beachtete, teils auch schwer zugängliche Forschungsergebnisse aus der Sowjetunion und der ehemaligen DDR, aber auch aus Ungarn und Tschechien – aus Ländern also, die bekanntlich dem Schachspiel als Spitzen- und als Volkssport einen außerordentlichen Stellenwert einräumten, und in denen Schach – teils auch als staatlich verordneten propagandistischen Gründen – schon seit Jahrzehnten Gegenstand systematischer, auch interdisziplinärer Forschung war und ist.

Leseprobe 1

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Angesichts der Fülle des Materials – die nur schon ein Blick auf das Inhaltsverzeichnis des Bandes dokumentiert – ist es hier natürlich unmöglich, in dem Maße auf auch nur einzelne der gewichtigsten Studien bzw. Ergebnisse in «Klüger durch Schach» einzugehen, das ihrer Bedeutung angemessen wäre. Stattdessen beschränke ich mich fokussierend im Folgenden auf die grundlegendsten, durch vielfache und weltweite Forschung verifizierten «Thesen», wie sie die Autorin im Schlusskapitel dieser ihrer beeindruckenden, auch mit zahlreichen Illustrationen erläuternden Meta-Studie formuliert, wobei Bönsch-Kauke von der Zielsetzung geleitet wurde, diese «Thesen» könnten ihrerseits «zum Kern einer Meta-Schachtheorie werden, falls ihre Inhalte geistreiche Forscher anregen, wissenschaftliche Beweise für die Tragkraft dieser Thesen beizusteuern.»

1. «Schach ist zutiefst lebensnah!»

Schachunterricht Glarean Magazin

Schach symbolisiere, so die Autorin, «was uns im Leben widerfährt»: Im Kern seien es Entwicklungsaufgaben von wiedersprüchlicher Art, und es sei zu eng, im Schach nur Problemlösen sehen zu wollen: «Wir sind vor die Wahl gestellt, unsere Ansprüche aufzugeben oder uns der Aufgabe zu stellen, zu kämpfen auch um selbstkritische Einsichten und nicht zu resignieren.»

2. «Das Schachspiel gleicht dem Lebenskampf!»

Für Marion Bönsch-Kauke fungiert das Schachspiel als Problemrepräsentant für Entwicklungsaufgaben, die kompromisslos zu lösen sind, und die uns vor Situationen stellten, die zwar «neu, ungewiss, kompliziert und problemträchtig» seien, sich aber nicht zu (unlösbaren) Problemen auswachsen müssten: «Gewissermaßen aus spieltheoretischer Sicht gilt das Schachspiel als ein Zwei-Personen-Nullsummenspiel. Es ist für jene Lebenslagen gültig, in denen eine Seite verliert, was die andere gewinnt.»

3. «Schachstrategeme dienen sinnvoller Lebensführung!»

Diese These habe, wie die Wissenschaftlerin ausführt, Fragen der «Lebensplanung» wie beispielsweise: «Was droht? Was tun? Wo soll es hingehen? Was ist der nächste Schritt?» zur Grundlage, und dabei bürge das Schachmodell für stichhaltigen Rat: «Schach kann zurückgreifen auf 2’500 Jahre Erfahrung, wie Ziele gegen Widerstände zu erreichen sind. […] Aus schachlicher Symbolsprache ist zu erfahren, wie Menschen […] dachten und wie sich das Wollen und Denken kulturgeschichtlich entfaltete zu immer wirksameren Strategemen.» Dabei wären die besten Strategien, nach Bönsch-Kauke, im Kampf der Charaktere in der Kulturgeschichte des Schachs ausgefiltert worden und würden nun als bewährte «Orientierungsgrundlagen für erfolgreiche differentielle Entwicklungen von sozialen Beziehungen, Charakteren und kulturellen Werken im Lebenslauf» zur Verfügung stehen.

4. «Schach macht klug!»

Der Autorin vierte, bereits im Buchtitel apodiktisch vorweggenommene These ist die schulpädagogisch bzw. -psychologisch brisanteste, wenngleich hier natürlich nicht zum ersten Mal gehörte Zusammenfassung zahlreicher diesbezüglicher Forschungen. Das Kernergebnis der von Bönsch-Kauke recherchierten, teils sehr umfangreichen internationalen Studien: «Für Schach muss man nicht mit überdurchschnittlicher Intelligenz starten, jedoch ist mit fortgesetzter Ausübung ein beträchtlicher Zuwachs im Rahmen des intellektuellen Potentials zu erwarten.» Wie die einschlägigen Experimente nachwiesen, sei für hohe und höchste Spitzenleistungen im Schachspiel eine große Bandbreite von kognitiven Erkenntnisprozessen gefragt: «Exaktes Wahrnehmen, Vorstellungsvermögen, Gedächtnis, Problemlösen, schlussfolgerndes, kritisches und kreatives Denken.» Und auch hier wieder schlägt die Sozialpsychologin eine Brücke von der Theorie zur Praxis: «Analoge Aktionen, die sich in Schachpositionen bewährten, können als Verhaltenspotentiale auf Bewährungssituationen im Leben mit ähnlichen Merkmalen übertragen werden und das Hinzulernen erleichternd stimulieren.»

5. «Schachspielen fördert schöpferisches Denken!»

Konzentrationsfähigkeit_Schach_GlareanEin in der Sekundärliteratur ebenfalls immer wieder gelesener bzw. vielfältig verifizierter Denkansatz ist Bönsch-Kaukes fünfte These, wonach das Schach die Konzentrationsausdauer und das schöpferisch-originelle Denken fordere und fördere. Hier seien drei «Basiskomponenten» im Blick zu behalten: «Organisation der Kräfte, Angriff und Verteidigung», wobei die Autorin auf das schachphilosophische Werk des Weltmeisters Emanuel Lasker und seine «überschachliche Lehre» referiert. «Einfälle, die stichhaltig sind, und Pläne, die aufgehen, sind rar in unserem modernen Leben der firmierenden Global Players und gefragten Schlüsselqualifikationen. Geistige Güter sind zu akkumulieren, um Innovatinsdefizite zu überwinden.»

6. «Schach mobilisiert Innovationen und Change-Management!»

Bönsch-Kauke: «Aus Biographien zahlreicher weltbekannter Gelehrter, Philosophen, Dichter, Schriftsteller, Manager, einflussreicher Politiker, Regisseure, Schauspieler, Entertainer, Journalisten, Trainer und Athleten erhellt, dass sie sich auf das Schachspiel verstanden und es schätzten.» Aber nicht nur einen «Kreis Auserwählter» vermöge das Spiel «von der Person zur Persönlichkeit zu profilieren»; Frühförderung und Anreicherung der geistigen Herausforderung für hochbegabte Kinder sei schachspielerisch möglich: «Ein Schachtest für Hochbegabte als Screening-Verfahren erscheint aussichtsreich. Mehr noch rücken die Möglichkeiten des Schachs für gegenwärtig erschreckend viele hyperaktive, im Lesen, Schreiben und Rechnen schwache oder schulverdrossene Kinder als spielerisches Faszinosum ins Blickfeld von Schulverantwortlichen.»

7. «Schach stärkt die Anstrengungsbereitschaft!»

Als Metasportart berge, führt die Verfasserin weiter aus, das schachliche Modell wertvolle Grundlagen «für eine allgemeine Kampftheorie»: «Schach stärkt den Kampf- und Siegeswillen», weil durch findiges strategisches und taktisches Denken «die schwersten Kämpfe des Lebens zu gewinnen» seien. Dabei erlangten theoretisch-geistige Konzepte im Trainingsprozess und Wettkampf angesichts der zunehmenden Intellektualisierung des Sports eine verstärkte Bedeutung. «Immer mehr spielen sich planbare Aktionen vorher modellartig im Kopf des Aktiven ab. In diesem Sinne bewährt sich Schach als strategisch-taktische Leitsportart.»

8. «Schachliches Können verschafft Wettbewerbsvorteile!»

Bönsch-Kaukes achtes Forschungsergebnis: «Wie es gelingt, Positionen nicht nur zu verbessern, sondern die anstrebenswerte Stellung wirklich zu erobern, lehrt das königliche Spiel diejenigen, die sich bemühen, meisterliches Können für Spitzenpositionen zu erwerben. Im welchselseitigen Herausfordern und intellektuellen Kräftemessen werden anspruchsvolle Lebensziele und Selbstbehauptungen wahr. Situationsgerechte Pläne bleiben keine visionäre Utopie.»

9. «Schach ist ein universelles Bildungs- und Entwicklungsgut!»

Schach im Kindergarten_Glarean MagazinEine weitere These der Wissenschaftlerin zielt auf den vielfach und breit nachgewiesenen pädagogischen Nutzen in der Schule einerseits und andererseits auf die moderne Schlüsselqualifikation «Medienkompetenz» ab. Während die Tatsache, dass methodisch gelehrtes Schach ein breites Spektrum von positiven Persönlichkeitskomponenten wie «Konzentriertheit, Geduld, Beharrlichkeit, emotionale Stabilität, Risikofreudigkeit, Objektivität, Leistungsmotivation» inzwischen in ein breiteres Bewusstsein der schulpädagogischen Entscheidungsträger gedrungen ist, dürfte die von Bönsch-Kauke angesprochene «Medienkompetenz» bisher ein weitgehend unberücksichtigter, aber wesentlicher Aspekt der Diskussion sein: «Ein bedeutsames gesellschaftliches- und bildungspolitisches Ziel ist die Befähigung, die Vorzüge neuer Informations- und Kommunikationstechniken gezielt nutzen zu können.»

10. «Schach trainiert psychische Stabilität!»

Auf ihrem ureigenen Gebiet, der Psychologie, kommt die Autorin zum Schluss: «Schach befriedigt grundlegende Bedürfnisse, sich im anderen Wesen zu spiegeln, ernst genommen und zuverlässig begleitet zu fühlen und sich wesenseigen im Spiel selbst zu fördern. […] Schachspielen ermutigt, Angst in energiereiche Aktionen zu verwandeln, Verlustärger zielgerecht einzusetzen.» Wie dabei die Psychoanalyse zeige, entwickle Schach «eine Art realistischerer Abwehrmechanismen durch selbstkritische Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit, mit eigenen Fehlern und Stärken».

Leseprobe 2

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11. «Schach hält geistig beweglich!»

Ins Zentrum des elften Teil-Fazits gerückt wird das Schach als Denktraining, das bis ins hohe Alter fortgesetzt werden könne: «Keine andere Sportart ermöglicht eine solche fortdauernde Wettkampfzeit, lebenslanges Lernen und leistungssportliche Betätigung auf hohem Niveau.» Bönsch-Kauke zitiert in diesem Zusammenhang neuromedizinische Resultate, wonach sich durch «spielaktive Denkbeweglichkeit» bis zu 74% dem Risiko eines altersbedingten Abbaus des Hirns (Demenz) vorbeugen lässt: «Speziell gegen die Alzheimer-Erkrankung mit der klinischen Symptomatik: hochgradige Merkschwäche, zeitliche und räumliche Orientierungsstörungen, Sprachzerfall und Verwirrtheit lassen sich durch Schach sogar neue ‘graue Zellen’ bilden.»

12. «Schach im Internet fördert weltweite Kommunikation!»

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«Neue graue Zellen durch Schach»: Seniorenschach in Deutschland

Die zwölfte und letzte These widmet sich dem aktuell modernsten Aspekt des Schachspiels: seiner inzwischen fulminanten und noch immer wachsenen Präsenz im Internet: «Nicht nur das hochentwickelte Computerschach, auch das Spielen im Internet brachte ungeahnte Dimensionen mit sich. So spielen nach Angaben von Chessbase 2007 auf ihrem Server täglich über 5’000 Aktive und Schachliebhber ca. 200’000 Partien. […] Diese Zahlen demonstrieren einen völlig neuen Zugang des strategischen Brettspiels in die moderne kommunikative und technisierte Spielwelt.» Hervorzuheben sei dies nicht zuletzt deshalb, weil es unwichtig sei, ob der «auf der anderen Seite sitzende Gegner jung oder alt, gesund oder krank, versiert oder ungeübt» sei. Denn zwar sei Altern ein soziales Schicksal, aber: «Durch das Schach im Internet bieten sich immer interessante Spiel- und Geistesgefährten an, zu denen nach Wunsch auch direkter Kontakt mit allen Sinnen aufgenommen werden kann.»

Zwölf fruchtbringende Denkanstöße

Wie weiland Luther seine «ketzerischen» Thesen an die Kirchenpforten schlug, so ruft also die deutsche Schachpsychologin in ihrem aufregenden «Thesen-Papier» ein Dutzend durchaus irritierende bis provozierende Denkanstöße in den Schach-Alltag, die allerdings nichts mit Glauben, dafür sehr viel mit Wissen zu tun haben. Denn im Gegensatz zu einschlägigen populärwissenschaftlichen (um nicht zu sagen: populistischen), oft mit gutgemeint-rosaroter Brille verfassten Verlautbarungen in Sachen «Schach und Pädagogik» basieren die Thesen von Marion Bönsch-Kauke auf wissenschaftlich verifizierbarer Grundlagenforschung unabhängiger Wissenschaftler und Institute.
Gewiss, Bönsch-Kaukesche Denkmotive wie z.B. «Schach als Problemrepräsentant für Entwicklungsaufgaben»; «Schach als strategisch-taktische Leitsportart» oder «Schach als Demenz-Prävention» regen bei erstem Lesen zum Widerspruch an. Aber nur so lange, wie man der Autorin akribische Recherchen zur Thematik nicht en détail kennt. Denn der 400-seitige, ein umfangreiches Literaturverzeichnis zuzüglich Psychologie-Glossar sowie Personen- und Sachregister beinhaltende Band belegt eindrücklich, wie weit die moderne Schachforschung in allen Disziplinen bereits fortgeschritten ist. Jedenfalls dürfte «Klüger durch Schach» als der zurzeit umfassendste Überblick auf die gesamte einschlägige Forschung für die nächsten Jahre die Referenz-Publikation in Sachen Schach-Metastudien bilden und die wissenschaftliche Diskussion maßgeblich mitbestimmen bzw. befruchten. Eine äußerst verdienstvolle Veröffentlichung des Deutschen Schachbundes und der Deutschen Schachstiftung – sowie ein nicht nur für Schach-Enthusiasten faszinierendes Kompendium, dem weiteste Verbreitung in allen involvierten «Schach-Schichten», von den Verbänden bis hinein in die Volksschulstuben weit über Deutschland hinaus zu wünschen ist.

Marion Bönsch-Kauke, Klüger durch Schach – Wissenschaftliche Forschungen zu den Werten des Schachspiels, Leibniz Verlag (St. Goar), 408 Seiten, ISBN 978-3-931155-03-2

Weiterführende Link-Liste

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Inhaltsübersicht

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Gert von Ameln: «Salin und der Schwarze Zauberer»

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Das Schachspiel kindgerecht verpackt

Walter Eigenmann

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salin-zauberer-glareanmagazin.jpgSchach für Kinder: Das ist eine lange Geschichte… – und sie wird landauf, landab in den Schachvereinen und -verlagen immer wieder neu geschrieben. Weil sie kompliziert ist. Wie bringt man heutzutage Playstation-geschädigten Kids ein hochkomplexes Spiel nicht nur bei, sondern auch nahe? Ein Spiel, bei dem man eigentlich stundenlang ruhig (sitzen-)bleiben sollte, und bei dem auch nicht literweise das Blut zum Monitor rausspritzt?
Der deutsche Kinder-Schach-Trainer Gert von Ameln besann sich auf Bettelmanns berühmtes Kult-Buch «Kinder brauchen Märchen» – und schrieb «Salin und der Schwarze Zauberer». Ein Märchen, in dem nur das Schachspiel des Helden Salin die beiden Geschwisterkinder Peter und Marie und deren Freunde vor dem bösen Fluch des Schwarzen Zauberers retten kann. Alles beginnt in einem alten Park-Haus, bei einem 300 Jahre alten Schachrätsel…

Bei ihrem spannenden Abenteuer, das mit Grips, Phantasie und Neugier überstanden werden muss, erfahren die Kinder Seite um Seite, was vor mehr als tausend Jahren im alten Indien seinen Anfang nahm und heute als «Königliches Spiel» weltweit viele Millionen begeistert. Mit einer kindgerechten, kurzsätzigen Sprache, einem dem Alter angepassten Vokabular und einer interessant vorangetriebenen «Story» gelingt es dem Autor, Regeln und Taktik des Schachs für 10- bis 13-jährige Kinder unaufdringlich zu «verpacken». Hat dann ein Schach-ABC-Schütze die knapp hundert Seiten durch, weiß er nicht nur die Grundzüge (und Grund-Züge), sondern auch, quasi en passant, etwas von dem «Geist», der «Idee» hinter diesem «Spiel der Spiele».

«Salin und der Schwarze Zauberer» ist ein schachpädagogisch verdienstvolles, von Immanuel Promnitz mit zahlreichen Illustrationen aufgewertetes und vom Verlag geschmackvoll editiertes Hardcover-Märchenbuch. Eigentlich gehört es – als Alternative zu den üblichen, eher «theoretisch» orientierten Jugend-Lehrbüchern – nicht nur in alle Schulbibliotheken, sondern auch in die Hände all der Jugendschach-Betreuer in den Vereinen – z.B. als idealer Buch-Preis bei Kinder-Schachturnieren. ■

Gert von Ameln, Salin und der Schwarze Zauberer, Seibert Verlag, 96 Seiten, ISBN 978-3-9811446-1-1

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