Glarean Magazin

Splitter

Posted in Eugen Kogon, Faschismus, Nazi-Deutschland, Splitter, Walter Eigenmann by Walter Eigenmann on 29. September 2007

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«Welche Bücher habt ihr nie vergessen?»

(Frage in einem deutschen Literatur-Forum)

kogon-der-ss-staat.jpgEigentlich (fast) jedes…
Denn mit den Büchern ist es wie mit dem Wein im bekannten Sprichwort: Das Leben ist zu kurz, um schlechte/n zu lesen/trinken. Da man also nur «gute Bücher» lesen sollte, indem man sich vor dem Kauf so vielseitig wie möglich kundig macht, weist meine Bibliothek kaum «faule Eier» bzw. nur (für mich) «Unvergessliches» auf.

Es gibt aber Bücher, die einen «verfolgen»!

Bei mir ist das – unter noch ein paar anderen – die berühmte Nazi-Dokumentation von Eugen Kogon: «Der SS-Staat».

Dabei ist es nicht nur die himmelerbarmende und unfassbare Barbarei, mit der damals Deutschland die ganze Welt in die Hölle stürzte, was den Leser dieser erdrückenden Fakten schaudern lässt. Sondern die demprimierende Erkenntnis, dass jeder, also du wie ich genauso zum Verbrecher an der Menschlichkeit werden kann, wenn nur die (zugegeben vielfältigen) «Umstände stimmen»…

Ich habe den Band als Zwanzigjähriger gelesen – und noch heute hat er, quasi als Mahnmal, einen besonderen Platz in meinen Bücherregalen.                            Walter Eigenmann

Splitter

Posted in Richard Wagner, Splitter, Walter Eigenmann by Walter Eigenmann on 24. September 2007

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«Welcher Dichter unter den Musikern führt die edelste Feder?»

(Frage in einem groβen deutschen Musik-Forum)

Auf die Gefahr hin, als verknöcherter Anachronist rüberzukommen:
Ich nenne Richard Wagner.
Allerdings nicht unbedingt jenen des «Walküren»-Ritts, zu dessen heroisch lärmendem Fortissimo-Tremolo ein Coppola seine tötende Helikopter-Armada über dem brennenden Vietnam wunderbar einen schaurigen Totentanz im Abendlicht tanzen lassen konnte.
Auch nicht jenen «Blut-und-Boden»-Anbeter, dessen Bayreuth vor noch gar nicht so langer Zeit einen hässlichen braunen kleinen schnauzbärtigen Mordbuben mit offenen Armen willkommen hieβ.
Und erst recht nicht jenen «Tannhäuser»-Pilger, wie er vor Gnade triefend ergriffen ins Heil eingeht.

Sondern den Jahrhundert-Wagner des «Tristan», der – nur ein Beispiel unter vielen – mit «Isolde» dichtet:

«O tör’ge Magd!
Frau Minne kenntest du nicht?
Nicht ihres Zaubers Macht?
Des kühnsten Mutes
Königin?
Des Weltenwerdens
Wälterin?
Leben und Tod
sind untertan ihr,
die sie webt aus Lust und Leid,
in Liebe wandelnd den Neid.
Des Todes Werk,
nahm ich’s vermessen zur Hand,
Frau Minne hat es
meiner Macht entwandt.
Die Todgeweihte
nahm sie in Pfand,
faßte das Werk
in ihre Hand.
Wie sie es wendet,
wie sie es endet,
was sie mir küre,
wohin mich führe,
ihr ward ich zu eigen:
nun laß mich Gehorsam zeigen!»

Gruss: Walter Eigenmann

Splitter

Posted in Aphorismen, Philosophie, Splitter by Walter Eigenmann on 18. September 2007

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«Ich bin der Meinung, dass man
über alles philosophieren kann»

(Zitat aus einem Literatur-Forum)

Gewiss, man kann «über alles philosophieren»: Über das Leben, über die Liebe, über die Gerechtigkeit, über den Tod, über den Menschen, über die Sprache, über das Schicksal, über die Logik, über den Grund der Dinge, und überhaupt über Gott und die Welt.

Aber ob das schon Philosophie ist?

Walter Eigenmann

Splitter

Posted in Politik&Gesellschaft, Splitter, Thomas Mentzel by Walter Eigenmann on 16. September 2007

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«Meisner warnt vor ‹entarteter› Kultur»

(Spiegel-Online-Titel vom 14. September 2007)

Bravo, Herr Kardinal Meisner! Endlich nimmt das Wort einmal wieder jemand in den Mund: entartete Kultur. Bravo, da capo – noch einen mehr von der Sorte, bitte. Schließlich muß ja endlich einmal einer die Wahrheit sagen. Oder?!?
Kunst und Kultur ohne Gottesverehrung gibt es nicht! Was bin ich froh, dass ich weder Kultur noch Kunst mache!
Und wieder einmal wird mir klar, warum ich mich ducke und ganz klein mache, sobald einer von den klerikalen Dumpfbacken mit seinem Segen droht. Thomas Mentzel

Splitter

Posted in Glossen, Musik, Splitter, Walter Eigenmann by Walter Eigenmann on 15. September 2007

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«Klassik – wer hört sich sowas
eigentlich noch freiwillig an?»
 

(Thread-Titel in einem groβen deutschen Musik-Forum) 

Seit Jahren beklagen führende «öffentliche» Kulturträger im Bereich «Klassik» (Opernhäuser, Orchester, Tonträger-Firmen, Musikschulen usw.) einen kontinuierlichen Rückgang sowohl des Publikums als auch der aktiv Musizierenden – und damit einhergehend eine dramatische «Vergreisung» der Klassik-Hörerschaft. Zitat des Bonner Kultur-Forschungszentrums: «Alarmierend ist der zunehmende Wegfall von Besuchergruppen mittleren Alters und jüngeren Senioren. Dies hat Auswirkungen auch auf die Jugend, die heute wesentlich seltener über das Elternhaus an die Klassik herangeführt wird als früher. 1965 gingen noch 58% der Bevölkerung im Alter bis 40 Jahre mindestens einmal jährlich in die Oper, heute sind es nur noch 26%».
Auch rein kommerziell verzeichnet die Klassik» eine mittlerweile ungebremste Talfahrt, wie die Statistik beweist.

Auslauf-Modell Klassik?

Das Problem ist gigantisch komplex, und man müsste ne Riesenmenge akademischer Diszipline (von der Neurophysiologie über die Kunsthistorik bis hin zur Musiksoziologie) involvieren, um ihm auch nur ansatzsweise gerecht zu werden. Wenn man aber einfach oberflächlich den einigermaβen beängstigenden Befund mit simplen Stichworten versehen will, drängen sich auf:

1. Adäquate Rezeption von Kunstmusik (was der Volksmund eben landläufig als «Klassik» bezeichnet), hat – so versnobt-elitär das rüberkommt – mit Bildung zu tun. Wer bei «Ta-Ta-Ta-Taaaa…» an «Karajan» oder «Schicksal» oder «Waldo de los Rios» denkt statt an Motiv-Entwicklung in der Sonaten-Form, der kann anstelle von Beethoven auch gleich einen Film über Bernhardiner-Zucht einlegen.

2. Die Politiker (nicht nur in der Schweiz…) reißen sich den Kultur-Sparstift nur so aus der Hand. Die Schamlosigkeit, mit der sie die schulische Musik-Erziehung zusammenstreichen, wird nur noch überboten von der Obszönität der TV-Werbe-Industrie beim Verwursten von «Classic-Highlights».

3. «Klassische» Kunstmusik bedarf u.a. einer gewissen – ja: Muße. Anders ist die notwendige Kompetenz und Intimität für dieses fundamentale, menschheitsgeschichtlich völlig unverzichtbare Kulturphänomen nicht herstellbar. Doch daran ist in unserem Wettbewerb-zerfressenen Wirtschaftsbetrieb der Börsen-Maximierung bei den wenigsten «Normalbürgern» zu denken: Nach einem 9-Stunden-Tag (voller Angst um den Arbeitsplatz) zieht man sich nicht noch einen «schwierigen» Rihm oder Stockhausen rein – da reicht’s allenfalls für was leichtes Melodisches, lieber überhaupt nur Rhythmisches, am besten gleich «Rap»…

4. Man mag die klavierspielende «Höhere Tochter» von anno altundstaub belächeln – doch sie musizierte wenigstens. Heutzutage sind die Zeiten eines breiten Bildungsbürgertums, dem die aktive Beschäftigung mit zeitgenössischer(!) Musik noch gesellschaftliche Verpflichtung war, endgültig vorbei – gewichen der neuen Generation omnipotent konsumierender L’oreal-Jugend, welche die Noten durchaus noch kennt, nämlich die Banknoten, und die als hörgeschädigte Headphone-Autistiker allenfalls noch den Bass-Bereich des riesigen Musikstile-Spektrums mitkriegt.

5. Eine Konsequenz von 1 bis 4 ist, dass der «Klassik» langsam aber sicher die Hörer ausgehen müssen. Nur wer das Glück hatte und in jungen Jahren musikalische Sozialisation erfahren durfte, geht als Erwachsener in die Oper oder in die Sinfonie. (Die Rezeption von Avantgarde-Musik ist wieder ein anderes, immenses Thema).

6. Ist also die Frage tatsächlich legitimiert, ob die Gesellschaft auf das Faszinosum «Klassische Musik» mit seinem unendlichen geistes-geschichtlichen Reichtum auch verzichten könnte?

Ja, warum eigentlich nicht!
Wenn bei Musik genau wie bei Yogurts alleine noch das Verfallsdatum zählt – und genau dies suggeriert die moderne «Hit»-Kultur -, ist’s womöglich wirklich besser, wir lassen Bach & Co. sein. Denn schlieβlich: Eine Gesellschaft hat nicht nur die Politiker, sondern auch die Musik, die sie verdient…  Walter Eigenmann

Literatur-Splitter

Posted in Literatur, Splitter, Walter Eigenmann by Walter Eigenmann on 12. September 2007

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«2’435»

(Quote von «Libri.de» beim
Suchen nach «Historischer Roman»)

Was könnte eigentlich der Grund dafür sein, dass der sog. «Historische Roman» zurzeit (und eigentlich schon länger) eine solche Blüte-Zeit erlebt wie seit den seligen Tagen von «Quo vadis» nicht mehr?
Wohin man auch schaut und liest: Die Historien-Schinken schwimmen in der Gunst des breiten Lese-Publikums offenbar ganz obenauf, und die (groβen) Verlage kommen kaum nach mit dem Drucken ihrer vielen 500-1000-seitigen Wälzer über längst vergangene Leute und Zeiten. Die Buchhändler räumen für Gablé&Co. jetzt schon ganze Regale. Und gibt man bei Libri.de «historischer roman» ein, haut’s einem ca. 2’500 Titel um die Ohren.
Wenn das so weitergeht, holt «Historie» noch «Sex&Crime» ein…

Wie immer man nun «Historischer Roman» auch definieren will, und wie präzis «historisch» er jeweils wirklich sei: An einem neuererwachten «Geschichts-bewusstsein» kann das jedenfalls nicht liegen.

Also:
Historisierender Bildungshunger? Realitätsflucht? Transzendenz-Ersatz?
Das Land der Armen mit der Seele suchend?

Oder sind einfach die anderen Belletristik-Sparten am Ende?  :-)

Gruss: Walter Eigenmann

Splitter

Posted in Splitter, Walter Eigenmann by Walter Eigenmann on 9. September 2007

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«Wer liest denn heute noch Gedichte?»

(Seminar-Titel an der Universität Hamburg) 

Aber:
Ist das Gedicht nicht eigentlich die literarische Gattung der Moderne?
Denn das zeitgenössische Gedicht mit seiner formalen Experimentierlust, seiner lapidaren Knappheit, seiner subjektivistischen Bildsprache, seinem sprachlichen Spielwitz, seiner unterkühlten Emotionalität, seiner Abkehr von politischen oder psychologischen «Programmen» – sind nicht das genau auch wichtige Mainstreams der aktuellen deutschsprachigen Kultur- bzw. Literaturszene?

Gruss: Walter Eigenmann

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