16. Juli 2010, Angriff der Killerfettviren, 17.37 Uhr (PP)

Whiskey, Zigarre.
Lag wie ein gestrandeter Walfisch in meinem Bett. Nackt. Hob den Kopf. Starrte auf einen Berg, den ich nach einigen Sekunden als meinen Bauch identifizierte.
(Ich muss dringend etwas gegen das Fett tun. Es fällt mich an. Bleibt an mir hängen. Es ist wie ein außerirdischer Virus, der mein Denken beeinflusst. „Iss mehr!“ Der Virus spricht zu mir. Ist wie in diesem Film. Die Leute verändern sich langsam. Sie wirken kalt. Abwesend. Da ist dieser Junge. Er merkt es. Aber keiner glaubt ihm.)
Gott, ich starrte unablässig auf meinen Bauch, ich bin zur Brutstätte des Bösen geworden. Es ist aus dem Weltall gekommen. Und nun hockt es in meinem Bauch, an meinem Hintern, und auch in meinen Brüsten, die aussehen, als hätte ich mir Silikon reinstopfen lassen. Auf der anderen Seite. Die Dinger hatten was.
Strampelte meinen Walkörper aus dem Bett, da hörte ich schon die Melodie vom A-Team. Mein Handy. Ich rannte rüber ins Wohnzimmer. Kam schweißgetränkt dort an. Lag natürlich nur an der Hitze. Ich schaute aufs Display. Luftig. Mein Verleger. Was wollte der denn? Egal. Ich ging dran.
„Hier ist Luftig.“
„Hier nicht“, sagte ich.
Der Gag funktionierte immer wieder.
„Hör mal, Junge, ich habe da eine Lesung für dich aufgetan.“
„Ach …“
„Ein bisschen mehr Begeisterung würde nicht schaden.“
„Ach … toll!“
Ich dachte an die Schön. Dachte an die 2 Millionen Euro. Ich musste nur ein unverkäuflicher Autor bleiben. Aber ich brauchte auch Geld.
„Ich mach die Lesung“, sagte ich.
„Hab nichts anderes erwartet.“
Oh ja, ich würde lesen. Diese Lesung würde mich vernichten. Ich sah schon alles vor mir. Ich könnte mich betrinken. Die Leute beleidigen.
Das wird ein Fest, dachte ich.
„Sie findet nächste Woche Mittwoch in der Kulturbaracke statt.“
„Die Kulturbaracke steht für Kultur“, sagte ich und grinste bösartig meinen Teppich an.
Ich beendete das Gespräch. Tappte im Adamskostüm zum Computer. Hielt an. Ich durfte ja überhaupt nicht mehr schreiben. Am Ende kam noch gute Literatur dabei rum. Schreiben war ab sofort tabu. Oder? Ich musste die Ergebnisse ja nicht an Luftig weitergeben.
Ich würde morgen etwas schreiben. Bestimmt.
Legte mich also zum Arbeiten aufs Sofa. Dachte an Luftig. An seinen Schnäuzer, seine geföhnten Haare, seinen dichten Haarwuchs, der den gesamten Körper einhüllte. Ich dachte an seinen Musikgeschmack. Schlager. He, der Typ macht am liebsten Urlaub auf Mallorca. Liebt Besäufnisse mit Sangria. Nicht mit dem Getränk, sondern mit dem Musikproduzenten gleichen Namens. Keine Ahnung, warum Luftig Verleger geworden ist. Vielleicht musste er sein Geld unbedingt los werden.
Um besser nachdenken zu können, sah ich mir alle Halloween-Filme an. Ich lag da. Die Augenlider auf Halbmast. Sah hin. Sah nicht hin. Dachte an die Schön. An meine Bücher. An die 2 Millionen Euro. Ich würde das schaffen. Die anderen beiden – wer immer sie waren – hatten keine Chance gegen mich. Ich peitschte mich hoch. Plötzlich stand ich auf dem Sofa und schrie: „Ich bin der schlechteste Autor aller Zeiten.“ Und weil ich mir einmal zu viel „Highlander“ angesehen hatte, legte ich mit dem Satz nach: „Es kann nur einen geben!“
Anschließend sackte ich erschöpft in mich zusammen. Schlief eine Weile. Ich hörte die Schreie aus dem Fernseher nicht. Ich lag da. Träumte. Ich war in diesem Haus. Allein. Es war ziemlich unheimlich. Plötzlich hörte ich eine Motorsäge aufheulen. Ich begann zu rennen. Kam aber nicht von der Stelle. Und dann stand er plötzlich vor mir. Wallraff. Er war als Serienkiller verkleidet. Er sah mich an und sagte: „Kein Mensch hat eine Ahnung, was die wirklich leisten. Morden, morden, morden, und alles was diese armen Kreaturen ernten, ist Undank.“
Ich schreckte hoch. Schüttelte mich. Goss mir einen Whiskey ein. Zündete mir eine Zigarre an. Trank meinen Whiskey. Rauchte meine Zigarre. Schrieb. Und hier ist es.

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