26. Juli 2010, Mein Leben als Lakai am Hof Ludwig XIV oder: Das Leben als Roman, 7.21 Uhr

Kaffee, Zigarette.
Schlierige Grautöne am Himmel. Die Welt hat sich zurück gezogen, denkt nach, selbst die Vögel schweigen. Keine Autos. Alles strahlt Abwesenheit aus. Ruhe.

Meine beiden Damen – Sternchen und Seraphe – schlafen noch; Seraphe scheint sich die Erkältung, an der ich noch laboriere, eingefangen zu haben. Sie wälzte sich leicht kränkelnd vom einen Ende des Kissens zum anderen. Ich gab ihr einen Kuss, sagte, sie solle noch liegen bleiben, später müsse sie Medikamente nehmen, natürlich und selbstverständlich, flößte sie mir doch auch den einen oder anderen Trunk ein.

Gestern feierten wir Liebchens Geburtstag. Seraphe ist Liebchens Patentante.
Ich trug den Kuchen, ein Blech weit wie die russische Steppe. Den Kopf erhoben, das Blech vor mich haltend, erinnerte ich an einen Lakaien am Hof Ludwig XIV. Ein vorlautes Insekt verirrte sich in den Eierliköraufstrich des Kuchens. Strampelte, fraß. Ein kurzes Leben im Dienst des eigenen Körpers und der blinden Gier. Seraphe hatte ein Einsehen, hebelte den blinden Passagier mit ihrem Fingernagel aus dem gelb-klebrigen Nass, schleuderte es von sich … Geschafft! Ein Tropfen Eierlikör – darin der Leib des toten Schmarotzers – klebte an der Autoinnentür. Gelächter, bis die Tränen kamen. „Kein Ton zu den Gästen“, lautete die Aufforderung Seraphes. Sternchen und ich nickten. So begründet man Verbrecherorganisationen.

Also hin zu Seraphes Schwester, hin zu Igel, hin zum Patenkind Liebchen. Die war gerade mit einer Reihe von Ballons beschäftigt, ließ sich aber nach drei geplatzten Exemplaren von uns ablenken.
„Glückwunsch, Glückwunsch, Glückwunsch.“
Ich drückte Igel den geschändeten Kuchen in die Hand, wir begrüßten die anwesenden Gäste, Hallo Freddie (das ist Igels Mann), dort Seraphes Papa Erich, schon kam der Negerkönig Jim, wir nahmen uns in die Arme, seine Negerkönigin folgte. Ich will und kann sie gar nicht alle hier aufzählen. Eine große Familie, eine Familie mit einem biblischen Stammbaum, ich bin mir sicher, würde man forschen, die Ahnen würden sich bis zu Adam und Eva hin verfolgen lassen. Ich denke darüber nach. Dummer Gedanke. Dummer Junge. Wir alle gehen ja auf Adam und Eva zurück, und da Adam und Eva literarische Gestalten waren, sind wir am Ende wohl auch nur literarisches Personal. Bleibt nur die Frage, wer unseren Roman schreibt.

Wir feierten in der zum „Festzelt“ arrangierten Garage. Kaffee und Kuchen, dann noch Kuchen und Kaffee. Rasch eine Zigarette. Dann wieder an den Tisch. Kaffee und Kuchen, Kuchen und Kaffee. Seraphe und ich saßen bei Gina und Walt, ja, die liebe Gina, die, auch wenn sie es nicht glauben mag, mein kleiner Liebling der Familie ist. Ein wenig Tratschen, ein bisschen lachen.

Nach dem Essen kam die körperliche Betätigung. Seraphe und ich spielten Tischfußball gegen des Negerkönigs Bruder und dessen Angetraute. Wenn ich hier nun schreibe, wir hätten haushoch gewonnen, dann sitzen sie zwar einer Lüge auf, aber einer seltsam schönen Lüge, die mir gefällt. Drum lasse ich stehen, was so nicht stimmt.

Gegen Abend verabschiedeten wir uns, es ging heimwärts, die Segel waren gespannt, die Wellen brachten uns sicher in den Hafen der Trutzburg.

Ich musste rasch noch eine Entschuldigung formulieren, auf die ich hier nicht weiter eingehen will, ist sie doch in der Pathologie zu finden.

Später legten wir uns eine DVD ein. Bright Star. Ein wunderbarer Film. Und wie sagte Seraphe: „Voller Gefühl, aber kein Kitsch.“ Ein schöner Satz, den ich auch als Banner über unsere Liebe spannen könnte.

Ein weiterer aufregender Tag im Roman des Guido Rohm ist geschrieben, Sie konnten Ihn in Auszügen lesen. Auch heute gibt es wieder so einiges zu tun. Schreiben, schreiben, schreiben.

Ich werde nach Seraphe sehen, anschließend noch einen Kaffee trinken, eine Zigarette rauchen und dann …

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