Der Widerstand (2)

Mir träumte von meiner Entführung. Man hatte mich gefangen setzen lassen, nachdem mein letzter Roman ein derartiger Misserfolg war, dass man fürchtete, ich könne mich noch einmal an dieser literarischen Form versuchen.
Mein eigener Verleger, der in ständiger Angst vor meinen Anrufen und spontanen Besuchen lebte, war der Auftraggeber scheußlicher barttragender Gesellen, die sich unter dem Vorwand, sie kämen von einem Literaturpreiskomitee bei mir Einlass verschafft hatten. Nachdem sie mein Vertrauen durch die Erwähnung des Preisgeldes erwirtschaftet hatten, schlugen sie mich mit einem Band meiner eigenen Gedichte nieder, stopften mich wie eine zum Totschlagen bereite Katze in einen Sack und fuhren mich mit einem klapprigen Auto zu einem alten Haus jenseits meiner Vorstellungskraft. Dort sperrten sie mich bei Brot und Benn in den Keller, lachend, nicht ohne immer wieder zu betonen, dass ich hier nicht mehr so schnell raus käme.
Schon erschütterte die Anfahrt den Zug. Ich schreckte aus meinen Träumen auf, sah mich um, erleichtert mich nicht in meinem erträumten Keller zu befinden.
Ich wischte mir die Augen. Meine Koffer waren noch da. Das Abteil war noch annehmbar leer. Die Fahrt konnte beginnen. Ich setzte mich aufrecht hin. Leider fuhren wir nicht.
Wie seltsam, dachte ich.
Ich stemmte meinen durchtrainierten Körper aus dem löchrigen Sitz, der sich schon des Schmutzes so vieler verschiedener Menschen hatte annehmen müssen. Ich sah über die Sitzreihen hinweg und entdeckte eine junge Frau, die in einem Magazin las.
„Entschuldigen Sie!“, rief ich.
Sie blickte kurz auf.
„Nein“, sagte sie und blickte wieder in ihre Zeitschrift.
Ich schüttelte erzürnt den Kopf, hob kurz die Schultern und sah aus dem Fenster.
WILDENBERG.
Da musste etwas schief gelaufen sein, entweder in meinem Kopf oder aber in den Gefilden der Realität. Wir waren noch nicht einmal los gefahren und befanden uns schon am Ziel der Reise. Das konnte schlechterdings nicht sein.
Also versuchte ich es noch einmal bei der jungen Dame.
„Sind wir hier in Wildenberg?“
Sie lächelte und nickte, dann hob sie kurz die Schultern und sah aus dem Fenster.
„Wildenberg“, sagte sie und zeigte auf das Schild am Bahnsteig.
Wenn das also Wildenberg war, dann musste ich aussteigen. Ich griff nach meinen Koffern, klemmte mir einen unter den rechten Arm, packte die anderen beiden mit starkem Griff und schritt seitlich durch die Reihen zum Ausgang. Ich war bereits nach einigen wenigen Wimpernschlägen angekommen.

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