25. August 2010, Hexen am Himmel, 5.57 Uhr

Kaffee, Zigarette.
Raus, raus, die Augen verklebt, schaffte mich auf den Balkon, schob mir eine Kippe zwischen die Lippen, halb noch im Traum, halb schon hier, schniefte wie ein entsetztes junges Mädchen, was aber an meinem nie abklingenden Heuschnupfen lag, zündete mir die Zigarette an, nahm den ersten Zug, hob den Kopf, starrte den Vollmond an, da flog doch tatsächlich ne Frau auf einem Besen vorüber, ich war mir sicher es gesehen zu haben, dann noch eine, von wegen Hexen würde es nicht geben, klar, ich konnte es selbst nicht glauben, aber so wahr ich hier sitze, die flogen da rum, keine Ahnung, wo die hin wollten.
Ich lüge nie, das sollte jedem klar sein.
Ich setzte mich, weil man so ein Schauspiel natürlich nicht jeden Tag geboten bekommt. Glotzte hin, da kam schon die nächste, die schienen von einem Treffen zu kommen, einem Hexenkongress vielleicht, so viele waren das. Ich rauchte also gemütlich meine Zigarette, drückte sie kopfschüttelnd im Aschenbecher aus und setzte mich an die Tastatur.
Mensch, dachte, ich, das glaubt mir doch keiner da draußen.
Der Kaffee war inzwischen fertig, ich goss mir einen großen Becher ein, dachte an den Roman von Lovecraft, den ich gerade las, der hätte mir diese Begegnung geglaubt, der hat vielleicht auch hin und wieder aus dem Fenster geblickt und hat dabei die eine oder andere Hexe gesehen.
Ich setzte mich mit dem Kaffee wieder an den Schreibtisch. Stand auf. Sah meine Bücher durch, weil ich doch einige Werke über Okkultismus besitzen musste. Hatte ich nicht eine Abhandlung über den Golden Dawn? Aleister Crowley? Den hatte ich nie ernst genommen. Den mochte ich. Irgendwann würde ich etwas über Crowley schreiben, weil, Mensch, der hatte sie ja nun wirklich alle verarscht, von wegen, seine Geburt sei die Rache für die Entdeckung Amerikas, wie er mal irgendwo geschrieben hatte. Dann seine von einem Dämon diktierten Bücher. Saß da in Alexandria, wahrscheinlich mit Verdauungsproblemen, kam vom Klo gar nicht mehr runter, und dachte sich, Scheiße, denen werde ich einen Riesenbären aufbinden, eher noch einen Riesendämon, dachte es und schrieb. So in der Art lief das. Ganz sicher. Auch wenn ich nicht dabei war, aber ich vertrau da meinem inneren Berater, ist kein Dämon, aber seltsam ist er manchmal schon.
Leider fand ich all die Bücher, die ich eigentlich haben müsste, nicht, was ich natürlich auch irgendwie unheimlich fand. Ich setzte mich wieder, schrieb meinen Eintrag, berichtete über ein Telefonat mit Verleger Seeling. Der kommt am Freitag auf die Party, und es könnte gut sein, dass er über Nacht bleibt, er und seine Freundin, denn wenn sie etwas getrunken haben, wollen sie natürlich nicht mehr nach Frankfurt fahren. Geht klar, geht klar, sagte ich ihm.
Ich nahm einen weiteren Schluck vom Kaffee. Stellte den dritten Teil einer Erzählung namens „Der Widerstand“ in die Pathologie.
Verflucht, dachte ich, mehr wird es davon wohl nicht geben.
Ich hatte einfach drauf los geschrieben, ohne Sinn, ohne Verstand. Keine Ahnung, um was es in dem Ding überhaupt gehen sollte. Also bleibt sie da, einfach so, ein Fragment, ein Skelett, dem Arme und Beine fehlen.
Ich ging noch eine rauchen. Es war immer noch düster draußen, und, ob es Sie es glauben oder nicht, da draußen war die Hölle los. Hunderte von Hexen, die den Himmel verdeckten. Sie sausten alle Richtung Süden. Ich winkte und wünschte ihnen im Stillen alles Gute, was auch immer die vor hatten.
Also, mir braucht keiner mehr zu erzählen, Hexen würde es gar nicht geben. Ich habe sie höchstpersönlich gesehen.

Ich schenkte mir noch einen Kaffee ein, rauchte noch eine Zigarette und dann …

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