Kaffee, Zigarette.
Damit die Welt im Gleichgewicht bleibt, sitzt Seraphe in der Küche, die Beine auf dem Tisch, liest in einem ihren Thriller, ganz nebenher ihren Morgencappuccino rührend, während ich vor der Tastatur hocke, dem Regen lauschend, der auf die Dachfenster trommelt. Sternchen liegt noch verfangen in ihren Träumen.
Bereits am frühen Morgen zeigten Seraphe und ich uns die Bäuche, die wie Halbmonde am Wohnungshimmel stehen; daran trägt das übermäßige Essen beim Griechen schuld. Wir schlagen immer wieder bei ihm auf, weil er nur einige hundert Meter entfernt liegt. Also liefen wir hin, den Regenschirm in erwartungsvoller Haltung, weil wir sicher waren, es würde regnen. Ich trug eine Zigarette im Mund, Sternchen sprang aufgedreht vor und zurück, ließ sich auf einem Grenzstein nieder, sang mir ein Lied, und weiter ging es. Wir bestellten uns, jetzt versuche ich mich zu erinnern, na, wie hieß sie denn noch, natürlich, wir bestellten uns die Koloss-Platte. So hieß sie natürlich nicht. Aber sie hätte so heißen müssen, hätten die Besitzer ein Einsehen gehabt.
Dort also aßen wir uns unsere Halbmonde an, schleppten uns anschließend, nachdem ich Seraphe mit Liebesbeschwörungen zum Weinen gebracht hatte („Wenn der Chef von dem Laden kommt und fragt, warum du weinst, dann sage ich, ich hätte dir Gemeinheiten an den Kopf geworfen.“ Ich grinste Seraphe an. Sie kniff mich in den Arm.), nach Hause; selbst Sternchen hielt sich den Bauch und saß noch eine Weile verloren auf dem Sofa. Dann ging sie zu Bett, den traurigen Blick des Maßlosen aufsetzend. (Schlaf gut, kleines Sternchen!“)
Plötzlich noch ein Anruf von Maler Skurski. Er gratulierte mir zum dritten Mal an diesem Tag und eroberte sich damit einen oberen Platz in meinem Herzen; ich werde ihm eine der leer stehenden Logen zuweisen. Der Maler erzählte mir vom Besuch einer „Journalistin“ der Fuldaer Zeitung, die gehört habe, die Ausstellung „Merga Bien“ sei enorm wichtig, darum müssten sie jetzt noch rasch einen Bericht zimmern. Idioten, kann man da nur sagen, aber was will man von Idioten auch erwarten, die dreimal vor der Ausstellung angerufen wurden und sich nun darauf berufen, nichts gewusst zu haben. Jetzt soll im Käseblatt also doch noch etwas erscheinen.
Ich beendete das Gespräch, klärte Seraphe auf, die dann noch Bilder von der Ausstellung an den Maler sandte. Drauf – und nun völlig erledigt, weil das Essen seine Wirkung tat – krochen wir mit unseren Halbmonden aufs Sofa, die Augen auf Halbmast und spähten die Fernsehbilder ab. Da kam natürlich nichts, denn Fernsehen hat sich zur Aufgabe gemacht, die Blöden noch ein wenig mehr zu verblöden.
Krochen auf allen Vieren ins Bett hinüber. Ich las höchstens eine Seite, schloss die Augen, dachte an den Tag zurück, an Igels Besuch, den wir mit einem Sekt feierten. Ich dachte an die Lieferung der Samuel-Pepys-Tagebücher, an jene 10 Bände, die hoheitlich im Wohnzimmer thronen, denn, das müssen Sie wissen, wir leben mit unseren Büchern, ja, sie sind Teil der gesamten Wohnung. Ich dachte an den heutigen Tag, weil ja heute erst die „große“ Sause steigt, und dies, obwohl wir uns bereits gestern an die Abgründe unserer Bäuche fraßen. Irgendwann später schlief ich dann ein, mich in einen Film mit Mastroianni verirrend, der mich auf ein Gut außerhalb der Zeit einlud, damit ich mich dort mit einigen anderen zu Tode fressen konnte. Ich lehnte mit den Worten ab, ich sei bereits mehr als satt, vielleicht beim nächsten Mal.
Die Spiele schreiten voran …
Ich werde mir noch einen Kaffee einschenken, eine Zigarette rauchen, meinen halbmondartigen Bauch bewundern und dann …
Archivierung!
Die Pathologie wird von der Universität Innsbruck im Rahmen des Forschungsprojektes DILIMAG, sowie dem DEUTSCHEN LITERATURARCHIV MARBACH archiviert.- "In Pissoirs geht man Stufen hinunter, in Bunker, in Krematorien, in die Pathologie, in Weinkeller. Es lassen sich mythologische Beziehungen zum Hinabsteigen herstellen." Hubert Fichte, Die Palette
Über Guido Rohm
Er kam, sah und schrieb. Der Schriftsteller Guido Rohm , geboren 1970, lebt und raucht in Fulda. Romane von ihm tragen sensible Titel wie „Blut ist ein Fluss“ und „Blutschneise“.
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