Ich hatte Beziehungen, ich hatte Geld, ich hatte Fäuste, die ich der schäbigen Marie in die Fresse rammte, damit sie mal den Inhalt ihres Mundes kennen lernte, die paar maroden Zähne, sagte ich ihr, lachte grell auf, denn aufs Grellauflachen verstand ich mich, die brauchst du doch eh nicht mehr, sieh sie dir nochmal an, denn schon öffnete ich das Fenster und warf die Dinger raus, ich habe keine Ahnung, was aus ihnen geworden ist, wen interessieren schon Zähne, die Zeit schnappt sie sich, die fallen doch eh aus, wenn wir alt sind, wir pflegen sie, putzen, schrubben sie, und für was, für nichts, sie werden verschwinden, wie auch wir verschwinden werden, in Ewigkeit, Amen, ich schlug sie quer durch die Wohnung, bemalte mit ihrem Blut die Wohnung neu, ja, ich war wütend, ein bissiger Hund, und als sie dann schließlich halbtot im Flur liegen blieb, machte ich mich auf den Weg zu Hagenmeier, denn der kannte sich mit der Erniedrigung aus, nicht nur mit der, sondern vor allem auch mit der Folter, mit dem Tod, mit allem, was im Menschen drin ist und keinen Sinn macht, weil es eh irgendwann verrottet, ich lief durch die dunklen Straßen, hin zu seiner Wohnung, klopfte, ist er da, seine Frau sah mich böse an, er hat keine Zeit, sagte sie, er muss Zeit für mich haben, ich habe einen Auftrag für ihn, bezahlst du denn, viel und gut, gab ich zur Antwort, also schob sie mich rein, vorbei an ihren zahllosen Kindern, die Wohnung lief über vor lauter Kindern, sie mussten sie schon beinahe stapeln, ich strich ihnen über die Köpfe, schöne Kinder haben Sie, sagte ich, da war ich schon drin bei ihm, er trank gerade einen Kaffee, sah mich erstaunt an, was gibt es denn, sagte er, Geld gibt es zu verdienen, ich will das wir uns den Bert schnappen, ihn bearbeiten, du sollst ihn operieren, der hat eh zu viele Innereien, die müssen raus, ein paar von ihnen zumindest, das lässt sich schon machen, sagte Hagenmeier, der sich aufs Töten und aufs Kindermachen verstand, der sein Handwerk im Schlachthof gelernt hatte, bezahl mich nur ordentlich und dann tun wir dem Bert weh, warum eigentlich, schob er noch als Frage hinterher, weil er mich mit meiner Marie betrogen hat, die zwei haben ein Stelldichein gehabt, in meinem Bett, er hat sie gefickt, bis es ihr zu den Ohren raus kam, ach was, sagte Hagenmeier, und du hast das alles gesehen, fast, sagte ich, kramte nach meinen Zigaretten, fand keine, weil sie noch auf der Theke lagen, die ich so aufgeregt verlassen hatte, hast du vielleicht eine Zigarette für mich, natürlich, sagte Hagenmeier, aber die muss ich dir berechnen, die kommt auf die Rechnung obendrauf, ich hoffe, das ist in Ordnung, natürlich, also gab er mir eine, ich zündete sie mir an, rauchte und sah ihm beim Kaffeetrinken zu, dem Hagenmeier, der sich aufs Töten, aufs Kindermachen und aufs Kaffeetrinken verstand, der so harmlos aussah, ein kleiner Mann, mit kräftigen Armen, besorg mir aber erst das Geld, sagte er, wenn du es mir her bringst, dann leite ich alles weitere in die Wege, ich lass den Bert auftreiben, der wird sich wundern, kicherte Hagenmeier, wundern, kicherte er noch einmal, ich nickte, drückte die Zigarette in der Unterasse aus, das gehört sich aber nicht, sagte er, aber ich will es dir verzeihen, schließlich bist du ein Kunde, ein guter dazu, das will ich für dich hoffen, keine Angst, ich stand schon wieder, ich hole das Geld, also stürmte ich aus der Wohnung, was für ein Abend, dachte ich, eine Hetze, und nur, weil das Miststück mich betrügen musste, da soll mal einer die Weiber verstehen, es könnte so ein schöner Abend sein, stattdessen renne ich durch die Gegend, Geld, wo bekomme ich es her, natürlich, ich muss halt an meine Vorräte, die habe ich angelegt, die sind in meinem Bau, tief unter dem Deck, ich musste also zurück, und wieder rannte ich, rannte wie um mein Leben, dabei ging es um das Leben vom Bert, ich rannte noch einmal an der Alten auf dem Stuhl vorüber, dieses Mal kam ich vorne durch das Tor, die Treppen hoch, in die Wohnung rein, das Vieh lag am Boden, sie rührte sich nicht, ich sah hin, sie tat mir leid, man ist halt doch kein Unmensch, also kniete ich mich neben sie, na, sag halt was, aber da kam nichts, nicht mal ein Röcheln, sie schien mir tot, aber das war sie nicht, sie fanden sie später, denn wegen ihr saß ich ein, nicht wegen dem Bert, den entsorgten wir an anderer Stelle, der spielte keine Rolle in diesem Spiel, aber damals dachte ich tatsächlich sie wäre tot, nichts mehr zu machen, ich dachte, da wäre jeder Atem aus dem schönen Leib gekrochen, ich hob ihren Rock an, denn sie hatte immer schöne Beine, die Marie, die doppelzüngige Marie, nein, sagte ich mir, sie hatte es verdient, denn schließlich hatte sie mich betrogen, also ließ ich von ihr ab, stiefelte rüber in die Küche, sah mich kurz um, was für eine Sauerei, wenn sie die Schläge nicht fürs Fremdgehen verdient hätte, dann aber spätestens für diesen Saustall, ja ein Saustall war es, ich rückte den Tisch zur Seite, ein Messer, ich brauchte ein Messer, drüben lag eins, ich griff danach, hebelte eine loses Brett aus dem Boden, meine Hand fuhr ins Dunkel, holte ein Tuch hervor, darin war Geld, das Geld, das ich brauchte um den Hagenmeier zu bezahlen, der sich aufs Töten, aufs Kindermachen, Kaffeetrinken und Geldverdienen verstand, ich stopfte es in meine Hose, vorne in die Unterhose, direkt zu meinen Eiern, da war es sicher, da konnte ich es spüren, ich blickte noch einmal kurz zur Marie, dann raus aus der Wohnung, es gab keine Zeit zu verschwenden, denn sonst verschwendet die Zeit uns, ich rannte wieder rüber, um Hagenmeier den Auftrag zu geben, ich stürmte zu ihm rein, schon wieder trank er Kaffee, ich griff in die Hose, na, na, mein Lieber, sagte er, keine Angst, ich knallte das Geld auf den Tisch, direkt vor seine Augen, da ist es, sagte ich, jetzt kann es los gehen, ja, sagte er, der Hagenmeier, denn aufs Jasagen verstand er sich auch.
Archivierung!
Die Pathologie wird von der Universität Innsbruck im Rahmen des Forschungsprojektes DILIMAG, sowie dem DEUTSCHEN LITERATURARCHIV MARBACH archiviert.- "In Pissoirs geht man Stufen hinunter, in Bunker, in Krematorien, in die Pathologie, in Weinkeller. Es lassen sich mythologische Beziehungen zum Hinabsteigen herstellen." Hubert Fichte, Die Palette
Über Guido Rohm
Er kam, sah und schrieb. Der Schriftsteller Guido Rohm , geboren 1970, lebt und raucht in Fulda. Romane von ihm tragen sensible Titel wie „Blut ist ein Fluss“ und „Blutschneise“.
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