Die Friedhöfe sind zu Abstellplätzen geworden.
Man parkt seine Toten.
Die Toten rühren sich nicht.
Die alten Frauen haben das Sagen über die Friedhöfe.
Sie sind die Verwalterinnen des Nichts.
Sie schleichen mit ihren grünen Gießkannen entlang der Grabsteine.
Sie bleiben stehen.
Studieren die Lebensdaten.
Schütteln auch mal ihre Köpfe bei einem jungen Menschen.
Verkehrsunfall.
Selbstmord.
Krebs.
Der Krebs hat viele an diesen Ort gebracht.
Die junge Mutter stielt sich auf den Friedhof. Hier kann sie bei ihrem Kind sein. Trauernde ist sie im Bett. Die Laken sind jede Nacht von Tränen durchnässt.
Die Freunde wollen über den Tod nicht reden.
Es muss doch auch einmal weiter gehen, sagen sie zu ihr.
Auf dem Friedhof steht die Zeit still.
Der Friedhof trotzt allen Moden.
Grabsteine wie Häuser einer Reihenhaussiedlung.
Die Friedhofsordnung bestimmt die Art des Grabes.
In manchen Teilen der Ortschaft ist der Vorgarten Pflicht.
Die Autobahn im Hintergrund sorgt derweil für Neubewohner.
Der Friedhof ist umzäunt.
Mauern schließen ihn ein. Für diesen Mauerfall hat es noch keine Demonstrationen gegeben.
Die Metallgittertür platzt aus ihrer schwarzen Farbhaut. Die Tür ist Wind und Regen ausgesetzt.
Sie quietscht.
Schreit schrill auf.
Ein Besucher wird von den Friedhofstüren angekündigt.
Die Köpfe der alten Frauen heben sich. Sie mustern den Ankömmling.
Ein Fremder wird an diesem Ort nicht geduldet.
Der Friedhof liegt am Rande der Ortschaft. Er soll die Lebenden nicht stören.
Sonntags spaziert man hin zu den Toten, die von ihrer Einladung nichts wissen.
Auf Friedhöfen flüstert man.
Man versteht sich kaum.
Die Ruhe der Toten darf nicht gestört werden.
Ihr Ewiger Schlaf.
Also hält man schuldbewusst die Köpfe gesenkt. Legt Blumen ab. Wandert rasch davon.
Nur die alten Frauen mit den grünen Gießkannen bleiben unbeirrt.
Sie machen sich mit ihrer nächsten Wohnstatt bereits bekannt.
Sie nehmen in Augenschein, was sie bald schon ihr Zuhause nennen werden.
Die Sonne leckt an den Grabsteinen.
Die Sonne forscht nach Würmern. Die Würmer gehen ihrer Wege. Sie durchforsten das Erdreich nach Laub und nach Nässe und nach faulendem Fleisch.
Der Welt unter der Erde gedenken die Frauen nicht.
Sie sehen sich bei ihren Männern sitzen.
Aller Arbeit nun entledigt.
Die alten Frauen leben in einem Zwischenreich.
Sie sind die Wärterinnen der Toten.
Sie sind die Verkehrspolizei der Wolken.
Regen wird gefordert. Nicht nur gewünscht.
Die Augen der alten Frauen sind glasig.
Fast durchscheinbar.
Sie blicken bereits in die Bezirke jenseits dieser Welt.
Archivierung!
Die Pathologie wird von der Universität Innsbruck im Rahmen des Forschungsprojektes DILIMAG, sowie dem DEUTSCHEN LITERATURARCHIV MARBACH archiviert.- "In Pissoirs geht man Stufen hinunter, in Bunker, in Krematorien, in die Pathologie, in Weinkeller. Es lassen sich mythologische Beziehungen zum Hinabsteigen herstellen." Hubert Fichte, Die Palette
Über Guido Rohm
Er kam, sah und schrieb. Der Schriftsteller Guido Rohm , geboren 1970, lebt und raucht in Fulda. Romane von ihm tragen sensible Titel wie „Blut ist ein Fluss“ und „Blutschneise“.
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