Die Kamera filmt über eine Straße hinweg, die Kamera filmt eine Familie, die eine Rast eingelegt hat, Autos zischen durch das Bild, immer wieder Autos, die Frau steht an einem Holztisch, sie holt Brote hervor, sie zaubert sie seitlich des Tisches aus dem Gras oder einer Kühltasche, wir können es nicht mit Gewissheit sagen, wir ergehen uns in Vermutungen, der Mann steht einige Meter entfernt, er raucht eine Zigarette, er beobachtet seine Kinder, die im Gebüsch verschwunden sind, die sich dort wohl erleichtern wollen, die Mutter füllt derweil Becher mit einem heißen Getränk, wir würden Tee vermuten, wir können sie nicht alle mit der Kamera im Blick behalten, wir müssen hin und her filmen, immer wieder, der Vater raucht noch, er ruft seiner Frau etwas zu, wir vermuten auch dies, denn wir können sie ja nicht beide mit unserer Kamera bannen, also schwenken wir wieder zurück, die Frau scheint erstaunt, worüber auch immer, ein kleiner Schwenk zurück genügt, der Mann spricht auf sie ein, nicht drängend, er erzählt ihr etwas, es könnte ein Geständnis sein, sein Körper wird von Autodächern zerschnitten, die Dächer trennen seinen Körper vom Kopf, hin zur Frau, der eine Träne über die Wange perlen könnte, wir können es nicht genau sagen, wir müssen an die Wange zoomen, vielleicht ist es nur ein Regentropfen oder Schweiß, aber schon schießen neue Flüsse ins Gesicht, es sind also doch Tränen, die sie dort am Rastplatz vergießt, wir schwenken rasch zum Gebüsch hin, die Kinder kommen zurück, endlich, wir sind erleichtert, die Kinder sind erleichtert, die Mutter wischt sich die Tränen aus dem Gesicht, all die Körper verschwinden aus Blitzen aus Metall, Autos, die unaufhörlich durch das Bild rasen, man kann die Zeit nicht anhalten, die Zeit rast durch das Bild, all diese unzähligen Geschichten in ihren Autos, die wir nicht erzählen können, die wir nicht verstehen, so wie wir auch diese Szene nur interpretieren können, wir deuten die Bilder, der Mann hat ihr vielleicht eine schreckliche Wahrheit verkündet, wie könnte die Wahrheit lauten, die Kinder umarmen ihren Vater, die Mutter dreht sich weg, sie putzt sich die Nase, sie dreht sie zu den Kindern hin, sie reicht ihnen Brote, während der Mann auf den Kopf seiner Frau hinunter blickt, er hebt kurz die Hand, er will ihr mit der Hand durch die Haare fahren, wir sind uns sicher, er will sie berühren, aber er hält inne, er tut es nicht, die Hand sinkt zum Becher hin, Schwärze, weitere Bilder haben wir von dieser Szene nicht zu bieten.
Archivierung!
Die Pathologie wird von der Universität Innsbruck im Rahmen des Forschungsprojektes DILIMAG, sowie dem DEUTSCHEN LITERATURARCHIV MARBACH archiviert.- "In Pissoirs geht man Stufen hinunter, in Bunker, in Krematorien, in die Pathologie, in Weinkeller. Es lassen sich mythologische Beziehungen zum Hinabsteigen herstellen." Hubert Fichte, Die Palette
Über Guido Rohm
Er kam, sah und schrieb. Der Schriftsteller Guido Rohm , geboren 1970, lebt und raucht in Fulda. Romane von ihm tragen sensible Titel wie „Blut ist ein Fluss“ und „Blutschneise“.
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