Auge um Auge. Du willst es tun? Ja, ich will es tun. Ich werde es tun. Dann bist du auch ein Täter. Täterin, bitte sehr. Auge um Auge. Kannst du ihn sehen? Dort im Bett liegt er. Es wäre schön, wenn ich noch sehen könnte. Machen Sie keine Witze mit mir. Wir machen keine Witze. Wir wollen dir die Augen öffnen. Dies ist kein Recht. Zahn um Zahn. Dies entstammt den alten Zeiten. Diese Zeiten werden nie vergehen. Er hat mir das Augenlicht genommen. Nun will ich Rache. Die Rache wird dir dein Augenlicht nicht geben können. Das Licht ist fort. Er hat das Licht genommen. Er hat es aus meinen Augen gerissen. Ich will mein Licht zurück. Ich lebe in der Dunkelheit. Nun stoße ich ihn in die Dunkelheit. Du redest über mich. Ja, ich rede über dich. Ich sauge deinen Gestank ein. Du liegst in diesem Bett. Du hast schon lang nicht mehr geduscht. Du redest über mich. Rede nicht so über mich. Ich werde reden, denn die Zunge habe ich noch. Die Zunge hast du mir nicht genommen. Du hast mir meine Ohren gelassen, meine Füße und Hände. Du hast mir das Erkennen genommen. Darum geht es ja. Du verkennst die Situation. Ich verkenne sie nicht. Ich sehe klarer denn je. Dann habe ich dich beschenkt. Verhöhn mich nicht noch. Nie würde ich so etwas tun. Verzeih ihm doch. Nein. Auge um Auge. Nimm mir einen Zahn. Nein. Ich will dein Licht. Ich will dich in der Dunkelheit sehen. Ich werde dir die Nachtzeit schenken. Das Gericht hat es so verkündet. Gerichte sind von Menschen gemacht. Menschen irren. Menschen töten. Menschen nehmen das Augenlicht. Du hast mir mein Augenlicht genommen. Dort liegt er. Berühr ihn. Verzeih ihm. Ich bin nicht zum Verzeihen gekommen. Ich bin zum Blenden gekommen. Früher habe ich mit meinem Aussehen geblendet. Heute blende ich mit meinem entstellten Gesicht. Was wirst du nach der Vollstreckung tun? Ich werde reisen. Sprechen. Denn eine Zunge habe ich ja noch. Ich werde von mir und meinem Leid erzählen. Ich werde von ihm erzählen. Von seinem Nachtsturz. Ich werde in seinen Tränen baden. Du bist nicht bei ihm. Ich werde von ihm träumen, denn die Träume hat er mir nicht genommen. Er hat mir das Augenlicht genommen. Er hat das Licht an einen anderen Ort getragen. Nun finde ich das Licht nicht mehr. Das Licht ist fort. Ich werde das Licht der Rache in die Welt tragen. Alle sollen von seinem Unrecht erfahren. Du willst Unrecht mit Unrecht sühnen. Ich will einen Diebstahl mit einem Diebstahl sühnen. Er schuldet mir das Licht. Dort liegt er. Ja, hier liege ich. Bald schon werde ich schlafen. Sie werden mir Tabletten geben. Ich werde einschlafen. Ich werde träumen. Ich werde nicht träumen. Du wirst von mir träumen, die zu dir kommt, um dir das Augenlicht mit einer Säure zu nehmen. Deine Tat wird dir noch sauer aufstoßen. Auge um Auge. Ich werde klarer sehen, wenn es erst vollbracht ist. Tu es nicht. Ich werde es tun. Auge um Auge. Ich schenke dir die Nacht. Die Nacht soll dich umarmen. Wir werden uns in der Nacht finden. Die Nacht wird zu unserem gemeinsamen Zuhause werden. Auge um Auge. Ich schenke dir die Nacht. Ich komme. Bald schon. Vielleicht schon diese Nacht, mein unbarmherziger Engel. Sieh ihn dort liegen. Ich sehe ihn nicht. Ich bin blind.
Archivierung!
Die Pathologie wird von der Universität Innsbruck im Rahmen des Forschungsprojektes DILIMAG, sowie dem DEUTSCHEN LITERATURARCHIV MARBACH archiviert.- "In Pissoirs geht man Stufen hinunter, in Bunker, in Krematorien, in die Pathologie, in Weinkeller. Es lassen sich mythologische Beziehungen zum Hinabsteigen herstellen." Hubert Fichte, Die Palette
Über Guido Rohm
Er kam, sah und schrieb. Der Schriftsteller Guido Rohm , geboren 1970, lebt und raucht in Fulda. Romane von ihm tragen sensible Titel wie „Blut ist ein Fluss“ und „Blutschneise“.
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