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Hundertvierzehn | Bericht
Eine glückliche Frau

Am 20. Juni war John M. Coetzee im Haus des Buches in Leipzig zu Gast. Seine Übersetzerin Reinhild Böhnke verbrachte den Tag mit dem Nobelpreisträger und erzählt uns, was es ihr bedeutet, Coetzees Werk ins Deutsche zu übertragen.

 
J.M. Coetzee

J. M. Coetzee, der 1940 in Kapstadt geboren ist und von 1972 bis 2002 als Literaturprofessor in seiner Heimatstadt lehrte, gehört zu den bedeutendsten Autoren der Gegenwart. Er wurde für seine Romane und sein umfangreiches essayistisches Werk mit vielen internationalen Preisen ausgezeichnet, u. a. zweimal mit dem Booker Prize, 1983 für ›Leben und Zeit des Michael K.‹ und 1999 für ›Schande‹. 2003 wurde ihm der Nobelpreis für Literatur verliehen. Coetzee lebt seit 2002 in Adelaide, Australien.

Mitte der 80er Jahre brachte mir ein Freund aus Edinburgh John Coetzees Roman ›Life & Times of Michael K‹ mit,© Frank Baumgart für den der Autor den 1. Booker Prize erhielt. Ich war tief beeindruckt von dieser ganz eigenen Stimme und las dann, was ich bekommen konnte: ›In the Heart of the Country‹ und ›Waiting for the Barbarians‹. Als nach der Wende ein Anruf vom S. Fischer Verlag kam und ich, Reinhild Böhnke, gefragt wurde, ob ich ›The Master of Petersburg‹ übersetzen wolle, war ich unglücklich, dass ich anderweitig vertraglich gebunden war. Doch zu meinem Glück kam ich dann mit dem ersten autobiographischen Roman ›Boyhood‹ (›Der Junge‹) 1998 zum Zug. Schon bald stellte sich heraus, dass John Coetzee sich für die Übersetzung seiner Werke interessierte und Deutsch so gut beherrschte, dass er meine Übersetzungen vor der Veröffentlichung lesen und mir Hinweise geben konnte. Jede meiner Fragen wurde prompt beantwortet – etwas Besseres kann sich eine Übersetzerin nicht wünschen. Von Anfang an war klar, dass uns auch die Verehrung für Bachs Musik verband, die wir als Geschenk an die Menschheit und als Lebenselixier betrachten. Und so hatte es Leipzig wohl auch B-A-C-H zu verdanken, dass John Coetzee im Jahr 2000 nach dem 2. Booker Prize für ›Disgrace‹ (›Schande‹) zu einer Lesung nach Leipzig kam.

Reinhild Böhnke

Reinhild Böhnke wurde 1944 in Bautzen geboren und ist als literarische Übersetzerin in Leipzig tätig. Sie ist Mitbegründerin des sächsischen Übersetzervereins. Seit 1998 überträgt sie die Werke J. M. Coetzees ins Deutsche, weiter hat sie u.a. Werke von Margaret Atwood, Rebecca Miller, Nuruddin Farah, D.H. Lawrence und Mark Twain ins Deutsche übertragen.

Jedes von Coetzees Werken wird vom Feuilleton mit einer Flut von Rezensionen bedacht, und das nicht erst seit dem Nobelpreis. Manch einer der Rezensenten mag sich gewundert haben, dass ausgerechnet eine Übersetzerin mit ostdeutscher Vita beauftragt wurde (Warum übersetzt die nicht aus dem Russischen?). Häufig wird zur Übersetzung nichts gesagt, aber bei der Besprechung des deutschen Buches der Stil des Autors in höchsten Tönen gelobt – dann bin ich recht zufrieden. Wenn aber die übersetzerische Leistung doch erwähnt wird, dann habe ich extrem unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Drei Beispiele seien mir gestattet (ohne dass ich Namen nenne):

- Ein Rezensent sprach die Empfehlung aus, der Autor solle sich doch bitte einmal mit der deutschen Übersetzung seiner Werke befassen, die sei unzumutbar.

- Eine Rezensentin meinte kurioserweise »Coetzees hochverdiente Übersetzerin« habe für den Ausdruck Strong Opinions »den etwas schwammigen Ausdruck Feste Ansichten« gewählt. Doch gerade diesen deutschen Ausdruck wählte der Autor selbst und ich hatte keinen Anlass, ihn anders zu beraten.

- Eine überschwängliche Reaktion erhielt ich von einer anderen Rezensentin: »Reinhild Böhnke muss eine glückliche Frau sein.« Sie »ist die großartige Übersetzerin der Bücher von J.M. Coetzee – und wenn ich schon beim Lesen der von ihr ins Deutsche übertragenen Sätze so glücklich werde, wie viel mehr muss sie es beim Studium und Bearbeiten des Originals sein.«

Wenn man davon ausgeht, dass lohnende Arbeit (und das meine ich nicht finanziell) glücklich macht, hat die Frau recht. Was ich John Coetzee außerdem verdanke, ist unter anderem:
dass er mich auf Autoren aufmerksam gemacht hat, deren Lektüre mich bereichert hat (Robert Walser, Zbigniew Herbert, W.G. Sebald …)
dass er mich zum Studium von Philosophen angeregt hat (Platon, Jacques Derrida, Michel Foucault, René Girard, Thomas Nagel …)
dass ich spannende Experimente mit der Form des Romans miterleben durfte.

Am Alten Gewandhaus zu Leipzig stand eine Inschrift und sie steht auch jetzt über der Orgel im Saal des Neuen Gewandhauses: RES SEVERA VERUM GAUDIUM
Diese Sentenz kann ich aus vollem Herzen bekräftigen.

Die Kindheit Jesu

J. M. Coetzees großer Roman ›Die Kindheit Jesu‹ ist ein Meteor voller Intensität, Überraschung und Schönheit. Emigration, Einsamkeit, das Rätsel einer Ankunft: In einem fremden Land finden sich ein Mann und ein Junge wieder, wo sie ohne Erinnerung ihr Leben neu erfinden müssen. Sie müssen nicht nur eine neue Sprache lernen, sondern auch dem Jungen eine Mutter suchen. - In einem dunklen Glas spiegelt J. M. Coetzee unsere Welt, so dass sich alles Nebensächliche unseres Umgangs verliert und die elementarsten Gesten sichtbar werden.

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Frankfurt am Main 2020
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