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Hundertvierzehn | Extra
Sharon Dodua Otoo über Warsan Shire

In der Neuen Rundschau Heft 3/17 sind Gedichte der somalisch-britischen Dichterin Warsan Shire zu lesen.  Sharon Dodua Otoo, die in Berlin lebende Deutsch schreibende britische Autorin, schickte uns dazu einen Gruß. 

 
Sharon Dodua Otoo

Sharon Dodua Otoo wurde 1972 in London geboren und lebt in Berlin. Sie ist Schwarze Britin, Mutter, Aktivistin und Autorin (›Schwarz‹ wird als politischer Begriff verstanden und daher mit großem S geschrieben). Sie ist zudem Herausgeberin der englischsprachigen Buchreihe ›Witnessed‹ in der edition assemblage . Ihre erste Novelle ›die dinge, die ich denke, während ich höflich lächle‹ erschien 2012 auf Englisch und 2013 auf Deutsch, es folgte ›Synchronicity‹, 2014 in deutscher Übersetzung, 2015 als ›the original story‹ auf Englisch. Sie hat mit dem Text »Herr Gröttrup setzt sich hin« den Ingeborg-Bachmann-Preis 2016 gewonnen. Literaturpreise: Ingeborg-Bachmann-Preis 2016.

Gedichte sind Luftpost. Sie füllen Lücken, in unserer Welterfahrung, in unserem Weltempfinden, in unserem Leben. Niemand wüsste im Moment darüber mehr zu sagen als Warsan Shire, die in London lebende somalisch-britische Dichterin und »the woman who gave poetry to Beyoncé‘s Lemonade«, so die New York Times. In Heft 3/17 der Neuen Rundschau sind ihre Gedichte zu lesen, Sharon Dodua Otoo, die in Berlin lebende Deutsch schreibende britische Autorin, schickt uns dazu einen Gruß:

»In allen Frauen gibt es verschlossene Zimmer«, sagt sie. »Manchmal, die Männer - sie kommen mit Schüsseln, / und manchmal, die Männer - sie kommen mit Hämmern.« Warsan Shire spricht? Sie schreibt eigentlich. Doch ihre Gedichte sind so unmittelbar, so eindringlich, als säße sie wie eine Schwester neben mir auf dem Sofa. Als wäre sie zuversichtlich, dass ich die Ungeheuerlichkeiten, die sie sich in Worte zu fassen traut, mit der Zeit verkraften werde.
Also wage ich es mir vorzustellen, dass die Sachen, von denen sie schreibt, tatsächlich passiert sind. Wenigstens das bin ich den von ihr beschriebenen Frauen, den Ermordeten sowie den Überlebenden, schuldig. Das erleichtert das Lesen der Gedichte nicht. Sie schneiden und beißen, sie schreien und bezeugen. Und dennoch bin ich dankbar: für die Ehrlichkeit, für die Unverblümtheit, für den Mut. Ein Ton, der nichts beweisen muss.
»Je größer mein Körper, desto mehr verschlossene Zimmer sind in ihm«, sagt sie, und ich frage mich, warum mir das so wahr zu sein scheint. »Ich sehe nicht aus wie eine Puppe, sondern wie ein Haus.« Ein Haus mit vielen Zimmern. Auch das kommt mir bekannt vor, denke ich.

Zwei Gedichte von Warsan Shire

Das Haus

        I

Mutter sagt, in allen Frauen gibt es verschlossene Zimmer.
Küche der Lust, Schlafzimmer der Trauer, Bad des Stumpfsinns.
Manchmal, die Männer – sie kommen mit Schlüsseln,
und manchmal, die Männer – sie kommen mit Hämmern.

II

Nin soo joog laga waayo, soo jiifso aa laga helaa,
ich sagte, Halt, er sagte, Nein, und hörte nicht zu.

III

Vielleicht hat sie einen Plan, vielleicht nimmt sie ihn mit zu sich, so dass
er Stunden später mit trockenem Mund in der Badewanne erwacht, voll
Eis, und er auf seine neue saubere Alternative blickt.

IV

Ich zeige auf meinen Körper und sag, Oh, das alte Ding? Ich hab’s gerade
übergestreift.

V

Willst du den noch essen?, sage ich zu meiner Mutter und zeige auf meinen
Vater, der auf dem Esszimmertisch liegt, ein roter Apfel in seinen Mund 
gestopft.

VI

Je größer mein Körper, desto mehr verschlossene Zimmer sind in ihm,
desto mehr Männer kommen mit Schlüsseln. Ahmed hat ihn nicht ganz
hineingesteckt, ich denke immer noch, er hätte sich in mir öffnen können.
B. kam und zögerte drei Jahre lang auf der Schwelle. Jonny mit den blauen
Augen kam mit einem Werkzeugkasten, den er an anderen Frauen ausprobierte:
eine Haarnadel, eine Flasche Bleichmittel, ein Springmesser und ein
Tiegel Vaseline. Yussuf rief den Namen Gottes durchs Schlüsselloch und
keiner rief zurück. Einige bettelten, einige bestiegen die Flanken meines
Körpers und suchten nach einem Fenster, manche sagten, sie seien unterwegs,
kamen aber nie an.

VII

Zeig uns an der Puppe, wo er dich angefasst hat, sagten sie.
Und ich sagte, Ich sehe nicht aus wie eine Puppe, sondern wie ein Haus.
Sie sagten, Zeig es uns am Haus.

Etwa so: zwei Finger ins Marmeladenglas
Etwa so: ein Ellenbogen ins Badewasser
Etwa so: eine Hand in die Schublade.

VIII

Ich sollte dir von meiner ersten Liebe erzählen, die vor neun Jahren eine
Falltür unter meiner linken Brust entdeckte, hineinfiel und ward nie mehr
gesehen. Hin und wieder spüre ich, wie etwas meinen Schenkel hochkriecht.
Er sollte sich vorstellen. Vielleicht ließe ich ihn heraus. Ich hoffe,
er ist nicht auf die anderen gestoßen, die Jungs, die in den kleinen Städten
vermisst werden, die mit den netten Müttern, die, die schlimme Sachen
anstellten und sich im Irrgarten meines Haars verloren. Ich behandele sie
gut, eine Kante Brot, wenn sie Glück haben, ein Stück Obst. Außer Jonny
mit den blauen Augen, der mir in die Locken griff und sich in ihnen verkroch.
Dummer Junge, nun liegt er im Keller meiner Angst an Ketten, und
ich spiele Musik, um ihn zu übertönen.

IX

Klopf, klopf.
Wer da?
Niemand.

X

Auf Partys zeige ich auf meinen Körper und sage, Hierhin kommt die
Liebe, um zu sterben. Willkommen, herein, macht es euch bequem. Alle
lachen, sie denken, ich mache immer nur Witze.

Aus dem Englischen
von Hans Jürgen Balmes
© 2015 by Warsan Shire.

In der Liebe wie im Krieg

Meiner Tochter werde ich sagen,
wenn die Männer kommen,
hülle dich in Flammen.

Aus dem Englischen
von Hans Jürgen Balmes
© 2015 by Warsan Shire.

die dinge, die ich denke, während ich höflich lächle … und Synchronicity. Zwei Novellen

Ingeborg-Bachmann-Preis 2016: Sharon Dodua Otoo »hat den wohl angesehensten deutschsprachigen Literaturpreis gewonnen« Philip Oltermann, The Guardian
»fabelhaft«, »beeindruckend«, »lang nachwirkende Stolpersteine«, »Satire, Witz und Ironie« – Sharon Dodua Otoo löst mit ihrem Schreiben und Denken große Begeisterung aus.
In ihren ersten beiden Novellen ›die dinge, die ich denke, während ich höflich lächle‹ und ›Synchronicity‹ erzählt Sharon Dodua Otoo mit phantastischer Leichtigkeit, herzlichem Humor und schonungslosem Scharfsinn von Farben und Grautönen, von Unsicherheiten und Empowerment.
Sie hat einen deutschen Mann geheiratet, den schönsten Mann, und seinen Namen stolz getragen, bis sich herausstellt, dass seine andere Frau ausgewiesen wird. In ›die dinge, die ich denke, während ich höflich lächle‹ erzählt Sharon Dodua Otoo von einem bitteren Verlust, einer schonungslosen Bilanz und einer mutigen, trotzigen und willensstarken Frau, die sich neu erfindet.
Erst ist das Gelb weg, dann das Grün, das Blau und schließlich das Braun. Cee sieht keine Farben mehr, auch nicht ihre eigene Haut. Dann kehren die Farben zurück. Aber so einfach ist es nicht ... ›Synchronicity‹ ist eine irrwitzige und verblüffende Geschichte, eine Adventsgeschichte.
»die Welt ist jederzeit zu erschüttern«, Sandra Kegel, Jurorin Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb

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