Am 24.03. ist es wieder soweit und die Indiebookday steht vor der Tür. Bisher war es so, dass ich diesen Tag auf mich zukommen ließ, erstaunt feststellte, dass er schon wieder da ist und ich einfach gar nicht dazu kam, mir ein Buch aus einem unabhängigen Verlag zu kaufen. Dieses Jahr will ich mich nicht überraschen lassen und deshalb beschäftige ich mich schon im Febuar mit diesem Tag und möchte euch ein wenig daran teilhaben lassen, wie sich das unabhängige Verlegen in meine Wahrnehmung geschlichen hat und was für mich die Unterschiede zu Literatur aus großen Verlagen ausmacht. Kleine Anmerkung: Der eigentliche Text ist nicht mit Links versehen. Die findet ihr am Ende des Beitrages.
Begrenzter Horizont
Bevor ich angefangen habe, die Bücher, die ich gelesen habe, euch auf dem Blog vorzustellen, war mir der auf dem Cover aufgedruckte Verlag relativ egal beziehungsweise habe ich diesem keine Beachtung geschenkt. Da ich meine Handvoll Autoren hatte, war mein Ereignishorizont, sagen wir mal begrenzt, was neue Geschichten und Bücher anging. Ich interessierte mich nicht für die Geschichten, sondern war eher auf die Autoren fixiert, die damals gerne gelesen habe. Das hat sich in den letzten 5 Jahren seit Bestehen des Blogs geändert, insbesondere in den letzten zwei Jahren, seit ich mich intensiver mit der Gesamtmenge, bestehend aus der Kette, Autor, Verlag, Lektor, Druck, bei ausländischen Büchern den Übersetzer, dem Endprodukt Buch und unzähligem mehr auseinandersetze. In diesem Zeitraum hat sich bei mir in meiner Buchauswahl so nach und nach ein Wechsel vollzogen, den ich eigentlich nur vergleichen kann mit meinem geänderten Geschmacksspektrum seit Bestehen des Blogs.
Erste Indiekeime
Seit ich den Blog betreibe, habe ich meinen Suchhorizont enorm erweitert. In etwa zeitgleich zu meinem Blog ging auch die Geschmeinschaftsseite „We read Indie“ an den Start und die erste Keimzelle für eine Bewusstseinsöffnung hin zu den ungewöhnlicheren Büchern war gelegt. Denn was unabhängiges Verlegen ausmacht und was für Unterschiede in diesen Büchern gegenüber denen aus konventionellen, großen Verlagen stecken, war mir zu diesem Zeitpunkt kaum bewusst. Das wollte ich damals auch nicht unbedingt ändern. Es war mehr eine Art Faszination anstatt aufrichtiges Interesse, denn diese Bücher hatten etwas an sich, was sie von den großen Verlagen abhob. Waren es die gewählten Themen? Die aufwändigere Gestaltung? Zu diesem Zeitpunkt konnte ich das nicht einordnen und das sollte auch eine Weile so bleiben.
Ein richtiges Erweckungserlebnis kann ich nicht benennen. Eines welches mich wachrüttelte, mit dem Finger auf diese Bücher zeigte. Eines bei dem ich sagen konnte „Ab hier ging es wirklich los“. Vielmehr setzte vermehrt in den letzten Monaten ein Prozess ein, der mich immer mehr zu diesen kleinen Prachtstücken der Literatur hinzog. Habe ich gerade gesagt, in kann keinen richtigen Punkt eines Erweckungserlebnisses nennen? Das ist ein bisschen geflunkert, denn den ersten richtigen Berührungspunkt setzte vor knapp drei Jahren die Büchergilde Guttenberg (siehe auch diesen Beitrag: klick). Dort werden bekannte und auch unbekannte Werke neueren und auch älterem Datums in neuer Gestaltung nochmals verlegt (das wird sicher auch nochmal einen Beitrag wert sein). Diese Gestaltung, alle Geschmacksfragen mal außen vor gelassen, passte in meinen Augen bei vielen Büchern besser im Vergleich zum Original. Ich kaufe dort in den jeweiligen Quartalskäufen nicht in Masse ein, sondern vielmehr mit Genuss und suche mir regelmäßig die Werke aus, die mich am meisten ansprechen oder bei denen ich schon mehrere Quartale drum herum schleiche und dann einfach den richtigen Zeitpunkt für den Erwerb abwarte. Die Büchergilde also. Das nenne ich mal halbes unabhängiges Verlegen, da bekannte, schon gedruckte Werke in neuer Form dargereicht werden. Es soll jetzt nicht abschätzig klingen, denn die Arbeit dahinter ist im Vergleich zu anderen Verlagen nicht minder zu verachten und darüber hinaus müssen noch die Lizenzfragen geklärt werden. Also ebenso eine Arbeit, die man honorieren sollte, wenn auch die Bücher in ihrem Design nicht jeden ansprechen. .
Debütpreis und Initialzündung
Danach passierte erst einmal lange Zeit nichts im Bereich unabhängige Verlage. Ab und zu schlich sich ein Exemplar davon in meinen Bücherschrank, aber ich schenkte denen genau so viel Beachtung wie allen anderen Büchern. Ändern sollte sich das mit der erstmaligen Auslobung des Debütpreises 2016 und den für diesen Preis eingereichten Büchern. Über diesen Preis und die dort eingereichten Bücher (siehe hier: klick) habe ich mich das erste Mal richtig mit den unabhängigen Verlagen auseinander gesetzt. In der langen Liste, die als Vorauswahl für die offiziell Nominierten benutzt wurde, waren Bücher von Verlagen vertreten, von denen ich selbst zu diesem Zeitpunkt noch nicht gehört habe (zum Beispiel den Luftschaft Verlag und den Freiraum Verlag). Doch waren es genau diese Bücher, die mich magisch angezogen haben. Die Gründe sind vielfältig, einen kann ich jedoch seit der zweiten Debütpreisrunde mit Sicherheit ansprechen: Sie sind abseitiger als die Mainstreamliteratur. Das klingt jetzt im ersten Moment banal und bei aller Unsinnigkeit der Aussage auch logisch. Ohne auf diesen Satz mit konkreten Beispielen eingehen zu wollen. Doch was genau macht dieses Abseitige aus? Bieten das die großen Verlage in Nischen nicht auch an? Und was kommt dann noch dazu, dass die Bücher aus den unabhängigen Verlagen in meinen Augen die verlegerisch schöneren sind?
Merkmale
Vergleiche sind, gerade im Bereich der Literatur, immer schwer. Es spielen Geschmäcker, Vorlieben, Lebenserfahrung und vieles mehr eine Rolle und ergeben bei jedem Einzelnen ein individuelles Gemisch, was jedes Buch aus persönlichem Blickwinkel anders wahrnehmen lässt. Doch es gibt Faktoren, die in ihrer Gesamtheit viele relativ gleich ansprechen und nur in Nuancen Unterschiede bedienen. In meinen Augen sind das vor allem die offensichtlichen Faktoren wie das Aussehen des Buches von außen (Cover, Bindung, Seitenschnitt) und die Setzung des Textes im Inneren (Schrifttyp, Größe, eng bedruckt etc.). Wenn diese stimmig umgesetzt sind, dann freut man sich um einiges mehr auf die bevorstehende Lektüre, als wenn man ein Produkt in den Händen hält, welches in Masse für die Masse hergestellt wurde. Zum Beispiel ist es mir mittlerweile fremd, einen Titel von Stephen King (wer hier mitliest weiß, dass ich diesen Autor sehr gerne lese) im Hardcover zu erstehen, da diese Bücher dementsprechend „schlampig“ umgesetzt sind. Keine herausstehenden Erkennungsmerkmale, 0815 Setzung des Textes und in den letzten Jahren in meinen Augen schreckliche Übersetzungen. Und das trifft sicher nicht nur auf Stephen King zu. Geld verdienen will jeder und das an der einen oder anderen Ecke gespart wird verstehe ich, aber die Sinnlichkeit und das Besondere eines Buches im Hardcover geht dabei irgendwie verloren. Dem entgegen würde ich aus den unabhängigen Verlagen, aus deren Programm ich bisher gern gelesen habe, ohne mit der Wimper zu zucken jederzeit zum Hardcover greifen. Aus diesen Häusern, die ich euch am Ende des Beitrages noch verlinken werde, gefällt mir immer die gesamte Aufmachung der Bücher, so dass die Vorfreude ständiger Begleiter ist, wenn ich eines diese Bücher auspacke, kurz durchblättere oder nur von außen betrachte. Auch wenn diese Bücher vielleicht länger warten müssen, bis sie gelesen werden, aber die Vorfreude darauf, in ihnen zu lesen, ist stetiger Begleiter.
Kommen wir zu den inneren Werten der Bücher, dem Inhalt. Dafür ist ja der Autor des Textes zuständig und die Verlage sind nur die Vermittler der Geschichte. Doch auch hier lassen sich Unterschiede festmachen, die etwas größer sind, als man von vornherein annehmen mag. So empfinde ich im direkten Vergleich, dass die unabhängigen Verlage die unbequemeren Texte veröffentlichen, was sich zum Beispiel am letzten Debütpreis wunderbar festmachen lässt. Da waren drei Bücher dabei, die allesamt sprachlich und inhaltlich so dermaßen fordern waren, dass sie in einem großen Verlag entweder nur eine Nische besetzt hätten oder gleich gar nicht aufgenommen worden wären. Auch experimentellere Formen der Belletristik sind bei den Indies schneller zu finden als bei den großen Verlagen. Insgesamt lässt sich das auch sehr schwer beschreiben und müsste anhand konkreter Beispiele vertieft werden. Dafür möchte ich aber eure Nerven nicht strapazieren und eure Zeit nicht stehlen, denn ich würde mich dann mehr ins Klein Klein stürzen und mich dabei im Kreis drehen. Für mich habe ich in den letzten Monaten festgestellt, dass ich aus beiden Bereichen gerne Bücher lese. Wenn es aber darum geht, Bücher zu behalten, länger im Gedächtnis zu behalten oder dass sie mir etwas mitgeben, sind die kleinen, unabhängigen Verlage mit Abstand weiter vorn dabei. Ich gebe zu, es ist nicht immer einfach, diese Bücher zu konsumieren, gerade in dieser schnelllebigen Zeit, wo jede Sekunde wertvoll zu sein scheint. Doch gerade in solchen Momenten muss man etwas gehaltvolles entgegenstellen, um sich wieder zu erden, um herunterzufahren und um sich dabei trotzdem zu fordern.
Mittlerweile geht es sogar so weit, dass ich bei den Verlagsvorschauen oder den Bloggern, die diese Vorschauen komplett durchgehen und verlinken, immer zuerst bei den unabhängigen Verlagen nach interessanten Stoffen und Büchern nachschaue. Erst danach geht es zu den großen Verlagshäusern. So etwas wäre vor fünf Jahren gar nicht möglich gewesen, da es mir gar nicht bewusst gewesen ist und selbst noch vor zwei Jahren war es mir relativ egal. Mittlerweile und auch in Zukunft werde ich da weiterhin Wert darauf legen, denn auch die unabhängigen Verlagshäuser sind wichtig für die gesamte Buchbranche.
Wie sind denn eure Erfahrungen mit den Indies? Schaut ihr generell nur dort vorbei? Habt ihr einen gesunden Mix? Oder können euch diese Bücher gestohlen bleiben?
Weiterführende Links
Bei der Kurt-Wolff-Stiftung könnt ihr euch ein noch genaueres Bild darüber machen, was unabhängiges Verlegen bedeutet. Auch eine Liste der beteiligten Verlage ist in den Tiefen dieser Seite versteckt.
Mehr Informationen über den Indiebookday findet ihr hier: klick. Der Preis wurde durch den mairisch Verlag vor 6 Jahren initiiert, um unabhängige Verlage zu fördern und um auf sie aufmerksam zu machen.
Den Blog We read Indie gibt es in etwa so lange wie meinen eigenen. Auf dieser Plattform präsentieren mehrere Blogger in unregelmäßigen Abständen Literatur oder Events aus oder veranstaltet von unabhängigen Verlagen. Da entdeckt man so manche Bücher, die man vorher nicht auf dem Schirm hatte.
Die Auflistung der folgenden Verlage ist ohne Wertung. Es sind die, die mir in den letzten Jahren richtig klasse Geschichten geliefert haben und meinen Lesehorizont enorm erweitert haben. Danke euch an dieser Stelle, dass ihr den Mut habt, die Geschichten zu veröffentlichen, die mal verstören, die mal erheitern, die aber immer lehrreich sind. Dank auch den Autoren, die dort eine Heimat für ihre Art der Literatur gefunden haben.
Ars Vivendi Verlag
Homunculus Verlag
Edition Phantasia
Luftschaft Verlag
Periplaneta Verlag
Frankfurter Verlagsanstalt
Matthes&Seitz
Schöffling&Co
binooki
Verbrecher Verlag
Septime Verlag
Limmat Verlag
Verlag Klaus Wagenbach
Edition Atelier
Voland&Quist
Jung und Jung
Edition Nautilus
Freiraum Verlag
CulturBooks
und viele andere mehr, mit denen ich aber leider noch keine Berühungspunkte hatte. Ihr seht also, die Landschaft ist bunt und scheinbar unendlich vielfältig. Schaut euch um, da ist für jeden Geschmack etwas dabei. Enttäuscht werdet ihr auf gar keinen Fall.