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WE WANT MORE!

Eine eisige Formulierung heizt die Diskussion um sprachlichen Rassismus an.

Georg Schober

„Ein heimischer Eishersteller wirbt mit rassistischen Stereotypen für den eisgekühlten ‚Mohr im Hemd‘“.

( Quelle: http://fm4.orf.at/stories/1620900/?page=2 [1] )

Interessant ist im Zusammenhang mit der Diskussion um den Begriff „Mohr“, welche Themen zu welchem Zeitpunkt „hochkochen“. So scheint beispielweise die kritische Wahrnehmung sexistischer Werbung zur Zeit rückläufig. Sie erhält verhältnismäßig wenig Aufmerksamkeit – davon abgesehen, daß Werbung, die Frauen auf Sexualität reduziert, den Österreichischen Werberat selten einschreiten läßt. „Sex sells“ ein „Ausrutscher“?

Der Mohr – ebenfalls ein „Ausrutscher“? Fast mag es einem so vorkommen, denn, so ist zu fragen: Warum sind die berechtigen Proteste der Menschen aus der Black Community so zurückhaltend? Obwohl Claus Pirschner und Claudia Unterweger von FM4 in ihrem Beitrag “Will i mohr?“ vom 20. Juli 2009 formulieren: „In der Black Community überlegt man nun Protestaktionen.“

( Quelle: http://fm4.orf.at/stories/1620176/?page=2 [2] )

Wer bildet die „Black Community“? Der Begriff impliziert den Eindruck einer homogenen Gruppe von Menschen, mit denselben Interessen und Zielen. Verhält es sich tatsächlich so? Woran das zaghafte Vorgehen liegt, darüber kann nur spekuliert werden.

Vielleicht haben die Menschen andere Sorgen. „‚Viele Menschen trauen sich allerdings oft nicht, gegen Rassismus aufzutreten‘, sagt De Cillia. ‚Dazu kommt, dass Menschen schwarzer Hautfarbe mehr von Problemen mit Rassismus in der U-Bahn oder bei der Jobsuche berichten und sich daher weniger Gedanken über die Sprache machen können.‘“ Darauf weist beispielsweise Rudolf De Cillia, Professor am Institut für Sprachwissenschaft an der Uni Wien in einem Interview im „Kurier“ vom 29. Juli 2009 hin.

( Quelle: http://kurier.at/nachrichten/1926880.php [3] )

Oder die Menschen hegen die Befürchtung, rassistische Ressentiments könnten sich an diesem Thema entzünden. Laut „Die Presse“ vom 28. Juli 2009 reagierten Botschaftsvertreter sehr diplomatisch: „Für afrikanische Botschaften in Wien war die ‚Mohr‘-Kampagne offenbar kein Thema. Auf Anfrage von DiePresse.com hieß es vonseiten der Botschaften von Nigeria, Simbabwe und Angola: ‚Wir haben davon nichts mitbekommen.‘“

( Quelle: http://diepresse.com/home/panorama/oesterreich/498612/index.do [4] )

Sprache formt das Denken und vice versa. (Alltags-)Rassismus läßt sich in der (Alltags- und Kulinarik-)Sprache dingfest machen. Und oft gerät ein unbedachter Ausdruck wie „Zigeunerschnitzel“, „Indianer mit Schlag“ oder „Negerbrot“ zum „Ausrutscher“, weil vielen die historische Bedeutung dieser Worte nicht bekannt zu sein scheint. Wobei in Abwandlung eines Sprichwortes die Unwissenheit nicht vor Aufklärung / Bildung schützen soll.

Um zu verändern und neu zu gestalten, ist es wichtig, die Wurzeln für das entsprechende Verhalten zu kennen und möglichst am Denken und Fühlen aller von einem Problem betroffenen Menschen anzuknüpfen. Für viele Österreicherinnen und Österreicher stellt der „Mohr im Hemd“ ein schwer nachvollziehbares Beispiel für rassistischen Sprachgebrauch dar. Der „Mohr im Hemd“ wird vielmehr als eine Reminiszenz an längst vergangene Tage, als ein Stück Identität und Tradition verstanden. Als simpler Schokoladekuchen mit Schokosoße und Schlagobers verliert er viel von seinem „Nimbus“ und seiner Exklusivität.

Der Versuch, den „Mohr im Hemd“ ohne gleichzeitige Entwicklung einer sprachlichen Alternative zum Verschwinden zu bringen, wird die Herzen der Menschen nicht erreichen. Ganz im Gegenteil; macht sich doch dieser Tage in den Köpfen vieler, keineswegs rassistisch eingestellter Menschen, Unverständnis und Verärgerung hinsichtlich dieses Themas breit.
Ein sachlicher und auf breiter gesellschaftlicher Basis geführter Diskurs über Rassismus und Sexismus ist notwendig. Beide Aspekte haben viele Gesichter, auch eines, das sich nicht nur zwischen Mehrheitsbevölkerung und „Minderheiten“ zeigt, sondern auch zwischen verschiedenen „Minderheiten“.

Ein zentrale Frage in diesem Zusammenhang lautet: Gelingt es in den österreichischen Schulen, eine umfassende Diskussion über die gesellschaftlichen Ursachen und Auswirkungen von Rassismus und Sexismus zu situieren?

Wenn solcherart gestaltetet Auseinandersetzungen mit Sprache dazu beitragen, daß Menschen für dieses Thema sensibilisiert werden, rassistische Bemerkungen nicht mehr als verbale „Ausrutscher“ zu betrachten und sich in Folge tatkräftig und zivilcouragiert für von Rassismus bedrohten Menschen einzusetzen, dann kann die Forderung nur heißen: „We want more!“

Zwei weitere interessante Beiträge:

Klaus Werner Lobo – Warum ich ein Rassist bin [5]

Warum mir das AIDA-Logo sauer aufstößt, oder: Wider die positivistische Definition der Diskriminierung [6]