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80 Jahre Bücherverbrennung – Literaturquiz Teil 2

Den zweiten Teil des Literaturquizes [1] der „Duftenden Doppelpunkte“ anlässlich der Bücherverbrennung von 1933 widmen wir einem Autor, der als „Gerechter unter den Völkern“ [2] in Yad Vashem geehrt wird.

Es folgen im Abstand von jeweils 14 Tagen weitere 21 AutorInnen. Auf der Site „Das Literaturquiz zur Bücherverbrennung“ [3] werden alle Quizfragen und die Antworten gesammelt.

Die Fragen:

Wie heißt der Autor?
Mit wem ist er in erster Ehe verheiratet?
Nennen sie den Titel einer seiner „Türkischen Novellen“.

Ihre Antworten senden Sie bitte an: info@literaturblog-duftender-doppelpunkt.at [4]

Einsendeschluss: 26. Februar 2013, 12.00 Uhr

Zu gewinnen gibt es diesmal:

Wer verbirgt sich hinter den folgenden Informationen?

Wie die Dichterin Else Lasker-Schüler [10] (1869 – 1945) und die Schriftstellerin und Muse Richard Wagners, Mathilde Wesendonck [11] (1828 – 1902), wird der Autor in Elberfeld, heute ein Stadtteil Wuppertals geboren.

Mit dem für einige Jahre, ebenfalls in Elberfeld lebenden Autor Paul Zech [12] (1881 – 1946), verbindet ihn, wie mit „Prinz Jussuf von Theben“ (Else Lasker-Schüler) die Erfahrung des Exils.

Schon früh macht er Bekanntschaft mit der damals noch kaiserlichen Zensur. Seine unter dem Titel „Das Antlitz der Städte“ verfassten Gedichte werden 1917 wegen der darin enthaltenen „Obszönitäten“ verboten.

Das Grauen des 1. Weltkrieges erlebt er als kriegsfreiwilliger Krankenpfleger im Winterfeldzug in Polen und später als Mitglied der Deutsch-Ottomanischen Sanitätskommission in der Türkei. Dort wird er Augenzeuge der Vertreibung und Ermordung der ArmenierInnen. Er protestiert entschlossen gegen diese Taten, fotografiert die Lager und Massengräber, schreibt zahlreiche Berichte und formuliert einen offenen Brief an Woodrow Wilson [13], den Präsidenten der USA. Seine Bemühungen, insbesondere auch die deutsche Öffentlichkeit über die Verbrechen an den Armeniern aufzuklären, führen schließlich zu seiner Entlassung aus dem Militärdienst. Sein Protest verhallt nahezu ungehört.

Die Absicht, über den Völkermord an den ArmenierInnen [14] einen Roman zu schreiben, bleibt in Entwürfen stecken. Er verarbeitet seine Erlebnisse in der Türkei unter anderem in den „Türkischen Novellen“. Ein zeitloses berührendes Dokument.

„Ein Zittern lief durch den Leib der Menge. Die Köpfe wandten sich; mit vorgebogenem Hals, ineinandergekrallt, schoben sie sich die Gasse fort. Der vereinsamte Platz füllte sich mit dem Rauch der Kathedrale, über deren zitternde Menschenspaliere die Hände der Flammen tasteten. Der Atem der Tausende keuchte. Glut stand in den geröteten Augen. Die Vordersten, von ihrer Begierde gehetzt, jagten über die freie Straße. Die schwarze Masse, zusammengeballt, bebend vor Brunst, folgt ihnen über den Schrei zertretener Kinder, rast den Hügel hinab, durch die Höhlung, über den Platz und stieß an die Pforte der Bäder. …“ Aus: „Der Sturm auf das Frauenbad“

Wie Franz Werfel [15] (1890 – 1945), der Autor des Romans „Die vierzig Tage des Musa Dagh“ [16], wird auch er noch heute von den ArmenierInnnen sehr geschätzt.

Die Solidarität mit dem armenischen Volk verschleiert keineswegs seinen Blick. Er ist allen Menschen der Türkei und ihrer Kultur verbunden.

„Ich klage nicht den Islam an. Der Geist jedes großen Glaubensbekenntnisses ist edel, und die Handlung manches Mohammedaners hat uns vor den Taten Europas die Augen niederschlagen lassen. Ich klage nicht das einfache türkische Volk an, dessen Seele von tiefer Sittlichkeit erfüllt ist.“

Stefan Zweig [17] (1881 – 1942) schreibt über den Autor in Zusammenhang mit dem Völkermord an den ArmenierInnen: „Hier hat der ergriffene Mensch ein Land und ein Volk in seiner schwersten Stunde gesehen.“

1920 heiratet er. Seine Frau arbeitet ebenfalls schriftstellerisch. Sie sind gemeinsam viel unterwegs und es entstehen eine Reihe von Reiseberichten.

Er sieht die Katastrophe im Deutschen Reich kommen und kämpft gegen sie an. Nachdem es am 1. April 1933 zu den ersten landesweiten Übergriffen gegen Juden und Jüdinnen kommt, wendet er sich an Adolf Hitler. Er wählt die Form eines offenen Briefes, allerdings traut sich zu diesem Zeitpunkt bereits keine Zeitung mehr, das Schreiben zu veröffentlichen:


Bundesarchiv Bild 102-14468 Foto v. Georg Pahl CC-BY-SA 3.0

„Herr Reichskanzler! In Ihrer Bekanntgabe vom neunundzwanzigsten März des Jahres hat die Staatsregierung die Acht über die Geschäftshäuser aller jüdischen Mitbürger verhängt. Beleidigende Inschriften: ‚Betrüger! Nicht kaufen! Den Juden den Tod!‘, gemalte Wegweiser: ‚Nach Jerusalem!‘ leuchteten an den Spiegelscheiben der Warenhäuser, Männer mit Knüppeln und Faustbüchsen hielten vor den Türen der Läden Wache, und zehn Stunden lang hat man die Hauptstadt zum Schauplatz der Belustigung der Massen gemacht. […] Gerechtigkeit war stets eine Zierde der Völker, und wenn Deutschland groß in der Welt wurde, so haben auch die Juden daran mitgewirkt. […] Herr Reichskanzler! […] Schützen Sie Deutschland, indem Sie die Juden schützen! […] Führen Sie die Verstoßenen in ihre Ämter zurück, die Ärzte in ihre Krankenhäuser, die Richter auf das Gericht, verschließen Sie den Kindern nicht länger die Schulen, heilen Sie die bekümmerten Herzen der Mütter, und das ganze Volk wird es Ihnen danken. […] Wahren Sie die Würde des deutschen Volkes.“

Der Autor ist nicht naiv. Seine Frau und die Kinder sind bereits im sicheren Ausland. Er selbst zeltet an der Havel und wartet auf Antwort. Der Sekretär Adolf Hitlers, Martin Bormann [18] (1900 – 1945), bestätigt ihm schriftlich den Erhalt des Briefes. Die Antwort des Reichskanzlers kommt, geführt vom Chef des Cafés, in das sich der Autor gelegentlich Briefe schicken lässt, in Gestalt der Gestapo.

Was folgt sind Verhaftung, Folter und KZ. Nachdem er freikommt, gelangt er über England und Palästina letztlich nach Italien. Seine Frau folgt ihm, erkennt aber die Gefahr, die ihr unter Benito Mussolini als Jüdin droht und kehrt nach Palästina zurück. Später wird sie sagen:

„Ich konnte in Deutschland nicht bleiben, er nicht in Palästina. So sind wir auseinandergeschwommen. Im Sturm. Es war Sturmflut.“

Die ersten Jahre seines italienischen Exils verbringt er in Positano, einem kleinen an der Küste der Provinz Salerno gelegenen Ort, in dem auch der Schriftsteller Stefan Andres bis 1949 wohnt und arbeitet.

Ab 1940 lebt er mit der Künstlerin Irene Kowaliska zusammen. Sie ist eine ehemalige Schulkameradin und gute Freundin der Schriftstellerin Erika Mitterer [19] (1906 – 2001), die die Zeit des Nationalsozialismus in Wien überdauert und zu den bekannten VertreterInnen der Literatur der inneren Emigration zählt.

Auf dem ersten deutschen Schriftstellerkongress nach dem Krieg, er findet 1947 in Berlin statt, hält man ihn für tot. Es dauert lange, bis man sich im deutschen Sprachraum wieder seiner erinnert.

Fast 40 Jahre später und 100 Jahre nach seiner Geburt ehrt ihn Elberfeld mit einer Gedenktafel und benennt einen Platz nach ihm.

Er stirbt bereits zuvor am 17. Mai 1978 im Alter von fast 92 Jahren in Rom.

Im Wallstein Verlag [5] wurde 2012 mit der Herausgabe einer dreibändigen Werkausgabe begonnen. Sie ist dem Schaffen des Autors als Erzähler und Lyriker gewidmet.