Der zweite Boden
Aus Gründen der Aktualität, handelt die heutige Kolumne nicht vom militärischen Übergriff israelischer Soldaten auf den Gaza-Hilfskonvoi. Die Berichterstattung dazu, erfolgt in einem Maße, die wiederum Kritik an den Medien und ihren Vertretern nahe legt – aber auch darum soll es sich nicht drehen. Eine israelische Journalistin und Autorin, hat wenige Stunden nach dem Einsatz, in einem Fernseh-Interview und mit Tränen in den Augen, alles ausgesprochen, was es vorerst dazu zu sagen gibt: „Diese Aktion war alles andere als weise.“
Vielmehr möchte ich das Augenmerk noch einmal auf die kürzlich erwähnte Situation vieler Arbeiter des Foxconn-Konzerns in China lenken – dort hat sich nämlich etwas getan: Wegen der zahlreichen Berichte über die dortigen Umstände beschloss das Management, die Löhne um rund 30 Prozent anzuheben. Also macht es doch Sinn! Also gibt es sie doch noch, diese solide journalistische Arbeit! Womit es auch einen Grund zu wahrer Freude gibt!
Natürlich, wie das immer so ist, man soll sich nicht zu lange auf den Lorbeeren ausruhen, es gibt dort eine Reihe weiterer Absurditäten, die, wo sie schon einmal Realität geworden sind, bekämpft werden müssen. Netze, die verhindern sollen, dass sich Arbeiter aus den Gebäuden in den Tod stürzen, tragen sicherlich auch nicht zu deren Wohlbefinden bei – was aber noch harmlos ist. Man stelle sich vor, man unterzeichnet, zusammen mit dem neuen Dienstvertrag, ein Dokument, welches einem den eigenen Selbstmord untersagt. Es handelt sich dabei nicht um einen unerwarteten Anfall von Humanität seitens der Arbeitgeber, nein, es geht beinhart ums Geschäft: Zahlungen, die nach einem Suizid an die Hinterbliebenen gehen, sind schlicht zu hoch.
Da die Löhne, selbst nach ihrer Anhebung, ein Schlag ins Gesicht der Menschenwürde sind, besteht der Grund zur Freude eher aus dem Umstand, dass die Welt nicht weggesehen hat – und damit etwas erreicht hat. Es offenbart sich dieser große, faszinierende Zusammenhang, zwischen dem was wir Menschen täglich denken und tun, wovon wir uns leiten lassen oder eben nicht, wie viel wir konsumieren und worauf wir eventuell verzichten können, und dem, was dieses individuelle Verhalten direkt und indirekt bewirkt.
Ich weiß nicht wann mir zum letzten Mal so klar war, was die Macht eines Einzelnen zu tun vermag. Und was man erst gemeinsam erreichen kann!