Christian Scheinhardt: Von der Kunstform Sprache

Einen wundervollen Text von und über sich, das Schreiben und die Liebe zum geschriebenen Wort, hat mir dieser Tage Christian Scheinhardt ( über dessen Tun wir hier und hier schon berichtet hatten ) zugespielt. Den möchte ich euch auf keinen Fall vorenthalten und illustriere (mal ausnahmsweise zum Montag) mit seinem “Wappentier” ;) Viel Spass beim Lesen!

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Manchmal beginnt der erste Satz ohne ein Wort.

Ein Bild taucht auf. Vielleicht ist es in dem Moment nachvollziehbar assoziiert, vielleicht frage ich mich eher, woher es gekommen sein mag. Wie eine Wolkenformation am nahtlos blauen Himmel. Eine Zeit lang starrt man hinauf in den Schleier, hinter dem die Sterne wohnen, und sieht nichts. Dann schließt man die Augen, und sieht alles. Ohne Namen dafür zu kennen. Der nächste Augenblick, geboren aus einem verträumten Blinzeln, zeigt uns den Ausschnitt der Wirklichkeit, auf den es ankommt. Wir fassen zu und bekommen ein Stück des Fadens zu fassen. Ihm zu folgen ist der nächste Entschluss. Folgen, ohne zu fragen, wohin er führt. Alles, was es braucht, ist das Vertrauen, dass er uns leitet und wir ihm folgen können.

Wortketten, um einen Prozess geschlungen, den man nicht anketten kann. Nur was man halten kann, ließe sich vielleicht auch an die Kette legen. Für eine Weile. Kurz oder lang. Fantasie und Kreativität gehören in meiner Erfahrungswelt nicht dazu.
Man kann sich nicht immer treiben lassen. Aber um anzukommen, muss man auch das können. Im rechten Moment. Den rechten Moment intuitiv erfassen, wenn er da ist, oder ihn im Nachhinein erkennen und sehen, was hätte sein können, das unterscheidet den Kreativen vom Träumer.

Was ich schreibe, lasse ich mir meist erzählen. Von wem auch immer. Zu Zeiten der Romantik hätte man am ehesten die Muse dahinter vermutet. Auch, wenn ich mich manchmal geküsst fühle durch das, was wohl Inspiration ist- Oft ist es mehr die Muße, die mich zum Schreiben bringt, als die Muse.

Der kleine Junge in mir, der noch mit den Elfen fliegen konnte und sich mit den Zwergen versteckt hat tief in den Erdhöhlen voller Schätze, er ist ein interessanter Erzähler. Das innere Kind. Erzählen ist spielen. Niemand kann hingebungsvoller spielen als ein Kind.

Liebe erzählt, von Zeit zu Zeit. Wenn die kleine, nackte Putte den Pfeil getauscht hat mit der Feder, deren moderne Entsprechung die Tastatur ist, an der ich gerade sitze.
Manchmal erzählt mir die Wut etwas, dann die Trauer, Melancholie, Hoffnung. In erster Linie Gefühle. Denken ist ein schlechter Erzähler. Denken will immer sich selbst bespiegeln, anstatt zu schreiben. Es nervt mit der Stimme: “Ja, ist denn nicht alles schon gesagt?” Aus Angst, etwas Neues könnte zum Vorschein kommen, das noch nicht in den Schubladen der Selbstherrlichkeit verstaut war.

Denken ist gut nach dem Schreiben. Wenn man einen Edelstein aus dem Fels geschlagen hat, muss er geschliffen werden.
Woher kommt nun, was als Kunstform Sprache zu bezeichnen ist?

Ich bin nicht DER Schöpfer. Daher kann ich mir die Behauptung erlauben, am Anfang ist nicht immer das Wort. Ein Bild taucht auf. Scheinbar, oder tatsächlich, aus dem Nichts. Ihm einen Namen geben, wird ihm nicht gerecht. Klassifizierungswahn erodiert das Gesamtsein der Welt. Es zu beschreiben, wird in den meisten Fällen Kritzelei auf unschuldig weißem Papier. Das Bild mit Worten zu zeigen, das ist Sprache. Ist es Kunst?

Die Kunst der Sprache mag das Zeigen dessen sein, das aus dem Nichts kommt. Zu uns. Zum Zuhörer. Zum Leser.

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