Dostojewskis “Der Spieler” – Die beklemmende Gegenwärtigkeit von Roulettenburg im Jahr 1866

Ein Rezensionsbeitrag von Bertram Sebastian

Dostojewski_SpielerEs gibt Romane, die weit über 100 Jahre alt sind und trotzdem nichts an Aktualität verloren haben. Ein Paradebeispiel dieser Evergreens ist “Der Spieler” von Fjodor Dostojewski, ein fein gezeichnetes Portrait eines Spielsüchtigen, das im fiktiven Roulettenburg angesiedelt ist.

Auf den Seiten von literaturcafe.de kann man sich den Roman als gekürztes Hörbuch zur privaten Nutzung kostenlos herunterladen. Bei Amazon kann man sich das Buch ganz normal bestellen, es ist mittlerweile auch als Download für den Kindle erhältlich.

Den Roman diktierte Fjodor Dostojewski seiner Stenotypistin und späteren Ehefrau Anna Grigorjewna Snitkina in nur 26 Tagen. Das Buch erschien dann im Jahre 1866 kurz nach seinem Hauptwerk “Schuld und Sühne”. Die Entstehung des Buches wurde 1980 von dem russischen Regisseur Alexandre Zakhi im durchaus sehenswerten Film “26 Tage aus dem Leben Dostojewskis” nachgezeichnet.

Die Handlung von “Der Spieler” dreht sich hauptsächlich um zwei Themenkreise: zerstörerische Spielsucht und eine komplizierte Liebesbeziehung. Der Protagonist Aleksej Iwanowitsch will am Spieltisch eigentlich nur seine Finanzen aufbessern, schließlich erliegt er aber völlig seiner Spielsucht. Gleichzeitig ist er unsterblich in Polina verliebt, die ihn aber zurückweist. Als Polina ihm schließlich doch ihre Liebe gesteht, ist es zu spät. Seine Zuneigung für sie hat sich längst in Spielsucht verwandelt. Gerade in Zeiten von Online-Casinos und World of Warcraft ist “Der Spieler” top-aktuell und sollte von der jungen Generation gelesen oder wenigstens gehört werden.

Bei dem fiktiven Ort Roulettenburg handelt es sich um eine deutsche Stadt, sowohl Wiesbaden als auch Bad Homburg nehmen jeweils für sich in Anspruch, Dostojewskis Roulettenburg zu sein. Allerdings wird im Roman die Stadt Bad Homburg neben Roulettenburg genannt, insofern kann Bad Homburg von Dostojewski eigentlich nicht gemeint sein.

Wie dem auch sei, der Roman trägt in jedem Fall starke autobiographische Züge. Auch Dostojewski war leidenschaftlicher Spieler, der die Schattenseiten des Glückspiels wie zum Beispiel Roulette am eigenen Leib erfahren hat. Kein Wunder, eine derart Präzise Schilderung der inneren Zerrissenheit kann schlecht nur auf abstrakter Beobachtung basieren. Dostojewski reiste selber im Jahr 1865 nach Wiesbaden und verspielte dort seine gesamte Reisekasse. Seine Frau Anna Grigorijewna Dostojewskaja beschrieb ihn einst: “Er kehrte vom Spieltisch zurück … es war schrecklich, ihn anzuschauen: sein Gesicht war hochrot, seine Augen rot unterlaufen, als ob er betrunken wäre.” Mehr zu Spielsucht und Glücksspiel hier.

Auch nach dem Erscheinen des Romans kehrte Dostojewski wieder an die Spieltische zurück. Ab 1867 lebte er in Genf und Vevey und fuhr von dort immer wieder nach Bad Homburg und Baden Baden um zu spielen. Entgegen der landläufigen Meinung war Dostojewski aber kein Mensch, der Unsummen verspielte. Die hatte er auch gar nicht, oft spielte er tagelang mit dem Geld eines gerade verpfändeten Kleides seiner Frau. Fjodor Michailowitsch Dostojewski starb im Jahr 1881 in Sankt Petersburg an einem Lungenemphysem.

[Dieser Beitrag unterstützt den Erhalt von Litheart.de]

Ein Gedanke zu “Dostojewskis “Der Spieler” – Die beklemmende Gegenwärtigkeit von Roulettenburg im Jahr 1866

  1. Eine recht ansprechende Rezension. Sehr amüsant die Anmerkungen, welche Stadt denn nun Roulettenburg gewesen sei. Darüber streiten die Städte Baden und Homburg noch heute. Sicherlich geht es um die Spielsucht. Etwas zu kurz ist vielleicht der zweite Teil gekommen, den Sie ja auch erwähnen. Die völlig verkorkste Liebesbeziehung zu Polina, denn auch im echten leben hieß seine Begleiterin Polina Suslowa und beide standen sich in einem ausgesprochen Ambivalenten verhältnis gegenüber. Viele Details und Einzelheiten finden Sie dazu auf dieser Dostojewski-Page: http://www.dostojewski.eu Einen Besuch sollte jemand, der Dostojewski gelesen hat nicht bereuen.

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