Was macht eine richtig geile Platte aus? Richtig, dass man sie nach zweimal Hören mitsingt. Diesen Punkt hat “Nackte Angst, zieh dich an, wir gehen aus” schon mal für sich verbucht, allein der namensgebende Song bleibt wochenlang fest im Ohr verankert. Bereits auf dem “Keine Bewegung”-Sampler hat man uns mit den frischen Songs angeteast, “Sei einfach nicht du selbst” ist auch auf dem Album vertreten. Aber hält das Album auch, was es früh ankündigte, anders zu sein, herauszustechen aus dem bisherigen Werk?
“Ein Nazi hat mein Bett aufgebaut und ich hab geschwiegen und weggeschaut” [Jens Friebe – Hölle oder Hölle]
Wenn man Jens Friebe bisher eines nicht unterstellen konnte dann, sonderlich politisch zu sein. Zumindest öffentlich und ja, natürlich setzt man auch als Veganer eine Art politisches Zeichen, aber in der Musik kamen bisher eher emotionale Geschichten zum Tragen. Schon das Cover des neuen Albums verrät – das könnte sich nun ändern. Und so wird auf den 11 neuen Titel so einiges besungen, das mit der weltpolitischen Situation zu tun hat und mit dem Einzelnen, der sich aus ihr heraushält und vor sich hin lebt, als feierten wir gerade goldene Zeiten.
Aber natürlich darf auch ein bisschen Zwischenmenschelei nicht fehlen, wenn auch radikal aufgezogen. Er möchte ihr die Stadt zeigen und sie mit Plattitüden überschütten, sie möchte vögeln. “I am not born for plot driven porn” heißt der Track. Außerdem wird sich auseinandergelebt und es wird gestorben (“What will death be like”).
Auf “Guess which celebrity partied too hard on their 18th (or not)” ist Jens plötzlich weiblich. Ach nein, der Song wurde eingesungen von Justine Electra aus Berlin.
“We saw the trees, we saw the sea, the sea was blue, the trees were green, and I compared them to her hair. She shook her head, she didn’t care.” [Jens Friebe – I am not born for plot driven porn]
Außerdem eine Neuerung: Hier und da etwas Englisch. Okay, okay, viel Englisch. Das ist nicht weiter schlimm, aber bisher stand Jens Friebe eben für deutschsprachigen textlastigen Pop. Wer also sein Schulenglisch lange nicht aufpoliert hat und trotzdem gern was verstehen würde – jetzt wäre es an der Zeit für einen Intensivkurs.
Aber es gibt auch ein paar Tracks, und das ist sehr beruhigend, die nach den alten Alben klingen. Das “Schlaflied” hätte auch auf “Abändern” erscheinen können, “Zahlen zusammen gehen getrennt” erinnert an die Zeiten, aus denen “Das mit dem Auto ist egal, Hauptsache dir ist nichts passiert” stammt.
Wir halten fest: Alles neu macht der September. “Nackte Angst zieh dich an, wir gehen aus” ist trotz aller Neuerungen, oder gerade deswegen, eine absolut runde Sache, ein Album das dringend nötig war, um das musikalische Jahr zu komplettieren.
Jens Friebe
Nackte Angst zieh dich an, wir gehen aus
Vö: 18.09.2014, Staatsakt
Tracklist:
01 Hölle oder Hölle
02 Nackte Angst zieh dich an wir gehen aus
03 (I am not born for) plot driven porn
04 Dein Programm
05 Schlaflied
06 Sei einfach nicht du selbst
07 Warum zählen die rückwärts Mammi
08 What will death be like
09 Ich wusste zu viel von euch
10 Guess which celebrity partied too hard on their 18th (or not)
11 Zahlen zusammen gehen getrennt
Aktuelle Tourdaten:
07.10.2014 Hannover, LUX
08.10.2014 Köln, Studio 672
09.10.2014 Weinheim, Café Central
10.10.2014 München, Milla
12.10.2014 Regensburg, Alte Mälzerei
13.10.2014 Wien, Stadtsaal
14.10.2014 Dresden, Ostpol
16.10.2014 Berlin, Bi Nuu
Fotos & Musikvideo: Mikko Gästel