Extremgebärden in Graz
Vor unvordenklichen Zeiten war das Forum Stadtpark zu Graz einmal ein Ort für progressive Literatur. Aber die Grazer, die „auszogen, die Literatur zu erobern“, taten das bereits in den siebziger Jahren nicht mehr mit formalen Experimenten, sondern mit einer zunehmend angepaßten und marktkonformen „postexperimentellen“ Literatur, die Graz zeitweise immerhin den Nimbus der „heimlichen Literaturhauptstadt“ einbrachte. Reinhard Priessnitz und Mechthild Rausch haben in ihrem Aufsatz „tribut an die tradition“ dazu bereits 1975 alles Nötige gesagt. Daß sich nach Jahrzehnten der Stagnation im Forum literarisch wieder etwas regt, ist Max Höfler zu danken, der sich dort für die avancierte Literatur ins Zeug legt. Der Autor des „rabiatkomödienromans“ texas als texttitel tritt mit seinem Buch zudem den erfreulichen Beweis an, daß die spielerischen Experimente der Neoavantgarde in den fünfziger und sechziger Jahren unter den jüngeren österreichischen Autoren doch nicht ganz ohne Echo bleiben.
Das kommende Wochenende, an dem ich das Vergnügen haben werde, zusammen mit u.a. Ann Cotten, Bert Papenfuß und Ulf Stolterfoht im Forum Stadtpark aufzutreten und aus meinem Ruhrtext zu lesen, kündigt Max Höfler wie folgt an: „Die Leistungsschau der von vielen als experimentell und / oder avanciert genannten LITERATUR wird das Sommerloch nachhaltigst mittels internationaler Satzzeichen, Ober-Dada-Halligalli, Berliner Revoltenschnauzen und Extremgebärden gestopft oder eventuell in einem extra angefertigten Sommerlochloch vergraben haben!“ Das läßt doch hoffen! Und außerdem sollen die beiden Veranstaltungen am 2. und am 3. September erstmals im Livestream zu verfolgen sein – für alle Skeptischen, die vor einer Reise nach Graz zurückschrecken und noch nicht so recht glauben wollen, daß sich am Forum wieder etwas tut.