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no. 23: bewußtseinserweiterungen -> psychedelonautik
 

Psychedelonautik

Die Alice im Wunderland-Route zur Erforschung menschlichen Bewußtseins

von Sebastian Schulz

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* diskussion

Die allgemeine philosophische, psychologische und kognitionswissenschaftliche Bewußtseinsforschung interessiert sich eher peripher für das Phänomen der Bewußteinserweiterung im Zusammenhang mit psychoaktiven Substanzen oder anderen bewußtseinserweiternden Techniken. Dabei hätte gerade ein solcher Zugang das Potential, mit einer gemeinsamen interdisziplinären Fokussierung ein Königsweg für die Erforschung des menschlichen Bewußtseins schlechthin zu werden.

 

Als 'Psychonauten' bezeichnet man heute eine sehr heterogene Gruppe von Bewußtseins-reisenden, die mit dem Einsatz von psychoaktiven Substanzen, oft auch im Selbstversuch, ganz verschiedene Aspekte von Bewußtseinserweiterungen untersuchen und darüber publizieren -- wissenschaftlich oder auch ganz unsystematisch in persönlichen Erfahrungsberichten. Die Szene der Psychonauten schillert selbst wie ein halluzinogener Trip; vom esoterisch erleuchteten Wirrkopf auf Selbsterfahrungstrip bis hin zum hochkarätigen Kognitionswissenschaftler, der im streng kontrollierten Feldversuch spezifische Wirkungsweisen von Psylozybin untersucht, findet sich eine gewaltige Bandbreite an Charakteren aus den verschiedensten kulturellen Bereichen und wissenschaftlichen Disziplinen (siehe die perspektive "Weltraumhafen Basel" in dieser Ausgabe). Außer dem Interesse am Thema bzw. an der Praxis der Bewußtseinserweiterung sind Gemeinsamkeiten schwer zu fassen. Schließlich gibt es auch große Unterschiede in den Wirkungsweisen der jeweils präferierten psychedelischen Drogen und anderer bewußtseinserweiternder Praktiken, so daß die kommunikative Vernetzung dieser "Szene" nicht gerade so ist, daß man von einer geschlossenen Gemeinschaft sprechen könnte. Die als Psychonauten klassifizierten Protagonisten arbeiten an pharmakologischen Untersuchungen zur therapeutischen Verwendung von psychoaktiven Substanzen wie LSD (Lysergsäurediethylamid) oder dem Amphetamin MDMA (Ecstasy); andere erkunden die Bedeutung solcher Substanzen für künstlerische Prozesse oder auch für kulturelle und gesellschaftliche Bewegungen wie die Gegenkultur der 1960er Jahre, während wiederum Chemiker wie Alexander und Ann Shulgin neue bewußtseinsveränderndernde Substanzen synthetisieren, diese im Selbstversuch testen und deren Wirkungsweise auch aus der subjektiven Perspektive beschreiben. Der Drogenexperte und Musikforscher Hans Cousto analysiert die Verwendung jeweils verschiedener psychoaktiven Substanzen in verschiedenen Musikrichtungen der Techno- und Partykultur, während Psychiater wie Charles Grob die Chancen und Risiken einer psychedelischen Psychotherapie mit psychoaktiven Drogen erkunden. Andere Psychonauten untersuchen verschiedene Aspekte schamanischer Rituale im Zusammenhang mit oft verwendeten psychoaktiven Substanzen oder anderen Techniken der Bewußtseinsveränderung, zum Beispiel zur Erzeugung von Trancezuständen, während andererseits Künstler die Erfahrung der Bewußtseinserweiterung dazu benutzen, um neue Wege in ihrer Ausdrucksform zu finden. Psychonautische Schriftsteller wie Jack Kerouac (On the Road) oder William Burroughs (Junkie) geben radikale und authentische Berichte von ihren sehr subjektiven und persönlichen Erfahrungen mit psychoaktiven Substanzen wie Heroin oder Cannabis wieder.

Der Begriff der 'Psychonautik' ist noch relativ jung. In Wikipedia wird er wie folgt beschrieben:

"Die Psychonautik ist das Erforschen der eigenen Psyche und des Unterbewusstseins, meist mit Hilfe von bewusstseinserweiternden Techniken (wie Meditation oder Drogen). Der Begriff Psychonautik scheint in den späten 1970er oder frühen 1980er Jahren von den Medien popularisiert worden zu sein, wurde aber schnell von Teilen der alternativen und esoterischen Subkultur aufgegriffen, [...] Der Begriff geht ursprünglich offenbar auf den Schriftsteller Ernst Jünger ('Annäherungen', 1970) zurück.
Bekannte Psychonauten sind zum Beispiel John C. Lilly, Albert Hofmann und Timothy Leary. Lange vor den Hippies beschäftigte sich in den 1920er Jahren Kurt Beringer mit Drogen und Bewusstseinserweiterung; er wurde von Werner Pieper als ein Pionier der Psychonautik bezeichnet."

Was die Etymologie des zusammengesetzten Begriffs 'Psychonautik' angeht, so steht das enthaltene griechische psyché für 'Hauch, Atem, Seele' und nautiké für 'Schiffahrtskunde' (naus als Schiff). Die Metapher hinter dem Neologismus ist also eine Schiffahrt -- oder vielleicht mit moderner Deutung besser ein 'astro'-nautischer Flug -- durch die eigene Psyche mit anschließender Kartographierung des neu erschlossenen Raums.

Während diese Metapher prinzipiell recht offen ist, weist die begriffliche Definition in Wikipedia auf eine bereits spezialisierte Forschungsausrichtung innerhalb der Psychonautik hin, die vermutlich vor allem durch den Fokus des Autors des Artikels auf LSD bedingt ist, der potentesten aller psychoaktiven Drogen, deren Wirkungsweise seit deren Entdeckung im Jahr 1943 durch den Schweizer Chemiker Albert Hofmann zum Paradigma für psychedelische Bewußtseinserweiterung avanciert ist. Unter dem Einfluß von LSD werden Personen mehr oder stark mit ihnen vorher unbewußten Wünschen, Ängsten oder Träumen konfrontiert. Diese Eigenschaft ermöglichte unter anderem den Einsatz der Substanz für die sogenannte psycholytische Therapie, bei der Psychiater ihren Patienten vor den Gesprächen kleine Dosen von LSD verabreichten. Einer der prominentesten Patienten, der sich bereits in den fünfziger Jahren dieser Therapie unterzog, war der Hollywood Star Cary Grant, der sich in seiner Autobiographie an den 72. LSD-Trip unter Aufsicht seines Psychiaters erinnert:

"Die Wirkung (von LSD 25) bringt das Unterbewußte hervor, welches Ihnen damit zugänglich wird. So können Sie sehen, was sich in der Tiefe Ihres Geistes ereignet -- und was dort passiert, meine Damen und Herren, würden Sie kaum glauben -- und Sie lernen, welche Mißverständnisse, Schuldgefühle und Ängste zusammen mit den resultierenden Repressionen, Hemmungen und Unsicherheiten das Verhaltensmuster ihres früheren Verhaltens bildeten." [Übers. S.S.]

Richtete man sich also nach LSD als Paradigma und nach dessen offensichtlichem Potential, unterbewußte mentale Inhalte zugänglich zu machen, dann wäre die Psychonautik vor allem darauf gerichtet, solche noch nicht erschlossenen Inhalte ins Visier zu nehmen und zu beschreiben -- aus persönlicher wie auch aus wissenschaftlicher Perspektive. Wenn man aber die Praxis bereits bestehender psychonautischer Forschung etwas genauer betrachtet, stellt man fest, daß diese weit darüber hinausgeht, sich mit der Neuentdeckung von Inhalten unseres Unterbewußsteins zu beschäftigen. Die psychonautische Forschung ist ganz abgesehen von der Diversität in der Qualität und Methodik auch in der Zielrichtung recht offen. Ein so genannter 'Psychonaut' kann versuchen, ein unterbewußtes Trauma aufzudecken, sich selbst auf eine positive Weise neu zu entdecken, sein Sexualleben zu verändern, oder vielleicht auch die gesellschaftlich-historisch Relevanz von bewußtseinserweiternden Drogen für die Weltgeschichte oder auch nur für die zeitgenössische Musik oder die Kunst zu untersuchen. Abgesehen von der gemeinsamen Thematik und eventuell dem Einsatz bewußtseinserweiternder Drogen und Techniken haben Psychonauten verschiedenste Interessen und Vorstellungen davon, wohin genau ihre psychonautische Reise sie führen soll.

Erstaunlicherweise aber hat sich bis heute der Mainstream von Bewußtseinsforschern so gut wie nicht mit psychonautischen Forschungsansätzen beschäftigt. Die Vorurteile und Berührungsängste 'Psychonauten' gegenüber sind aus verständlichen Gründen groß. Abschreckend ist nicht nur ein großer Korpus an pseudowissenschaftlicher und schwer durchdringbarer esoterischer Literatur. Eine weltweite repressive Gesetzgebung in bezug auf die Forschung mit psychoaktiven Drogen und eine immer noch prävalente moralische Voreingenommenheit führt bei vielen Bewußtseinforschern zu einer weitgehenden Ignoranz psychonautischer Untersuchungen.

Inwiefern könnte ein psychonautische Ansatz überhaupt von Interesse für die allgemeine Bewußtseinsforschung sein? Schließlich wird hier ja nicht 'normales' Bewußtsein beschrieben und erforscht, sondern nur einige besondere, veränderte Bewußtseinszustände. Wie also soll die Untersuchung von psychedelischer Wahrnehmung Aufschlüsse über die Struktur menschlichen Bewußtseins generell liefern? Erste Hinweise liefert eine bereits vorhandene Forschungsströmung innerhalb der allgemeinen Bewußtseinsforschung, die sich mit kognitiven Ausfällen auseinandersetzt.

 

Kognitive Katastrophen- Bewußtseinsforschung

In der interdisziplinären Bewußtseinsforschung wurde in den letzten Jahrzehnten oft auf einen Wissenkorpus aus einer -- soweit mir bekannt -- noch als solchen unbenannten wissenschaftlichen Tradition zurückgegriffen, die man als 'Kognitive Katastrophen- Bewußtseinsforschung' bezeichnen könnte. Leitfiguren in dieser Tradition sind der russische Neuropsychologe Alexander R. Lurija (einer der Mitbegründer der Neuropsychologie), der amerikanische Neurologe Oliver Sacks, der amerikanische Psychologe Lawrence Weiskrantz sowie der in den USA lehrende portugiesische Neurowissenschaftler Antonio Damasio. Diese Wissenschaftler haben gezeigt, wie man durch präzise Analysen von Patientengeschichten mit speziellen und oft sehr ungewöhnlichen kognitiven Krankheits- bzw. Verletzungssyndromen besondere Erkenntnisse gewinnen kann -- nicht nur über die Art und Behandlung der kognitiven Störungen selbst, sondern auch ganz generell über die allgemeinen Strukturen menschlicher Kognition und über die verborgene innere Struktur menschlichen Bewußtseins.

Durch seinen millionenfach verkauften Bestseller Descartes' Error leitete Antonio Damasio 1994 mit einem solchen Ansatz einen Paradigmenwechsel in der Psychologie und Philosophie in bezug auf die Natur menschlicher Emotionen und deren Relation zu rationalem Handeln ein. Damasio beschreibt dort den historischen Fall eines Eisenbahnarbeiters, der bei einer selbstausgelösten Explosion eine starke Gehirnverletzung erlitt und in den Monaten nach diesem Unfall in gewisser Weise emotional 'verflachte' und ethische Konventionen mißachtete. Obwohl bei diesem Patienten viele Intelligenzleistungen offensichtlich völlig intakt blieben, zeigte sich bei genauerer Untersuchung dieses Falls -- sowie auch bei vergleichbaren Fällen von Patienten mit Gehirntumoren, welche dasselbe Gehirnareal betrafen -- daß dieser nicht mehr imstande war, in komplizierten sozialen Kontexten bestimmte rationale Entscheidungen zu treffen. Auf der Basis dieser Beobachtung argumentiert Damasio dann im Detail, daß unsere Emotionen generell eben nicht, wie bis dahin allgemein angenommen, 'Störenfriede' für rationales Denken sind ('Entscheiden mit kühlem Kopf'), sondern für uns alle eine unabdingbare Basis für rationales Entscheiden in den meisten Handlungskontexten darstellen. Damasio nutzte also die Fallgeschichte des Arbeiters dazu, um eine allgemeine Aussage über die Struktur gesunden Bewußtseins zu machen und speziell den Zusammenhang von Emotionen und rationalem Entscheiden zu beleuchten.

Die Kognitive Katastrophen-Bewußtseinsforschung zeichnet sich also dadurch aus, daß sie nicht nur wichtige Erkenntnisse über kognitiv-defizitäre Phänomene und deren Therapierbarkeit hervorbringt, sondern auch darüber hinaus Einsichten zur Struktur von Kognition und Bewußtsein generell liefern kann. Kennzeichnend für diesen Forschungsstrang ist dabei auch, daß der Erkenntnisprozeß stark interdisziplinär bedingt ist. Beteiligt an den Forschungen und Debatten sind Neurowissenschaftler, Biologen sowie Evolutionswissenschaftler, aber auch Psychiater, Wissenschaftshistoriker, Neuropsychologen, Linguisten, Kognitionswissenschaftler und Philosophen -- um nur einige Gruppen zu nennen.

 

Psychedelonautik

Angesichts dieser Erfahrungen liegt es nahe, daß psychoaktive Substanzen und andere bewußtseinserweiternde Praktiken mit ihren vielfältigen Wirkungsweisen auf menschliche Kognition und Bewußtsein in einer ähnlichen Weise wie verletzungs- oder krankheitsbedingte kognitive 'Katastrophen' bzw. Defizite dazu dienen können, Einsichten nicht nur in die Natur von erweiterten oder veränderten Bewußtseinszuständen sondern auch über die Struktur von Bewußtsein und Kognition generell hervorzubringen. Wie im Fall der kognitiven Katastrophen-Forschung könnte die psychonautische Forschung vor allem durch eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von Wissenschaftlern profitieren, die auf der Basis von bewußtseinserweiternden Substanzen bzw. Techniken wie der Meditation Grundlagenforschung zum Thema Bewußtsein betreiben. Da der Begriff der Psychonautik weiter gefaßt ist als diese Praxis und vor allem auch subjektive und ganz unwissenschaftlichen Trip-Berichte von Drogenkonsumenten mit einbezieht, schlage ich für die professionalisierte interdisziplinäre psychonautische Erforschung von Bewußtsein unter Hinzunahme der Neurowissenschaften stattdessen den Begriff der 'Psychedelonautik' vor. Wie 'Psychonautik' ist der Begriff 'Psychedelonautik' ein Neologismus, diesmal aus psycho (griechisch: Atem, Hauch, Seele) und delos (griechisch: offenbar) und nautik. 'Psychedelisch' steht also dafür, daß sich die "Seele" bzw. das Bewußtsein selbst "offenbart". Diese Wortverbindung ermöglicht es, den Begriff 'Psychedelonaut' für Forscher aus verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen verwenden zu können, welche gemeinsam das Phänomen der Bewußtseinserweiterung mit dem Interesse untersuchen, generelles Wissen über die Struktur von Bewußtsein zu erlangen.

Die psychedelonautische Forschung mit Hilfe psychoaktiver Drogen oder bestimmter Techniken hat dabei gegenüber der Kognitiven Katastrophen-Bewußtseinsforschung einige Vorteile. Zwar sind beide Forschungsansätze mit ethischen Problemen bei Experimenten mit menschlichen Subjekten konfrontiert. Allerdings können Psychonauten im Selbstversuch auch die subjektive Seite der Bewußtseinsveränderungen erleben und erhalten damit unschätzbare erstpersonale phänomenale Informationen, die weit über das hinausgehen, was die 'externe' wissenschaftliche Betrachtung von Patienten mit kognitive Defiziten leisten kann. Kognitive Katastrophen-Forschung hat ihren Ausgangspunkt in medizinischen Fallstudien und in konkreten therapeutischen Zweckzusammenhängen. Auch hier unterscheidet sich die psychedelonautische Forschung in gewissem Maß. So ist doch bei bewußtseinsverändernden und -erweiternden Drogen nicht immer unbedingt eine kognitiv defizitäre Wirkung gegeben. Es scheint im Gegenteil sogar häufig der Fall zu sein, daß unter dem Einfluß psychedelischer Drogen verschiedene kognitive Funktionen verbessert werden, wie zum Beispiel die Fähigkeit zur besseren Visualisierung vorgestellter Objekte unter dem Einfluß von LSD. Andere Funktionen wiederum werden verändert, ohne daß man prima facie eindeutig sagen kann, ob die Veränderung eine Einschränkung oder eine Verbesserung darstellt, wie z.B. die Veränderung unserer Aufmerksamkeitsmuster unter Drogen wie Mescalin, Psylocybin, LSD oder auch Cannabis. Ein weiterer Unterschied liegt in einer oft 'einfacheren' Ausgangslage der Psychedelonautik gegenüber der Kognitven Katastrophen-Forschung auf der neurologischen Ebene. Während letztere oft von komplexen Krankheitsmustern bzw. Verletzungen im Gehirn ausgeht, deren physiologische Basis nicht immer ganz klar ist, kann man in der Psychedelonautik meist (wenn auch nicht immer) von den pharmakologisch-psychoaktiven Eigenschaften einer bekannten Substanz ausgehen, deren Wirkungsweise auf das Gehirn systematisch untersucht werden kann.

Generell aber bleibt die Grundparallele zwischen der Kognitiven Katastrophen- Bewußtseinsforschung und der Psychedelonautik diese: bei beiden beobachten wir ungewöhnliche Veränderungen verschiedener zusammenhängender psychologischer Prozesse im Bewußtsein und können daraufhin Rückschlüsse auf eine kognitive 'Architektur' machen, die nicht nur die Veränderung betrifft, sondern das kognitive 'Gebäude' selbst. Bildlich gesprochen könnte man prinzipiell das Bewußtsein mit einem uns noch fremden Hochhaus vergleichen, dessen innere Struktur und Bauart uns nicht oder nur zum Teil bekannt ist. Wenn wir nun sehen, was mit diesem Gebäude passiert, wenn zum Beispiel mit einer Abrißbirne ein Loch in die äußere Fassade geschlagen wird, können wir nicht nur den Schaden selbst untersuchen, sondern auch Rückschlüsse auf die komplexe innere Struktur des Gebäudes ziehen. Aus bestimmten Leitungen tritt Wasser aus, aus den geöffneten Fenstern des ganzen Stockwerkes wirbelt Staub, in zwei Stockwerken erlöschen die Lichter; Sirenen ertönen. Wir können dann darauf schließen, wie in dem Gebäude Leitungen verlegt sind, daß es eine Lüftungsverbindung zwischen bestimmten Zimmern gibt und daß in diesem Gebäude eventuell Bewegungsmelder mit einem bestimmten Mechanismus installiert sind.

Der Vergleich von Kognitiver Katastrophen-Bewußtseinsforschung mit Katastrophen-Gebäudeforschung 'hinkt' an zumindest zwei Stellen. Erstens ist die innere Funktionalität und Architektur selbst eines modernen Hochhauses bei aller Komplexität nicht zu vergleichen mit der weitaus höheren Komplexität menschlichen Bewußtseins; das macht aber die Metapher nicht weniger nützlich. Ein zweiter Punkt aber sollte beachtet werden: Im Gegensatz zu dem fremden Hochhaus, von dem wir angenommen haben, daß wir es nicht betreten können, haben wir doch einen besonderen und sehr 'intimen' Zugang zu unserem eigenen Bewußtsein. In der Philosophie spricht man hier von privileged access, dem privilegierten Zugang eines Individuums zu seinem eigenen Bewußtsein. Spätestens aber seit der Freud'schen Theorie über die Relevanz unterbewußter psychologische Prozesse ist klar geworden, daß es viele Prozesse auch in unserem Bewußtsein gibt, die wir nicht einfach durch Introspektion oder Reflexion subjektiv direkt einsehen können. Unser Bewußtsein mag uns in einer anderen, privilegierteren Weise zugänglich sein als andere Dinge, welche wir extern wahrnehmen. Das heißt aber nicht, daß wir deshalb alles über die Funktionsweise unseres Bewußtseins wüßten bzw. wir uns nicht über bestimmte Vorgänge täuschen könnten. Bezogen auf unsere Hochhausmetapher würde diese Einsicht bedeuten, daß wir nicht nur von außen auf das Gebäude sehen können, sondern vielleicht auch in einer besonderen Beobachtungsposition sein und einen speziellen privilegierten Zugang von innen auf das Gebäude haben können; trotzdem kennen wir nicht alle Zusammenhänge und Details der inneren Funktionalität und Architektur.

 

Psychedelonautische Forschung mit Cannabis

Anhand meiner eigenen Forschung mit den psychedelischen Effekten von Cannabis möchte ich das Potential einer psychedelonautischen Vorgehensweise beispielhaft illustrieren. Im Zusammenhang mit Cannabis zeigt sich dabei ein weiterer Vorteil der Psychedelonautik gegenüber der Kognitiven Katastrophen-Bewußtseinsforschung. Bereits in den 1960er Jahren fanden Chemiker heraus, daß eine chemische Verbindung hauptursächlich für die Psychoaktivität von Marihuana bzw. Cannabis ist: das Delta-9-Tetrahydrocannabinol (THC). Zu Beginn der 1990er Jahre fand man im menschlichen Gehirn Rezeptoren für Cannabinoide, d.h. chemische Verbindungen, die speziell dazu da sind, auf Cannabinoide zu reagieren; und diese Stoffe fanden sich auch in Gehirnen von Personen, welche nie mit Cannabispflanzen in Berührung gekommen waren. Da man nicht gerade davon ausgehen wollte, daß das menschliche Gehirn vorausschauend Cannabinoid-Rezeptoren produziert, um in irgendeiner Weise auf eventuell konsumiertes Cannabis zu reagieren, nahm man im Folgenden an, daß es -- ähnlich wie bei den körpereigenen Endomorphinen -- auch 'Endocannabinoide' geben müsse, welche das Gehirn selbst produziert, um gewisse neuronale bzw. kognitive Mechanismen zu steuern. Tatsächlich fand man solche 'Endocannabinoide' (sie wurden 'Anandamide' genannt, nach dem Wort ananda, welches in Sanskrit für 'Glück', 'Wonne' bzw. 'Seligkeit' steht.) Tatsächlich zeigte sich dann auch, daß diese Anandamide pharmakologisch ähnliche Wirkungen wie THC aufzeigen. Inzwischen hat man auch nachweisen können, daß Anandamide eine Rolle in der Steuerung unseres Arbeitsgedächtnisses haben. Weitere Studien in bezug auf deren Rolle unter anderem für unseren Schlaf, Appetit, und auf Schmerzen sind im Gang.

Die Entdeckung von Endocannabinoiden ist von zentraler Relevanz für die psychedelonautische Forschung im Zusammenhang mit Cannabis. Wenn es im Gehirn bereits neuronale Mechanismen gibt, welche prinzipiell Cannabinoide benutzen, um ganz verschiedene höhere kognitive Mechanismen auszuführen oder zu beeinflussen, so macht dies die Untersuchung von psychedelischen Effekten von Cannabis umso interessanter im Hinblick auf Erkenntnisse über die kognitive Architektur unseres Bewußtseins. Man kann dann davon ausgehen, daß die beobachteten psychedelischen Wirkungen des zusätzlichen Cannabiskonsums direkt auf bestimmte systematische Rollen hinweisen, welche Endocannabinoide in vielfältigen kognitiven Prozessen, wie zum Beispiel der Beeinflussung unseres Arbeitsgedächtnisses oder dem Schlaf, spielen.

Wenn wir hier wieder die Metapher mit dem Hochhaus aufnehmen, so könnte man sagen, es ist leichter, aus der Veränderung bestimmter Einflüsse auf das Gebäude zu lernen, wenn diese einen bereits teilweise bekannten inneren funktionalen Mechanismus des Gebäudes betreffen. Nehmen wir zum Beispiel an, daß eine bestimmte Schwankung der Stromspannung das Gebäude trifft, ausgelöst von einer Störung in einem Kraftwerk. Die Lichter beginnen zu flackern, Aufzüge fahren langsamer, die Klimaanlage fällt aus, Türklingeln funktionieren aber weiter. Ich weiß, daß das Gebäude Strom systematisch benutzt, um bestimme Prozesse zu steuern, weiß aber noch nicht genau, auf welch vielfältige Weise das Gebäude Strom nutzt. Nach der Störung allerdings kann ich mein bereits vorhandenes Wissen über die Teilmechanismen bestimmter stromabhängiger Prozesse im Gebäude ergänzen und ein besseres Bild über die gesamte Funktionalität im Zusammenhang mit Elektrizität bekommen.

 

Cannabis und Empathie

Die Literatur über Cannabis, die inzwischen ca. 5000 Jahre zurückreicht, hat bereits eine ganze Reihe von psychoaktiven Wirkungen von Cannabis aufgezeigt. Unter den Wirkungen befinden sich unter anderem die Verschlechterung unseres Arbeitgedächtnisses ("Oh, jetzt habe ich den Faden verloren..."), die Verbesserung des episodischen autobiographischen Gedächtnisses, eine Veränderung der Zeitwahrnehmung sowie Pseudo-Halluzinationen (im Gegensatz zur Halluzination ist sich das Subjekt bei einer Pseudo-Halluzination bewußt, daß die Erlebnisse nicht real sind). Weitere oft beobachtete Wirkungsweisen von Cannabis sind die Synästhesie (die Kopplung sonst getrennter Arten der Sinneswahrnehmung wie zum Beispiel das korrespondierende Sehen von Farben beim Hören eines Gitarrensolos), die erhöhte Fähigkeit zu kreativem Denken, die Intensivierung der Gestaltwahrnehmung (wie zum Beispiel in Wolken Gesichter zu erkennen), die Veränderung unseres Aufmerksamkeitsschemas bis hin zu einer veränderten propriosthetischen Wahrnehmung (die Wahrnehmung des eigenen Körpers), aber auch Angstzustände und 'Selbstauflösung' -- um nur einige in der Literatur beschriebenen Effekte zu nennen.

Mit Hilfe dieser Beschreibungen sowie des neuropharmakologischen und toxikologischen Wissens über Cannabis, welches wir inzwischen haben, lassen sich gewisse Hypothesen über Zusammenhänge zwischen bestimmten höheren kognitiven Funktionen des menschlichen Bewußtseins an sich machen. Nehmen wir zum Beispiel die normale menschliche Fähigkeit zur Empathie, welche als zentral wichtig angesehen wird in bezug auf unser Verstehen von anderen Menschen durch subjektives Nachempfinden bzw. durch eine Art von geistiger 'Simulation' anderer Menschen. Es ist immer wieder von Konsumenten von Cannabis beobachtet worden, daß ihre Fähigkeit zur Empathie unter dem Einfluß von Marihuana verbessert wird (siehe zum Beispiel die eminent wichtige Studie von Charles T. Tart On Being Stoned: A Psychological Study of Marijuana Intoxication, 1971). (Die Verbesserung empathischen Verständnisses wird übrigens auch im Zusammenhang mit anderen psychoaktiven Substanzen berichtet, allen voran MDMA (Ecstasy), eine Droge, die ursprünglich einmal von einem wichtigen Händler in den 1970er Jahren nach ihrer bedeutendsten Wirkung "Empathy" genannt wurde und sich schwer verkaufen ließ -- woraufhin er den Namen in "Ecstasy" änderte.)

Wenn man sich nun den Katalog von psychoaktiven Wirkungen von Cannabis ansieht und davon ausgeht, daß sich höher kognitive Prozesse wie 'empathisches Verstehen' auf einem Komplex 'niedriger' kognitiver Wirkungsweisen aufbaut, dann kann man anhand der bestehenden Literatur über Wirkungen von Cannabis bereits einige Hypothesen über wichtige kognitive Faktoren von funktionierendem empathischem Verständnis an sich aufstellen.

Im Zusammenhang von Empathie sollen drei weitere bekannte zeitweise Wirkungsweisen von Cannabis benannt werden, welche möglicherweise die Grundlage für die Verbesserung des empathischen Verstehens bilden könnten: die Verbesserung des episodischen Langzeitgedächtnisses, eine spezifische Veränderung der Aufmerksamkeit sowie eine Verstärkung unserer Musterwahrnehmung.

Konsumenten von Cannabis berichten oft von einer Verbesserung ihres episodischen Langzeitgedächtnisses. Im Gegensatz zum faktischen Gedächtnis, welches, wie der Name schon sagt, rein für die Speicherung von bestimmten Fakten zuständig ist ("Zapata war ein Revolutionär in Mexiko"), betrifft das episodische Gedächtnis bestimmte, konkrete erlebte raumzeitliche Ereignisse ("die Schokoladentorte an meinem zehnten Geburtstag hat unglaublich süß geschmeckt").

Unter dem Einfluß von Cannabis erinnern sich Konsumenten oft leichter an vergangene Ereignisse, an mehr Details und auch an Situationen, die sonst oft für lange Zeit ganz vergessen waren. Wichtig dabei ist auch, daß diese Situationen oft stärker als normal aus der subjektiven Perspektive nacherlebt werden. Die Erinnerung nimmt dann nicht nur auf die damalige Situation Bezug, sondern bezieht auch die damalige komplexe subjektive Befindlichkeit des erinnernden Subjekts mit ein. Man erinnert sich also nicht nur zum Beispiel an die externe Situation eines besonders schönen Vollmondes von vor zwei Jahren in den Bergen, sondern auch daran, was man beim Betrachten damals empfunden hat. So kann ein Konsument unter Cannabis leichter subjektive Situationen nachempfinden, die eine gewisse Ähnlichkeit mit der momentanen mentalen Befindlichkeit desjenigen haben, den er gerade verstehen möchte. Nehmen wir an, jemand hat sich gerade verliebt und erzählt uns, wie sehr er Probleme hat, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. Es ist selbstverständlich leicht nachzuvollziehen, daß es unser Verstehen verbessert, wenn wir uns besser an viele ähnliche subjektive Situationen in unserem Leben mit einer gewissen Intensität zu erinnern vermögen.

Die spezifische Veränderung unserer Aufmerksamkeit weg von den oft pragmatischen Zusammenhängen des Alltags hin zu eigenen psychischen Vorgängen und Erinnerungen sowie die oft vorkommende ungewöhnlich intensive und lange Fixierung der Aufmerksamkeit auf bestimmte Aspekte unter Cannabis wird ebenfalls in der Literatur beschrieben und spielt vermutlich auch eine wichtige Rolle für die gesteigerte Fähigkeit zur Empathie. Erst diese veränderte Aufmerksamkeit bedingt eine tiefere und intensivere Wahrnehmung der Verhaltensweisen anderer Menschen auf der Basis eigener Erinnerungen an autobiographische Episoden.

Dies leitet zum dritten wichtigen Aspekt zur Erklärung des verbesserten empathischen Verstehens über, nämlich der Musterwahrnehmung, d.h. unsere Fähigkeit, bestimmte Muster in Situationen oder Prozessen in unserer Umwelt zu erkennen. Empathisches Verständnis setzt diese in hohem Maße voraus. Ein Verhalten zum Beispiel selbst bei einem mir gut bekannten Freund als 'Angst vor einer bevorstehenden Prüfung' zu erkennen, setzt in hohem Maße voraus, daß ich spezifische Verhaltensmuster wahrnehmen und mit meinen eigenen Erinnerungen an mich selbst (oder andere Personen in ähnlicher Situation), an diesen Freund und seine ganz eigene Art und auch an andere Menschen in ähnlichen Situationen abgleichen kann. Auch hier wurde immer wieder in der Literatur darauf hingewiesen, daß die Wirkung von Cannabis die Musterwahrnehmung verändert und in vielen Fällen verstärkt.

Kurz gesagt könnte man die verbesserte Empathie unter Cannabis als Resultat einer Kombination bestimmter psychoaktiver Veränderungen wie zum Beispiel der Verbesserung der Fähigkeit zur episodischen Langzeiterinnerung, der oben beschriebenen spezifischen Veränderung der Aufmerksamkeit und der Verbesserung von Gestaltwahrnehmung erklären. Die Hypothese ist hier zwar noch sehr grob skizziert und läßt eine ganze Kette vieler wichtiger Details aus. Wichtig ist aber, daß die Denkrichtung deutlich wird: Eine solche Theoriebildung würde uns nicht nur einen Ansatz zur Erklärung von veränderter bzw. verbesserter Empathie unter dem Einfluß von Cannabis liefern, sondern könnte die kognitive Natur von Empathie und deren Rolle im Verstehen anderer Menschen ganz allgemein erhellen. Dabei müßte man von mehreren Seiten interdisziplinär arbeiten, um solche Theorien zu bestätigen und weiter zu verfeinern. Auf der physiologischen Ebene lassen sich bereits erste Aussagen darüber machen, welche Rolle Cannabinoide in kognitiven Systemeinheiten wie dem Kurzzeitgedächtnis, der Steuerung von Schlaf und der Beeinflussung von Schmerz spielen. Hier ist noch ein großer Fortschritt in der Cannabis-Forschung zu erwarten. Wenn wir unsere Theorie in Bezug auf 'Empathie' weiter ausbauen bzw. bestätigen wollten, müßten wir aber vor allem auf der höheren Abstraktionsebene zum Beispiel im Bereich der Psychologie auf wissenschaftlich überarbeitete Daten im Zusammenhang mit Drogenerfahrungen zurückgreifen. Charles Tart (1971) verschickte für seine Studie On Being Stoned hunderte von Fragebögen mit Fragen nach den erlebten Wirkungsweisen von Marihuana an Studenten und wertete diese anschließend statistisch aus. Mit Hilfe eines Abgleichs von resultierenden Effektkatalogen und psychedelonautischen Beschreibungen von Erfahrungen mit anderen psychoaktiven Substanzen ließe sich weiter bestätigen, ob ein bestimmtes Zusammenwirken kognitiver Prozesse an komplexen 'höheren' kognitiven Prozessen wie der Empathie in einer bestimmten Weise beteiligt sind.

Die menschliche Fähigkeit zur Empathie und deren generelle Rolle im Prozeß des Verstehens sind in den letzten Jahrzehnten wieder in den Fokus der Bewußtseinsphilosophie, der Psychologie und der Kognitionswissenschaften geraten. Ein psychedelonautischer Ansatz würde einen ganz anderen theoretischen Zugang eröffnen, der im Zusammenhang mit anderen Forschungsansätzen zu ganz neuen Einsichten führen könnte

 

Mit Alice ins Wunderland des menschlichen Bewußtseins

Jahrhundertelang galt in der westlichen Philosophie nach René Descartes das erkenntnistheoretische Paradigma, daß wir uns in bezug auf unser eigenes Bewußtsein nicht täuschen können. Während man sich über die Außenwelt täuschen könne, sei das eigene Bewußtsein durch unsere Introspektion direkt unfehlbar wahrnehmbar und damit in gewisser Weise 'transparent'. Spätestens seit Freud wurde aber deutlich, daß diese Einstellung unhaltbar ist. Wir können uns über unsere eigenen psychischen Zustände täuschen -- und wir tun dies öfter, als wir denken. Ein damit verbundener weiterer Paradigmenwechsel in der Erforschung des menschlichen Geistes war die Erfolgsgeschichte der sogenannten 'materialistischen' Wissenschaften im 20. Jahrhundert. Für viele Philosophen und teilweise auch für Psychologen und Psychoanalytiker in diesem Jahrhundert war es kaum zu ertragen, wie die Erklärung geistiger Zustände an sich in zunehmendem Maße von den 'materialistischen' Wissenschaften wie zum Beispiel der Neurowissenschaft und der Evolutionsbiologie geleistet wurde. Auf einmal mußte das wissenschaftliche Hoheitsgebiet über die Domäne des Geistes von Geisteswissenschaftlern mit Naturwissenschaftlern geteilt werden.

Der Vorschlag, mit einer interdisziplinären Forschungsinitiative mit dem Fokus auf psychedelische Veränderungen des Bewußtseins über menschliches Bewußtsein schlechthin Erkenntnisse zu gewinnen, erscheint vor dem Hintergrund der westlichen cartesianischen Tradition als eine historische Ironie. Menschliches Bewußtseins, welches lange Zeit als transparent und unfehlbar direkt zugänglich erschien, durch eine Untersuchung von merkwürdigen psychedelischen Zuständen zu erforschen, wäre vor einiger Zeit sicher noch als absurd angesehen worden -- genauso wie der Vorschlag, dabei in einem interdisziplinären Zusammenschluß von Geisteswissenschaftlern, Pharmakologen, Kognitionswissenschaftlern und Neurowissenschaftlern und vielen weiteren Gruppen zu arbeiten. Jetzt aber scheint die Zeit für eine solche Untersuchung reif zu sein -- oder besser, längst überfällig. Die 'Alice-im- Wunderland'-Route mag vielleicht als der ungewöhnlichste Umweg zur Erkenntnis unseres eigenen Bewußtseins erscheinen. Aber vielleicht müssen wir uns tatsächlich erst durch dieses seltsame und wenig bekannte Terrain wagen, um die Natur unseres Bewußtseins besser verstehen zu können -- und dabei die Möglichkeit in Betracht ziehen, daß sich im Laufe dieses Prozesses unser Selbstbild noch weiter und radikaler wandeln wird, als dies schon im letzten Jahrhundert geschehen ist.

"Schließlich nahm die Raupe die Wasserpfeife aus dem Mund um mit träger, schläfriger Stimme Alice anzusprechen. 'Wer bist du?' fragte die Raupe. Das war kein besonders ermutigender Anfang für ein Gespräch. Schüchtern antwortete Alice: 'Ich ... ich weiß nicht recht, Sir ... im Augenblick. Ich weiß zwar, wer ich war, als ich heute morgen aufstand, aber seither bin ich wohl ein paar Mal verwandelt worden.' 'Was meinst du damit?' sagte die Raupe streng. 'Erkläre Dich genauer!' 'Ich kann mich leider nicht erklären, Sir,' sagte Alice, 'denn ich bin gar nicht ich, verstehen Sie?'" ("[...] at least the Caterpillar took the hookah out of his mouth, and addressed her in a languid, sleepy voice. 'Who are you?' said the Caterpillar. This was not an encouraging opening for a conversation. Alice replied, rather shyly, 'I -- I hardly know, Sir, just at present -- at least I know who I was when I got up this morning, but I think I must have been changed several times since then.' 'What do you mean by that?' Said the Caterpillar, sternly. 'Explain yourself!' 'I can't explain myself, I'm afraid, Sir,' said Alice, 'because I'm not myself, you see'.")
Lewis Caroll: Alice im Wunderland (1865)

 

autoreninfo 
Dr. Sebastian Schulz, Jahrgang 1969, studierte Philosophie und Linguistik an der Universität Tübingen und an der University of North Carolina at Chapel Hill. Er promovierte im Jahr 2000 mit einer Arbeit Alien Minds, in der er eine radikale Position innerhalb der gegenwärtigen analytischen Bewußtseinsphilosophie analysiert und in weiten Teilen widerlegt (erschienen 2002 beim Mentis Verlag). Seit seinem 18. Lebensjahr arbeitet er als freier Fotograf; mehrere Serien seiner meist großformatig aufgezogene Fotografien wurden seit dem Jahr 2001 immer wieder an verschiedenen Orten ausgestellt, zuletzt in der Art Gallery Festl & Maas Reutlingen. Zur Zeit arbeitet er in der Stuttgarter Agentur BPPA als Konzeptioner, als strategischer Berater für die Landesstiftung Baden-Württemberg sowie als freier Autor und Fotograf.
Homepage: http://www.philographie.de
E-Mail: bastian_de@yahoo.de

 

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