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no. 4: schönheit und ideal
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Ganz einfach schön oder ganz schön kompliziert?Beobachtungen zu einem Volkslied und zu einem Schlaflied |
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von Nikolaus Schneider |
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Das Wesen von Volkspoesie lag für Herder nicht allein in der Machart eines Gedichttextes. Entscheidend war das Gemeinschaftserlebnis eines Liedes nicht als Kunstwerk, sondern als Abbild der umgebenden Natur. Jenseits des nicht mehr rekonstruierbaren Gemeinschaftserlebnisses bleibt ein Text zurück, der nicht mehr ganz einfach schön ist, sondern eher ganz schön kompliziert. |
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I | ||||
"Es ist wohl nicht zu zweifeln, daß Poesie und insonderheit Lied im Anfang ganz Volksartig d.i. leicht, einfach, aus Gegenständen und in der Sprache der Menge, so wie der reichen und für alle fühlbaren Natur gewesen." |
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So schreibt Johann Gottfried Herder im Vorwort zum zweiten Buch seiner Volksliedersammlung von 1778/79 (Herder, S. 230). Anhand dieses ästhetischen Leitfadens soll hier zunächst das Lied vom jungen Grafen gelesen werden, das das erste Buch der Volksliedersammlung eröffnet. Herder bekam es mit elf weiteren Liedern 1771 von Goethe, der diese Lieder im Elsaß gesammelt hatte, zugesteckt. |
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Ich steh auf einem hohen Berg, |
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Unschwer lassen sich beim Lesen Signale ausmachen, die den Text als 'einfach' ausweisen und ihn damit -- für den heutigen Geschmack -- in die Nähe von Kitsch rücken. So ist die Opposition von hohem Berg und tiefem Tal nichtssagend und fürchterlich abgedroschen, das Schifflein ist niedlich, die drei Grafen suggerieren ein Erzählschema mit Dreierstruktur und erinnern damit an zum Überdruß bekannte Textformen (z.B. Märchen). Die zahlreichen Wiederholungen und Redundanzen des Liedes (z.B. die vierte Strophe, die die dritte passagenweise wörtlich wiederholt, oder der vierte Vers der siebten Strophe, der kaum (neue) Information bietet) evozieren die Aura einer erzählenden Großmutter. Schnell hat man das Gefühl, in eine Welt versetzt zu sein, in der es noch liebe Mädchen, kühne Cowboys (vgl. Strophe 6) und echte Liebe gibt. |
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Eine genauere Lektüre wird jedoch auf Brüche und Ungereimtheiten stoßen -- und zwar auf allen Textebenen. Wodurch ist z.B. der Tempuswechsel in der ersten Strophe motiviert? Wenn schon Tempuswechsel, wäre es doch "geschickter" den allgemeinen Handlungsrahmen (das Stehen auf dem Berg und das Schauen ins Tal) im Präteritum zu erzählen und den Eintritt der konkreten Handlung im Präsens: Da seh ich ein Schifflein schweben. Auch das Verb schweben verwundert im Zusammenhang mit der Bewegung eines Schiffes, wenngleich man zugestehen muß, daß im 18. Jahrhundert das Bedeutungsfeld von mhd. sweben (sich fließend, schiffend, schwimmend, fliegend hin und her bewegen) noch nicht so sehr eingeengt war wie heute. Mehr erstaunt allerdings, daß das "Ich" der ersten beiden Verse im weiteren Textverlauf gar nicht mehr vorkommt (es sei denn, man setzt es mit dem "Ich" des Mädchens in Strophe 3 gleich), und daß die durch "drei Grafen" suggerierte Dreierstruktur nicht ausgeführt wird. Die zweite Strophe bringt eine grammatikalisch kuriose Relativsatzkonstruktion ("Der allerjüngst, der drunter war,/Die in dem Schifflein saß'n,"), einen weiteren Passagier auf dem Schifflein (oder spielt die zweite Strophe bereits an einem anderen Ort?) und ein folgenschweres venedisches Glas, zu dem Herder anmerkt: "nach der Tradition ein Glas, das den Trank vergiftete" (S. 75f.). Es zeichnet sich folgender Handlungsverlauf ab: Ein Graf vergiftet seine Geliebte, aus welchem Grund auch immer. Diese gesteht ihre heimliche wahre Liebe zu Jesus, was dem Grafen nur die hämische Bemerkung "Deins gleichen gibts noch mehr!" entlockt. "Um Mitternacht" scheinen ihn jedoch sowohl Vergiftung als auch Verschmähung zu reuen. Zielsicher findet er das zuvor nicht näher bezeichnete Kloster, indem die Geliebte offenbar bereits weilt -- doch zu spät. Das Mädchen ist zwar nicht vergiftet, aber Nonne. Ohne daß der Graf noch ein Wort mit seiner Ex wechseln kann, bricht ihm sein Herz entzwei. |
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In Goethes Version gibt es noch eine moralinsaure Schlußstrophe, die Herder weggelassen hat -- sie trägt jedoch zur Entwirrung nichts bei, im Gegenteil: "So solls den stolzen Knaben gehn/Die trachten nach grosem Gut./Nimm einer ein schwarzbraun Maidelein,/Wie's ihm gefallen thut." |
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Zieht man andere Versionen des Liedes zu Rate -- in Achims und Brentanos Liedersammlung "Des Knaben Wunderhorn" (1806) und im "Oudt Amsterdam Liedboek" von 1591 -- läßt sich das Groteske, fast Absurde der Herderschen Fassung ein wenig entschärfen -- allerdings muß betont werden, daß Herder das Lied bewußt so und nicht anders präsentiert hat; immerhin hat er in Goethes Fassung redaktionell eingegriffen, ein Beleg dafür, daß er sich nicht nur als Sammler sondern ggf. auch als Besserer verstanden hat. Die genannten anderen Fassungen legen jedenfalls nahe, daß es sich bei dem venedischen Glas nicht um einen Gifttrank sondern um einen ernstgemeinten Liebesbeweis handelt. Die veränderte Handlung präsentiert sich wie folgt: Der Graf schlägt dem Mädchen, obwohl er sie liebt, die Heirat ab, weil sie ihm nicht standesgemäß ist. Daraufhin geht das Mädchen ins Kloster. Der Graf bereut seine Entscheidung. Als er sieht, daß nichts mehr rückgängig zu machen ist, bricht es ihm das Herz. Trotzdem bleibt auch in diesen Fassungen das desperate Ende des Liedes bestehen: Zur Kommunikation unfähig stehen die geschorene bleiche Nonne und ihr Liebhaber gegenüber, dieser ist am Ende, ob jene mit ihrem neuen Liebsten glücklich ist, bleibt dahingestellt. Das Mißverstehen der beiden Protagonisten, das bereits im seltsamen Dialog der dritten und vierten Strophe anklang, ist jetzt -- sprachlos -- perfekt. |
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Auch metrisch ist das Lied nicht einfach. Obwohl man beim ersten Hören meinen könnte, gleichmäßig gereimte Strophen vor sich zu haben, reimen nur die Strophen 3, 5 und 6, und zwar unvollständig, nämlich abcb. In den beiden Schlußstrophen enden die Verse 2 und 4 jeweils assonant (Kleid/bleich bzw. Stein/entzwei). Auch die Hebungszahl der Verse ist nicht systematisiert, lediglich alle zweiten und vierten Verse sind immer dreihebig, die ersten und dritten Verse sind in unregelmäßiger Verteilung drei- oder vierhebig. Stellt man sich das Lied allerdings gesungen vor (es gibt zahlreiche Melodiefassungen), werden die metrischen Unregelmäßigkeiten durch die Gleichmäßigkeit der von Strophe zu Strophe identischen Melodie verdeckt. Ungeachtet ihrer Hebungszahl ist allen ersten, zweiten, dritten und vierten Versen je der gleiche Melodieabschnitt zugeordnet. |
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Auf der einen Seite also Herders Diktum von der Einfachheit der Volkspoesie und die erwähnten Einfachheitssignale, auf der anderen Seite ein Text, der syntaktische, grammatikalische, metrische und logische Ungereimtheiten enthält und der dem Leser, macht er sich nur die Mühe, ein bißchen gründlich zu lesen, ein absurdes Szenario, zumindest eine Situation desperater Sprachlosigkeit vor Augen führt. Ich glaube nicht, daß diese so unterschiedlichen Wahrnehmungen nur das Resultat einer jeweils ganz anderen Perspektive auf den Text sind, einer naiven bzw. einer analytischen Rezeption. Ich glaube vielmehr, daß der Text sowohl das Einfache, was zu den ästhetischen Urteilen "ist halt schön" oder "so ein Kitsch" führen könnte, als auch das Ungereimte, Gebrochene, Schwierige, was den aufmerksamen Leser in eine ähnliche Verzweiflung wie den Grafen treiben könnte, bewußt setzt. |
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In Herders Ossian-Aufsatz (1773) findet sich eine Überlegung, die noch ein anderes Licht auf die beobachteten Ungereimtheiten wirft. Es heißt: |
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"Alle Gesänge solcher wilden Völker weben um daseiende Gegenstände, Handlungen, Begebenheiten, um eine lebendige Welt! Wie reich und vielfach sind da nun Umstände, gegenwärtige Züge, Teilvorfälle! Und alle hat das Auge gesehen! Die Seele stellet sie sich vor! Das setzt Sprünge und Würfe! Es ist kein anderer Zusammenhang unter den Teilen des Gesanges, als unter den Bäumen und Gebüschen im Walde, unter den Felsen und Grotten in der Einöde, als unter den Szenen der Begebenheit selbst." (Herder, Schriften zur Ästhetik, S. 486f.) |
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Sprünge und Würfe versteht Herder also nicht als Steigerung der Komplexität eines poetischen Textes, sondern als Ausdruck von Natürlichkeit. Ein Text, der aus der Fülle der wahrnehmbaren Welt logische Verläufe, kontingente Eindrücke herausselektioniert, ist viel komplexer und unnatürlicher als jene poetische Sprechweise, die die sprunghafte Wahrnehmung einfach analog abbildet. Wenn der Gegenstand eines Gesanges lebendige Welt ist, dann ist er im Bewußtsein der Hörer so präsent, daß der Gesang ihn gar nicht erst mitteilen muß. Vielmehr führt er Umstände, gegenwärtige Züge, Teilvorfälle an. Ein Hörer, der um das Schicksal von Graf und Mädchen generell weiß, stößt sich nicht an einzelnen logischen Unstimmigkeiten im Lied. Die Sprünge in Raum und Zeit, die der Text enthält, füllt er aus, die fehlenden Informationen ergänzt er. |
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Herder hat als Sammler die beobachteten Ungereimtheiten bewußt nicht geglättet, weil sie besonders geeignet waren, die Authenzität des Volkslied vom jungen Grafen auszuweisen. Das Wesen von Volkspoesie lag, wie mir nach alldem scheint, für Herder nicht allein in der Machart eines Gedichttextes begründet, auch nicht in der Verbindung von Text und Melodie. Entscheidend war das kollektive Gemeinschaftserlebnis einer Weise, nicht als Kunstwerk, sondern als Abbild der umgebenden Natur. Jenseits des nicht mehr rekonstruierbaren Gemeinschaftserlebnisses bleibt ein Text zurück, der nicht mehr ganz einfach schön ist, sondern eher ganz schön kompliziert. |
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II | ||||
Unter anderen Bedingungen und mit anderer Intention schrieb Leos Janacek seinen Klavierzyklus "Po zarostlem chodnicku" ("Auf verwachsenem Pfade"), der 1911 in Brne (Brünn) im Druck erschien. An dem Stück "Dobrou noc!" ("Gute Nacht!") ist mir jedoch ein vergleichbares Phänomen aufgefallen. Dem ersten Höreindruck kann dieses Stück als 'ganz einfach schön' erscheinen, dagegen werden ein erneutes Hinhören und vor allem auch eine Lektüre des Notentextes eine 'ganz schön komplizierte' kompositorische Machart erkennen lassen. Lediglich aufgrund dieser Parallele möchte ich "Dobrou noc!" hier neben Herders Lied vom jungen Grafen stellen. |
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Der erste Höreindruck paßt bestens zum programmatischen Titel der Komposition: Ein Gefühl der Einlullung, der Einschläferung, des Wiegens stellt sich ein. Überfliegt man den Notentext [Anm. 1], sind unschwer musikalische Einfachheitssignale auszumachen. Das Stück weist eine sehr geringe harmonische Aktionsdichte auf: die ersten 22 Takte figurieren lediglich, abgesehen von Ausweichungen nach h-moll in den Takten 4, 8 und 18, den C-Dur-Akkord; gemessen an der reich wuchernden chromatischen Harmonik in der Kunstmusik um 1900 ist dies wirklich unglaublich einfach. Außerdem findet in dem Stück nichts von dem statt, was man als motivische Entwicklung oder thematische Arbeit, seit Beethoven Qualitätskriterien für anspruchsvolle Musik, bezeichnen könnte. Statt dessen trifft man in 79 von den 96 Takten metrisch unverändert folgende Sechzehntel-Gruppe an: |
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Ihre Tonstruktur ist fast immer so aufgebaut, daß sie zunächst in einer Aufwärtsbewegung von einem tiefen zu einem hohen Ton (oft die Oktave, immer aber ein Ton innerhalb desselben Akkords) fortschreitet, diesen Ton dann repetiert und mit dem vierten Sechzehntel wieder auf den Ausgangston zurückfällt. Ist man geneigt, musik-programmatisch zu denken, kann man die Sechzehntel-Gruppe durchaus mit dem Hin- und Herschwenken einer Wiege assoziieren. Ich beschreibe die Gruppe deshalb so ausführlich, weil in ihr das Potential liegt, das das Stück vielleicht doch kompliziert macht. |
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Denn sie bleibt, trotz ihrer 79-fachen Wiederholung in knapp vier Minuten, erstaunlich unfaßlich. Das liegt daran, daß sie den Takt, in dem das Stück steht, nicht bestätigt, sondern verschleiert. Sie setzt auf un- oder nebenbetonter Zählzeit (auf dem zweiten von vier Achteln) ein; ihre beiden melodisch spannenden Momente (das Aufsteigen und das Absteigen) vollziehen sich beim Übergang vom dritten auf das vierte bzw. vom fünften auf das sechste Sechzehntel des Taktes, also auf völlig unbetonter Zählzeit. Dem Übergang vom vierten auf das fünfte Sechzehntel des Taktes, der, metrisch gesprochen, die Takthälfte markiert und damit zweitwichtigste Betonung überhaupt ist, ist nur das relativ unspektakuläre Ereignis der Tonrepetition zugeordnet. Folgende metrische Anordnung der Sechzehntel-Gruppe würde den Takt bestätigen: |
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Die von Janacek gewählte Anordnung verunklart den Takt. Außerdem ist die Tonstruktur der Sechzehntel-Gruppe geradezu das Gegenteil von musikalischer Fortentwicklung: Sie steigt an, um wieder abzufallen, sie sinkt in sich selbst zurück. Da sie nur Akkordtöne anschlägt, treibt sie auch die harmonische Entwicklung nicht weiter, sie instrumentiert lediglich den wahrzunehmenden Klang, sie ist eher als Farbe, als Schattierung zu bezeichnen, denn als musikalisches Ereignis. |
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Ich meine, daß die in dieser winzigen Gruppe begründete Bewegung des 'In-sich-selbst-Zurücksinkens' die gesamte Struktur der Komposition prägt. Drei Beispiele sollen dies illustrieren. Zunächst die harmonische Ausweichung in Takt 4 (sie wird in den Takten 8, 18, 79 und 83 wiederholt): Anstatt daß diese Ausweichung eine harmonische Entwicklung einleitet, fällt das Stück in Takt 5 wieder auf den gleichen Akkord zurück, der schon während der Takte 1-3 erklang. Im Gesamtzusammenhang erscheint Takt 4 dadurch eher als eine harmonische Farbabstufung, denn als harmonisches Ereignis. |
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Die zweite Beobachtung betrifft die folgenden melodischen Figuren: |
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Figur A wird insgesamt dreimal wiederholt, Figur B achtmal. Gemeinsam ist beiden Figuren, daß sie, im Gegensatz zur verunklarenden Sechzehntel-Gruppe, das Metrum bestätigen; sie skandieren gleichmäßig die vier Achtel des Taktes. Beide Figuren suggerieren zudem den Beginn einer melodischen Entwicklung. Somit scheinen sie dem vagen Schwebezustand, der sich durch die ständige Repetition der taktverunklarenden, in sich selbst zurücksinkenden Sechzehntel-Gruppe eingestellt hat, ein konkretes musikalisches Ereignis entgegenzusetzen. Doch das suggerierte Ereignis findet nicht statt; vielmehr werden die Figuren A und B mehrmals wörtlich wiederholt und damit auf sich selbst zurückgeworfen. Die in Aussicht gestellte Entwicklung schlägt um in Stagnation. |
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Die dritte Beobachtung betrifft den harmonischen Gesamtverlauf. Auch harmonisch sinkt das Stück, nach einer Anspannung im Mittelteil (Takt 23-75), in sich zurück, die 21 Schlußtakte figurieren ebenfalls, mit einigen geringfügigen Ausweichungen, den C-Dur-Akkord. Der harmonisch etwas dichtere Mittelteil zeigt eher harmonische Pendelbewegungen als harmonische Fortentwicklungen: So pendeln die Takte 35-45 beständig zwischen den Klängen Es-Dur und F-Dur mit Septe und None, die Takte 46-75 zwischen den Klängen C-Dur und D-Dur mit verminderter Quinte und Septe. Auch hier wird also harmonische Aktion durch stagnierende Wiederholung auf sich selbst zurückgeworfen. |
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In "Dobrou noc!" werden musikalische Strukturen selbst eingeschläfert, wie das Kind im Bett noch einmal die Augen öffnet, um sie wieder zu schließen, spannen sie sich an, um zu erschlaffen. Musikalische Entwicklung wird angetastet -- doch sie entgleitet, nicht nur dem Hörer, sondern der Komposition selbst. Janacek hat Musik kurz vor dem (ihrem) Einschlafen geschrieben. |
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Es war nicht meine Absicht, ein Musikstück, das jeder als einfach empfindet, durch analytischen Aufwand kompliziert erscheinen zu lassen. Vielmehr glaube ich, daß der Eindruck von Einlullung und Einschläferung das Resultat einer besonderen und vom Komponisten bewußt gesetzten musikalischen Struktur ist. Die Verwendung gängiger einfacher Strukturen (überschaubare melodische Entwicklungen, konventionelle harmonische Verläufe, leicht faßbare Metrik) hätte vielleicht ebenfalls einfach wirkende Musik zur Folge gehabt, nicht aber Musik von solch enormer suggestiver, einschläfernder Kraft. |
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Was ergibt sich aus diesen Beobachtungen? Sowohl bei Herders Lied vom jungen Grafen als auch in Janaceks Klavierstück "Dobrou noc!" scheint die Oberflächenwahrnehmung, die diese ästhetischen Gebilde als 'einfach' oder 'ganz einfach schön' einstuft, auf Strukturen gegründet, die sich als komplex erweisen. Dabei scheinen die innere Komplexität und Ungereimtheit ebenso intendiert zu sein wie die äußerliche Wirkung. Innerliche Ungereimtheit und äußerliche Gereimtheit passen zusammen und verursachen komplizierte Schönheit. Ist doch ganz einfach, oder? |
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