Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Route der M8 nicht mehr so viel Beachtung bekommen hat, wie zur Eröffnung ihrer Streckenerweiterung. Seit August 2015 fährt die M8 von Ahrensfelde/Stadtgrenze bis zum Hauptbahnhof. Zur Feier konnten Fahrgäste an einem Tag kostenlos mit der M8 fahren. Wir finden, dass diese Linie noch mehr Beachtung verdient hat und zeigen, warum.
So vielfältig wie die Fahrgäste: die Berliner Straßenbahnen
Die Straßenbahn ist eines der wichtigsten öffentlichen Verkehrsmittel in Berlin. Das Berliner Straßenbahnsystem ist hauptsächlich im Ostteil der Stadt zu finden und ergänzt dort das Streckennetz der U-, und S-Bahnlinien. Verglichen mit anderen Streckennetzen auf der Welt befindet sich das Berlins auf Platz 3, wenn es um Größe und Alter geht, nach denen in Melbourne und Sankt Petersburg. Die Existenz der Berliner Straßenbahn ist noch dazu ständig präsent, und das nicht nur wegen der gelben Farbe. Sie fahren ausschließlich oberirdisch und grenzen sich somit von den beiden anderen Hauptverkehrsmittel im Nahverkehr ganz klar ab. Die Straßenbahn ist in ihrer Fahrgeschwindigkeit und Sicherheit vom Straßenverkehr abhängig. Hört sich zunächst sehr langweilig an, hier ist aber das Gegenteil der Fall.
Eine Fahrt mit der Berliner Straßenbahn ist zwar vergleichbar mit einer Stadtrundfahrt, aber bedeutend vielfältiger. Menschen jeglicher Herkunft sind eingepfercht auf überschaubarem Raum und werden durch unterschiedliche Gegenden Berlins transportiert. Vor allem für Touristen stellt die Tram eine günstige Alternative zu den City-Tour-Bussen dar. Sie durchquert Stadtregionen, die unterschiedlicher nicht sein könnten und zeigt Berlin von der schönsten Seite. Für viele ist die Fahrt IN der Straßenbahn meist schon das Highlight am Ganzen. Üblicherweise werden Gespräche von Leuten, die sich kennen und Telefonate in allen möglichen Sprachen mitgehört. Es wird zugesehen, wie Kinder ihren Eltern die Welt erklären, wie Menschen sich mit ihren Hunden in der Straßenbahn vergnügen und dann gibt es noch einige, die einfach nur ihre Ruhe haben möchten und Personen der eben genannten Kategorien schief angucken.
Die M8 ist eine Linie der besonderen Art
Die Vielfältigkeit wird deutlich an der Straßenbahnlinie M8. Das “M” steht dabei für Metro-Tram. Metro-Tramlinien fahren in der Regel 24 Stunden am Tag, 7 Tage pro Woche in einer sehr frequentierten Taktung. Die M8 startet in Ahrensfelde, um genauer zu sein an der Stadtgrenze, fährt über den Berliner Hauptbahnhof bis hin zur Lüneburger Straße und durchquert insgesamt 40 Stationen mehrere Male tagtäglich. Dabei fährt die M8 durch verschiedene Bezirke, Kieze, kreuzt namenhafte Straßen und ist noch dazu eine sehr „grüne“ Linie.
Sie fährt durch den Seelgrabenpark in Ahrensfelde, anschließend an der Marzahner Bockwindmühle entlang und weiter über den Landschaftspark Herzberge in Lichtenberg. Es folgt anschließend das Industriegebiet mit dem imposanten asiatischen Einkaufszentrum „Dong Xuan Center“, was aus dem Vietnamesischen übersetzt so viel wie „blühende Wiese“ bedeutet. Auch an den nächsten Haltestellen blüht es weiter. Neben etlichen Parks und Seen durchquert die Linie insgesamt fünf unterschiedliche Bezirke, unter anderem Alt-Hohenschönhausen und Berlin-Mitte.
Aufgrund der hohen Anzahl an Stationen kann es hin und wieder passieren, dass unvorhergesehene Ereignisse, wie z. B. Unfälle oder bereits geplante Ereignisse, wie Demonstrationen oder Marathonläufe den Straßenbahnverkehr beeinträchtigen. Damit sich die Fahrgäste darauf vorbereiten können, werden diese über den offiziellen Twitteraccount der BVG (@BVG_Tram) darüber auf dem Laufenden gehalten.

Quelle: Twitter.com/BVG_Tram
Neben dem informativen Zweck des Accounts ist die BVG auch bekannt für Marketingkampagnen, die zeigen, dass sich das Unternehmen selbstironisch präsentieren kann.
Zwischen Platte und Altbau, zwischen urban und peripher – ein Erlebnisbericht
Die Klandorfer Straße ist sicherlich keine bekannte Straße in Berlin. Doch eine kleine Besonderheit bietet sie dennoch. Die Straße, die sich nördlich im Bezirk Marzahn-Hellersdorf befindet und eine Adresse für eine überschaubare Anzahl an Ein- und Mehrfamilienhäusern bietet, liegt genau auf der Grenze – der Grenze zwischen Berlin und Brandenburg. Eingerahmt in eine Szenerie aus reichlich Grün, einer Wiese mit Strohballen und einem Hauch brandenburgischer Ländlichkeit wirkt das gelbe Ortsschild der Hauptstadt hier etwas fehl am Platz. Doch in direkter Sichtweite des Schildes befindet sich tatsächlich schon ein Indiz großstädtischer Urbanität: die Tram-Station Ahrensfelde/Stadtgrenze. Die M8 scheint ihren Weg in die Peripherie Berlins gefunden zu haben und hat hier ihre Endhaltestelle.

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Ortswechsel: Berliner Hauptbahnhof. Zugegeben, für die wenigsten der ‚place to be‘, aber ein Knotenpunkt für alle. Von hier aus fallen einem automatisch Ziele ein, die es sich anzusteuern lohnt. An der Haltestelle geht es meist etwas sperrig zu, denn viele Reisende haben größeres Gepäck dabei und warten darauf, sich auf die verschiedenen Stadtteile Berlins zu verteilen. Sie steigen daher in die Trams der Linien M5, M10 und eben auch der M8. Somit mag die doch etwas speziellere Richtungsangabe dieser Tramlinie bestimmt schon dem ein oder anderen aufgefallen sein: unsere brandenburgisch-ländlich anmutende Endhaltestelle ‚Stadtgrenze‘. Die Tatsache, dass die M8 es möglich macht, einen bestimmten Punkt der 234 Kilometer langen Landesgrenze Berlins zu erreichen, hat garantiert schon bei Einigen Neugier ausgelöst. Den langen Weg, um herauszufinden wohin es mit dieser Linie wirklich geht, haben wohl eher wenige auf sich genommen.
Damit ist auf den ersten Blick klar: Diese Tramlinie muss etwas Besonderes sein, ganze Stadtteile durchqueren und Kontraste miteinander verbinden. Am einen Ende herrscht Metropolen-Flair eines Großstadt-Drehkreuzes, am anderen brandenburgische Landluft. Innerhalb von 61 Minuten pendelt man zwischen Urbanität und Peripherie, teuren Szenebezirken, Plattenhochbauten und Wohnsiedlungen bei denen jedem der Gedanke aufkommt: ach ja, das ist ja auch noch Berlin. Und dann besteht die Chance, den Fuß über eine ehemalige deutsche Staatsgrenze zu setzen.

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Es ist sicherlich ein bedeutsamer Unterschied, ob man vom Hauptbahnhof zur Stadtgrenze fährt oder von Ahrensfelde/Stadtgrenze in Richtung Hauptbahnhof. Doch unabhängig von Intention und Richtung passiert man Orte von Bedeutung.Unsere Reise beginnt am Berliner Hauptbahnhof. Zusammen mit einer großen Menge an Gepäckreisenden macht sich die M8 auf den Weg durch Berlin-Mitte, vorbei an neu aus dem Boden gestampften Häuserkomplexen, Bundesministerien und zahlreichen Hotels. Am U-Bahnhof Naturkundemuseum steigt ein großer Teil der Fahrgäste mit Gepäck aus, vermutlich um in die U6 umzusteigen. Zur Stadtgrenze will von ihnen wohl niemand. Die Tram bleibt allerdings nicht leer, denn eine beträchtliche Anzahl an Personen steigt ein und es geht in Richtung Prenzlauer Berg. Der Invalidenstraße folgend ist unübersehbar, dass hier eine Tasse Kaffee wohl zunehmend teurer wird und in Nähe des Rosenthaler Platzes mischen sich noch etliche Bars ins Bild. Während man dem Straßenverlauf folgt wird die Torstraße zur Mollstraße und diese wiederum zur Landsberger Allee.

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Ganz in der Nähe vom Platz der Vereinten Nationen beispielsweise passiert die M8 den Volkspark Friedrichshain, und unweit davon das Klinikum Friedrichshain. An der Haltestelle Landsberger Allee verlässt die Streckenfühurng dann den Ring der S-Bahn und die M8 biegt von der vielspürigen Straße in eine kleinere ab, die zwar durch eine Siedlung hoher Häuser fährt, doch durch üppige Begrünung fast schon den Eindruck einer kleinen Allee macht. Sowieso bietet die Streckenführung der M8 oft eine überraschend grüne Umgebung. Wenn die Bahn dann anschließend den Park des Evangelischen Krankenhauses KEH durchquert, könnte man fast meinen, man befände sich in einem Wald. Ein industrielles Erscheinungsbild wird wiederum rund um das Dong-Xuan-Center auf der Hertzberg Straße vermittelt. Autohäuser und Fabriken stehen hier frequentierter als auf den übrigen Streckenabschnitten.

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Mit der Zeit ragen zunehmend Plattenbauten zwischen dem Grün empor. Doch sie hindern einen nicht daran, ab und zu auch mal ein scheinbar neugebautes Einfamilienhaus zu erblicken. Auch wieder Kontraste, die einem kontinuierlich auf der Fahrt begleiten. Man muss schon fast schmunzeln, wenn die riesigen aufgemalten Hausnummern auf den Gebäuden eines Plattenbaukomplexes, etwa „Helene-Weigelt-Platz 14“ mit denen eines kleinen Familiendomizils vergleicht. Mehr oder minder unerwartet erspäht man dann in der Nähe der Jan-Petersen-Straße eine Windmühle, die Marzahner Bockwindmühle. Nicht sehr typisch für Berlin, aber auf unserer Fahrt nehmen wie sie mit freudiger Irritation hin. Vom Bürgerpark Marzahn geht die Umgebung an der Haltestelle Niemegker Straße in riesige Wiesenflächen über, die zunehmend das Bild der überwiegenden Plattenbauten zersetzen. Auf den Anzeigebildschirmen der M8 lässt sich nun schon unsere Endhaltestelle erkennen. Wenn man die Strecke nur fährt, um herauszufinden, wie die Stadtgrenze Berlins aussieht, dann sollte die Spannung nun allmählich steigen. Letzen Endes hält die Bahn dann nun an unserem Ziel: Eine Wendeschleife, viel Grün, ein paar Wiesen und lichte Bebauung – für jeden Großstädter bestimmt mal eine Abwechslung. Doch der Aufenthalt hier ist nur kurz, denn der Rückweg ist lang. Das bedeutet: Noch einmal 61 Minuten Fahrt durch ein Ensemble aus Kontrasten, wie sie nur unsere Hauptstadt aufweisen kann. Eine weitere Stunde Fahrt, nun in umgekehrter Richtung – von der Peripherie direkt ins Herz Berlins.
Sie decken im Vergleich zu Bus, U- und S-Bahn zwar nur einen überschaubaren Bereich des Berliner Stadtgebietes ab, doch die über 20 Tramlinien Berlins sind nicht nur eine geeignete Variante, um an entlegene Orte zu gelangen und einen Blick auf die wechselnde Umgebung werfen zu können. Berlins Straßenbahnen entschleunigen im chaotischen Großstadttummel. Sie fahren gemächlicher, halten öfter, und wer verweilen kann, erlebt eine abwechslungsreiche Zeit bis zur Stadtgrenze Berlins. Wir wünschen eine gute Fahrt.