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Gesellschaft & Geschichten

fvck the cis-tem

Ein Magazin porträtiert Muslime fernab der klassischen Geschlechterordnung

Weder Mann, Frau, noch irgendwas dazwischen. Art Director Rıdvan Ali Cavuş hat für sein neues Magazin fvck the cis-tem Muslime jenseits der klassischen Geschlechterordnung porträtiert. Er möchte so neue, queere Impulse in den überwiegend heteronormativen Print-Markt streuen. Das Thema ist nicht neu. Trotzdem stoßen Menschen jenseits geschlechtlicher Labels immer wieder auf Widerstand. In Interviews berichten sie über konkurrierende Weltbilder, Selbstwertgefühl und die Notwendigkeit eines gesunden Abstands.

Hengameh Yaghoobifarah, 25

Aktivist*in

Hengameh Yaghoobifarah, Aktivist*in

Mein Name ist Hengameh, ich bin 25 Jahre alt, vom Sternzeichen Skorpion. Ich arbeite als Journalist*in, Redakteur*in, Referent*in und DJane. Ich bin eine muslimische, queere, nicht binäre Person of Color und schreibe viel über Aktivismus, Rassismus, Popkultur und Mode. Hierbei liegen mir Gerechtigkeit, Feminismus, Antirassismus aber auch queere Politics besonders am Herzen.

Wie oder wodurch machst du dich anders?

Erst einmal werde ich von der Gesellschaft anders gemacht. Durch meine queerness, dadurch, dass meine Eltern keine Deutschen sind, dadurch, dass ich dick bin…  Ich würde sonst eigentlich gar nicht behaupten, dass ich anders bin. Wie ich mich wirklich von der Masse abhebe ist, dass sich die Masse nicht so sehr dafür interessiert die Ungerechtigkeit zu bekämpfen wie ich.

Du sprichst öffentlich über fat activism & bodypositivity. Ist das nicht negativ belegt?

Ich eigne mir dieses Wort als positiv an, damit gebe ich den anderen gar nicht die Möglichkeit mich zu beleidigen. Ich bekomme ständig Hassmails mit „ihhh, bist du fett“, da schreibe ich oft nur zurück „Ja, das sieht man doch, erzähl mir was Neues!“.

Nicht schön zu sein war das Beste, was mir passieren konnte.

Erlebst du auch Rassismus?

Ja! Vor allem durch Institutionen. Wenn ich mich zum Beispiel irgendwo bewerbe, egal ob Job oder Wohnung. Alleine durch meinen Namen habe ich viel schlechtere Chancen, da juckt es niemanden wie gut mein Lebenslauf ist. Oft höre ich „Geh doch zurück in die Türkei“ obwohl ich nicht mal aus der Türkei stamme. Wenn ich Rassismus kritisiere, dann kommentieren sie mit  „du bist doch selber weiß“, sprich, alle versuchen einem Macht wegzunehmen. Die Struktur der Gesellschaft ist auf Ungleichheit und Diskriminierung aufgebaut. Es ist kein neues Phänomen – ein altbekanntes System, das durch white privilege aufrecht erhalten wird.

Was bedeutet für dich „Heimat“?

Ich mag den Begriff Heimat nicht wirklich, da er für mich sehr nationalistisch, völkisch geprägt ist. Allerdings kann ich als Person der muslimischen Diaspora auch nicht wirklich sagen, dass ich den Iran oder Deutschland als meine Heimat sehe.

Liandro, 16

Liandro, Schüler*in

Mein Name ist Liandro, ich bin 16 Jahre alt und gehe noch zur Schule. Was nach der Schule kommt, kann ich noch nicht sagen.

Inwiefern identifzierst du dich mit dem Wort asexuell?

lch bin es, kann und will es auch nicht verneinen, nur denke ich, dass jeder anders fühlt und für jeden dieses Wort auch etwas anderes bedeutet, deshalb kann ich nicht für die Allgemeinheit reden. Ich mag das ganze Schubladendenken nicht.

Denkst du vielleicht, dass das auch nur eine Phase sein könnte?

Darüber habe ich auch schon oft nachgedacht. Ich habe mich bis heute noch nie sexuell zu jemandem hingezogen gefühlt. Momentan bin ich für mich asexuell – ich weiss das klingt etwas doof aber ich kann nur sagen, dass ich gestern so gefühlt habe und Heute so fühle, was morgen ist kann ich dir nicht sagen.

Wie hast du von der Thematik Asexualität erfahren? Haben dich Freunde oder Vorbilder darüber aufgeklärt?

Freunde von mir haben damals darüber geredet, als ich noch nichts davon wusste und so habe ich einfach angefangen darüber zu lesen, mich zu informieren und weiter im Freundeskreis recherchiert. Step by step nahm dann alles Form an und heute wissen alle Freunde von mir, dass ich asexuell bin und keiner hat damit ein Problem.

Ich finde es sehr wichtig, dass Eltern sich nicht von anderen Menschen manipulieren lassen und das Kind darunter leidet.

Was macht dich anders?

Das klingt jetzt vielleicht etwas oberflächlich, aber ich habe mich schon immer anders gefühlt als die Anderen. Ich hatte als Kind immer das gemacht was ich wollte und habe rebelliert bis ich das bekommen habe was ich wollte. Ich habe nie wirklich versucht mich anzupassen und bin mir bis heute treu geblieben. Mir ist egal was andere von mir denken, ich habe nur dieses eine Leben und das möchte ich so leben wie es mir gefällt, nicht wie andere es mir vorschreiben.

Was halten deine Eltern davon?

Ich habe das Glück, dass meine Eltern hinter mir stehen und mich unterstützen. Es ist sehr wichtig, dass Eltern sich nicht von anderen Menschen manipulieren lassen und das Kind dann darunter leidet. Ich finde es dumm, dass Menschen in diesen Schubladen denken. Wenn ein Junge mit Puppen spielen will, dann lasst ihn doch einfach, denn das gehört alles zur Persönlichkeitsentwicklung dazu.

Hattest du denn schon mal ein Date mit jemandem?

Nein, ich hatte nie das Bedürfnis danach, ich fühle mich zu Menschen, die mir nah sind, nur auf einer freundschaflichen Ebene angezogen.

Hast du zum Schluss noch einen Rat für Betroffene?

Das Wichtigste finde ich ist, dass die Familie zu dem eigenen Kind stehen sollte, denn es gehört zu euch und es ist perfekt so wie es ist und nicht, wie andere das Kind gerne haben möchten. Ich rate jedem, die Meinung der anderen zu ignorieren, denn du hast nur dieses eine Leben, also lebe es so wie du es willst – am Ende werden wir eh alle sterben.

Orkan Tan, 24

Orkan Tan, Künstler*in

Orkan Tan, Künstler*in

Mein Name ist Orkan Tan, ich bin 24 Jahre alt und lebe seit drei Jahren in Stuttgart. Ich bin Künstler, stelle meine Kunstwerke in diversen Locations aus und arbeite nebenher als Visual Merchandiser.

Wie bist du zur Malerei gekommen?

Als Kind habe ich viel gezeichnet. Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass ich nach meiner traditionellen Beschneidung direkt weiter zeichnete, obwohl sich andere erst mal ausgeruht hätten. Da wurde mir klar, egal was ist, ich werde meiner Leidenschaft nachgehen und nichts kann meine Kreativität stoppen. Zum eigentlichen Malen kam ich dann so mit 18 Jahren.

Warum bist du „anders“?

„Anders“ habe ich mich schon immer gefühlt.Mein Umfeld hat mir  schon immer solch ein Gefühl gegeben, sei es in der Schule oder im Freundeskreis. Ich war immer der auffälligere Typ. Sowohl durch meinen Kleidungsstil als auch durch mein Verhalten. Heute bin ich super dankbar dafür, dass ich „anders“ bin und vor allem, jetzt mein Ding durchziehen kann.

Inwiefern labelst du dich und deine Arbeiten? Benutzt du überhaupt solche Labels oder werden sie dir aufgezwungen?

Ich gebe mein Bestes, mich und meine Arbeiten nicht zu kategorisieren. Zugegeben, passiert dies in meinen Arbeiten aber manchmal auch unbeabsichtigt Persönlich vermeide ich es, andere Menschen in eine Schublade zu stecken oder sie vorschnell abzustempeln.

Da ich abstrakte und figurative Kunst vereine, sind meine Werke meistens geschlechtslos.

Die Betrachter sollen für sich selbst entscheiden, welches Geschlecht sie im Moment ansehen. Aber ja, in manchen Werken verarbeite ich auch Geschlechterrollen.

Was wünscht du dir von der Gesellschaft, für heute und für die Zukunft?

Ich wünsche mir mehr Offenheit, mehr Kommunikation und totale Akzeptanz in jeder Hinsicht. Es gibt so viele Menschen, die sich nicht trauen etwas zu sagen, sich nicht trauen kreative Arbeiten zu veröffentlichen oder sich selbst nicht lieben. Und auf der andere Seite diejenigen, die andere oberflächlich verurteilen, anderen nichts gönnen und nicht merken, wie sie sie damit verletzen. Das alles muss aufhören! Wir alle haben nur dieses eine Leben – Wieso versuchen wir nicht, das Beste daraus zu machen?

Rıdvan Ali Cavuş (mitte) beim Magazin Release.

Weitere Interviews und Fotoserien sind in der ersten Ausgabe des fvck the cis-tem-Magazins zu finden. Aktuelle Projekte des Herausgebers Rıdvan Ali Cavuş gibt’s hier und hier.

 

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