Lucas Cejpek: Wo ist Elisabeth?

Roman

Sonderzahl Verlag
Wien 2009

cejpek_elisabethBestechend das künstlerische Kalkül im neuesten Buch von Lucas Cejpek, elegant der sprachliche Duktus, raffiniert der Aufbau – gibt das Buch zudem formal sehr deutlich den poetologischen Standort des Autors wieder.

Zum Inhalt: Elisabeth Cejpek verschwindet in der Sofaabteilung einer Leiner Filiale; der Verkäufer findet im Telefonbuch den Autor Lucas Cejpek und ruft ihn an. Ab da beginnt die Suche, werden Wege (nach)gegangen, aber noch viel mehr Fährten gelegt!

Zu gewissen Haltepunkten (Motiven: die Handtasche, um ein Beispiel zu nennen) kehrt der Text zwar regelmäßig zurück, weit häufiger jedoch und systematisch unternimmt Cejpek Exkurse, baut kleine Versatzstücke und sehr präzise gebaute Textsequenzen, die sich quasi aus dem jeweils vorhergegangen generieren. Was da alles höchst farbenfroh und lebendig auf- und wieder abtaucht: Taschen, Fotos, Topoi, Personen oder auch namentlich andere Werke des Autors (Ludwig etwa), um nur einiges zu nennen.

Die in dem Buch vorkommenden Stimmen zitieren ihrerseits bisweilen andere Stimmen/ Personen wie George Bataille, John Cage oder Lale Andersen. Vielleicht mit ein Grund, weshalb in diesem Buch alles auch flüchtig, nicht greifbar, fast traumhaft erscheint, obgleich der Autor sich ab und an mit eigenen durchaus konkreten biografischen Details zu Wort meldet.

Und so münden die wohl strukturierte Suchbewegung, das Erscheinen der Dinge und deren Verschwinden im letzten und einzig wirklich greifbaren Satz: Jetzt bin ich Elisabeth.

Ein spannendes und zugleich sinnliches Unterfangen. Lesenswert!

Petra Ganglbauer

Fritz Widhalm: die nacht schluckte die dämmerung

Edition zzoo
Wien 2008

Ein eigenartiges Geheimnis liegt über den Sätzen des vorliegenden Buchs. Protagonist und Autor oder auch Alter Ego wechseln (einander ab), kommunizieren ab und an miteinander und erzeugen so ein raffiniert konstruiertes Verwirrspiel.

Fritz Widhalm legt Fährten, um sie dann wieder zu unterminieren. Wir erfahren so vieles über den Protagonisten Konrad, da gibt es etwa mitteilsame Eltern, die Konrads Entwicklung kommentieren – zugleich entgleitet uns diese Figur gezielt Seite für Seite. Deshalb möchten wir, kaum haben wir das Buch fertig gelesen, wieder von vorn beginnen, um in diese Weltschau aus imaginierten und Realfiguren einzutauchen.

Anregend auch dieses Hereinspielen anderer Werke des Autors, wie etwa „Pubertät mit Mädchen“. Begibt man sich in den literarischen Raum Fritz Widhalms, so findet man sich in einem ebenso natürlichen wie künstlichen Kosmos aus (existierenden, erinnerten, erdachten) Figuren. Deshalb fühlt sich die Leserin während der Lektüre dieser Bücher nie alleine.

Das Buch besteht aus 3 Teilen, die Gedichte in Teil 2 wurden von einer Figur namens Berta Wieland geschrieben, sie sind eine Hommage an Konrad, ergänzt durch Selbstportraits von Konrad Berger höchstselbst!
Auch in Teil 3 geht das Pendeln zwischen den Text- und Tageswirklichkeiten weiter…

Ein reizvolles Buch.

Petra Ganglbauer

Ilse Kilic: Das Wort als schöne Kunst betrachtet

Ritter Verlag
Klagenfurt-Wien 2008

Es ist förmlich (wörtlich und zahlenmäßig) ein Genuss, Ilse Kilic durch ihr Buch zu folgen. Sie führt – wie so oft in ihrer Arbeit – das im strengen Sinne Poetische mit dem Verspielten, Kindlichen zusammen; zugleich wirkt jedoch auch eine ungeheure Akribie in ihrer Arbeit.

Ein scheinbar simples Ich erzählt aus der literarischen Alltagswirklichkeit. Es spricht viele Facetten, Ansichten und Rückseiten des Schreibens an; es stellt auch notgedrungen Überlegungen zum Autor/inn/endasein mit alle seinen Tücken, Fallen und Freuden an, von der Inhalation des eigenen Ideenwerks durch andere bis zur Interdependenz von eigenen und anderen Texten.

Ilse Kilic zeichnet zudem eine poetische Landkarte der augenblicklichen experimentellen literarischen Szene in Österreich. In so fern enthält das Buch auch ein wesentliches Stück Literaturgeschichte. Es ist spannend, reizvoll und geheimnisvoll, steckt voller Methoden und Anläufe, quert die Gattungen und verschränkt das Numerische mit dem Buchstäblichen.
Es ist sinnlich, spannend und dennoch äußerst genau konzipiert!

Petra Ganglbauer

Elfriede Czurda: ich, weiß

366 mikro essays für die westentasche

Edition Korrespondenzen
Wien 2008

Wie eine Prosodie mutet der vorliegende Band von Elfriede Czurda an, der 366 Mikro-Essays für die Westentasche versammelt.
Er umfasst viel von dem, was Sprache an klanglichen oder auch rhythmischen Konstituenten aufzuweisen hat.
Quasi hinweg gerafft werden wir, die Lesenden, von rasend vorbei fliegenden Tagen – der sprachliche Duktus ist ein rasanter – die Texte ziehen vorüber wie das Leben und „kippen“ manchmal auch an der Grenze zu einem Anderen…

Hin und wieder gibt es ein Festhalten, ein Ruhen „phantastisch – krank“ etwa, dann wieder reißt uns die Onomatopoesie fort. Auffallend eben jene starke Vokalfärbung, wie sie auch schon für frühere Gedichte der Autorin bezeichnend ist. Allerdings handelt es sich hiebei um ein Kalendarium, schön gefasst zwischen dem 21. Juli und dem 20. Juli, Disziplinierung des Schreibprozesses mithin. Wunderbarer poetischer Exkurs, ebenso zielführend aber auch für jene, die sich mit dem täglichen Schreiben herumschlagen und dafür auf dubiose Lektüren zurückgreifen. Endlich eine Vorgabe!

Ausnehmend schön gestaltet ist das Buch, ein Text wurde von der Autorin handschriftlich in dem Band verewigt.

Ein Buch mit zeitlosem Inhalt, das dennoch von zutiefst menschlichen also vergänglichen Befindlichkeiten erzählt.

Petra Ganglbauer

Marietta Böning: Die Umfäller

Roman

edition ch
Wien 2008

 Die kühle, überzeugende und unausweichliche Atmosphäre in diesem Buch entsteht dadurch, dass die Autorin auf mehreren Wahrnehmungs- und damit Sprache-Ebenen agiert: Da ist das „setting“, da sind die Szenen, die Personen, das Agieren. Und – noch manifester – ist da diese Metaebene die immer mitspricht; wenn es um die Auswüchse der spätkapitalistischen urbanen Gesellschaft geht; um Zerstören, Verglühen, Zertrampeln, und Vernichtet werden. Um Opfergänge. Um Resignation. Das Buch ist hart aus unserer Wirklichkeit heraus gegriffen.

Es zeigt den Kampf der wirklichkeitskonstituierenden Methoden und Werkzeuge auf. Gerade aus dem sprachlichen Kalkül entsteht das Dräuen, zittert der Abgrund und bebt Satz für Satz, Wort für Wort mit.
Das sind nicht die Plätze, Menschen, Straßen, da teilt sich etwas Dunkles, Unabwendbares, Schweres, Lastendes von Beginn an mit. Dieser Abgrund bleibt, das Grau.
Das Cover, fast kontrastierend, wie aus einem Reiseprospekt, einem Video-Still gleich, als wollte es diesen Zustand aufreißen.

Empfehlenswert!

Petra Ganglbauer

Mike Markart: Dillingers Fluchtplan oder Karajan umzubringen war mir ein Bedürfnis

Erzählung

edition kürbis
Wies 2008

markart_dillingerAuf seine aus früheren Publikationen bekannte (und sich konsequent vertiefende) unnachahmlich perseverierende, sprachlich stringente Art vermittelt Mike Markart im vorliegenden Buch wieder einmal psychisch-mentale Grenzüberschreitungen bzw. erzählt vom Besetztwerden, Verrücktwerden.

Er schafft es, wie stets in seiner Prosa, den kopfinternen Kampf seiner Figuren auf einem Pegel zu halten, der knapp vor dem Zerreißen oder kurz vor einer möglichen Implosion angelegt ist, und diesen Bewusstseinszustand auch auszutarieren.

Durch die der Erzählung folgenden „Geheimen Aufzeichnungen“ und einen weiteren Anhang vermittelt der Autor den Eindruck, dass die Leserschaft gewissermaßen eingeweiht wird…

Heißer Lesetipp!

Petra Ganglbauer

Gerhard Ruiss/Oswald von Wolkenstein: Herz, dein Verlangen

Lieder. Nachdichtungen. Band II.

Folio Verlag
Bozen 2008

Wir kennen Gerhard Ruiss als facettenreichen Autor, der auch Selbstironie und Gefühl in seinen Texten zu vereinen vermag. Ein konsequentes Unterfangen ist in der Tat das dreibändige Projekt mit Nachdichtungen der Lieder Oswald von Wolkensteins, von dem Band 1 und 2 bereits vorliegen.

Ruiss, der auch bei seiner organisatorischen Tätigkeit für die IG Autorinnen Autoren stete Disziplin verkörpert, tut dies ebenso in seiner Dichtung. Konzise und dennoch aus einer Leichtigkeit heraus (die in der vorhergegangenen Anstrengung wurzeln mag) sind die Nachdichtungen des letzten und berühmten Minnesängers geschrieben. Musikalisch, onomatopoetisch, rhythmisch, authentisch. Ruiss schafft es, die Leserin/den Leser in kurzer Zeit in jene klingende Umwelt hineinzuholen, die jene des Minnesängers, und die Antrieb für seine Lieder war.

Die Originaltexte finden sich im Anhang.

Zur Lektüre sehr empfohlen!

Petra Ganglbauer

Barbara Neuwirth: Das steinerne Schiff

Erzählungen

Literaturedition Niederösterreich
St. Pölten 2008

Bereits das Cover des vorliegenden Bandes vermittelt jene sphärische, ätherische Qualität, die auch schon frühere Bände der Autorin signalisierten:
Das Faszinierende an ihrer Arbeit ist, dass sie jene feinste Gratwanderung zwischen Tagbewusstsein und Phantasie nicht nur präzise sondern auch achtsam poetisierend zeichnet.

Ihre Erzählungen leben jedoch auch von einem Bezug zur augenscheinlich rationalen Seite des Lebens und der Dinge – diese spricht, auch wenn die Geschichten noch so alchemistisch anmuten, stets mit.

Rückbindend und unausgesetzt wirken die landschaftlichen Besonderheiten zwischen den Flüssen Donau und Thaya und verleihen den Erzählungen im vorliegenden Band auch diese unnachahmliche Schwingung.
Das Buch versammelt nebst neuem Textmaterial auch Erzählungen, die – teilweise – in abgewandelten Versionen bereits woanders publiziert wurden.

Schön, wieder etwas von Barbara Neuwirth lesen zu dürfen!

Petra Ganglbauer

Ann Cotten: Nach der Welt

Die Listen der konkreten Poesie und ihre Folgen

Klever Verlag
Wien 2008

Die LISTE erfreut sich in jüngster Zeit wieder zunehmender Beliebtheit, weil sie einerseits die Nähe zur Mathematik offen legt und andererseits Poetizität „verkörpert“.

Dieses Buch gewährt einen konzisen Einblick in Wesen und Merkmale bzw. formale Abgrenzungen der literarischen LISTE und ihre Funktionen und zeigt umfassend die unterschiedlichen Spielarten auf.
Insofern ist es auch ein Nachschlagwerk. Aber nicht nur.
Cotten nimmt Bezug auf teilweise beinahe schon klassische Beispiele (Ernst Jandl, Heimrad Bäcker u.a.) und jene jüngerer Autor/innen (Margret Kreidl). Sie zeigt auch jene Grenzlinie auf, die sich zwischen der Liste als Methode für den Alltagsgebrauch und ihrer poetisierten Form findet.

Der Duktus ist lebendig und dennoch präzise. Diesen Band nimmt man immer wieder gern zur Hand, um Einsichten zu verschärfen oder zu vertiefen.

Spannend auch die Fokussierungen auf bestimmte Aspekte „Liste als Antierzählung“, „Liste als Rhythmusinstrument“ etc.

Originell das Glossar! Das Buch ist achtsam gestaltet und eines der ersten, das im neuen Klever Verlag erschienen ist. Ansprechend die attraktive, weil dezente Gestaltung!

Petra Ganglbauer

Günter Vallaster: Hinter dem Buchstabenzaun

Extended Versions. Mit Transformationen von Ilse Kilic und einem Vorwort von Fritz Widhalm

edition ch
Wien 2008

Insistierend, von einer Dringlichkeit, wie sie Träume einfordern, sind die Texte Günter Vallasters in dem handlichen und liebevoll gestalteten Buch.

Wir finden Listen (oder Textvertikalen), Tableaus oder einfach scheinbar assoziative Folgen von Wörtern; gemeinsam ist ihnen diese eigenwillige Verkehrung der Sicht, diese Umkehrung des Standpunkts oder „Auskehrung“ jeglicher Linearität. Geometrisch gelenkt zunächst – erscheint diese Perspektive und ist dann doch jenes Schweben in einem multidimensionalen Raum, ätherisch und federleicht, licht: dieses wortwörtliche durch-die-Wände-Gehen Vallasters. Schön, berührend. Ungewöhnlich. Das Subjekt nimmt sich zurück, gliedert sich ein und ordnet sich den Dingen unter.
Die Benennung der Dinge wird in Frage gestellt; nichts ist mehr (sicher).
Ein dichtes und ebenso leichtes Gewebe, das lesend anzuziehen ich empfehle!

Ergänzt werden die weitgefassten Wortfelder „hinter dem Buchstabenzaun“ durch ein Vorwort Fritz Widhalms und textuelle Transformationen von Ilse Kilic.

Petra Ganglbauer