Gerhard Jaschke: Endlich doch noch

Kurzprosa

Sonderzahl Verlag
Wien 2008

Aus den „geheimen“ Ecken des Lebens und der Literatur gegriffen sind die kurzen Prosastücke in diesem Band.

Wie so oft in Gerhard Jaschkes Büchern erfolgt die konsequente Einbindung intertextueller Bezüge: als literarische Kommunikationspartner fungieren Zürn, Ovid und viele andere.

Diese Texte muten subtil humorvoll an; das sprechende Subjekt nimmt sich selbst aufs Korn, auch, weil es sich unter der Domäne einer fast schon lächerlichen Schicksalhaftigkeit weiß, einer allgemein menschlichen, die wohl jeden von uns betrifft.
Insofern gehen wir Leser/innen einen Pakt mit dem Autor ein.

Melancholie kommt da bisweilen auf, schwarzer Humor, dann wieder regiert der sprachspielerische Gestus, schließlich essayistische Trockenheit. Dies alles zeichnet die vorliegenden Texte aus: Sie sind lakonisch wie das Leben selbst.

Der Autor gewährt uns einen ironischen Blick auf Sinn und Unsinn des Lebens.
Endlich doch noch!

Petra Ganglbauer

Petra Ganglbauer: Im Schonungslosen

Gedichte

Mit Photographien von Elisabeth Wörndl

edition ch
Wien 2007

im_schonungslosenpetra ganglbauers im schonungslosen ist eine kantige partitur, die jegliche musikalität in die schranken weist, sobald sie in einen rhythmus zu münden droht.
das sprachliche system baut sich auf aus mauern, aus dem stocken, dem stillstand und der atemlosigkeit.
daraus generiert die autorin kurze textbauwerke, stellt sie auf die seiten wie gebäude. unverrückbar. unangreifbar. sprachliche entsprechungen zu elisabeth wörndls fotografien.

Mike Markart

Marián Hatala: wenn du vorhast nachts klavier zu spielen

Verlag FOART
Bratislava 2008

Ein schönes Buch, um wieder und wieder darin zu lesen.

Der Autor schneidet sprachliche Kurven an, er biegt tangential ab oder zündet voll Humor das Feuerwerk der Worte.

Meist ist es das Nicht Erwartete, Nicht Erahnte, das sich uns mitteilt.

Ja, es ist nicht selten so, dass wir Leser/innen hängen bleiben bei einer Zeile, weil die lyrische Aussage der Sentenzen eine Wende nimmt. (Die uns freilich nicht vertraut, manchmal auch auf irrwitzige Art fremd ist.)

Hatala bewegt sich im Raum zwischen dem Sichtbaren und dem Unsichtbaren, dort verfährt er literarisch: „kaum beginnen wir/uns oft und tief/zu verbeugen/wachsen uns schon einige zwerge/über den kopf“

Der Autor zieht alle Register, mit seinen lebensohilosophischen „logischen“ Schlüssen überrascht und unterhält er uns.

Ein Buch voll von sprachlichen Inversionen und gedanklichen Luftsprüngen.
Ein unterhaltsames Buch!

Petra Ganglbauer

Erika Kronabitter: Mona Liza

Roman

Limbus Verlag
Innsbruck-Hohenems 2007

Ein expressives, lautes Buch ist das, eines das aufhorchen lässt: der Untertitel des Romans lautet „Die Prosa der Verhältnisse“.

Diverse Rollenklischees, die Frau als Gebärmaschine, als angepasstes Weibchen etc. werden angesprochen, aufgezeigt und zugleich in Frage gestellt und unterwandert.

In immer neuen Anläufen, Zugängen, Schnitten, Rückblenden, Bewusstseinswiedergaben rollt die Autorin das Leben der Ich-Erzählerin auf; so Zeit- und- Raum-verschnitten wie das Leben eben ist. Dabei pendelt der Erlebnis- und Empfindungsraum gekonnt zwischen ausgesprochener Involviertheit und bewusster kühler Distanziertheit hin und her. Nicht viele Bücher gibt es, die so komponiert sind und dennoch so reich Inhalt, Geschehen, innerseelische Bewegtheit transportieren. Die meisten montageartig komponierten Werke sind dann schon wieder viel zu materialverliebt.

Immer wieder tauchen Sätze auf, die wie von irgendwoher oder besser, von einer bewussten Instanz in den Welt- und Lebensraum gestellt werden: „Wir müssen annehmen, dass die Zeiten schlechter werden, weil die Bilder bunter werden.“

Zugleich gibt es – Motto für Motto – eine durchgängige Begleitung auf einer Metaebene: Etwa: „Der Versuch/“leichthin“/ zu sein: eine Art/ des Flanierens.“

Da ist einmal die mitteilsame Protagonistin, die verschiedene Lebens- und Bewusstseinsphasen durchwandert; da ist aber auch Liza, eine Art Alter Ego, eine Stimme, die stärkt und aufmuntert, aber auch herausfordert.

Erika Kronabitter spricht viele Themen an, die beispielgebend für die zeitgenössische österreichische Literatur von Frauen generell sind, wie etwa das Geschlechterverhältnis, die Mutter-Tochterbeziehung, die Definitionsmacht der Sprache…

Und das ist wichtig!

Petra Ganglbauer

Nils Jensen: Podium Porträt 30

Gedichte
Hrsg.: Hannes Vyoral

Podium
Wien 2007

Nils Jensen © Podium

Eine achtsam zusammen-gestellte Sammlung von Gedichten aus vielen Jahren findet sich in diesem Band, der mit einem ebenso empatischen wie emphatischen Vorwort von Hannes Vyoral ausgestattet ist.

Die Gedichte des Autors weisen, obgleich stilistisch ebenso gekonnt wie bewußt unprätentiös, jene große Gefühlsskala auf, die von Entschiedenheit, Widerständigkeit bis hin zu Melancholie oder innerseelischer Schwere reicht. Facettenreich wie das Leben selbst sind diese Gedichte, die innergesellschaftliche Realität nie außer Acht lassend.

Jensen ruft uns auf, unsere Träume nach vorne auszurichten, den gefährlichen (!)Blick zurück mit aller Kraft zu vermeiden!

Das lyrische Ich ist und bleibt in Bewegung, wandernd, sinnierend, schreibend.
Und über allem liegt – jenseits intensiver Gefühle – eine spürbare Leichtigkeit und Fragilität, die vor allem auch stilistisch transparent wird.

Ein lesenswerter Band, der aufrüttelt und zugleich Freude bereitet.

Petra Ganglbauer

Günter Vallaster: ICH TASTE

edition zeitzoo
Wien 2008

Die Umkehrung von Subjekt und Objekt, dieser Abtausch, dieses Ineinanderkippen des Beobachters mit dem beobachteten Gegenstand, die Beseelung von allem, die Mystifizierung von allem, die Spiritualisierung von allem, das sind Wirklichkeitsfacetten, die der Autor auf dieser CD aufzeigt. Einmal zirkulär, (meist), dann wieder linear, immer jedoch architektonisch gebaut, aus kühlem Gestus, poetischem Kalkül: Schlanke beeindruckende Texte sind das, kontemplativ, auch was die Vortragsweise des Autors betrifft.

Organisch ist vor allem auch der 1. Text, landfall, irgendwann ändern sich darin die kompositorische Ausrichtung, die Perspektive, der Rhythmus, Vallaster kommt zur Sprache selbst oder besser: sie kommt zu sich.
Sowohl im ersten als auch im zweiten Text ( ich taste ) wird evident, dass der Mensch Teil von einem großen Ganzen ist, darin aufgeht, davon aufgegriffen wird. Auch wenn es im 2. Text ein Ich gibt, wandelt dieses doch wie in Trance durch die Landschaft aus Industrieanlagen und Cyberspace. Ich könnte auch sagen aus Innenenkopfrealität und Wald.

Wundersame, heute schon selten gewordene Texte sind das, empfehlenswert!

Petra Ganglbauer

Dieter Sperl: Absichtslos

Roman

Ritter Verlag
Klagenfurt-Wien 2008

Ignoranz ist eine Waffe, weil jener, der sich ihrer bedient, ganz bei sich bleibt und sich nicht auf das Energieniveau des Gegners begibt, der ihn herausfordern möchte:

Dieter Sperls Buch ist in diesem Sinne eine Waffe. Es ist äußerst radikal angelegt, weil es all jene Paradigmata unterwandert bzw. ignoriert, die unsere Gesellschaft(s-schreibung) ausmachen.
Ganz in den Nischen, entlang feinster inhaltlicher Ränder bewegt sich das Buch. Sperl schreibt Lücken. Er verlangsamt: Seine Roman ist in jener Tradition zu sehen, die die traditionellen opulenten, ausufernden Romankreationen durchquert. Es gibt keinerlei Spannungsaufbau, geschweige denn Spannungshöhepunkte in diesem Buch. Die Sprache fließt dahin, leise, langsam. Gleichförmig. Als ob alles und jedes, das Leben wie die Sprache selbst, gleichgültig wäre.

Die schreckenerregensten Dinge des Lebens werden von den Protagonisten in Nebensätzen erzählt. Sperl legt seine Figuren in Beiseln und Lokalen an. Lässt sie thematisch um Kulinarisches und anderes kreisen, währenddessen das Grauen, die Einsamkeit, die Angst ganz nebenbei erwähnt werden.

Nicht zu übersehen die spirituellen Bezüge, die der Autor sparsam einsetzt und im Text inhaltlich so geschickt verankert, dass sie nicht anzuzweifeln sind.

Ein wichtiges Buch!

Petra Ganglbauer

Nikolaus Scheibner: auf der hand

herbstpresse
Wien 2006

Cover leider nicht vorhanden (Foto des Autors © Ritter)

Nikolaus Scheibner spielt vieles (fast alles) durch, was Sprache ist, sein kann und impliziert.

Diese Texte sind in der Tat Artefakte, poetisch, jedoch immer wieder kongenial trashig angelegt, ganz auf der Höhe der Zeit, als ob der Autor mit der Sprache oder nein, mit dem Leben, nicht nur sprachspielerisch umgehen, sondern auch diesen ganzen Wirklichkeitsmüll mitsprechen lassen wollte. Als wollte er Poesie und Existenzmüll verschränken.

Er führt Material aus unterschiedlichsten Kontexten (Zeiten, Orten) zusammen, um mittels immer neuer formaler Anläufe, diese ganz vertraute (Sprach)Wirklichkeit aus ihren Fugen zu reißen, kippen, brechen, unterminieren.

Ja, es ist, als wäre das ganze Buch eine einzige brennende Unterminierung von jenem müden Sprachgebrauch, dem wir alle mitunter anheim fallen.
Als wäre es ein zynischer Weckruf!
Ein poetischer Wächter!

Sehr lesenswert!

Petra Ganglbauer

Magdalena Knapp-Menzel: ich spreche nicht

deutsch-japanisch
Manabe Anton: Satz, Nachdichtung, Holzschnitte

herbstpresse
Wien 2007

Es fällt schwer, während der Lektüre dieses Buchs die exzellente Interpretation der Autorin selbst nicht in Ohr und Auge zu behalten. Tatsächlich spricht sie bei jedem geschriebenen Wort, jedem Staccato, jeder rhythmischen Konsequenz mit, wenn ich in diesem Buch lese.
Widerständig, scharf wie eine geschliffene Klinge muten diese Textsequenzen an, die Autorin zerteilt, zerschneidet, legt offen und frei, was sich an Zutaten in der Sprache verbirgt.
Sie zerkleinert und zerklaubt derart, dass neue verblüffende Sinnzusammenhänge entstehen, die ganz nahe an den Ursprüngen der Sprache, ja, auch nahe an dem, was vor der Sprache liegt – das Schweigen? – angesiedelt sind. Da rennt sich ein aufmüpfiges lyrisches Subjekt den Kopf an: wieder und wieder. Kopf gegen Wand. Gegen Welt. Und noch einmal.
Hin und wieder gibt es kreisende, runde Stellen in den Textabschnitten, dann wieder Zäsuren, hart und irrwitzig.

Kongenial die Holzschnitte (Satz, Nachdichtung) von Anton Manabe.
Ein empfehlenswertes Buch!

Petra Ganglbauer

Friedrich Hahn: egal

Verlag Der Apfel
Wien 2007

Die Liebe ist kein Roman

Friedrich Hahn hat einige Bücher über die Liebe geschrieben. Dies ist sein erster Roman. Die Liebe ist inkommensurabel, deshalb können Tina, aus einer achtjährigen Haft entlassen, und Harald, ihr vormaliger Bewährungshelfer, nichts über die Liebe sagen. Das, was Harald Kreill als „erfahrung jenseits der erfahrung“ bezeichnet, das getrauen sich die Liebenden nicht beim Namen zu nennen. Die Krise entsteht, weil im Gegensatz zur Unermesslichkeit des Gefühls plötzlich der Anspruch da ist, dass sich etwas Überschaubares, Einsehbares, Lenkbares entwickeln möge.

Die Hauptmelodie des Romans ist reich instrumentiert durch den Gang des Inneren, der Gedanken, Träume, Überlegungen und durch den Kommentar des Autors. Kein happy end! Bettina Szalto verschwindet nach Monaten spurlos und kommentarlos von der Bildfläche. Das ist vom Autor gut vorbereitet. Als sie einmal über den fragmentarischen nachgelassenen Roman ihres Vaters sinniert, den sie veröffentlichen möchte, meint sie: „vielleicht sollte die geschichte besser ohne schluss bleiben. pengg. einfach aus. abgerissen. schluss. ende. hat noch keiner geschichte geschadet …“. – „wer schadet wem?“ kommt es Harald in den Sinn.

Die vielen Witze und Kalauer im Buch gehören zum Thema. Zwei Beispiele: „ich finde in situationen wie dieser kann man nur rauchen oder nicht rauchen.“ Harald hat Geburtstag: „man wird nur einmal das erste Mal 38.“ Klingt merkwürdig überdreht. Man kann es als speziell wienerische Art von existenzieller Verzweiflung lesen oder wird an Frédérik Beigbeder erinnert, der vom postmodernen Leben sagt: „Humor ist Pflicht; die Welt ist ein einziger Scherz.“ Des befreundeten Dusies Name ist eine Kompilation aus „du“ und „Sie. Dusie will vom ernüchterten Harald das Geheimnis einer langen Beziehung wissen, dann gibt er die Antwort selbst: „das geheimnis ist, dass man sich nicht trennt“. Hahaha!

„ich küsste sie, als sei ich in not. ich fühlte, dass sich da etwas breitmachte, was noch am reifen war. als lebten wir eine zeit, tina und ich, die erst eine fortsetzung suchte, die sich uns bisher immer nur in ersten ansätzen dargestellt hatte.“ Das ist nun das Liebesprojekt. Tina reagiert mit Panik. „hilfe, ich bekomm keine luft mehr …“. Aber genau so wenig, wie Harald und Tina wissen, wie sie es richtig anstellen sollen, genau so wenig erschließt sich dem Leser, was richtig und was falsch sein könnte. Konzepte haben oder keine Konzepte haben, was die Liebe anlangt – alles gleich fragwürdig. Harald: „ich will nichts fordern. mit jeder forderung nehme ich mir selbst etwas. alles muss von allein passieren.“ Die Protagonisten fassen die Liebe als eine Art Naturgeschehen auf, ohne zu merken, dass sie sich damit zu Opfern machen. Tina macht sich die Sentenz ihres Vaters zu eigen, dass alles sein Gegenteil brauche, um wahr zu sein. Wenn man das in Gedanken weiterspinnt, braucht das Große das Kleine, das Gute das Schlechte, das Wahre das Unwahre, Leben und Tod sind untrennbar miteinander verbunden. Und Tina spitzt das noch zu: „ alles, was machbar ist“, sagt sie, „ist auch zerstörbar.“ Da verschlägt es ihrem Freund die Rede. Was soll das heißen? Jedenfalls ist klar, dass jede Beziehung dann auch ihr Ende in sich trägt. Und so „natürlich“, wenn auch abrupt, endet dieser Roman, der uns mit Verhältnissen vertraut macht, in denen eigentlich nichts egal ist, denn es geht darum, etwas vom Leben zu haben. Posthistoire! Das Ende der Lebensentwürfe! Gibt es Gründe, die Liebe zu hegen, zu pflegen, weiterzuentwickeln? Oder sollen wir uns an etwas halten, das man eher als heidnisch bezeichnen könnte? Dann heißt die Wahrheit Aufbauen und Zerstören, Werden und Vergehen, dann ist entweder alles gleichgültig, oder – ist dann alles gleich gültig? Der Roman, der aus verschiedenen Perspektiven erzählt wird, vereinigt den Blick auf die Realität aber gerade in diesem Punkt des Zweifels. So manche Lebensäußerung wirkt gespielt, der Autor zeigt anschaulich, dass ein Als-ob herrscht. Auffallend jedenfalls, dass der Blick auf die anderen so zweifelnd ist: Meinen sie es ernst mit dem, was sie zeigen und sagen, oder ist es Theater? Und vieles scheint mehrdeutig zu sein. Es ist das Verdienst des Autors, dass er im Alltäglichen die richtigen Bilder für Ambivalenz findet. Tina sitzt am Frühstückstisch und hält „ihren vornüber gebeugten kopf an ihrem eigenen schopf hoch“. (Sie wartet auf ein Gummiringerl, um ihr Haar binden zu können.) Das kann man positiv sehen und lesen: Sie ist dabei, sich an ihrem eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen. Man kann es aber auch als Selbstköpfung auffassen. Oder sie erklärt Harald, was der Ausdruck „o.k.“ bedeutet. Ihrer Meinung nach kommt es von „oh, killed“, im Sinne von „es ist ausgestanden“. Auch das ist zweideutig, wenn man als Leser weiß, dass Tina verurteilt wurde, weil sie ihr neugeborenes Kind getötet hat, was übrigens zwischen den beiden nie zur Sprache kommt. Das Buch ist spannend geschrieben und durch Verknappung und Prägnanz gekennzeichnet. Und das Schöne daran: Es kommt leichfüßig daher, aber die Dinge werden intensiv befragt.

Gerwalt Brandl