Elffriede: seismograph, ein aufzeichnen-system. butterbrot.

edition ch
Wien 2007

seismograph, ein aufzeichnen-systemFacetten von Wirklichkeit, Nuancen, Schemen, Linien, Gravur:

Das vorliegende Buch ist ebenso sinnlich wie feinsinnig. Es ist zwischen den Welten angesiedelt, zwischen Hier und Dort, zwischen dem Aussprechbaren und dem zu Verschweigenden.

Elffriedes Skizzen, Zeichnungen und Texte kommen auf leisen Sohlen daher, auf Samtpfoten. Es sind Zeichen der Stille, der Suche, es sind Tiefgänge, Wahrnehmungsverdeutlichungen. Sie verkörpern Kontemplation, aber auch das Lächeln darüber.

Das Buch erinnert an dada, an Schwitters, an diverse Vorläufer eines spielerischen Zugangs zur Sprache.

Es macht Lust auf Bücher, auf Lesen, aber auch auf Schreiben, weil es den oft so verkopften Zugang zur Literatur subtil unterminiert.

Ich habe die Lektüre genossen, mir häppchenweise zu Gemüte geführt. Ich werde das Buch wohl immer wieder hervorholen, um mich neu und anders darauf einzulassen.

Petra Ganglbauer

Lucas Cejpek (Hrsg.): Beckett Pause

Minidramen

Sonderzahl Verlag
Wien 2007

cejpekDer vorliegende Band ist anlässlich des 101. Geburtstags von Samuel Beckett erschienen. Lucas Cejpek lud insgesamt 67 Autor/inn/en unterschiedlichster Provenienz ein, Minidramen zu, für oder nach Beckett bzw. auch unabhängig von ihm zu verfassen.
Formal spannend ist dieses Buch in der Tat, spiegelt es doch Verfahren wider, die jenes Sprunghafte, Sperrige, Reduktionistische enthalten, das auch beispielgebend für die Arbeit des Dichters war und ist.

Die Dialoge (Die Auflage war: Minidramen – für 2 Personen – zu verfassen, deren Ausmaß 2 Seiten Umfang nicht überschreiten sollte) zwingen die Leserin, den Leser, sie wieder und wieder zu lesen bzw. sich nochmals in Erinnerung zu rufen: Die wenigen Sätze, Fragmente, die Interpunktionen muten wie buchstäblich gewordenen „Synapsen“ an.
Echohaft mitunter, schablonenhaft wirken die Dialoge, nicht selten reflektieren die wenigen Worte einen Leerlauf des Denkens, diese Endlosspirale der Stille und des Nichts.
Oder ein Kreisen tut sich auf, ein In-sich-Kreisen des Sprechens, dieses „zu-sich-selbst-“ oder „aneinander-vorbei-Sprechen“, das keine linearen Wort/Fort/bewegungen gestattet.
Was absehbar ist, sind Absprünge, Sprünge überhaupt, Deviationen.

Lucas Cejpek sei gedankt für dieses Buch. Aber auch dafür, dass er immer wieder für seine Projekte zeitgenössische Autorinnen und Autoren einlädt. Diesmal finden sich unter den zahlreichen Geladenen: Elfriede Czurda, Margret Kreidl, Dieter Sperl, Rosa Pock, Gerhard Rühm, Christian Steinbacher, Raymond Federmann oder Zsuzsanna Gahse.

Petra Ganglbauer

Helmuth Schönauer: Afterschock

Schwere HTML-Gedichte

Verlag Sisyphus
Klagenfurt 2005

Poetisierte Traumatisierungen sind das, ein Aufzeigen jener Blutleere im Gehirn, die Platz greift, wenn nichts mehr Sinn macht, alles ausgereizt und überdehnt ist. Und somit austauschbar. Wenn nichts mehr, kein Wort, kein Sinn, kein Ding für sich stehen kann; wenn alles verschwimmt und sich zu verlieren beginnt. In Art von Hyperstrukturen hat der Autor den Band aufgebaut; da gibt es ein Weiterschreiben, Korrespondenzen oder auch Schlüsselworte.

Einmal mehr trifft Helmut Schönauer auf geniale Weise den Nerv unserer völlig aus den Fugen geratenen Gesellschaft (Das lyrische Ich lebt an der Peripherie im Österreich des Jahres 2005) und zeigt Mechanismen des grellen Scheins dieser spätkapitalistischen „Ordnung“ auf: Obszönitäten, Wertverlust, Sprachstillstand, Isolation, Einsamkeit, seelische Verrohung usw.

Da ist nichts mehr. Nicht einmal mehr Fragmente einer Zugehörigkeit sind erfahrbar, alles kommt beiläufig neben allem zu liegen oder zu sprechen: dieses verbliebene Nicht-Einmal-Nichts, diese verkommenen Reste aus flacher Sprache und oberflächlichem Handeln ziehen einem die Gedanken, die Worte beim Lesen des Buches dann noch einmal aus dem Kopf wie fade, müde, ausgedünnte Keimlinge. Als kämen sie durch den Lesakt noch einmal zur Welt!
Um sich dann endgültig aufzulösen.

Doch nicht einmal Fragen hinterlässt dieser schreckliche Abgang.

Der Autor erreicht, dass wir zwischen den Sätze durchfallen, nein, regelrecht hinunterstürzen, aber da ist nichts, was uns auffangen könnte.

Aber wohin stürzen wir nur, wohin?

Petra Ganglbauer

Petra Ganglbauer: Der Himmel wartet

Milena Verlag
Wien 2006

Eine Skizze voll Abschied

Das Buch ist mehrschichtig komponiert, verschiedene Stimmen repräsentieren unterschiedliche Instanzen. Die Angelpunkte des Buches sind einerseits etwa 40 Texte, die sich wie PR-Texte lesen, allerdings satirisch überspitzt, eigentlich auf eine teuflische Spitze getrieben, es geht um die höchste Lust und Erfüllung aller irdischen Wünsche, zugleich um Auslöschung, Vernichtung. Als Abgesang und Schlusskapitel und Kontrast stehen 17 Texte, die man als Resurrektion menschlichen Lebens empfinden und lesen kann. Hier ist der Mensch in Kontakt mit sich selbst: Augen und Ohren (die Autorin nennt das Schlusskapitel folgerichtig „Augentexte Ohrentexte“) verhelfen dem Menschen zur Wahrnehmung, d.h. zu einer ihm gemäßen Wahrheit. Im Gegensatz dazu ist der Mensch in den 40 kursiv gesetzten Texten fremdbestimmt und manipuliert, man kann aber auch sagen: unter dem Diktat seiner eigenen Gier nach immer neuen Dingen, Glück, Genuss, Sicherheit, Erfüllung etc.

Diese Texte kann man als Einführung in die Hölle lesen, die besonders dadurch gekennzeichnet ist, dass die Wahrheit verdreht wird: Nicht der Himmel wartet nämlich, sondern die Hölle. Das Höllische besteht im Hohn, der über die Verdammten ausgegossen wird. Die poetische Montage- und Überspitzungskunst der Autorin erzeugt eine doppelt codierte Botschaft, die den hoffnungslos Festsitzenden einerseits die grausame Wahrheit nicht vorenthält, ihnen anderseits aber vorgaukelt, dass sie nicht nur gerettet werden, sondern in Saus und Braus leben können. „Sichern Sie sich Ihr Weekend-Haus dort, wo keine schmutzige Bombe abgeht. Immer ein Haus weiter. Schon einen Block daneben kommt man mit dem Schrecken davon. Die Bombe sucht nur die Dummen. Be clever!“ Persönlich und höflich werden die Verdammten angesprochen, und “der Teufel“ baut auf ihren erhärteten Glauben, dass alles käuflich ist und erworben werden kann, wenn man es sich nur rechtzeitig sichert, oder sich „versichert“, z.B. gegen Black-out und Lawinen. Wer wirklich clever ist, lässt uns der Teufel wissen, betrügt Teile von sich selbst mit anderen Teilen von sich selbst: „Heizen Sie Ihrem Body ein, beginnen Sie ein neues Verhältnis mit Ihrem Po. Betrügen Sie damit Ihre Hüften!“ Die Angebote sind Endlösungen: „Wir trainieren das optimierte, optimale multifunktionale Programm: Am Ende sind wir nicht mehr da, so jung sind wir (…) Null. Nichts. Jünger geht es nicht mehr!“ Das ist bitterste Satire, die ein aufkommendes Lachen sofort erstickt. Der Archetypus der Hölle ist so sehr beschworen, dass man eher weinen möchte. Denn was ist die Hölle? Dass man sich den Tod wünscht vor Pein. Aber in einer perversen Verdrehung heißt es u.a.: „Es lebe der Tod. Aber nicht für Sie!“.

Interessiert hat mich das Skizzenhafte des Buches. Einmal kann man lesen: „Eine Skizze voll Abschied“. Es fällt auf, dass der Text vielfach im Schwinden begriffen ist. Es ist eklatant, dass der Hauptteil, der eigentliche poetische Einfall, eine groteske Übersteigerung der Symptome gegenwärtigen Konsum- und zivilisatorischen Größenwahns, ausformuliert ist, während andere Teile fragmentarisch bleiben. Für die Abschnitte DOs und DON’Ts findet die Autorin 15 magere Zeilen, die Kategorie der in Großbuchstaben präsentierten WIR-Texte, die man als Stimmen aus einem Schatten- oder Totenreich begreifen könnte, ist mit gerade 6 Beispielen vertreten, und die prägnanten Einschübe, „Ort, wie ist dein Name“, „Lärm, wie ist dein Name“, Sprache, wie ist dein Name“, sind Sparvarianten, wobei ich mich aufgrund des brisanten Themas frage, warum nicht auch Schrecken, Bild, Gott, Baum oder Schatten z.B. auch nach ihrem Namen gefragt werden. Ich habe keine Theorie der Skizze zur Hand. Aus einer Eingebung heraus habe ich im Internet geforscht (gegoogelt), und unter DOs und DON’Ts eine Fülle von Texten gefunden. Früher hat uns der Katechismus gesagt, was wir tun sollen und was wir zu lassen haben, jetzt sagen uns das die Manager und Werbestrategen. Sie haben das Sagen. Sie penetrieren uns mit ihren Texten. Die Belletristik kämpft gegen die anderen Bilder und Texte. Vielleicht wartet der Himmel, wenn wir die Hölle entschlossen verlassen. Wer sind wir? Sind wir noch ansprechbar?

Gerwalt Brandl

Walter Pucher, Martin Burkhardt: harzblut stark riechend

Lyrische Portraits

edition ch
Wien 2006

Spannend an diesem Lyrikband ist – um erst einmal bei der Sprache zu bleiben – die Zusammenschau aus sprachstrukturellen Verfahren und einer ziemlich deutlichen Metaphorik.
Dazu kommt noch der enge Bezug zur Mythologie.

Was sich der Leserin, dem Leser offenbart, ist von einem konsequenten, manchmal bewusst strengen Duktus getragen, wie eben auch hinter jedem (sprach)spielerischen Prinzip stets Disziplin verborgen ist.

Wiederkehrend Parenthesen, die mitunter dem Text nachgestellt sind, d.h.: insofern auch eine weitere Titelzeile ergeben könnten oder eben auch komplementär wirken bzw. nachdrücklich, verstärkend.
Die Lesarten sind somit vielfältig: versteht man die Klammerausdrücke als Zusatzstimmen oder als Tiefenschichten der Sprache? Ich denke, dass sich im Laufe der wiederholten Lektüre immer neue Ebenen erschließen. Walter Pucher lässt jedenfalls Raum für gedankliche Einmischungen.

Schön die beigestellten Arbeiten von Martin Burkhardt; sie schaffen die Basis für ein dialogisches Prinzip in diesem Buch, eröffnen sich doch formale Spannungen im Zusammenwirken beider Kunstgattungen.

Ansprechend gestaltet der Band überhaupt. Lesens- und betrachtenswert!

Petra Ganglbauer

Thomas Stangl: Ihre Musik

Literaturverlag Droschl
Graz-Wien 2006

Sphärisch, wie hinter einer matten Glasscheibe, bewegt sich das Geschehen in diesem Buch; dementsprechend schwebend, fragil und doch von einem entscheidenden Welt- und Daseinsbezug getragen, stellt sich die Sprache dar. Von scheinbarer Leichtigkeit und großer Fragilität ist der Duktus dieses Werks, dessen Inhalt sich jedoch hart am Boden bewegt.
Hart aus äußerster Wachsamkeit und Bewusstheit.

Thomas Stangl, dessen Debut „Der einzige Ort“ auf positives Echo stieß, erzählt in diesem Roman das gemeinsame Leben zweier Frauen (Emilia und Dora, Mutter und Tochter).

Rituell wiederholen sich die Gesten des täglichen Lebens in jener uns im Laufe der Lektüre immer vertrauter werden den Wohnung in Leopoldstadt (in Wien):
Der Morgen Emilias mit Kaffee und Zigaretten etwa, und andere derartig alltägliche Szenen, bilden die stabilen Eckpfeiler inmitten dieser gedanklichen Wanderung, eines Sprachgestus, der filmisch anmutet.

Eine unausgesetzte Gedanken-, Bilder- und Zeitenschmelze ist das, die jenes spezifische Flimmern, Oszillieren, jenes Ineinander- und Gegeneinanderfließen der Dimensionen erzeugt welches bezeichnend ist für diesen Roman.

Sind die profanen Themata auch noch so real geschildert (etwa das körperliche Leiden Doras), gerät man als Leserin/Leser dennoch in Versuchung, noch einmal zurück zu wollen in der Zeit oder nach vorne, um es der Erzählinstanz gleichzutun, die parenthetische Einschlüsse, Ergänzungen, Widerrufungen vornimmt.

Die Erzählinstanz selbst teilt und erlebt den Schwebe- bzw. Flugzustand, in dem sich das ganze Werk befindet.

Ein faszinierendes Buch!

Petra Ganglbauer

Christa Nebenführ: Blutsbrüderinnen

Roman

Milena Verlag
Wien 2006

Die Lektüre setzt sich fort, auch nach Beendigung des Buchs.
So rasch gibt man/ Frau nicht auf. Hinterläßt doch gerade das Gedicht am Ende des Buchs eine Melancholie, um nicht zu sagen eine gewisse Schwermut.

Und das ist das Interessante an dem Buch: Die Autorin erzählt mit Humor und Ironie Kindheit und Jugend Hermines und deren bester Freundin Elvira bis an die Schwelle zum Erwachsenwerden. Hinter dieser wortwörtlichen Schicht aus Witz und Lächeln jedoch steckt tiefer Ernst.
Wir werden Zeugen unterschiedlichster – von Christa Nebenführ offenherzig und ausnehmend authentisch geschilderter – Szenen, die abgesehen von den wechselnden Topografien (Schule, Lokale, Elternhaus…), zugeschnitten zu sein scheinen auf die hervorstechensten Themen jener entscheidenden Jahre im Leben eines Menschen überhaupt.
Sexualität, Verliebtsein, Mädchenfreundschaft und -erotik, erste verstohlene Lektüren in einschlägigen Heften und vieles mehr.

Spannend sind die einzelnen Abschnitte des Buches, aus großer Sensibilität geschrieben beispielsweise jene Sequenz, in der die beiden Freundinnen Blutsbrüderschaft schließen wollen, für immer und ewig. Und es auch, unbeholfen aber doch, tun.

Ein Buch, in das man als Leserin rasch einsteigt und sich gerne darauf einlässt, um sich zurück tragen zu lassen in jene eigene, sehr persönliche Zeit, und sei es nur für ein paar Stunden.

Das Buch ist ausnehmend schön gestaltet.

Petra Ganglbauer

Lucas Cejpek: Dichte Zugfolge

Edition Korrespondenzen
Wien 2006

Lucas Cejpek offeriert literarische Maßarbeit in seinem neuesten Buch.

Aus großer Genauigkeit und einem spezifischen Impetus setzt sich „Dichte Zugfolge“ zusammen und ermöglicht so der täglichen Benutzerin der Wiener U-Bahnlinien einen erfrischenden Zugang zum Objekt der Auseinandersetzung.

Der Autor durchquert und unterwandert jegliche Monotonie. Die poetischen Einstellungen folgen Stationen gleich aufeinander. Man könnte sie allerdings auch auf die Abfolge der U-Bahnwaggons beziehen.
Der Autor holt sich Impulse aus den verschiedensten Kontexten: er verweist auf Filmszenen, auf Literatur, er notiert alltägliche, reale Gespräche et cetera.
Es scheint so, als ob er sich – die Wiener U-Bahnstrecken bereisend – auf mehreren Wahrnehmungsebenen bewegt hätte: auf jener des Fahrgasts und auf jener des Regisseurs oder auch Kameramanns.

Die Sprache, die der Autor einsetzt, ist an manchen Stellen beinahe protokollarisch.
Dann wieder sprühen poetische Funken!

Ein reizvolles, spannendes Buch, nach dessen Lektüre sich der Umgang mit dem Urbanen, Alltäglichen sicher entscheidend verändert. Ein alltagsästhetischer Beitrag!

Ich habe das Buch in einem Zug gelesen!

Petra Ganglbauer

Fritz Widhalm: pubertät mit mädchen

visionen und versionen

Edition CH
Wien 2006

Dieses Buch zieht die Lesende (den Lesenden) in seinen Bann. Es ist von einer solch atmosphärischen Dichte, wie sie synästhetische Kompositionen innehaben. Fritz Widhalm spielt aber auch bewusst mit der Trivialität, die an schlechte Heimatromane erinnert.
Wir werden hinein- und hinuntergezogen in tief Vergrabenes innerhalb der Psyche (das, was in den untersten Schubladen lagert), an Kindheit und Pubertät erinnert (diese verqueren, vertrackten Mischungen aus Unausgegorenem, Schamhaftem, Neugierigem, Banalem, Unfertigem; all das in einer Zusammenschau, die eine Eigengesetzlichkeit hat, eine Sogwirkung aus Lust und Laster.)
Der jugendliche Ich-Erzähler ist flankiert von immer denselben Personen (Großmutter; Mädchen; Herr Martin; Emma, die Lokomotivführerin…); denselben Tieren (tiefschwarze Kolkraben…); denselben Orten (Wiese.Wiese.Wiese… Das kleine Klosett am Ende der finsteren Zughaltestelle…). Dementsprechend stringent ist das Setting.
Innerhalb dieses abgesteckten Rahmens brodeln die jugendlichen Gefühle; sie schwappen nie ganz über.
Dem Autor gelingt es, jene Dosis herzustellen, wie sie symptomatisch für pubertäre Empfindungen ist: einerseits die Sehnsucht danach, endlich überzulaufen. (Wie ein überhitzter Wassertopf.) Andererseits aber auch diese Hemmung, es dann auch tatsächlich zuzulassen.
Visionen, der erste Teil des Buches, ist nahe am jugendlichen Duktus. Versionen ist schnittiger, erwachsener, kontrollierter.
Ansprechend auch die Zeichnungen des Autors, die dieses Hinüberkippen in das Heimatliche, Lauhwarme, Triviale noch unterstreichen.

Petra Ganglbauer

Gerhard Ruiss: Kanzlergedichte 2000-2005

Edition Aramo
Wien 2006

Man (Frau) könnte verzweifeln angesichts der Sprachverrohung in Politik und Gesellschaft. Man (Frau) möchte fliehen vor dem Schmierentheater. Man (Frau) könnte schreien vor Wut.
Der vorliegende jüngste Band von Gerhard Ruiss hilft einem dabei, dies alles nicht tun zu müssen. (Auch, wenn es schwer fällt.) Er lädt ein, mit zumindest einem lachendem lesendem Auge in die banale, zuweilen absurde, vertrackte oder gar dümmliche Alltagsrealität der vorwiegend innerösterreichischen Verhältnisse einzutauchen.
Das andere, weinende Auge wird auch noch lachen. Spätestens dann, wenn man (Frau) das Buch zu Ende gelesen hat: Dieser Band ist geistreich und witzig, sprachspielerisch (permutativ, onomatopoetisch…) und tröstlich.
Der Autor wählt den vielleicht einzigen Ausweg aus diesem scheinbar unausweichlichem gesellschaftlichem Dilemma. Er setzt bei der Sprache und deren Instrumentalisierung an. Hinlänglich bekannte Sager tauchen da ebenso auf wie ritualisierte verbale Machtallüren.

Gut, dass es dieses Buch gibt. (Man müsste sonst verrückt werden.)
Interessant auch die Stimmführung des Autors, wenn er daraus liest.

Ich habe ihn gehört und verstanden.

Petra Ganglbauer