Manfred Chobot: Reisegeschichten

Erzählungen

Bibliothek der Provinz
Weitra 2003

Manfred Chobot, Autor und Reisender aus großer Leidenschaft, versammelt in seinem neuen Buch Erzählungen von Aufenthalten in den unterschiedlichsten Regionen der Erde. Schon das Cover ist ansprechend und zieht uns unweigerlich hinein in das 266 Seiten-Buch:
Indigeñas vor einer Kirche auf der Vorderseite; die „Bodequita del Medio“ in Havanna (Hemingways legendäres Lieblingslokal) auf der Rückseite des Bandes, der sich seinerseits in einem erfrischenden Grün präsentiert.
Chobots Geschichten sind lebendig und gleichermaßen akribisch gestaltet, ergänzt er sie doch durch faktisches Wissen in Sachen Alltagsästhetik, Geschichte oder Politik.

Die Reise führt uns von Rom über New York, um Beispiele zu nennen, nach Hawaii (jahrelang eine Art zweite Heimat des Autors) weiter über Mexiko, Peru oder Kuba nach China, Hongkong und schließlich wieder zurück nach Europa, ins gute, alte Berlin.

Eigentlich hat man es gar nicht mehr notwendig, selbst in Zug oder Flugzeug zu steigen, solange das Buch auf dem Nachtkästchen liegt. Die ansprechend kurzen Texte eignen sich vorzüglich, einzeln gelesen zu werden, ermöglicht diese Art Lektüre doch ein intensives, augenblickliches Verweilen.
Chobot lässt sich sehr genau auf die Destinationen ein, seine Recherchen und Erlebnisse bieten eine ideale Verknüpfung aus Spontaneität und Analyse.

Ein empfehlenswertes Buch für alle Welt- und Kulturhungrigen Leser/inn/en.

Petra Ganglbauer

Noch ein Tip: „entschuidigns“ eine CD von Manfred Chobot und dem palästinensischen Musikkünstler Marwan Abado, die eine Synthese aus Wiener Dialektgedichten und arabischen Melodien herstellt.

Bernadette Schiefer: Kleine Erzählungen am Rande

TRITON Verlag
Wien 2003

Schon das Foto deutet den Kern der vorliegenden Erzählungen an: Kleine unspektakuläre Gesten des Fortgehens und Wiederkehrens, des Weitergehens und Abweichens, des Schweigens und des leisen Sprechens. Sie erzählen vom Leben, von der Liebe, vom Abschied, vom Schwanken.

Die Stimmführung ist eine bewusst zurückgenommene, Bernadette Schiefer erzählt, ohne jenen überlauten, schreienden Duktus anwenden zu müssen, der hinlänglich bekannt ist.

Da und dort jedoch, beispielsweise in „Sappho geht“ , kippt die Sprache jedoch; sie verlässt ihre Spur, ihre Funktion einer langsamen Begleiterin der Protagonist/inn/en und erregt sich selbst, indem sie in einen raschen Abtausch von Wörtern und Exklamationen verfällt. Ein durchaus spannendes Unterfangen!

Das Fragile wie die Flüchtigkeit sind insgesamt Wesenzüge dieser Sprache, ein Prinzip, das durch die wechselnden Topographien noch unterstrichen wird.

Nuancierungen, Grenzgänge und schließlich Bekenntnisse zum Leben, die aus einer einzigen Sicherheit entstehen, nämlich jener, welche die Potentialität von allem gewährt.

Petra Ganglbauer

Gerhard Kofler: Poesie di mare, terra e cielo / Poesie von Meer, Erde und Himmel

Italienisch – Deutsch

Wieser Verlag
Klagenfurt/Celovec 2003

Es ist die Ordnung, die in der vorliegenden Gedichtsammlung besticht, die Ordnung wie die Leichtfüßigkeit, mit der der Lyriker Gerhard Kofler seine poetischen Markierungen setzt. Dieser Band ist eine Ergänzung des im Jahre 2000 erschienenen Bandes „Poesie von Meer und Erde“, neu, angereichert und topografisch ergänzt durch den Empfindungsraum „Himmel“.

Wieder bezieht der Autor Mythen in seine Gedichte ein, etwa in „Rückkehr des Odysseus“, (Poem) oder „Orpheus“ (Poem), jenen streng formal ausgerichteten Zyklen, die im Laufe des Buches ( das – wie sein Vorgänger auch – so ansprechend und enigmatisch gestaltet ist, als ob es ein Geheimnis hüten wollte) auch jenen Kurzgedichten Raum geben, wie sie beispielsweise der Zyklus „Trilogie der Himmel“ enthält.

Bemerkenswert auch immer wieder jene Gedichttitel, die, ihrerseits Metaebenen, den jeweiligen Textkörper ergänzen, als wollte der Autor damit der Leserschaft Flügel wachsen lassen, damit diese besser abheben könne. Zum Beispiel: AUSBESSERUNG DER KRÄHEN oder WIEDERAUFNAHME ZUR WIEDERHOLUNG.

Streng voneinander unterschieden auch die Texturen und Traditionen, wie etwa die „Amerikanischen Fugen“ oder an anderer Stelle die „Sonette“, je nach Örtlichkeit, Zeit oder Bezugspunkt als Formduktus akribisch ausgewählt.

Kofler ist ein mehrsprachiger Lyriker, der sich rückgebunden weiß, an klassiche Vorbilder und Traditionen der Dichtkunst, um sich dort auf Zeit niederzulassen und letztlich zu sich selbst zurückzukehren, in einer Art Wiederantritt!

Petra Ganglbauer

Lisa Spalt: saschaident

Das Fröhliche Wohnzimmer – Edition
Wien 2003

Zunächst saschaident, dann saschaideal – beide Kapitel des Buches sind sehr unterschiedlich komponiert. Methoden werden einer Prüfung unterzogen, um zu erzählen:

In vielfachen Anläufen nähert sich die Autorin der Figur Sascha, zunächst epischer, dann in eruptiven Sequenzen oder Stufen, immer jedoch über die Sprache. Wie Worte Wandlung erfahren, wie Inhalte neu entstehen, wie eine Geschichte eine andere, immer neue ergibt, wie der Duktus sich insgesamt laufend ändert und doch eine ganz bestimmter, richtungsweisender Rhythmus konsequent beibehalten wird: das Buch ist beispielgebend für Sprachspiel und Disziplin, ist anregend und grün wie der Frosch-König, der es auch ziert.

In zehn Folgen mit informativen Fußnoten packt Lisa Spalt ihre gestrenge Stilvorgabe temperamentvoll an: Wie die Sprache sich zunächst führen läßt, dann eigenbewegt und kreisförmig wird, wie trockeneres Episches plötzlich ornamental oder dramatisch daherkommt.
Wie Sprüche geklopft werden!
Dies alles läßt sich gut begleiten. Und wir lassen uns von der Autorin und ihrer Sprachakrobatik gerne an die Leine nehmen.

Petra Ganglbauer

Ruth Aspöck: (S)TRICKSPIEL

Montage

Edition die Donau hinunter
Wien-St. Peter am Wimberg 2003

Wohlstrukturiert, aus einem konsequenten Gestus heraus, aber auch spielerisch und sehr originell ist dieser neueste Band von Ruth Aspöck.
Geschichte, Mythologie oder auch Etymologie finden Eingang in das Thema und lassen nach und nach ein (S)TRICKSPIEL entstehen. Die geistreiche, ganz und gar nicht langatmige Aufarbeitung der (S)trickkunst ist wirklich gelungen. Aspöck operiert mit Mehrdeutigkeiten, Implikationen und Assoziationen: etwa wenn es um Verstrickung oder Trennung geht, um Aufwickeln oder Spinnen. Serielle Elemente lockern den dicht gewebten, jedoch in Kapitel unterteilten Textkörper, Skizzen und Fotomaterial: eine wohldosierte konzeptuelle Arbeit. Verschiedene Methoden spielen herein, Anleitungen etwa, in Wiederholungen angelegt, die keineswegs trocken und sachlich, sondern vielmehr originell sind. Immer wieder springt die Autorin zwischen Inhalt und Metaebene hin und her, – Metasprachliches funkt herein. So wird eine intellektuelle Spannung erreicht.

Das Buch ist ebenso unterhaltsam wie informativ und in jedem Fall auch für jene empfehlenswert, die von Stricken wenig Ahnung haben.

Petra Ganglbauer

Ilse Kilic und Fritz Widhalm: 2003 – Odyssee im Alltag

Des Verwicklungsromans dritter Teil

edition chARGE
Wien 2003

Wir erinnern „Dieses Ufer ist rascher als ein Fluß“ und „Neue Nachrichten vom gemeinsamen Herd“, Teil 1 und Teil 2 des Verwicklungsromans des Autor/inn/enpaars Ilse Kilic und Fritz Widhalm, – Bücher, die ich mit Spaß und Freude gelesen habe, weil sie gleichermaßen spannend wie informativ sind. Wir erfahren nämlich eine ganze Menge über naz und jana, die Protagonisten des Romans wie deren Alter Egos.

Zeitsprünge sind das bisweilen auch im neuesten Band, Zeitreisen förmlich zwischen gestern, als jana und naz noch jung waren, und heute, und immer wieder blinken Namen auf, die wir kennen. Namen von Autor/inn/en und Künstler/inn/en etwa.

Einige davon sind quasi in realiter präsent, haben sie doch vortreffliche Skizzen des Paares jana und naz für das vorliegende Buch gefertigt: Stefan Krist, Margret Kreidl, Christine Huber oder Lucas Cejpek.

Originell, unterhaltsam, berührend, schwungvoll, witzig, kindlich, sprachspielerisch und spielend geschrieben ist dieser autobiografische Gemeinschaftsroman, ein Stück Geschichte heute schon und Spiegel einer ganz spezifischen Kunst- und Literatur-Szene.
Eine Frage darf noch gestellt werden: Wie geht es weiter?

Petra Ganglbauer

Lucas Cejpek / Christoph Hauri: Kannen Fangen

Ein Skizzenbuch

Edition Das Fröhliche Wohnzimmer
Wien 2003

Lucas Cejpek kennen wir als einen Autor, der die gelungene Verknüpfung aus präziser, beinahe archivarischer Arbeit und poetischen, unerwarteten Kipp-Punkten im Textlauf schafft. Fast alle seine Bücher sind so konzipiert. Sachlich, trocken, beinahe wissenschaftlich zum einen, blumig, unverhohlen zum anderen. Diese poetischen Schnappschüsse kommen unverhofft und werden meist sparsam eingesetzt.

In seiner neuesten Publikation, die Cejpek gemeinsam mit dem Zeichner Christoph Hauri veröffentlichte, gelingt es ihm einmal mehr, allerdings sinnlicher als zuvor, diese beiden Qualitäten zu verschränken. Was dabei herauskommt, ist eine gelungene und sehr lebendige Synthese aus enzyklopädischen oder pseudo-enzyklopädischen Materialien, also konzisen tatsächlichen oder aber auch fiktiven Recherchen zur Kulturgeschichte von Kannen. Der Autor verstreut seine poetischen Kannenrituale gleichsam anekdotisch über den Globus. Schräges, Absurdes, aber auch Glaubhaftes begegnet uns da.
Etwa: „Eine Gießkanne oder Flasche vor der Wohnungstür ist ein sicheres Zeichen für sexuelle Abstinenz.“

Was nun Faktum und was erfunden ist, kann nicht immer eruiert werden, aber gerade das macht den Reiz dieses Buches aus. Vorausgesetzt freilich, die Leser lassen sich auch auf diesen schönen Ab- und Austausch von „Wahrheit“ und „Lüge“ ein.

Schwungvoll und in rhythmischer Korrespondenz die Zeichnungen Christoph Hauris. Ein erfrischendes, geistreiches Buch.

Petra Ganglbauer

Bodo Hell: Ariadne im Garn. Ria nackt.

Eine Racheoper von Renald Deppe, Bodo Hell und Othmar Schmiderer. Mit Textbeiträgen von Leo Dorner, Bodo Hell, Markus Kupferblum, Friederike Mayröcker und Christiane Zintzen, Interview Elfriede Irrall mit Bodo Hell.

Triton Verlag
Wien 2002

Auf die Höhe der Zeit gebrachte Auseinandersetzungen mit traditionellen Stoffen (aus Opern) sind reizvoll. So auch der Inhalt des vorliegenden Bandes, der seinerseits aufwendig produziert und ausnehmend attraktiv gestaltet ist und dessen Herausgabe auf die Uraufführung von „RIA NACKT – Ariadne im Garn. Eine Racheoper (Musik-Text-Film-Bühnenstück).“ anlässlich des NÖ-Donaufestivals 2002 zurückzuführen ist.

Das Buch bietet eine spannende Zusammenschau aus kulturhistorischen Bezügen wie: Rezeptionsgeschichte des Ariadne-Stoffes oder die Entwicklungsgeschichte von Commedia dell’Arte und Oper wie auch Untersuchungen von Mythenrezeption und -bildung in der Welt der Neuen Medien: Mythen als stete Projektionsfläche menschlicher Auseinandersetzung mit den Ur-themen des Lebens. Und: Ihre Positionierung in der heutigen Zeit.

Vorab spielerisch leicht, humorvoll und bewusst manieriert Bodo Hells Libretto. Autograph. Poetische Partitur. In schöner Ergänzung dazu eine Textstelle aus Larifari, einem frühen Buch Friederike Mayröckers.
Ein intensives Gespräch zwischen Elfriede Irrall und Bodo Hell gibt u.a. Aufschluss über die Genese des Librettos wie diverse Arbeitsmethoden.
Beim Blättern wiederum bleibt das Auge an den Abbildungen hängen, etwa an dem inszenatorischen Sog der „Stills“.

Aber das ist noch nicht alles.

Petra Ganglbauer

Peter Pessl: Do forgive me

Das fröhliche Wohnzimmer
Wien 2002
61pessl“Do forgive me” ist ein Textornament. Welches sich auseinander faltet wie ein Schmetterling. Um letztendlich einen ganz kurzen Blick auf diese Welt zu gewähren. Bevor die durchsichtigen Flügel zu schlagen beginnen und für immer verschwinden.

Der Text handelt von einer Frau und einem Mann. Von einer Reise. Von Gewalttätigkeit. Oder einer Verletzung. Eher einer Verletzung. Vielleicht.

“Wir erreichen die Stadt auf einem Fährschiff in tiefstem Winter. Dann brach es ab. Des wieder. Wir schien weiterhin. Wir waren zwei. Wenig ich bewegte Dich leise im Schlaf. Do forgive me.”

Die zeitliche Spanne des kurzen Textes geht von irgend einem 24. Dezember bis zum 1. Jänner. An verschiedenen Orten vertieft der Autor sich und den Leser in die Geschehnisse. Sosehr, dass die letzten beiden Sätze “Wenig Du bewegtest mich leise im Schlaf. I do forgive you!” wie ein Anfang klingen.

Mike Markart

Sabine Gruber: Die Zumutung

Roman

dtv (Taschenbuch), Verlag C.H.Beck (geb.)
München 2003

Ebenso unprätentiös wie gekonnt verfährt Sabine Gruber im vorliegenden Roman. Die Zeiten werden gewechselt, die Perspektiven; Personen mit ihren Lebensinszenierungen kommen vor, und doch und dennoch zieht sich ein thematischer Faden wie ein dickes Seil durch das Buch. Wir können ihn nicht abschütteln.

Neben Interaktionen, Beziehungen, etwa zwischen der Ich-Erzählerin und Männern wie Paul, Leo oder Beppe, artikuliert sich gleichsam vehement und unausgesetzt laut die Auseinandersetzung zwischen der Ich-Erzählerin und ihrem Körper. Er ruft sich in Erinnerung, setzt Zeichen, wird unüberseh- und hörbar. Was einem gesunden Menschen selbstverständliches Vehikel, wird für die Ich-Erzählerin Hürde und Widerstand.

Auf subtile und zugleich beinahe haptische Art flicht die Autorin dieses Thema ein, lässt es unumgänglich werden; die körperliche Befindlichkeit wird nachempfindbar, spürbar; aber niemals aus einem Gestus des Selbstmitleids heraus. Im Gegenteil. Es ist, als ob das körperliche Geschehen zunächst erfahren und sogleich aber durch die Sprache auf Distanz gebracht wird.

Was Gruber auch noch gelingt, ist eine Spannung aufrechtzuerhalten. Eine Spannung, die sich aus dem raffinierten Gestus des Aufbaus des Romans ergibt und ihn dennoch bis zum Ende als sensibles Unterfangen belässt.

Petra Ganglbauer