Harald Münz und Florian Neuner (Hrsg.): Autorenmusik

Erkundungen im Zwischenbereich von Sprache und Musik. Buch mit Audio CD

Reinecke & Voß
Leipzig 2019

„Sprache und Musik verfügen gleichermaßen über Klang, Rhythmus, Tempo, Intonation, Artikulation, Dynamik, Melodie, Gestus, Syntax, Affekt, Expressivität, Performativität und Bedeutung.“
So heißt es in dem Text von Rainer Nonnenmann (Herausgeber der Zeitschrift Musik Texte) im vorliegenden Buch, welches Stücke von SchriftstellerInnen und KomponistInnen versammelt, die im Rahmen des Projekts „Autorenmusik“ (für das SprachKunstTrio sprechbohrer aus Köln) erarbeitet wurden.

Zwischen Lautpoesie und Sprachmusik, Performance und kompositorischer Erforschung der Sprechwerkzeuge bewegen sich die Stücke, die Schriftsteller und Komponisten im Rahmen des Projekts Autorenmusik für das phonetisch-musikalische SprachKunstTrio sprechbohrer aus Köln erarbeitet haben und die 2017/18 in mehreren deutschen und österreichischen Städten aufgeführt wurden.
Die Arbeiten finden sich allesamt an der Schnittstelle zwischen Sprache & Musik.

Die AutorInnen-Diskurse im Buch reichen von Kompositionen mit oder in der Sprache selbst bis zu ästhetischen oder poetologischen Überlegungen. Die Text-Partituren stammen unter anderem vom Herausgeber Florian Neuner selbst, Swantje Lichtenstein (die sich in ihrer bisherigen Arbeit u.a. mit performativem Schreiben oder literarischem Hören im Hinblick auf Gertrude Stein befasst hat), Elisabeth Wandeler-Deck oder Christian Steinbacher.

Eine konsequent gemachte Zusammenschau zum Hören, empfehlenswert für all jene, die den Transit in der Kunst lieben und Sprache als Musik sowie Musik als Sprache erfahren.

Mit beiliegender CD der „Autorenmusik“ 2018.

Petra Ganglbauer

Thomas Havlik: Syllables Shooter

30 Milliarden Silben
Audio CD

edition zeitzoo, www.zeitzoo.at
Wien 2015

Thomas Havlik, Autor, Soundpoet, Performer bezieht in seine akustische Arbeit nicht nur eigene Texte und Versatzstücke aus gebautem und gesammeltem Audiomaterial heran, sondern auch von anderen Künstler/inn/en eingesprochene Silben, Phoneme oder Samples sowie diverse Geräusche (auch jene von Maschinengewehren) oder auch Instrumentales von Kolleg/inn/en.

Die auf dieser ausgewählten und sowohl hinsichtlich der Audiostücke als auch der Bilder und Texte im Booklet ausnehmend spannend gestalteten CD enthaltenen Werke, sind – wie alle Arbeiten des Autors – in ihrer Brechung der spätkapitalistischen Verhältnisse und gesellschaftlichen Normen – ganz und gar auf der Höhe der Zeit angesiedelt.

Die Sprache der beigefügten und vom Autor selbst gelesene Texte, die immer wieder mit dem Soundmaterial interagieren, mutet wie eine Metasprache an, wohl auch durch die bewusste Häufung von Substantiven – auch wenn sie von gesellschaftlichen Involviertheiten erzählt: Die Wahrnehmungsperspektive ist in diesen Arbeiten jedenfalls eine ganz eigene, singuläre.

Und aus den insistierenden akustischen Anläufen wächst darüber hinaus gewissermassen bisweilen eine Neusprache etwa in „TAUMUR.“

Das akustische Potenzial des Autors ist nuanciert und weit gefasst.

Eine spannende Sammlung der jüngsten Arbeiten von Thomas Havlik.

Petra Ganglbauer

Johannes Tröndle: Urgroßvater, Das Zeitmesser

Audio CDs

Audiobeans
Wien 2013

Starke atmosphärische Aufladungen schaffen die beiden Hörspiele Johannes Tröndles, die in relativ kurzer Zeit nacheinander erschienen sind. Beiden gemeinsam sind die Themenbereiche Fremdbestimmung und Manipulation manchmal bis hin zur Gewalt, zur Auslöschung.

„Urgroßvater“ ist ein Stück, das einem einmal als Text, dann wieder als Gesang begegnet, – dies bewirkt die Stimmführung des Autors, der den Text gezielt mit Retardierungen, Tönungen und Akzenten liest; überdies kommen sparsam und wirkungsvoll Geräusche und Klänge zum Einsatz, die mit dem Inhalt des Hörspiels interagieren, diesen aber nie überlagern.
Das Echo totalitärer Strukturen und des Machtmissbrauchs findet sich in der familiären Struktur, in Settings und Sequenzen des Alltags; Deutschtümelei färbt die Landschaft, die Tiere, die Gesten der Menschen mit Gewalt und schwappt schließlich – modifiziert und dennoch analog – als massenmedialer Einschnitt auf ganze Terrains über. Dazwischen findet sich der Bub, der das Dräuen, das Lauernde einer reaktionären und brachialen Gefahr nicht wirklich verarbeiten kann und diesem seelisch ausgesetzt ist.

Das auf mehrere Stimmen verteilte Hörspiel „Das Zeitmesser“ reißt in Schnitten, Sequenzen Etappen des Kindseins an und Zeitfenster auf.

Die Familie ist klein und lebt in einem Holzhaus. Tröndle schafft mit einfachen Methoden Kulissen und Settings und erreicht damit, dass die Hörerin, der Hörer sich unmittelbar im Raum des Erzählten findet.
Ganz nahe an das Kind rücken die Phrasen der Einflüsterer, die Ge- und Verbote, die Aufforderungen an das Kind, den Buben, der sich manchmal verloren aber stets rückgebunden an die eigene Phantasie in sich selbst zurückzieht und dergestalt kleine „Abzweigungen“ nimmt. Zwischen Erinnerung, Traum- und Realität sind die einzelnen Abschnitte angelegt; und einmal – das Kind ist krank – scheint es die Zeit verloren zu haben, hat es die Zeit verloren.

Beide Hörspiele sind politisch und setzen dort an, wo das Grauen beginnt.
Empfehlenswert!

Petra Ganglbauer

Thomas Havlik: das auto voller wasser

Audio CD

edition zeitzoo, www.zeitzoo.at
Wien 2011

Dinge, Tiere, Maschinen, – die Elemente und deren akustische Abdrücke.
Die Arbeiten Thomas Havliks sind präzise Setzungen, die das Wabern und Murmeln, das Brodeln unter der Oberfläche der Wahrnehmung spürbar machen.

Es ist, als ob sich das Subjekt zurückzöge, auf einen entlegenen Aussichtspunkt und von dort aus den Stimmen ihren Lauf ließe. Es gibt diese Erzählinstanz gewiss, jedoch inszeniert sie sich nicht.

Die chorischen Vokal-Elemente muten wie Rückversicherungen, Verstärkungen dessen an, was Gegenstand der Tiefgänge ist. So stellt sich das Subjekt in den Dienst von allem.

„Aufgeackert“ in der Tat ist Havliks Sprache; sie wird angebrochen angedacht, ist voll von poetischer Aufladung.

Eine originelle, empfehlenswerte Audio-Arbeit.

Petra Ganglbauer

Günter Vallaster: ICH TASTE

edition zeitzoo
Wien 2008

Die Umkehrung von Subjekt und Objekt, dieser Abtausch, dieses Ineinanderkippen des Beobachters mit dem beobachteten Gegenstand, die Beseelung von allem, die Mystifizierung von allem, die Spiritualisierung von allem, das sind Wirklichkeitsfacetten, die der Autor auf dieser CD aufzeigt. Einmal zirkulär, (meist), dann wieder linear, immer jedoch architektonisch gebaut, aus kühlem Gestus, poetischem Kalkül: Schlanke beeindruckende Texte sind das, kontemplativ, auch was die Vortragsweise des Autors betrifft.

Organisch ist vor allem auch der 1. Text, landfall, irgendwann ändern sich darin die kompositorische Ausrichtung, die Perspektive, der Rhythmus, Vallaster kommt zur Sprache selbst oder besser: sie kommt zu sich.
Sowohl im ersten als auch im zweiten Text ( ich taste ) wird evident, dass der Mensch Teil von einem großen Ganzen ist, darin aufgeht, davon aufgegriffen wird. Auch wenn es im 2. Text ein Ich gibt, wandelt dieses doch wie in Trance durch die Landschaft aus Industrieanlagen und Cyberspace. Ich könnte auch sagen aus Innenenkopfrealität und Wald.

Wundersame, heute schon selten gewordene Texte sind das, empfehlenswert!

Petra Ganglbauer

Semier Insayif/Martin Hornstein: Libellen Tänze

Buch und CD

Haymon Verlag
Innsbruck 2005

In Art einer Endlosschleife interagieren Noten/Töne und Schriftzeichen in diesem Band, basierend auf den sechs Suiten für Violoncello solo von Johann Sebastian Bach.
Drei der Suiten liegen als CD bei.

Beide Gattungen, Musik und Literatur, öffnen sich füreinander; was die Leserin liest bzw. hört, schwingt ineinander, fließt ineinander, um in einer gemeinsamen Anverwandlung zu münden und sogleich wieder hinauszutreten und sich zu öffnen für ein nächstes Aufeinanderzubewegen.

Eine ansprechende, schöne Zusammenarbeit des Autors Semier Insayif und des Cellisten Martin Hornstein.

Petra Ganglbauer

Sylvia Treudl: Zitat: BACHMANN, Ingeborg. Durchaus ist die Wahrheit zumutbar

Musik: Monika Drasch (Komposition, Zither, Gesang), Cordula Bösze (Komposition, Querflöte), Autorin: Sylvia Treudl
Ein Hörbuch

Edition Aramo
Wien 2003

Sylvia Treudl, die engagierte Autorin, Herausgeberin, Mitinitiatorin und Mitbetreuerin des Unabhängigen Literaturhauses Niederösterreich, ULNÖ, hat sich – angesichts des 30. Todestages von Ingeborg Bachmann – ebenso unprätentiös wie sensibel der Autorin und deren gebrochener, vielschichtiger Identität anzunähern versucht.
Ihr Vortrag auf dieser CD ist eine Durchwirkung:
Treudl greift einerseits Versatzstücke aus dem poetischen Fundus der Autorin auf und bezieht andererseits Sprengsel fulminanter wie vernichtender Bachmann-Kritik in ihren Textlauf ein. Sie kontrastriert, stellt in Frage, bedauert, ironisiert und nähert sich so vorsichtig der fragilen Persönlichkeit der Autorin. Immer wieder tritt dabei die persönliche Wertschätzung in den Mittelpunkt der akustischen Betrachtung, die in Teilen zu einem ebenso optischen Genuß wird, etwa dort, wo Treudl Bachmanns physische Präsenz schildert. Die Sonne. Die Katze. Der Balkon. Rom.

Beachtlich der Duktus dieser Lesung, die von den beiden musikalischen Begleiterinnen Cordula Bösze und Monika Drasch gekonnt ergänzt wird.
Alle drei Interpretinnen gemeinsam schaffen einen Wort- und Klangteppich, der gleichermaßen zum Hören wie zum „Sehen“ einlädt.

Petra Ganglbauer

Margret Kreidl: Laute Paare

Szenen Bilder Listen
Buch mit CD

Edition Korrespondenzen
Wien 2002

Ein vor allem auch konzeptuell interessantes Buch ist das voliegende, welches eine CD (die Autorin liest die Texte) enthält.
Margret Kreidl schließt an jene kühle Ästhetik an, die Teile ihrer bisherigen szenischen Texte ausmacht, aber auch an jene Kitsch- und Volkstümelei-Inszenierungen, welche die Autorin immer wieder mit großem Impetus vornimmt. Der Inhalt dieses Buches: Sexualität, Geilheit, Einsamkeit, Verletzbarkeit, – mitunter äußerst grell und grotesk dargestellt.

Eingangs ein „verfahrenstechnischer“ Hinweis, der bereits auf jene seriellen, permutativen Methoden verweist, die in mehreren Sequenzen folgen. Beinahe chromatisch ist diese Arbeit, spielen doch der Klang der Farben wie ihre Plazierung eine ganz besondere Rolle. Onomatopoetische Kunstgriffe, wie insgesamt eine konsequent durchgezogene Kombinatorik, halten die Texte in Form und Spannung, jeden für sich wie auch untereinander.
Die „Kammerspiele“ leben von der Dramatisierung durch Bewegung und Handlung, die Gesten sind laut, schreiend mitunter.
„Er und Sie“ etwa, eine Sequenz, die sich auch mehrmals wiederholt, lebt von einer vegetabilen Metaphorik, die den Gefühlen starken Ausdruck verleiht. Wie überhaupt Erotik, Leidenschaft, Geilheit in diesem Buch noch durch andere Beschreibungsmechanismen als jene einer Sprache der Pornografie dargestellt werden; ich denke da etwa an „Süsses Paradies“, ein opulentes, fast körperliches Aufgebot an Mehlspeisen und Schleckereien. Vorsicht!

Petra Ganglbauer