Kategorie: Biografie
Gerald Ganglbauer: Ich bin eine Reise
Eine autobiografische Montage
Gangan Verlag
Stattegg 2014
Geboren als Bleistift in Graz, wo die hochwertigen Schriftsteller für den Export hergestellt werden. Das Zitat am Beginn Ganglbauers autobiografischen Werkes verweist auf die besondere Sicht, die der tief in der steirischen Literaturszene verwurzelte Verleger (perspektive) auf seine Heimatstadt Graz hat. Die eines Auslandssteirers mit Außensicht, der erst 2013 heimgekehrt ist. Der Autor gibt intime Einblicke in sein Leben und seine zahlreichen Reisen. Er schreibt über die Intensität der ersten großen Liebe, den Versuch, sich mit einem Ein-Mann-Betrieb über mehrere Kontinente hinweg den Lebensunterhalt zu verdienen und wie Morbus Parkinson sein Leben verlangsamt hat.
Natalie Resch
Gerald Ganglbauer: Geografie der Liebe
132 Seiten, ISBN 978-3-900530-33-4
Gangan Verlag, Stattegg 2016
Von Andrea aus Deutschland, Beate aus Graz, Cynthia aus Japan bis hin zu Zalina aus Russland sind hier das gesamte ABC der Frauennamen und viele Nationen dieser Welt zu finden. Viele Frauen, viele Orte, ein Mann – und seine Leidenschaft. Passion, Liebe, Lust.
Aber dieses Buch ist keine angeberische Aufzählung der Bettgeschichten oder Liebessachen des Autors. Es ist vielmehr ein Stück Lebensgeschichte, das dem aufmerksamen Leser intime Einblicke in die diversen Lebensphasen und Gedankengänge Gerald Ganglbauers ebenso wie intime Einblicke in dessen Schlafzimmer gewährt.
Die erotische Note der Erzählungen entlarvt das voyeuristische Lesevergnügen, zugleich bestechen die z.T. wie eine Chronik präsentierten Darstellungen in ihrer sachlichen Präzision und Klarheit. Kühne Lebensentscheidungen und Umzüge, unkomplizierte Affären und berauschende One-Night-Stands finden alle scheinbar gleichberechtigt ihren Platz im Buch und in der Lebensgeschichte des Autors. Alle Begegnungen zählen, alle Frauen haben einen größeren oder kleineren Eindruck auf seinem Weg hinterlassen. Und er zollt ihnen Respekt – trotz oder vielleicht sogar aufgrund der bestechenden Ehrlichkeit, mit der Gerald Ganglbauer die verschiedenen Episoden schildert.
Denn am Ende geht es um Liebe. Und nur wenige haben den Mut, freie Liebe öffentlich zu plädieren und v.a. selbst wirklich zu leben. Gerald Ganglbauer ist einer von ihnen. Und sein Buch ist ein einzigartiges Zeugnis davon.
Barbara Ladurner
Harald Miesbacher: Werner Schwab
Dossier extra
Droschl Verlag
Graz-Wien 2003
Wer sich mit den formalen Eigenheiten, den skurrilen Besonderheiten, den sprachlichen Konvulsionen Werner Schwabs auseinandersetzen möchte – und dies möglichst genau –, ist mit diesem Buch gut beraten; tut sich doch der ganze wohl recherchierte Fundus Schwabscher Kunstsprache auf, die Mechanik, die Kombinatorik, der Einfall. Schwabs Sprache mutet wie Maschinenlärm an, dann wieder wie Lehrlauf oder philosophischer Exkurs.
Es tut gut, wenigstens nach dem Tod des Autors, die Beschäftigung mit dessen intensivem, wahrhaft brachialem Werk gesichert zu wissen.
Petra Ganglbauer
Paul Wühr: Was ich noch vergessen habe
Ein Selbstgespräch, aufgezeichnet von Lucas Cejpek
Verlag Droschl
Graz-Wien 2002
Die ebenso freimütigen wie unprätentiösen Erzählungen (Selbstgespräche) Paul Wührs über Poetologie und Leben – stets dicht ineinander verschränkt –, sind in diesem Essay-Band, dem insgesamt 47. der gleichnamigen Reihe, äußerst achtsam zusammengestellt.
Lucas Cejpek, seit Jahren mit Paul Wühr in persönlichem Kontakt, hat vor-sichtig wie nachdrücklich die in der Zeit von 17. bis 20. Juni 2000 auf Le Pierle gemachten Tonbandaufzeichnungen aus Gesprächen mit dem Autor und seiner Frau Ingrid Poppe, trefflich in diesem Band zu einem schlüssigen, rauhen, nachgerade kulinarischen Ganzen vereint.
Einfälle, Evokationen, Ausrufe wie: “Das ist ein echtes poetisches Durcheinander! Die Toten sind auch in der Zukunft. Und von dort aus rufen sie zurück in unsere Gegenwart, und zwar bittend, flehentlich bittend: Erzählt uns! – Das ist für mich eine Poesieformel: Erzählt uns nach! Erzählt uns vor!”
Einen Absatz weiter heißt es: “Erzählen ist ungelernt verdrehen, ist unehrenhaft verlügen, aber verlügen eines anderen, um sein Leben zu vervielfältigen. Lacht.”
Wir sehen den Autor, der so offen über seine poetische Ausrichtung spricht, über seine politische Einstellung, seine Haltung gegenüber Frauen und vieles mehr (dies alles so lebendig im Abtausch!), wir sehen ihn – dank der Regiearbeit Cejpeks – unmittelbar vor uns, wir hören seine Stimme, – diese Aufzeichnungen sind Körper geworden, sie muten plastisch an. Sprechen. Aus einer großen künstlerischen Vitalität heraus. Und wir hören und hören und staunen.
Übrigens, die Uraufführung der Theaterfassung “Hier spricht Paul Wühr”, die Cejpek aus dem ersten Autobiografie-Gesprächsband “Wenn man mich so reden hört” (Droschl, 1993) und aus dem vorliegenden erarbeitet hat, findet am 6. September im Literaturhaus Berlin statt.
Petra Ganglbauer